Tanchelin

[52] Tanchelin (auch Tandemus genannt), einer der berüchtigsten Schwärmer zu Anfange des 12. Jahrhunderts, der in den Niederlanden, besonders aber in Antwerpen gegen die Sacramente und Bischöfe öffentlich predigte, und beim gemeinen Volke einen außerordentlichen Anhang, ja eine solche blinde Verehrung genoß, daß er die Jungfrauen in Gegenwart der Mütter, und die Weiber in Gegenwart der Männer mißbrauchte. In steter Begleitung von 3000 Bewaffneten wußte er sich allenfalls den Beifall zu erzwingen, und machte übrigens einen Aufwand trotz einem Fürsten. Ein Beweis von der blinden Anhänglichkeit des Pöbels an ihn mag statt aller dienen: Er predigte einst vor einer großen Menge Volkes, und legte dann seine Hand auf ein neben sich gestelltes Marienbild. »Jungfrau Maria, rief er aus, ich nehme Dich heut zu meiner Gattin, und« – indem er sich an das Volk wendete – »Eure Pflicht ist es nun, für die Kosten der Verlobung zu sorgen.« Er ließ sodann Männer und Weiber in zwei dazu hingestellte Kisten einlegen, wobei die Wuth zu steuern so groß war, daß die Weiber sich Ohrgehänge und Halsbänder abrissen, um nur zu geben. – Im J. 1105 begab er sich in Mönchskleidern nach Rom, und breitete auch hier seine Irrthümer aus; allein auf der Rückreise ließ ihn der Erzbischof Friedrich zu Cölln arretiren und ins Gefängniß legen, aus dem er zwar nach einiger Zeit flüchtete, allein endlich tödtete ihn ein Priester auf einem Schiffe, auf welchem er sich mit ihm zugleich befand (1115). Seine Anhänger, welche man Adamiten, auch Longobarden oder Danguinarier nannte, suchte der heil. Norbertus, der sehr wider jenen gefährlichen Enthusiast eiferte, größten Theils zu bekehren.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 52-53.
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