IV

[392] Als die Kreuzzeitung, die mir, weil ich Parlamentsherrschaft und Atheismus proclamirt hätte, schon am 11. Februar 1872 Fehde angesagt hatte, unter Nathusius-Ludom mit den sogenannten Aeraartikeln Perrot's1 den Verleumdungsfeldzug gegen mich eröffnet hatte, wandte ich mich brieflich an Amsberg, eine unsrer höchsten juristischen Autoritäten, und an den Justizminister mit der Frage, ob, wenn ich einen Strafantrag stellte, eine Verurtheilung des Verfassers mit Sicherheit zu erwarten sei, andernfalls würde ich von einem solchen abstehen, weil ein freisprechendes Erkenntniß meinen Gegnern neue Vorwände zu Verdächtigungen geben könnte.[392] Die Antwort Beider und meines gleichfalls befragten Rechtsanwalts fiel dahin aus, daß die Verurtheilung wahrscheinlich, aber bei der vorsichtigen Fassung der Artikel nicht sicher sei. Ich hatte mir damals über die Stellung von Strafanträgen noch keine bestimmten Grundsätze gebildet, und die Erfahrungen, welche ich in der Conflictszeit gemacht hatte, waren nicht gerade ermuthigend; ich erinnere mich, daß ein Ortsgericht, ich glaube in Stendal, in den Gründen seines Erkenntnisses die Schwere der öffentlich gegen mich gerichteten Beleidigungen zwar reichlich zugab, aber die Festsetzung einer Minimalstrafe von 10 Thalern damit motivirte, daß ich wirklich ein übler Minister sei.

Als die Perrot'schen Artikel erschienen, sah ich auch noch nicht voraus, welchen Umfang der Verleumdungsfeldzug gegen mich von Seiten meiner früheren Parteigenossen und namentlich in den Kreisen meiner Standesgenossen annehmen sollte.

1

Dr. Perrot, Hauptmann a.D., geb. in Trier, gest. 1891, Verfasser nationalökonomischer Broschüren, zuletzt Kaufmann.

Quelle:
Bismarck, Otto Eduard Leopold: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 393.
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