Odoaker

[287] Odoaker, ist durch die gänzliche Zerstörung des Abendländischen Römischen Reichs, die sein Werk war, merkwürdig geworden. Er war in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts Anführer einer großen Menge Miethtruppen der Römer, die aus Rugiern, Herulern, Scirren und andern Deutschen Völkern bestanden, benutzte, als Romulus Augustulus 475 auf den Römischen Kaiserthron gestiegen war, die Schwäche jenes Reichs, und forderte für seine Truppen, die sich von Zeit zu Zeit sehr verstärkten, den dritten Theil aller Länder in Italien. Als ihm dieses abgeschlagen wurde, schlug er den Kaiser, nahm ihn 476 in Ravenna gefangen, machte seinem Reiche ein Ende, und unterwarf sich ganz Italien, Vindelicien, Rhätien und Noricum. Er behauptete sich aber nicht lange im Besitz seiner weitläustigen Länder. Im Jahre 489 überzog ihn Theodorich, König der Ostgothen, mit Krieg: die tapfere und verzweifelte Gegenwehr Odoakers war vergeblich; er verlor mehrere Schlachten, wurde endlich nach der Einbuße aller übrigen Plätze in Ravenna eingeschlossen, welche Festung er mit der äußersten Anstrengung über zwei Jahre nachdrucksvoll vertheidigte. Endlich, 493 capitulirte er, übergab Raveuna an den Sieger, und soll sich nach einigen [287] Nachrichten die Mitregentschaft in Italien, nach andern bloß einen standesmäßigen Unterhalt und persönliche Freiheit ausbedungen haben. Allein Theodorich hielt sein Versprechen nicht, vermuthlich, weil Odoaker selbst verdächtige Plane gegen ihn ausführen wollte; er lud ihn noch in dem nehmlichen Jahre zur Tafel ein, ermordete ihn hier eigenhändig, und machte durch diesen Meuchelmord dem Reiche desselben in Italien ein Ende, das nur 16 Jahre gedauert hatte.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 287-288.
Lizenz:
Faksimiles:
287 | 288
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika