Die Canonisation

[215] Die Canonisation, a. d. Lat. bedeutet die Aufnehmung eines Verstorbenen unter die Heiligen, und geschieht von dem Pabst, dem sie ehedem eine der ergiebigsten Finanzquellen war. Es wird hierbei der Lebenswandel des Verstorbenen untersucht, und ein förmlicher [215] Prozeß darüber eröffnet, wobei ein so genannter Teufelsadvokat eine wichtige Rolle spielt. Er sucht nehmlich die Heiligsprechung auf alle Art zu hindern, und das Leben des gottesfürchtigen Mannes verdächtig zu machen; muß aber am Ende allemal den Prozeß verlieren. Niemand kann canonisirt werden, der nicht einige rechtlich bewiesene Wunder gethan haben soll. Der fromme Wunderthäter wird vorher selig gesprochen; die wahre Heiligsprechung oder Canonisirung geschieht aber erst viele Jahre nach seinem Tode, und dann werden ihm Kirchen und Altäre geweiht, ein Tag wird zu seiner Verehrung angesetzt, und die Reste seines Körpers werden als Reliquien aufgehoben. Der letzte dem diese unverdiente Ehre noch zu Ende des 18. Jahrhunderts wiederfuhr, war der ekelhafte und berüchtigte Bettler Labra.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 215-217.
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