Volkmann, Paul

[794] Volkmann, Paul, geb. 1856 in Bladian, Prof. der Physik in Königsberg.

Nach V., der einen (von Kant u.a. beeinflußten) Kritizismus vertritt, beruht alle Erkenntnis auf einer Wechselwirkung zwischen Subjekt und Objekt. Die naturwissenschaftlichen Theorien sind immer nur Bilder der Eigenart, in denen sich uns die Natur offenbart und darstellt; sie haben den Wert von Arbeitshypothesen und Arbeitstheorien, dürfen nicht dogmatisch aufgefaßt werden.[794] Erkenntnis und Irrtum sind vom Standpunkte der Wissenschaft nicht absolute, sondern relative Begriffe. »Ihre Aussagen sind stets an Voraussetzungen gebunden, die in jedem einzelnen Falle nur immer unvollkommen zutage treten werden und können.« Die Kausalität ist durch den Begriff der »realen Notwendigkeit« zu ersetzen. Das Verfahren, jeden Teil eines zusammengesetzten Vorganges für sich rein in seiner Bedeutung zu bestimmen, nennt V. »Isolation«. Induktion und Deduktion erhalten durch die »Superposition« ihre Richtung. – An die Stelle des Materialismus tritt jetzt die »phänomenologische«, mathematische Physik, welche sich möglichst mit der Analyse des unmittelbar Gegebenen begnügt, und die überflüssigen Begriffe des Stoffes und der Kraft eliminiert (Prinzip der Denkökonomie), ohne daß wir aber imstande sind, von Elementen der Phantasie gar keinen Gebrauch zu machen. »Unsere Sinne und damit unsere Empfindungen deuten durchaus auf ein lückenhaftes Bild der uns umgebenden Wirklichkeit, welches sich für unser Verständnis nur durch Elemente unserer Einbildungskraft, unserer Phantasie zu schließen scheint.« Vom Standpunkte des Naturforschers ist weder der Monismus noch der Dualismus zu akzeptieren. V. stellt sich das Verhältnis von Leib und Seele analog der Verkettung von Raum und Zeit vor.

Schriften: Erkenntnistheoret. Grundzüge der Naturwissenschaften, 1896; 2. A. 1910. – Einf. in d. Studium d. theoret. Physik mit e. Einleit. in d. Theorie d. physikal. Erkenntnis, 1900. – Über die Frage nach dem Verhältnis von Denken und Sein, 1897. Über die Fragen der Existenz, Eindeutigkeit u. Vieldeut. der Probleme, Annal. d. Naturphilos. I. – Die Subjektivität der physikal. Erkenntnis, 1908. – Fähigkeiten der Naturwissenschaften und Monismus der Gegenwart, 1909. – Die materialist. Epoche des 19. Jahrh. u. die phänomenologisch-monistische Bewegung d. Gegenwart, 1909. – Die Eigenart der Natur und der Eigensinn des Monismus, 1910, u.a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 794-795.
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