Wehren

[1439] Wêhren, verb. regul. act. welches in einer doppelten Bedeutung gebraucht wird. 1. Einhalt thun, machen, daß ein Ding und dessen Wirkung sich nicht verbreite, sowohl mit dem Dativ der Person, und dessen was ihre Stelle vertritt, allein, als auch, obgleich seltener, mit beygefügtem Accusativ der Sache. Man wehret einem, wenn man ihm in einer Bewegung, oder auch in einer Sache, Einhalt thut. Er läßt sich nicht wehren.


Sie beut sich an, du aber wehrest ihr,

Gell.


Einem etwas wehren. Es wird dirs niemand wehren. Man wollte ihm das Reden wehren. Dem Feuer, dem Wasser wehren, dessen Ausbreitung Einhalt thun. Einem Übel, eines Wuth, seinen Begierden wehren. Dem Müßiggange wehren. Man muß seinem Ernste wehren, daß er nicht mürrisch werde. Ihre beyderseitige Treue wehrt dem feindseligen Verdachte und der tödtenden Eifersucht, Gell. 2. Widerstand leisten, als ein Reciprocum, sich wehren, es geschehe nun auf welche Art es wolle. Sich gegen einen Feind wehren. Sich seiner Haut wehren, seine Person und sein Leben vertheidigen. Die Besatzung hat sich bis auf das äußerste, bis auf den letzten Mann gewehret. Daher das Wehren, doch nur zuweilen in der ersten Bedeutung; in der zweyten ist dafür Gegenwehr üblich.

Anm. In beyden Bedeutungen schon von des Kero Zeiten an weren und piweren, im Niederdeutschen gleichfalls wehren, im Angels. weran im Schwed. värja, im Isländ. veria. Es ist mit wahren in bewahren genau verwandt. Wenn man den Bau des Wortes genau untersucht, so scheint es ein Iterativum zu seyn, welches vermittelst des r von wehen, so ferne es, als ein Verwandter von wegen in bewegen, ehedem der Ausdruck einer jeden mäßigen Bewegung war, abstammet, daher es eigentlich, durch wiederhohlte Bewegung der Gliedmaßen abwenden, und Einheit thun, bedeuten würde.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1439.
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