Die Nachtwandler

[207] Die Nachtwandler, Mondsüchtigen. Mit diesem Namen belegt man gewisse Personen, welche in der Nacht, ohne es sich bewußt zu sein, alles das und noch weit mehr verrichten, was ein gesunder Mensch am hellen Tage unternehmen kann. Ein Mondsüchtiger steht zur Nacht auf, geht, immer mit verschloßnen Augen, in eine Schenke, läßt sich zu trinken geben, bezahlt ordentlich, ohne ein Wort zu reden, und legt sich wieder zu Bette. Ein Anderer steht aus seinem Bette auf, und bemüht sich unaufhörlich die Wand hinauf zu klettern. Man hat Beispiele, daß Mondsüchtige die gefährlichsten Höhen erstiegen haben, die kein mit seinen fünf Sinnen begabter Mensch jemahls zu erklettern im Stande gewesen wäre, und daß sie glücklich wieder zurückgekommen sind. Es fehlt bis jetzt noch an einer gründlichen Erklärung dieses [207] Phänomens. Man hat sich sehr zu hüten, daß man die Nachtwandler bei ihren gefährlichen Unternehmungen nicht erwecke. Um ihnen aber das Nachtwandeln abzugewöhnen, darf man ihnen (wie viele behaupten), nachdem sie sich schlafen gelegt, nur ein mit Wasser benetztes Tuch vor das Bette legen; sobald sie beim Heraussteigen auf dasselbe treten, kommen sie wieder zu sich und ziehen sich ins Vette zurück.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 207-208.
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