Arbeit

[108] Arbeit ist menschliche Thätigkeit zu vernünftigen Zwecken. Nur Menschen können arbeiten, weil sie allein nach Zwecken handeln können. Man sagt zwar im gewöhnlichen Leben auch von den Thieren und Maschinen, daß sie arbeiten, wenn die Kräfte derselben zur Beförderung menschlicher Zwecke verwendet werden; allein im Grunde ist es doch nur der Mensch, der durch die Kraft der Thiere und der Maschinen thätig ist, da er jene abrichten, diese erfinden mußte. Auch ist die Thätigkeit der Thiere zur Befriedigung ihrer eignen Bedürfnisse von der menschlichen Arbeit sehr unterschieden. Das Thier arbeitet nur, wie es ihm von seinem Instincte eingegeben wird, der Mensch dagegen mit Vernunft und nach freier Wahl. Darum ist auch bei der Arbeit der Thiere kein Fortschritt zum Bessern und Vollkommenern bemerkbar, während die Arbeit der Menschen mit ihrer geistigen Ausbildung zu größerer Vollkommenheit fortschreitet. Allein nicht jede Thätigkeit der Menschen, sondern nur diejenige, welche auf vernünftige Zwecke gerichtet ist, kann Anspruch darauf machen, Arbeit genannt zu werden. Auch ist es keine Arbeit, sondern nur Spielerei, wenn Jemand, wäre es auch mit dem größten Fleiße und mit der geübtesten Kunstfertigkeit, Dinge treibt, welche keinen Nutzen bringen, den Geist nicht fördern und überhaupt nicht zur Erreichung der Zwecke beitragen, welche die Bestimmung des Menschen sind, wie dies z.B. bei Seiltänzern, Taschenspielern und Leuten ähnlicher Art der Fall ist. Arbeit ist nur diejenige Thätigkeit des Menschen, welche darauf gerichtet ist, die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen, und zwar nicht nur die niedern und leiblichen, sondern auch die höhern und geistigen. Die menschliche Arbeit ist demnach so verschieden, wie die Bedürfnisse selbst, welche durch sie befriedigt werden sollen.

Die alte Eintheilung, nach welcher alle Arbeit entweder productiv, d.h. darauf gerichtet ist, Früchte aus Grund und Boden zu gewinnen, oder nichtproductiv, d.h. in Thätigkeit anderer Art besteht, z.B. der des Handwerkers, Künstlers, Staatsdieners und Gelehrten, ist unrichtig, da die menschliche Arbeit überhaupt nicht productiv ist. Die Thätigkeit des productiven Arbeiters, z.B. des Landmanns, geht nicht weiter, als daß er sein Feld gehörig bestellt; daß aber die Saat aufgeht und zur Frucht reist, ist das Werk der schaffenden Kraft der Natur. Wollte man aber sagen, die productive Arbeit sei besser als die unproductive, so wäre dies ein großer Irrthum, da beide gleich nützlich und gleich nothwendig sind. Die Arbeit des Landbauers würde nicht viel helfen, wenn nicht der Müller das Korn mahlte und der Bäcker das Mehl genießbar machte. Alle drei aber würden umsonst arbeiten, wenn nicht die Staatsdiener durch ihre Arbeit dafür sorgten, daß Recht und Gesetz walteten, unter deren Schutze man die Frucht seiner Arbeit ruhig genießen kann. So muß productive und unproductive Arbeit Hand in Hand gehen und sich gegenseitig unterstützen. Nicht minder unstatthaft ist die Eintheilung der Arbeit in Werkthätigkeit und Geistesthätigkeit, da in reiner Werkthätigkeit, welche die Geistesthätigkeit gänzlich ausschließt, die Arbeit niemals bestehen soll.

Das Wahre an den verschiedenen Eintheilungen der Arbeit ist, daß sich verschiedene Individuen in die verschiedenen Arten der Arbeit theilen müssen, wenn etwas Tüchtiges geleistet werden soll. Eine gehörige Theilung der Arbeit ist daher viel wichtiger als jede Eintheilung derselben. Da nicht ein und derselbe Mensch zu jeder Arbeit geschickt ist, so muß sich ein Theil der Menschen dieser, ein anderer Theil jener Arbeit widmen. Durch eine solche Theilung wird die eine Classe der Arbeiter der andern unentbehrlich, denn die eine muß immer für die andere arbeiten und alle haben den gemeinschaftlichen Vortheil, daß ihre Bedürfnisse weit besser und vollkommener befriedigt werden, als wenn sie selbst jede Art der Arbeit verrichtet hätten. Noch viel weiter als gewöhnlich hat man die Theilung der Arbeit bei einzelnen Fabrikationszweigen mit dem glücklichsten Erfolge ausgedehnt und gefunden, daß die richtige Vertheilung der Arbeit an mehre Personen ein 200mal größeres Product gibt, als es ohne Arbeitstheilung der Fall sein würde. So verfertigt z.B. ein Schmidt, der nichts als Nägel macht, des Tages 2300, während ein anderer, der auch mit anderer Schmiedearbeit sich beschäftigt, deren nur 800 verfertigen kann. Wenn indeß diese Theilung der Arbeit so weit getrieben wird, daß an den einzelnen Arbeiter nur kleine unbedeutende Verrichtungen kommen, bei welchen er nichts mehr zu denken und zu überlegen hat, so kann zwar die Arbeit an Vollkommenheit [108] gewinnen, allein der Arbeiter selbst geht verloren, denn wer lange Jahre hindurch nichts thut, als Nadeln zu durchbohren, muß nothwendig am Ende zu einem maschinenmäßigen Instrumente herabsinken, welches zu nichts Anderm tauglich ist.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 108-109.
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