Lesbos

[558] Lesbos, eine bei den Alten theils wegen ihrer großen Fruchtbarkeit, theils wegen der Ausschweifungen ihrer Einwohner, theils wegen mehrerer von hier gebürtigen berühmten Menschen merkwürdige griechische Insel aufm ägäischen Meere an der asiatischen Küste gelegen. Von Hügeln und Gebirgen durchschnitten, war sie mit Cypressen, Weinstöcken, Fichten besetzt. – Getreide im Ueberfluß, Edelsteine, Oliven- und Feigenbäume – hauptsächlich aber der Wein, der fast allen griechischen Weinen vorgezogen wurde, gaben der Insel einen so hohen Grad von Ueppigkeit, daß auch selbst die Einwohner, dadurch verführt, wegen ihrer ausschweifenden Sitten und ihrer Zügellosigkeit, mit welcher sie dem Bacchus und der Venus gleich stark opferten, eben so berüchtigt, als wegen ihrer feinen Lebensart und ihres angenehmen Umgangs berühmt waren, und selbst die Römer machten in der Folge Lesbos oft zum Sitz wollüstiger Ruhe. Tonkunst und Poesie erlangten hier einen vorzüglichen Grad der Kultur: es befand sich hier eine vorzügliche Schule der Musik, die Orpheus selbst (s. d. Art.), dessen Haupt und Leier, als er von den Bacchantinnen zerrissen worden war, der Fabel nach, hieher getrieben worden, aus Dankbarkeit, weil sie das[558] Haupt begruben, und die Leier in Apollos Tempel aufhingen, ihnen ganz vorzüglich verliehen hatte. Daher auch eine Menge Tonkünstler in Lesbos ihren Geburtsort verehrten, z. B. Arion von Methymna (einer der blühendsten Städte dieser Insel), Terpander von Antissa u. m. Unter den lyrischen Dichtern aus Lesbos waren Alcäus und die Sappho; als einer der sieben Weisen, Pittacus; ferner die Philosophen Theophrast, Theophanes etc. höchst berühmt.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 558-559.
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