Der Syncretismus

[381] Der Syncretismus (a. d. Griech.) heißt das Bestreben, mehrere einander entgegen laufenhe Meinungen – oder überhaupt verschieden Denkende mit einander zu vereinigen. Das Wort hat folgenden Ursprung: die Cretenser nämlich hatten unter sich verschiedene Religionssecten, so daß häufig unter ihnen Streit und Uneinigkeit entstanden; sobald aber ein [381] Feind von außen her sie bedrohte, so traten sie alle gemeinschaftlich zusammen, vergaßen ihre Streitigkeiten und leisteten dem Feinde gemeinschaftlich Widerstand. Von diesen also nahm man nun die Benennung her, welche man auf diejenigen anwendete, die, nach Art der Cretenser, zuvor Feinde gegen einander gewesen und nun auf einmal in ein freundschaftliches Bündniß zusammen traten: daher heißen denn auch Syncretisten diejenigen, welche gewisse Partheien von entgegen gesetzten Meinungen mit einander zu vereinigen suchen, und es giebt dann hauptsächlich einen philosophischen und theologischen Syncretism; der philosophische sucht die verschiedenen Lehrsätze der Philosophen entweder unter sich selbst (z. B. den Plato und Aristoteles) oder mit der heiligen Schrift zu vereinigen; der theologische, welcher auch blos nur Syncretismus heißt, bemüht sich die verschiedenen Religionen und deren Lehrsätze mit einander zu vereinigen, oder wenigstens unter den anders Denkenden Friede und Einigkeit zu stiften.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 381-382.
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