Platner, Ernst

[548] Platner, Ernst, geb. 1744 in Leipzig, wurde Doktor der Philosophie und der Medizin, 1770 außerordentlicher. 1780 ordentlicher Professor der Medizin in Leipzig, später dort auch Professor der Philosophie, gest. 1818.

P. ist ein von Leibniz, später auch zum Teil von Kant (dessen Gegner er im übrigen ist) beeinflußter Aufklärungsphilosoph. Die Erkenntnis faßt er wie Leibniz auf und wie dieser hält er das Körperliche für die Erscheinung immaterieller Kräfte (Monaden). Die Substanz definiert er als »beharrliches, selbstständiges Ding, welches stets dasselbige bleibt«. Sie ist eine Kraft, ein »System unzertrennlich verbundener, einer Grundkraft untergeordneter Kräfte«. Eine Substanz ist auch die Seele als eine »Vorstellungskraft«. An Stelle der Leibnizschen prästabilierten Harmonie nimmt P. eine Wechselwirkung zwischen Seele und Leib an. Die Seele ist stets mit einem feinen Organismus (einem Ätherleib) verbunden, der auch den Tod überdauert. Der Wille ist determiniert;[548] er ist ein Teil der Vorstellungskraft. Das Willensvermögen äußert sich »in einem Bestreben der Seele und in einer damit verbundenen Anstrengung der Werkzeuge der Phantasie, Ideen zu beleben oder zu vernichten..., je nachdem sie in der Vorhersehung ein angenehmes oder unangenehmes Verhältnis haben zu dem selbsteigenen Zustand«. Freiheit ist identisch mit Willkür und Selbständigkeit, Selbsttätigkeit. Der Endzweck alles – Handelns ist die Glückseligkeit; die Tugend, das »Wollen des Guten«, ist ein Mittel zur Erreichung der Glückseligkeit. Die Existenz Gottes wird durch das teleologische Argument bewiesen.

In der zweiten und dritten Auflage seiner »Philosophischen Aphorismen« und in seinem »Lehrbuch der Logik und Metaphysik« nimmt P. Stellung gegen Kant, von dem er teilweise beeinflußt ist. Die Philosophie als Metaphysik definiert er als »Inbegriff vernunftmäßiger, d.h. von Erfahrung unabhängiger, auf reine Begriffe und Grundsätze gestellter Resultate über die Welt und das menschliche Verhältnis in der Welt«. Die reine Logik läßt sich mit der psychologischen sehr wohl verbinden, die Logik ist »eine pragmatische Geschichte des menschlichen Erkenntnisvermögens«. Die Wahrnehmung des Gegenstandes entsteht vielleicht dadurch, daß das Vorstellungsvermögen aus dem in den Eindrücken gegebenen Stoffe mit Hinzusetzung seiner Form Bilder schafft, welche das Verhältnis der Dinge an sich zum Vorstellungsvermögen anzeigen. Das allgemeine Bewußtsein: Ich bin, ist »a priori das Bedingnis alles Vorstellens, Denkens und geistigen Daseins«. Die Kategorien sind: Substanz und Akzidens, Eigenschaft (Quantität und Qualität, Realität) und Verhältnis, Einheit und Vielheit, Ursache (Kraft, Existenz usw.) und Wirkung. Mit Raum und Zeit zusammen sind die Kategorien die »Formen aller möglichen Gegenstände sinnlicher Erfahrung«, davon getrennt sind sie die »Formen einer von der Vernunft gedachten nichtsinnlichen Erfahrung«. Als Anlagen sind diese Denkformen angeboren. Die Formen der Erkenntnis sind subjektiv und zugleich objektiv, d.h. durch die Dinge selbst mit bestimmt. Wenn nichts in den Dingen an sich den Formen unserer Vorstellungen entspricht, so ist kein Grund da, warum man jetzt Substanz denkt und nicht Akzidens oder Ursache usw. Kants »Antinomie der Vernunft« ist in Wahrheit nur ein Streit der Vernunft mit der Phantasie. Auch Raum und Zeit sind angeboren, subjektiv und objektiv (d.h. durch die Dinge veranlaßt) zugleich.

SCHRIFTEN: Anthropologie, 1772-74. – Philosophische Aphorismen, 1776-82; 2. A. 1784; 3. A. 1793-1800. – Gespräch über den Atheismus, 1783. – Lehrbuch der Logik und Metaphysik, 1795. – Vgl. M. HEINZE, E. P. als Gegner Kants, 1880. – A. WRESCHNER, E. P. und Kants Kritik der reinen Vernunft, 1893.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 548-549.
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