Avicebron

[38] Avicebron (Avencebrol). Der von den Scholastikern so genannte (für einen Araber gehaltene) jüdische Philosoph und Dichter Salomo ben Jehuda ben Gebirol (Gabirol). geb. um 1020 in Malaga, lebte zuerst in Saragossa und dann in verschiedenen spanischen Städten, gest. um 1069 in Valencia.

Avicebrons Philosophie ist eine von Aristoteles beeinflußte, stark neuplatonisch gefärbte Emanationslehre, welche ihrerseits die Kabbala beeinflußt hat (in manchem Punkte auch christliche Scholastiker, besonders Duns Scotus). Das Wichtigste ist seine Lehre von der Materie und vom göttlichen Willen. Er nimmt (wie schon Plotin) an, daß (mit Ausnahme Gottes) alles Seiende (auch die Seele) aus Form und Materie bestehe; neben der sinnlichen, körperlichen gibt es auch eine geistige Materie, d.h. eine Grundlage der Gestaltung und des Wirkens. Form und Materie werden durch die Bewegung verbunden. Die Materie existiert nur durch die Form, denn die Existenz rührt von der Form her; daher bewegt sich die Materie, um die Form zu empfangen, um aus dem Schmerz der Nicht-Existenz herauszukommen. Die Materie ist eins, die Verschiedenheit rührt von der Form her. Materie und Form sind vom göttlichen Willen abhängig. Es gibt neben der allgemeinen Form eine allgemeine, universale Materie, ferner eine Weltvernunft, eine Weltseele und eine Natur, welche alle aus Gott emanieren, wobei das Körperliche im Geistigen sein Urbild hat.

Gott, der alles Sein überragt und seinem ureigensten Wesen nach unfaßbar ist, wirkt in der Welt durch den aus ihm emanierenden schöpferischen Willen, aus dem weitere Kräfte emanieren. Dieser Wille ist eine göttliche Schöpferkraft, welche alles bewegt und von der alles abhängig ist, da er in allem ist. Alle Dinge streben nach Vereinigung. Der Wille ist der Erzeuger von Form und Materie, die er mit einander verknüpft. Die menschliche Seele ist eine Emanation des Weltgeistes.

SCHRIFTEN: Hauptwerk: Mekor chajjim (Fons vitae), von Schem Tob ibn Falaquera ins Hebräische übersetzt, bei Munk, Mélanges 1857; lateinisch 1892-95 (ed. Baeumker). – Vgl. J. GUTTMANN, D. Philos. d. Sal. Ibn Gabirol, 1889, ferner die historischen Arbeiten von D. KAUFMANN, M. EISLER, M. JOËL, D. NEUMARCK.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 38.
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