Geschwindschreibeckunst

[203] Geschwindschreibeckunst. Schnellschreibekunst, Redezeichenkunst oder Stenographie ist die Kunst, ebenso schnell zu schreiben, als ein Redner zu sprechen vermag, und dabei doch eine vor Misverstand sichernde Deutlichkeit der Schriftzüge zu erreichen. Bei unserer gewöhnlichen Schrift ist ein so schnelles Schreiben nicht möglich und wie sehr sich an Zeit ersparen lasse, wenn man sich einfacherer Schriftzeichen bedient, kann man im Allgemeinen leicht übersehen. Es hat z.B. jede gewöhnliche Druckseite im Durchschnitt 120 n, auf einem Druckbogen von 16 Seiten stehen mithin 1920 n, jedes n in der gewöhnlichen Schrift besteht aus fünf Strichen; um alle n eines Bogens zu schreiben, muß man folglich 9600 Striche machen. Schreibt man nun aber das n mit einem Striche, so braucht man statt dessen nur 1920 Striche, und man erspart folglich an diesem einen Buchstaben auf dem Bogen 7680 Striche, d.h. die Arbeit fast einer halben Stunde. Bei der Geschwindschrift geht man zunächst darauf aus: die Buchstaben mit den möglichst einfachen Zeichen auszudrücken und zugleich diese Zeichen so zu wählen, daß sie sich mit der größten Leichtigkeit untereinander in Verbindung setzen lassen, damit man keine bedeutungslosen Verbindungsstriche zu machen nöthig hat. Ein sehr bedeutendes Mittel, Zeit zu sparen, ist aber auch noch das Abkürzen aller derjenigen Worte, welche in der Sprache sehr häufig vorkommen, z.B. der Artikel, Bindeworte und dergl., sowie auch der häufig auftretenden Endsylben und gewisser Vorschlagsylben. Es ist klar, daß die Geschwindschrift der Sprache, welche in ihr geschrieben werden soll, angepaßt sein muß, weil in den verschiedenen Sprachen andere Buchstaben am häufigsten vorkommen und am öftersten in Verbindung mit andern Endsylben und Anhangssylben auftreten u.s.w.; daher läßt sich die für eine Sprache angenommene Schnellschrift nicht ohne Weiteres bei einer andern Sprache anwenden. Für die deutsche Sprache hat namentlich Gabelsberger, auf wissenschaftliche Untersuchungen gestützt, eine Geschwindschrift geschaffen, welche schon vielfache Anwendung gefunden hat. Bei derselben sind die einfachsten geraden und gebogenen Striche – | / \ ( ) Geschwindschreibeckunst ñ zu Grunde gelegt und aus ihnen folgendes Alphabet hergestellt worden:

Geschwindschreibeckunst

Das zusammengeschriebene Alphabet hat folgendes Ansehen: Geschwindschreibeckunst Beim Schreiben soll man sich anstatt der Tinte und Feder guter Bleistifte und sein linirten Papiers bedienen. Die Geschwindschrift ist leichter und schneller zu schreiben, als zu lesen, und man muß sich vorerst an Vorschriften im Lesen derselben üben, ehe man [203] daran, geht, sie schreiben zu lernen. Die Geschwindschreibekunst hat sich besonders in den Staaten nöthig gemacht, in denen durch constitutionnelle Einrichtungen das möglichst genaue Aufzeichnen öffentlicher Reden nöthig geworden ist, und hat daher auch zuerst in England sich ausgebildet. Doch hatten auch schon die Römer eine Art von Stenographie.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 203-204.
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