Rußland

[334] [334] * Rußland wurde in seinem Flächeninhalt zu der Zeit, als Alexander I. den Thron bestieg, auf 336,332 Quadrat-Meilen – nemlich mit Inbegriff des durch Grusien und durch die Stadt und das Gebiet von Derbent noch hinzu gekommenen Umfangs von 878 Quadrat Meilen – angeschlagen; der Volksbestand aber, nach dem neuesten Abriß von Storch und Hassel, mit Inbegriff der Bevölkerung Grusiens, der Kirgisensteppe etc. auf 40,340,940 Seelen, so daß im Durchschnitt 119 Menschen auf die Quadrat-Meile kommen. – In Rücksicht der Thronfolge hat Paul I. 1797 dieselbe dahin bestimmt, daß erst nach Aussterben der männlichen Nachkommenschaft die weibliche den Thron besteigt. Die Großjährigkeit ist auf das 16. Jahr gestellt. Uebrigens hat sich der Monarch die höchste Leitung der Geschäfte vorbehalten: er fordert den Rath seines Conseils und des Staatsministeriums, welches nach der neuen Organisation von 1802 in Acht Abtheilungen zerfällt: 1) in das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (der Chef ist der Reichskanzler), 2) das Kriegs-, 3) das Marine-, 4) das Justiz-Ministerium, 5) das Ministerium des Innern, 6) das Finanz-, 7) das Commerz-Ministerium, 8) das Ministerium der Aufklärung. – Unter den Erziehungs-und Lehranstalten ist das seit 1804 neu organisirte Pagencorps dem Range nach die erste Anstalt, indem einige hundert Zöglinge aus den ersten Familien hier erzogen werden; nicht minder verdient die deutsche Hauptschule bei St. Petri in Petersburg (obgleich keine Kron-Anstalt) Erwähnung, wo 475 Zöglinge von allen Nationen und Ständen und 20 der geschicktesten Lehrer sich befinden. – In Betreff des Militairs sollte nach dem Etat von 1805 die Landmacht 543,141 Mann betragen. Die neu organisirte Landmiliz betrug 612,000 streitbarer Männer. Die Seemacht ist zwar nach dem Etat von 1803 ohne die Scheerenflotte auf 53 Linienschiffe und 34 Fregatten festgesetzt, besteht aber gegenwärtig nur in 32 Linienschiffen, 18 Fregatten und 59 kleinen Fahrzeugen, die Scheerenflotte aus 226 Seegeln.

In den Kriegen, welche in der neuern Zeit zwischen dem deutschen Reiche und Frankreich zum Ausbruch kamen, [335] und wo Rußland schon im Jahr 1804 bei der deutschen Reichsversammlung wegen der Verletzung des Territorial-Rechts, bei Gelegenheit mehrerer unternommenen Verhaftungen, Eröffnung gethan, und jene auf die nachtheiligen Folgen aufmerksam gemacht; übrigens auch der französischen Regierung eine Note darüber hatte zustellen lassen, die aber am Ende zu einer völligen Entfernung des russischen und französischen Hofs führte; erklärte endlich Rußland (1805) sich ganz entschlossen, den Krieg mit der höchsten Anstrengung, bis zur Erzwingung eines angemessenen Friedens Vertrags, aufs beharrlichste fortzusetzen; große Truppenbewegungen unterstützten auch diese Erklärung, und ein Concert-Tractat mit Großbrittanien bestätigte eine förmliche Ligue, die man gegen Frankreich zu Erhaltung der Unabhängigkeit, des Friedens und Wohlstandes von Europa einging. In der Mitte Oct. 1805 erschien denn auch die erste Abtheilung der Russen; ja, gegen Ende Nov. erschien der Kaiser selbst bei seinem Heere. Der französische Kaiser schlug diesem eine persönliche Zusammenkunft vor, welche aber abgelehnt wurde. Es kam zu der merkwürdigen Schlacht bei Austerlitz (am 2. Dec.); und dem darauf erfolgten Waffenstillstande trat zwar der Kaiser von Rußland nicht bei, nahm auch keinen Theil an dem bald darauf abgeschlossenen Frieden zu Preßburg; zog aber seine Truppen zurück, und schien nun nicht sehr geneigt mehr, den Krieg fortzusetzen. In dem folgenden Jahre näherte man sich und 1806. d. 20. July wurde zwar von dem Staatsrath v. Oubril zu Paris ein Friede abgeschlossen, dem aber der Petersburger Hof die Ratification versagte. Bald brach auch der Preußisch-Französische Krieg aus, und Alexander machte nun (am 20. Nov. 1806) seinen Entschluß, dem König von Preußen mit aller Macht beizustehen, bekannt; es wurden die höchsten Zurüstungen gemacht – den Erfolg davon haben wir kürzlich in dem Nachtr. zu dem Art. Preußen (Nachtr. Th. II. S. 28.) angeführt. Der Friede zu Tilsit erfolgte, und Rußland erkannte darin die Könige von Neapel, Holland, Westphalen, ferner den Rheinbund etc. an, und trat die Herrschaft Jever in Ostfriesland an den König von Holland ab. – Im Oct.[336] 1807 kam es denn auch nach gemachten vielseitigen Bemühungen zur allgemeinen Ausgleichung mit England, und nach vielfachen gegenseitigen Unterhandlungen zu einer Erklärung Rußlands gegen England, worin dieses von jenem beschuldigt wurde, ihm während des Kriegs mit Frankreich gar nicht beigestanden, vielmehr seinen Handel belästigt, Dänemark angegriffen zu haben etc. und wodurch Rußland zugleich alle freundschaftlichen Verhältnisse und Communicationen mit England aufhebt, nicht minder alle zeitherigen Verträge und Conventionen für nichtig erklärt, auch die Grundsätze der bewafneten Neutralität neuerdings proclamirt etc.

Die übrigen Ereignisse Rußlands in Betreff der andern Staaten s. m. i. d. einzelnen Art. als: Pohlen, Türkei etc. auch Finnland i. d. Nachtr.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 334-337.
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