Taurien

[387] * Taurien (Chersonesus Taurica), vorher die Halbinsel Krimm, entstand aus den Trümmern des Reichs der Tartar-Chans von Kaptschak und erhielt den Namen von der Stadt Krimm, die [387] im J. 1237, wo die mongolischen Tatarn ihr Reich auf einer Halbinsel errichteten, ein wichtiger Handelsplatz war. Die Fürsten waren ganz unabhängig, bis die Genueser sich im 15. Jahrhundert hier niederließen und nach und nach so um sich griffen, daß sie die Chans nach Belieben ein und absetzten. Als in der Folge die Genueser von den Türken vertrieben wurden, maaßten sich diese bald jenes Recht der Wahl an und die Pforte ernannte in der Folge den Chan allein, welcher seine Regierung so lange behielt, als es dem ottomanischen Sultan gefiel. Das schwarze Meer, wo vorher der Handel blühte, wurde nun, da es bei den Türken war verschlossen, und die Häfen der Krimm verloren ihr Ansehen und ihren Reichthum. Allein nach dem Kriege der Pforte mit Rußland wurde durch den Frieden zu Kainardschi (1774) die Krimm für unabhängig erklärt, und die Tartarn erhielten das Vorrecht, wieder ihren eignen Regenten aus dem Stamme des Gingis-Chan selbst zu wählen, und weder der russische noch der türkische Hof sollte sich in die Wahl des Chans, noch in ihre inneren Angelegenheiten mischen. In Gemäsheit dieser Bedingungen wurde nun Schahin Guerrai zum Chan von den Beys und Mursas (etwa nach unsrer Art: dem großen und kleinen Adel) gewählt. Indessen blieb dieser neue Chan nicht lange beim Volke beliebt: er suchte zu sehr zu reformiren, hob die alte Regierungsform auf und ahmte die Christen und Russen gar zu sehr nach; überdies machte er auch großen Aufwand, und die Türken ermangelten nicht durch Emissarien das Volk aufzuhetzen. Der für seine Sicherheit besorgte Chan rief ein Corps Russen zu Hülfe und verlegte einzelne kleine Corps in verschiedene Theile des Landes bis endlich (im J. 1777) die Tararn in der Krimm und der Kuban die Russen überfielen und niedermachten: der Chan hatte sich ins russische Hauptquartier geflüchtet; zu gleicher Zeit aber die Pforte einen neuen Chan ernannt. Bald rückte eine russische Armee in die Krimm, schlug die Tatarn und brachte sie zum Gehorsam gegen ihren Chan; allein dennoch dauerten die Unruhen fort und die Kaiserin Catharina II. der beständigen Unruhen müde, bemächtigte sich 1783 der Krimm und der Kuban, setzte [388] dem Chan einen sehr beträchtlichen Jahrgehalt aus; allein dieser unglückliche Fürst, welcher nachher nach Constantinopel ging, wo man ihn Anfangs mit großer Auszeichnung empfing, wurde bald auf eine griechische Insel verwiesen und erdrosselt!

Die Kaiserin Catharina II. war nun darauf bedacht, Handel und Manufakturen in einem Lande wieder zu beleben, das eine so herrliche Lage dazu hat, legte neue Niederlassungen an, und versuchte überhaupt alles, um die barbarische Wildheit zu mildern, und diesen so verwüsteten Theil der Erde wieder fruchtbar und ergiebig zu machen. Die Zahl der Einwohner unter Schahin Guerrai (dessen Einkünfte an 900,000 Dollars, außer den von Constantinopel kommenden Geldern betrugen) war im J. 1781 von der Krimm ungefähr auf 100,000, von der Kuban auf 600,000 Seelen zusammengeschmolzen, indem zwei Drittel der Einwohner seit dem Anfange der Regierung des letzten Chans nach der Turkei ausgewandert waren. Im J. 1800 waren 120,000 männliche Einwohner in der Krimm. Im Jahr 1802 erklärte es Kaiser Alexander zu einem eignen Gouvernement und es besteht dasselbe nunmehr aus drei Theilen: 1) der Halbinsel Krimm (worin die Hauptstadt Kaffa [Feodosia] mit 80,000 Einwohnern, zum Freihafen erklärt worden ist); 2) die krimmische oder nokayische Steppe; 3) die Halbinsel Taman.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 387-389.
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