Averroës

[37] Averroës (Abul Walid Mohammed Ibn Roschd), der bedeutendste arabische Philosoph (auch Arzt u. a.), geb. 1126 zu Cordova, war eine Zeitlang Richter in Sevilla und Cordova, wurde 1182 Leibarzt des Chalifen Abu Jakub Jussuf, unter dessem Sohne kurze Zeit Statthalter. Der Ketzerei verdächtigt, wurde er in die Nähe von Cordova verbannt und dann nach Marokko berufen, wo er 1198 starb. Außer Kommentaren zu Aristoteles schrieb er u. a.: Tehafot al Tehafot (Destructio destructionis, gegen Algazel), lateinisch 1497 u. 1527. Quaesita in libros logicae Aristotelis. De connexione intellectus abstracti cum homine. De animae beatitudine. Über den potentiellen und materiellen Intellekt. Opera, 1472, 1553. J. Müller, Averroës Philos. u. Theol., übersetzt, 1875.

A. verbindet den religiösen Glauben mit einer Philosophie, die in vielem (besonders in der Logik) sich an Aristoteles anschließt, in anderem vom Neuplatonismus beeinflußt ist. Die Religion ist als bildlich-allegorische Weltanschauung für die Menge, während der Philosoph zur begrifflich reinen Wahrheit vordringt, die mit der theologischen nicht immer zusammenfallen muß (Ursprung der Lehre von der doppelten Wahrheit bei Occam u. a.). In logischer Beziehung nimmt A. an, daß die Universalien in den Dingen sind, als Allgemeines aber erst durch Abstraktion im Intellekt entstehen (»intellectus in formis agit universalitatem«, wie schon Avicenna bemerkt). Gott ist das Weltprinzip, die Urform, der (unbewegte) oberste Beweger und Endzweck der Dinge, die Einheit aller Dinge, die schöpferische Natur. Eine Emanation der Gottheit ist der göttliche, universale »aktive Intellekt«, welcher die sublunarische Welt beseelt. Die Seele des Menschen ist die »Form« des Organismus und zwar ist in allen Menschen eine allgemeine Seele (Monopsychismus), welche sich in ihnen individualisiert. Es gibt in allen Menschen nur einen aktiven Intellekt, der die Geistesanlagen (den »passiven« Intellekt) zum »erworbenen« Intellekt gestaltet. Unsterblich ist der Geist nur soweit, als er nach dem Tode in den universalen aktiven Intellekt zurückgenommen wird, also nicht als Persönlichkeit. Die Formen der Dinge sind in der Materie schon potentiell enthalten und werden durch höhere Formen zur Entfaltung gebracht (vgl. damit G. Bruno). Für die Philosophie ist die Welt ewig, gibt es nur ein Verwirklichen von Potenzen.

Der Averroismus übte eine nicht geringe Wirkung aus und wurde von der christlichen Kirche wiederholt verdammt, besonders von Thomas von Aquino bekämpft. Italienische »Averroisten« (in Padua, Bologna) seit dem 14. Jahrh. sind Nic. Vernias, Alex. Achillini, Aug. Niphus, Andreas Caesalpinus, Caesare Cremonini u. a.[37]

Vgl. SCHMÖLDER, Documenta philosophiae Arabum, 1836. – DE BOER, Gesch. d. Philos. im Islam, 1901. – RENAN, Averroës et l'averroisme, 3. éd. 1869. – MUNK, Mélanges, p. 418 ff. (Tgl. Dictionn. philos. 1885 I). – MANDONNET, Siger de Brabant et l'averroisme latin au 13me siècle, 1889.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 37-38.
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