Johann Amadeus Naumann

[221] Johann Amadeus Naumann, churfürstlich Sächsischer Ober-Kapelldirector zu Dresden, ist im J. 1745 zu Blasewitz bei Dresden geboren. Sein früher Hang und seine Talente zur Musik bewogen seinen Vater, ihn einem Claviermeister in der Stadt zu übergeben, wohin er alle Tage eine Stunde Weges gehen mußte. Er machte starke Fortschritte in der Musik und andern Wissenschaften, und war dreizehn Jahr alt, als ihn ein königlich Schwedischer Virtuos, der seinen Vater besuchte, kennen lernte und, über die Talente des Knaben in Verwunderung gesetzt, den alten Naumann zur Einwilligung bewog, seinen Sohn mit nach Italien nehmen zu dürfen. Der junge Naumann entschloß sich schnell zu dieser Reise. Allein er hatte anfangs wenig Ursache, sich seines Entschlusses zu freuen: die ihm gethanen Versprechungen wurden nicht gehalten; in einem fremden Lande, der Sprache unkundig, ohne Freunde und Unterstützung, mußte er sich den Unterhalt theils in Padua, theils in Venedig kümmerlich genug durch Notenschreiben erwerben. Nach einem Jahre wurde er endlich mit Tartini bekannt, der ihn zum Schüler annahm. Naumann drang jetzt durch seinen Fleiß und zugleich durch den Umgang mit mehrern Künstlern, besonders mit dem Ober-Kapellmeister Hasse, der während des Kriegs nach Italien geflüchtet war, immer weiter in die Kunst ein, ob er gleich oft durch Nahrungssorgen sehr gehemmt wurde. Nach drei Jahren, die er zu Neapel verlebt, wo er die alten Reste der ehemahligen guten Schule eines Leo, Durante etc. aufgesucht [221] und studirt hatte, ging er über Rom nach Bologna, und besuchte hier die Schule des Pater Martini. Sehnsucht nach seinem Vaterlande bewog ihn endlich nach sieben Jahren, eine seiner Arbeiten dem Hofe zu Dresden durch seine Aeltern überreichen zu lassen, welche von der damahligen verwitweten Churfürstin Maria Antonia sehr gütig aufgenommen und Naumann (1765) nach Dresden in die Kapelle berufen wurde. Bald aber trat er seine zweite Reise nach Italien in Gesellschaft Schusters und Seydelmanns an; und seine dritte Reise dahin (er war von Venedig wieder nach Dresden zurück berufen worden, um zur Vermählungsfeier des Churfürsten 1769 die Oper la Clemenza di Tito zu setzen) erfolgte i. J. 1772, wo sein Ruhm sich immer mehr ausbreitete, so daß ihn auch Friedrich II. zum Kapellmeister berief, welche Ehre er aber ablehnte, und darauf am Sächsischen Hofe zum wirklichen Kapellmeister ernannt wurde. – In Schweden erwarb er sich 1776 durch die Oper Amphion noch mehr aber 1780 durch die Cora, mit welcher das neue Operntheater zu Stockholm eingeweiht wurde, und die er selbst dirigirte, ein immerbleibendes Denkmahl; allein die glänzendsten Anerbietungen, hier zu bleiben, konnten ihn nicht bewegen, sein Vaterland ganz zu verlassen. Auch die Dänische Oper wurde durch seine Talente bereichert; und sein in Coppenhagen aufgeführter Orpheus zog ihm ebenfalls die vortheilhaftesten Anerbietungen zu, die er aber ebenfalls ausschlug. Auch in Berlin hat er sich durch mehrere vortreffliche für den Preußischen Hof componirte Opern – Medea, Protesilaus etc. – verewigt. Uebrigens hat er sich neuerlich durch die Erziehung einer trefflichen Sängerin, der Dem. Schmalz, so wie durch den Unterricht des nachher daselbst an Reichardts Stelle angestellten Kapellmeisters Himmel verdient gemacht. Seine vortrefflichen Opern – unter welchen außer den angeführten noch seine neuere La Dama Soldato besonders Erwähnung verdient – so wie die meisten seiner übrigen Compositionen, welche sich stets durch sanfte Melodien, liebliches Accompagnement etc. auszeichnen, machen diesen würdigen Tonkünstler Dilettanten eben so sehr als den Künstlern selbst schätzbar, indem sie ihm unter den Meistern seiner Kunst einen vorzüglichen Rang sichern.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 221-222.
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