Phocion

[491] Phocĭon, ein ausgezeichneter Feldherr und Staatsmann der Athener, lebte im 4. Jahrh. v. Chr. und erwarb sich den Ruhm, von keinem seiner Mitbürger an Eifer für die Wohlfahrt des Vaterlandes und an Redlichkeit der Gesinnung übertroffen worden zu sein. Er war weder von vornehmer Herkunft noch reich, sondern bearbeitete mit den Seinigen selbst ein kleines Feldgrundstück, hatte aber als ein Schüler von Plato und anderer großer Lehrer sich eine seltene Geistesbildung erworben. Seine ausgezeichnete Stellung im Staate nahm er zum Theil durch den Widerstand ein, welchen er den der Volkspartei zu seiner Zeit am meisten das Wort redenden Männern entgegensetzte, zu denen auch Demosthenes (s.d.) gehörte und welche die Athener gegen die um sich greifende Macht der Macedonier zu den Waffen riefen, während P. den Staat für zu verdorben hielt, um wirksamen Widerstand leisten zu können, und immer zu versöhnlichen Schritten rieth. Dabei war aber seine Hingebung an das Vaterland so groß und das Vertrauen in seine, jeder Bestechung unzugängliche Rechtschaffenheit so unwandelbar, daß ihn die Athener 45 Mal, ohne daß er sich je darum beworben hätte, zum Anführer ihrer Heere wählten. P. weigerte sich auch nie, dem Rufe zu folgen und an die Spitze von Unternehmungen zu treten, welche seinen Ansichten oft entgegenliefen. Nachdem er als Feldherr, als Unterhändler bei übermächtigen Feinden und als weiser Rathgeber den Athenern die wichtigsten Dienste geleistet, seine einfachstrenge Lebensweise aber beständig beibehalten und mehrmals große Geldgeschenke sowol Philipp's von Macedonien als seines Sohnes Alexander zurückgewiesen hatte, beschuldigte ihn das Volk am Ende doch des Verraths und verurtheilte den hochbejahrten P., ohne seine Vertheidigung gehört zu haben, 318 v. Chr. zum Giftbecher. Mit der ihm eigen gewesenen unwandelbaren Ruhe ging er dem Tode entgegen und trug einem Freunde als letzten Wunsch an seinen Sohn Phokus nur auf: er möge das seinem Vater von den Athenern zugefügte Unrecht vergessen. Sein Leichnam ward unbeerdigt über die Grenze geworfen, von Freunden aber aufgehoben und bestattet. Doch besannen sich auch die Athener bald eines Bessern, holten die Überreste P.'s nach Athen zurück, wo sie auf öffentliche Kosten beerdigt, seine vorzüglichsten Ankläger aber zum Tode verurtheilt wurden, und errichteten ihm eine eherne Statue. P.'s Äußeres war abschreckend, sein Benehmen aber höchst einnehmend und verbindlich; in seinen Reden an das Volk sah er von aller Ausschmückung ab und befleißigte sich nur möglichster Kürze und Natürlichkeit des Ausdrucks.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 491.
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