Georges, Demoiselle

[393] Georges, Demoiselle, Demoiselle, berühmte französische tragische Künstlerin neuerer Zeit, wurde 1785 in Amiens geboren, wo ihr Vater Theaterunternehmer war. Schon im 12. Jahre spielte sie auf der Bühne ihres Vaters tragische Rollen; eine Richtung, die wunderbarer Weise das Talent des zarten Mädchens so frühzeitig nahm. In einer dieser Leistungen sah (1802) die berühmte Roucourt das siebzehnjährige Mädchen, dessen Phantasie in der Auffassung, dessen Kraft und Wohlklang des Organs, unterstützt von einer edlen Persönlichkeit, schon damals große Wirkung hervorbrachte und das mächtige Genie sicher ahnen ließ. Sie zog sie nach Paris, wurde ihr Lehrerin und Freundin und unter dieser Aegide trat Dem. Georges beim Theater Français als Klytämnestra auf. Ihr Debut hatte ungeheuern Erfolg und sogleich bildete sich eine Partei zu[393] einer seltenen Schönheit gehoben wurde. Damals glänzte die gleichfalls junge Duchesnois (s. d.) an dem Theaterhimmel als ein gefeierter Stern. Ihre Partei bildete eine Opposition gegen die Georges und deren Anhänger. So kam es zu mannichfachen theatralischen und kunstkritischen Kämpfen, die, indem sie die Köpfe und Hände der Parteimenschen erhitzten und in Bewegung brachten, doch für die beiden Künstlerinnen das Gute hatten, daß sie ihren Eifer rege erhielten und sie zu edlem Wettkampfe anfeuerten. War auch die Georges schöner als ihre Gegnerin, so gestehen doch unparteiische Kunstkenner, daß ihre Triumphe keineswegs auf Rechnung ihrer Schönheit kamen, daß die Duchesnois sich zwar ehrenvoll neben ihr behauptete und mächtig um den Kranz des Sieges mit ihr rang, aber sie doch nie vollständig besiegte. – Sie verließ das Theater Français als 1808, ging nach Wien und von da nach Petersburg, wo ihr Talent die größte Würdigung erhielt und ihr Ruf sonach ein europäischer wurde. Beim Ausbruch des Krieges zwischen Rußland und Frankreich ging sie nach Dresden, spielte daselbst vor Napoleon und brachte dem dortigen kunstsinnigen Publikum die Gebilde der eigenthümlichen französischen Tragik zur Anschauung. Sie kehrte hierauf wieder zum Theater français als zurück, welches sie jedoch 1814 abermals verließ, um auf dem Odeon und den Theatern der Departements Gastrollen zu geben. 1822 erschien sie mit vielem Glanze wieder auf dem Odeon und hat noch in letzterer Zeit in den Melodramen der Ponte St. Martin auf eine imposante Weise vielfach an die Macht und Schönheit ihrer frühern Leistungen erinnert.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 393-394.
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