Kritik

[670] Kritik ist ein ursprünglich griech. Wort und bezeichnet Beurtheilung oder Beurtheilungskunst und ist in dieser Bedeutung nach allen ihren Anwendungen in die neuern Sprachen übergegangen. Um einen Gegenstand beurtheilen zu können, muß man ihn erkannt haben, und die Kritik hat daher die Erkenntniß zur Voraussetzung. Die Kritik soll den Gegenstand nicht als Das anerkennen, was er nur zu sein scheint, sondern nach seiner Wahrheit und Wirklichkeit oder nach seiner Echtheit, und in höchster Vollendung muß daher die Kritik auf der Erkenntniß der Wahrheit beruhen. Das, wonach die Kritik entscheidet, das Merkmal der Wahrheit, welches der Gegenstand, um von ihr anerkannt zu werden, an sich tragen muß, wird das Kriterium genannt, welches äußerlich oder innerlich ist, je nachdem der Gegenstand nur nach seiner Form oder nach seinem Wesen beurtheilt wird. In der Philosophie, der Wissenschaft von der Wahrheit als Gegenstand der Erkenntniß, ist die Frage aufgestellt worden, ob es ein Kriterium der Wahrheit, namentlich in Bezug auf die Ansichten und Meinungen der Menschen gebe, und welches dasselbe sei. Ja der berühmte Philosoph Kant (s.d.) brachte sogar die Frage in Anregung, ob überhaupt der Mensch der Erkenntniß der Wahrheit, die nicht nur beziehungsweise als solche gelten könne, fähig sei, machte mithin die Erkenntniß und das Erkenntnißvermögen des Menschen selbst zum Gegenstand der Untersuchung; daher seine und seiner nächsten Anhänger Philosophie die kritische genannt worden ist – Häufig muß, besonders in der Beurtheilung von Kunstgegenständen, die Stelle der Erkenntniß das gebildete Gefühl, der Geschmack, vertreten und eine auf diesem beruhende Kritik kann daher nicht auf bestimmten Kriterien gegründet werden, sondern ist stets von der Persönlichkeit des Kritikers (Dessen, welcher [670] das Urtheil spricht) abhängig. Einseitige oder schiefe Kritik kommt überall vor, wo der Kritiker selbst. einseitig in individuellen oder Parteiansichten befangen oder böswillig ist, und kleinliche, wo der Beurtheiler den Gegenstand nicht als Ganzes, sondern nur nach Einzelheiten beurtheilt, welche doch erst durch ihre Stellung im Ganzen ihre Bedeutung erhalten. Man nennt einen solchen Beurtheiler wol einen Kritikaster, Krittler oder Afterkritiker. Kritisch wird vorzugsweise Dasjenige genannt, welches durch seine Unbestimmtheit zur Beurtheilung herausfodert, oder noch allgemeiner überhaupt das Unbestimmte, Unsichere, Misliche oder Gefährliche.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 670-671.
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