Pius VI.

[251] * Pius VI. Die Kränkungen dieses unglücklichen Greises sollten noch mit seinem Ende vermehrt werden. Gegen Ende des Jahres 1797 wurde der französ. General Duphot, der sich in Rom befand, bei einem Zusammenlauf, den er durch seine Gegenwart zerstreuen wollte, durch päpstliche Soldaten ermordet. Der Aufstand wurde allgemeiner, der französische Gesandte mußte sich flüchten, und bald waren die Franzosen vor Rom, um dafür Rache zu nehmen: sie bemächtigten sich der Stadt, und zugleich der Person des Papstes, der dann sofort nach Siena, dann in eine Karthanse bei Florenz, und endlich nach Frankreich gebracht wurde. Bis an Frankreichs Grenzen wurde der fromme Greis auf dieser Reise äußerst hart und grausam behandelt; von 2 Dragonern und 2 französischen Commissairen begleitet, mußte er ganz früh aufstehen, spät in der Nacht, und auf holprigen Wegen sich herumstoßen lassen und aller Bequemlichkeiten entbehren: und doch trug er alle diese Leiden still und ohne Murren. Von den Grenzen Frankreichs an genoß er eine mildere Behandlung, mehr Ruhe und viel Ehrerbietung; ja, in Rennes erhob sich beinahe ein Aufstand, da das Volk ungestüm verlangte, ihn zu sehen, bis er endlich, auf Zureden der Municipalbehörden, am Fenster erschien, und dem niederstürzenden Volke seinen Segen ertheilte. Er kam endlich bis Valence [251] in Dauphine an der Rhone. Hier ganz in sein Zimmer zurückgezogen, trug er die päpstliche Kleidung bis ans Ende, speiste, nach der Etikette seines Hofs, ganz allein, indem er blos den spanischen Gesandschaftssekretair, Labrador, den er sehr lieb gewonnen hatte, bei seiner Mittagsmahlzeit vor sich ließ, und endete auch hier, sanft und ohne schweren Todeskampf, am 29. August 1799 im 82. Jahre sein Leben. Seine kleine Verlassenschaft an Kleidern u. dergl. – das einzige, was ihm übrig geblieben war – vermachte er zwar seinen getreuen Dienern, die ihn begleitet hatten; allein auch diese armseligen Kleinigkeiten ließ ihnen nicht einmal die Municipalität von Valence, die es für französisches Nationaleigenthum erklärte! Funf und zwanzig Jahre hindurch hatte dieser unglückliche Papst die Kirche unter den traurigsten Umwandlungen und Erschütterungen regiert; aber er selbst schien bei seiner Wahl zum Papste sein unglückliches Loos zu ahnden. Denn mit Thränen rief er damals: »Ach! meine Freunde, Euer Conclave ist beendiget – mein Unglück fängt nun vielleicht an!« Sein Körper wurde in Erwartung höherer Befehle einbalsamirt, mit dem päpstlichen Gewand bekleidet und in einen bleiernen Sarg gelegt, bis er endlich auf Bonapartes Consularbeschluß mit den gewöhnlichen Ehrenbezeugungen am 17. Febr. 1802 nach Rom abgeführt, die Eingeweide aber, in einer goldnen Kapsel, in Valence mit großen Feierlichkeiten beigesetzt wurden.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 251-252.
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