Portugall

[276] * Portugall spielt auch in den neuesten Ereignissen der Zeit eine bedeutende Rolle, und verdient wol [276] eine kurze Erwähnung seiner ältern Geschichte. – In früheren Zeiten und bis zum 12. Jahrhundert hatte es gleiche Schicksale mit Spanien (s. d. Art.). Im Jahr 1109 bekam endlich Heinrich, ein geborner Graf von Burgund, diese Herrschaft, nachdem er sie schon 1093 von Alphons VI., Könige von Castilien und Leon, zur Mitgift mit seiner Gemalin und als Lehen des Königreichs Leon erhalten hatte, die Souverainität darüber, unter dem Namen eines Grafen von Porto Cale (der Hasen Cale): daher die Benennung. Nach mehreren Siegen über die Araber, wodurch er diese seine Erbgrafschaft sehr erweiterte, starb er 1112, und sein Sohn Alphons I. machte ein Königreich daraus, aber auch zugleich dasselbe, gegen zwei Mark Goldes jährlichen Kanon, den Päpsten zinsbar. Seine Nachfolger eroberten Algarbien, wurden aber immer in die Streitigkeiten der Spanischen Reiche verflochten. Ein sehr würdiger Regent war Dionysius der Gerechte, von 1279 bis 1325 auf dem Throne, unter welchem Landescultur und Gewerbe befördert, Ackerbau, Handel und Schiffahrt vermehrt, Künste und Wissenschaften befördert wurden (er errichtete z. B. die Universität zu Lisboa, nachher nach Coimbra verlegt). Unter Johanns II. († 1495) – auch schon vorher durch die Bemühungen des Inf. Heinrich des Schiffahrers, wurden die azorischen Inseln, das Vorgebirge der guten Hofnung und die Goldküste Guinea entdeckt. Aber auch ein schwerer Kampf zwischen dem Adel und dem König brach aus, indem Johann II. dem Adel viele Rechte nahm oder einschränkte, dieser aber, und besonders das mit dem König verschwägerte Haus Braganza, geheime Verbindungen, ja sogar Verschwörungen wider des Königs Leben machte, die aber entdeckt, durch Hinrichtungen und Confiscationen unterdrückt, und der Adel auf immer gedemüthiget wurde. Johann zeichnete sich übrigens durch hohen Muth und Liebe zu den Wissenschaften aus; auch nahm er von den 1492 aus Castilien vertriebenen Juden an 83,000 in seinem Reiche auf. Portugall glänzte jetzt als eine der ersten Nationen; aber zu groß war der Schwindel, und es sank nur allzubald wieder zurück. Philipp II. von Spanien vereinigte Portugall mit seinem [277] Reiche, und es ward als spanische Provinz mit großer Härte behandelt; allein die Portugiesen rissen sich 1640 wieder los, setzten Johann IV. aus dem Hause Braganza auf den Thron, und Spanien mußte 1668 Portugall wieder als unabhängiges Reich erkennen. Aber dennoch war die Selbstständigkeit des Staats dahin. Schwäche entnervte ihn, die Abhängigkeit von England lähmte alle Industrie. Josephs I. Regierung, von 1750 an, war eine der merkwürdigsten, theils wegen des schrecklichen Erdbebens von 1755 (s. d. Art. Lissabon), theils durch die Verschwörung gegen den König 1759 (s. Th. III. S. 466.), welche unter andern auch die Verbannung der Jesuiten aus dem Reiche zur Folge hatte, theils durch den Krieg mit Spanien 1762 und durch die großen auszeichnenden Anordnungen des Ministers Pombal (s. d. Art.). Josephs älteste Tochter Maria folgte 1777, welche ihren Gemahl zum Mitregenten annahm, der aber schon 1786 starb. Sie selbst befiel (1792) eine Geistesschwäche, die nachher in Wahnsinn ausartete, so daß endlich der Kronprinz, Juan Maria Joseph, die Regierung übernahm, und auch rühmlich führte. In der neuesten Zeit wurde er aber in den traurigen Krieg gegen England verwikkelt. Durch ein Edikt vom 20. Oct. 1807 erklärte er, daß er des allgemeinen Friedens wegen sich gedrungen sehe, mit Frankreich sich zu vereinigen, und es wurden auch dem zu Folge alle Portugiesischen Häfen den Engländern geschlossen; allein, damit nicht zufrieden, verlangte Frankreich, daß man sich sogleich auch aller in Portugall befindlichen englischen Waaren und der Engländer selbst bemächtigen sollte: da dies aber der Kronprinz-Regent verweigerte, so rückte am 19. Nov. eine Armee unter Junot in Portugall ein, und ging mit Eilschritten auf die Hauptstadt zu. Der Prinz-Regent schiffte sich hierauf am 25. Nov. mit seiner ganzen Familie ein, und ging den 29., in Vereinigung mit dem Englischen Admiral Sir Sidney Smith, nach Brasilien unter Segel, nachdem er in zwei Proclamationen erklärt hatte: 1) daß er sich blos bis zum allgemeinen Frieden nach seinen Besitzungen jenseit des Meeres begeben wolle; 2) dem eingesetzten provisorischen Gouvernement den Befehl ertheilte, die Franzosen freundschaftlich [278] aufzunehmen. – Junot, nachher zum Herzog von Abrantes erhoben, rückte nun am 30. Nov. in Lissabon ein, und erklärte, daß er zum Schutz der Portugiesen gegen den gemeinschaftlichen Feind, England, erscheine. Bald darauf wurde durch den französ. Kaiser der vorige Beherrscher Portugalls für immer seines Staats verlustig erklärt, und dem Lande selbst eine Contribution von 100 Mill. Franken (40 Mill. Crusaden) auferlegt. Indessen wurde doch das Land noch nicht förmlich von Napoleon in Besitz genommen, sondern nur (durch die Proclamation vom 1. Febr 1808) eine provisorische Regierung eingesetzt, übrigens aber wurden gegen alle Communication mit den Engländern die ernstlichsten Masregeln genommen. Allein England blieb nicht so ruhig dabei: es ließ eine Armee von 30,000 Mann ans Land setzen, und jetzt begann der Krieg zwischen ihnen und den Franzosen in Portugall aufs ernstlichste, so daß nach der Schlacht bei Vimiera am 21. Aug zwischen dem englischen General Arthur Wellesley und dem französ. General Kellermann ein Waffenstillstand, und sogar (d. 30. Ang.) eine definitive Uebereinkunft dahin zu Stande kam, daß die französische Armee mit Waffen, Bagage und Kanonen ganz Portugall räumen, und hingegen die englische Regierung den Transport derselben bewerkstelligen mußte. Dem gemäs besetzten denn nun auch die Engländer am 15. Sept. Lissabon, nachdem Junot das Land 10 Monate lang occupirt hatte.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 276-279.
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