Helmholtz, Hermann von

[247] Helmholtz, Hermann von, geb. 1821 in Potsdam, Prof. der Physiologie in Königsberg, Bonn, Heidelberg, Berlin, gest. 1895 in Berlin.

Der berühmte Naturforscher ist philosophisch von Kant und Schopenhauer beeinflußt. Das Erkennen besteht in denkender Verarbeitung des Sinnesmaterials und führt zu einer symbolischen Erfassung der Verhältnisse der Dinge. »Unsere Vorstellungen von den Dingen können gar nichts anderes sein[247] als Symbole, natürlich gegebene Zeichen für die Dinge, welche wir zur Regelung unserer Bewegungen und Handlungen benutzen lernen. Wenn wir jene Symbole richtig zu lesen gelernt haben, so sind wir imstande, mit ihrer Hilfe unsere Handlungen so einzurichten, daß dieselben den gewünschten Erfolg haben, d.h. daß die erwarteten neuen Sinnesempfindungen eintreten« (vgl. damit die »pragmatistische« Auffassung der Wahrheit bei James u. a.). Zu den Objekten kommen wir (wie nach Schopenhauer) durch einen nicht zum Bewußtsein kommenden Schluß von den Empfindungen auf deren Ursachen. Das Gesetz der Kausalität ist hierbei apriorisch, ein »aller Erfahrung vorausgehendes Gesetz unseres Denkens«, welches durch keine Erfahrung widerlegt werden kann. Das Gesetz der »spezifischen Sinnesenergien« ist dahin einzuschränken, daß durch die Beschaffenheit des Sinnesapparats nur die »Modalität« der Empfindung (Farbe, Ton usw.) bedingt ist, während die »Qualität« (Rot, Ton C usw.) in Beziehung zum Reiz steht. In der Natur herrscht ein strenger Mechanismus. Endziel der Naturwissenschaft ist die Auflösung alles (äußeren) Geschehens in Mechanik. Alle elementaren Kräfte sind Bewegungskräfte und die Bewegung ist die »Urveränderung, welche allen anderen Veränderungen in der Welt zugrunde liegt«. Die Kraft ist das Gesetz als objektive Macht; Kraft und Materie sind Abstraktionen aus einem unteilbaren Ganzen, die Materie wirkt nur durch ihre Kräfte. Der Vorrat der Kraft oder Energie im Weltall kann weder vermehrt noch vermindert werden; nur die »Erscheinungsformen« des Energievorrats können wechseln (Gesetz der Erhaltung der Kraft, von Joule, Colding, Helmholtz, R. Mayer aufgestellt). Den Mechanismus kann der Mensch seinen sittlichen Zwecken unterwerfen. Die Axiome der Mathematik sind empirischen Ursprungs. Die Arithmetik ist die »folgerichtige Anwendung eines Zeichensystems«. Empirischen Ursprungs sind auch die geometrischen Axiome; diese beziehen sich zugleich auf das mechanische Verhalten der festen Körper bei Bewegungen. Ein »pseudosphärischer« Raum ist denkbar und vorstellbar. In der Tonpsychologie hat H. die »Resonanzhypothese« aufgestellt (»Schneckenklaviatur« des Gehörorganes, Schwingungen bestimmter Fasern bei bestimmten einfachen Klängen). Die Youngsche Theorie der Farbenempfindungen, wonach jedes Netzhautelement dreier Erregungen fähig ist, denen die Empfindungen, Rot, Grün, Violett entsprechen, hat H. adoptiert und weiter ausgeführt.

SCHRIFTEN: Über die Erhaltung der Kraft, 1847, – Über das Sehen des Menschen, 1855. – Handbuch der physiologischen Optik, 1859 ff.; 2. A. 1886 ff.; 3. A. 1909 f. – Die Lehre von den Tonempfindungen, 1863; 6. A. 1896. – Die Tatsachen in der Wahrnehmung, 1879. – Über die tatsächlichen Grundlagen der Geometrie, 1868. – Zählen und Messen, Zeller-Festschrift, 1887. – Populäre Vorlesungen, 1876. – Vortrage und Reden, 5. A. 1903. – Wiss. Abhandl., 1882-95. – Vgl. L. GOLDSCHMIDT, Kant und Helmholtz, 1898. – L. KÖNIGSBERGER. H. v. Helmholtz, 1902 f. – FR. CONRAT, H.s psychol. Anschauungen, 1904.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 247-248.
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