Wenn

[1490] Wênn, eine Partikel, welche auf gedoppelte Art gebraucht wird.i. Als ein Nebenwort der Zeit, für zu welcher Zeit. Sowohl 1. in der behauptenden oder geraden Form der Rede. Komm, wenn du willst, zu welcher Zeit du willst. Es sey, wenn es wolle. Man merkt es nicht, wenn das Alter geschlichen kommt. Als auch 2. in Fragen. Wenn wirst du kommen? Wenn gehet die Post ab? Wenn ist er angekommen? Seit wenn ist er dein Freund? besser, seit welcher Zeit? Wenn hätte ich denn mit[1490] mir allein geredet? Wo der Conjunctiv nicht von dem wenn, sondern von dem ungewissen Gemüthsstande herrühret. Auch in weiterer Bedeutung, für unter welcher Bedingung? oder, in welchem Falle? Wenn ist ein Dreyeck einem andern gleich? Wenn soll ich das Geld bekommen? Kann sowohl auf die Zeit, als auch auf die Bedingung gehen. 3. In Verbindung mit dann, dann und wann, d.i. zuweilen, zu manchen Zeiten, gehet es um des Gleichlautes Willen in das Oberdeutsche wann über.

II. Als eine Conjunction, welcher Gebrauch bloß eine Fortsetzung der vorigen Bedeutung, und eine unläugbare Figur derselben ist.

1. Als eine consecutive Conjunction, eine Zeitfolge zu bezeichnen, da es diejenige Veränderung ankündiget, mit deren Wirklichkeit, die Wirklichkeit einer andern verbunden ist, sie mag nun im Vordersatze oder Nachsatze stehen, da denn in der behauptenden oder geraden Redeform dann oder so darauf folgen. Wenn ich daran denke, so grauet mir davor; oder, mir grauet davor, wenn ich daran denke. Wenn du da gewesen wärest, so hättest du auch etwas bekommen. Wenn ich dich sehen, o dann hüpft mir das Herz vor Freude, Gesn. Oft wenn du bey meiner schwachen Seite für die Ruhe des matten Alters Freudenthränen weinest, wenn du dann gen Himmel blickest, ach, was empfind ich dann! Gesn. Dem wenn in diesem Falle noch ein daß nachschleichen zu lassen, ist im Hochdeutschen fremd.


Wenn daß dein Herze nur die großen Thaler siehet,

Opitz.


Wird der Fall als ungewiß oder bloß möglich prädiciret, so folget der Conjunctiv. Wenn er Arzeney eingenommen hätte so lebte er noch. Besonders in Fragen. Was wäre daran gelegen, wenn er nun auch käme? Wenn ich es nun thäte, was würdest du sagen? Wo oft noch ein wie vorher gehet. Wie, wenn er nun käme? Aber wenn der andere Fall, nicht aber der, der das wenn vor sich hat, ungewiß ist, so ist der Conjunctiv in diesem fehlerhaft. Es möchte sonst eine Entzündung dazu kommen, wenn ich so lange stünde, richtiger stehe, Gell.

Hierher gehöret es auch, wenn diese Partikel einen Wunsch begleitet: O wenn ich König wäre! Wenn ich nur wüßte, wer es gethan hat! Wenn mir meine Braut das schon wäre, was sie nach ihrem Urtheile werden wird! Gell. Wo die Bedeutung im Grunde consecutiv ist, nur daß der Nachsatz verschwiegen ist.

2. Als eine conditionale Conjunction, eine Bedingung zu bezeichnen, unter welcher eine Veränderung möglich werden soll; da denn allemahl so darauf folget. Wenn es seyn kann, so thue es. Wenn man dich fragt, so antworte. Wenn du nicht mein Freund wärest, so hätte ich geschwiegen. Wo aber auch das so verschwiegen werden kann, in welchem Falle aber der Nachsatz voran treten muß. Thue es, wenn es seyn kann. Ich hätte geschwiegen, wenn du nicht mein Freund wärest. Aber auch das wenn kann verschwiegen werden, in welchem Falle aber das Verbum voran tritt. Kann es seyn, so thue es. Wärest du nicht mein Freund, so hätte ich geschwiegen. Will er nicht müßige Weile haben, so muß er sich doch etwas zu thun machen. Ist dieses kein Glück, so muß gar keins in der Welt seyn, Gell.

3. Als eine concessive Conjunction, da es denn gleich, auch oder schon zu sich nimmt, und sowohl im Vordersatze stehen kann, da denn so – doch oder dennoch im Nachsatze folgen. Wenn du gleich reich bist, so bist du doch nicht weise. Wenn gleich ihr Auge zürnt, so zürnt es dennoch schön, Gell. Und von einem bloß möglichen Falle mit dem Conjunctive. Wenn du auch hundert Augen hättest, so würde er dich dennoch betriegen. Als auch im Nachsatze. Cajus ist verständiger als Titius, wenn[1491] dieser gleich gelehrter ist. Wo auch das wenn verschwiegen werden kann, in welchem Falle aber die Wortfolge geändert wird. Bist du gleich reich, so bist du doch nicht weise. Hättest du auch hundert Augen u.s.f.

4. Als eine comparative Conjunction, doch nur nach dem als, und wenn das vergleichende als bloß möglich vorgestellet wird, folglich mit dem Conjunctive. Er schmeichelt mir, als wenn ich ein Fürst wäre. Sie ist so geputzt, als wenn es heute ein Festtag wäre. Wo das wenn auch weggelassen werden kann. Es war mir, als rückten mir alle, die mich sahen, mein Vergehen vor. Du stellest dich, als wüßtest du nicht u.s.f.

Anm. Im Isidor huanda, bey dem Kero wenne, bey den Schwäbischen Dichtern swenne, im Engl. when. Das Lateinische quando ist genau damit verwandt. Im Oberdeutschen lautet dieses Wort in allen Fällen mit dem breitern Vocal wann, im Niederdeutschen wenn. Die Hochdeutschen haben die letzte Gestalt beybehalten, das einzige dann und wann, d.i. zuweilen, ausgenommen. Von dem nicht bloß unnöthigen, sondern selbst irrigen Unterschiede, welchen einige unter wann und wenn machen wollen, ist schon bey Wann das nöthige gesagt worden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1490-1492.
Lizenz:
Faksimiles:
1490 | 1491 | 1492
Kategorien: