Achtes Kapitel.

Der Feldzug in Griechenland.

[569] Der Sieg in Spanien gab Cäsar die Überlegenheit zu Lande über seine Gegner. Neben den 11 Legionen, mit denen er den Krieg begonnen, hatte er allmählich 17 neue errichtet282, zum großen Teil aus den Soldaten des Pompejus, die überwunden in seinen Dienst traten. Zwei von den neuen Legionen unter dem Befehl Curios hatte er auf einem Zunge nach Afrika, anderthalb unter C. Antonius im adriatischen Meer, an der illyrischen Küste verloren. Von den übrigen versammelte er etwa die Hälfte, 12 Legionen und 10000 Reiter, bei Brundisium, um nach Epirus überzugehen und den Krieg gegen Pompejus zu führen; die anderen waren in Italien, Sizilien, Gallien und Spanien verteilt.

Dem Heer, welches nach Epirus übersetzen sollte, hatte Pompejus zunächst nur 9 Legionen gegenüberzustellen, denen aus Syrien noch zwei weitere unter Scipios Führung nachzogen. Nicht nur an Zahl, sondern auch an Qualität waren diese Truppen denen Cäsars nicht gewachsen. Zwei von den Legionen waren die alten Cäsarischen und nicht unbedingt zuverlässig; die anderen waren Neubildungen oder ältere Stämme, durch Aushebungen in Griechenland und Asien vollzählig gemacht. Pompejus hätte, nach der Vernichtung seines eigentlichen Hauptheeres in Spanien, jede Hoffnung auf Erfolg aufgeben müssen, wenn er nicht so wie Cäsar zu Lande seinerseits die unbedingte Überlegenheit zur See gehabt hätte. Mit den vorhandenen römischen Schiffen hatte er die der orientalischen Klientelstaaten vereinigt. Cäsar hatte zwar ebenfalls den Bau von Schiffen angeordnet, aber ihm fehlte der Stamm. Die bedeutendste Seestadt seines ursprünglichen Gebietes, Massilia, war auf die[569] Seite seiner Gegner getreten und hatte erst in einer harten Belagerung wieder unterworfen werden müssen. Die Flotte im adriatischen Meer wurde von den Pompejanern geschlagen und vernichtet. Der Vorsprung, den Pompejus durch diese Umstände und Ereignisse gewann, war so groß, daß Cäsar ihn nicht einzuholen vermochte. Als er nach Brundisium kam, waren nicht einmal genug Schiffe vorhanden, um das für die Offensive bestimmte Heer mit einer Fahrt überzusetzen.

Heute gilt es strategisch für unausführbar, daß eine Armee über die See gehe, ohne sie wenigstens zeitweilig zu beherrschen. Cäsar beschloß es zu tun, obgleich nicht einmal seine Transportschiffe ausreichten. Hätte er gewartet, um so viel Schiffe zusammenzubringen, daß sie für das ganze Heer genügten, so hätte die große Masse doch auch wieder den Transport erschwert, und vor allem wäre mittlerweile die feindliche Flotte, die jetzt noch ruhig in den Häfen lag, aufmerksam geworden. Nach war Pompejus selbst it seinem Heer nicht in Epirus angelangt; die Küstenstädte, in denen große Depots angelegt waren, waren ohne den Schutz der Landtruppen. Schnelligkeit stellte die größten Erfolge in Aussicht. Durch Beschränkung des Trosses vermochte man etwa die Hälfte des Heeres, 7 Legionen und ein Reiterkorps in die Schiffe zu bringen, und sie kamen glücklich hinüber, da der Feind um diese Zeit, mitten im Winter,283 auf die Expedition nicht gefaßt war. Man hat beobachtet, daß ein regelmäßiges Umspringen des Windes von Süden nach Norden um diese Jahreszeit, dem mehrere Tage stilles Wetter zu folgen pflegen, dem Unternehmen Cäsars sehr günstig gewesen sein muß. Der Nordwind brachte seine Flotte in 12 bis 15 Stunden an einen Teil der Küste, der gerade gegen diesen Wind gut geschützt ist und einen vortrefflichen Strand zu schnellster Ausschiffung bietet.284

Erst jetzt begann die eigentliche Schwierigkeit. Zwar waren einige der epirotischen Küstenstädte, namentlich Oricum und Apollonia sofort genommen worden, aber den Hauptplatz, Dyrrhachium hatte[570] Pompejus noch gerade vor Cäsar mit seinem Heer erreicht und gedeckt, und die pompejanischen Kriegsschiffe erreichten und verbrannten einen Teil der Transportflotte auf der Rückfahrt und verhinderten von Stund an durch angespannte Aufmerksamkeit den zweiten Transport. Abgeschnitten von seiner Basis, war Cäsar mit der Hälfte seines Heeres in Epirus lahmgelegt. In direkte Gefahr kam er darum noch nicht. Obgleich an Infanterie um zwei Legionen und an Kavallerie sehr erheblich stärker, wagte Pompejus doch nicht, mit seinen minderwertigen Truppen die Veteranen Cäsars direkt anzugreifen oder sie in ihrem befestigten Lager einzuschließen.

So hielten sich die beiden Feldherren gegenseitig fest, ohne zu kämpfen. Pompejus wartete auf die Legionen Scipios, um eine sichere Überlegenheit zu gewinnen, und auf den Sommer, um mit der Flotte agieren zu können. Cäsar hoffte, daß seine Generale ihm die zweite Hälfte seines Heeres von Brundisium nachführen würden.

Man kann die Frage aufwerfen, weshalb er nicht die nötigen Verstärkungen auf dem Landwege, über Illyrien heranzog, und die Frage ist noch dahin zu erweitern, weshalb er nicht von vornherein seine Legionen, als sie von Spanien und Gallien kamen, diesen Weg hat einschlagen lassen, der die gefährliche Meerfahrt vermied und sogar kürzer war. Die Antwort wird sein, daß der Marsch eines großen Heeres durch das gebirgige und feindselige Illyrien im Winter unüberwindliche Verpflegungsschwierigkeiten gemacht hätte. Zum wenigsten hätten sehr große Vorbereitungen dazu gehört, während der Marsch durch Italien bis Bundisium sicher und ohne Aufenthalt gemacht werden konnte. Auch der Übergang war, wie wir gesehen haben, wohl eine gewagte und kühne, aber keineswegs unvernünftige Tat. Erstaunlich erscheint erst, daß Cäsar es wagte, auch dem zurückgebliebenen Teil des Heeres die Fahrt zu befehlen, und daß sie gelang. Man muß sich dabei klar machen, daß die antiken Kriegsschiffe mit ihrer massenhaften, dichtgedrängten Rudermannschaft nicht längere Zeit hintereinander die See halten konnten. Sie konnten also nicht etwa Brundisium blockieren. Wohl machte der pompejanische Admiral Libo den Versuch, dies zu tun, und besetzte zu diesem Zweck eine kleine, vor dem Hafen gelegene Insel. Aber die Insel hatte nicht genügend Wasser, und Marcus Antonius,[571] der in Brundisium kommandierte, verhinderte durch weit verteilte Reiterposten die Schiffsmannschaft, ans Festland zu gehen und Wasser zu holen. So mußten die Pompejaner die Blockade wieder aufgeben und sich darauf beschränken, von den epirotischen Häfen aus das Meer zu beobachten, um die etwa ansegelnde Transportflotte der Cäsarianer anzugreifen. Wehte nun aber ein starker, den Cäsarianern günstiger Wind, so konnten die rudernden Kriegsschiffe den segelnden Transportschiffen nicht viel anhaben. Immer blieb die Fahrt sehr riskant, da sie völlig dem Zufall des Windes preisgegeben war. Volle zwei Monate vergingen, bis auf wiederholten Befehl Cäsars selbst Antonius und die anderen Generale sich entschlossen, das Wagestück zu unternehmen, und das Glück war ihnen so günstig, daß nicht nur die ganze Flotte ohne Schaden hinüberkam, sondern sogar die feindliche Flotte, die sie abfangen wollte, durch ein plötzliches Umschlagen des Windes auf die Klippen getrieben wurde.

Wie es scheint, hat Cäsar, bei der Unsicherheit des See-Transports, auch über Illyrien Verstärkungen in Bewegung gesetzt, die jedoch, durch die feindlichen Bergvölker aufgehalten, nicht mehr vor der Entscheidung angelangt sind.285

Antonius führte Cäsar 4 Legionen und Kavallerie zu, so daß er jetzt die unbedingte Überlegenheit hatte. Was aber sollte er damit machen? Es gelang ihm, durch einen seiner plötzlichen Gewaltmärsche sich zwischen Pompejus und Dyrrhachium zu drängen, aber es war wenig damit gewonnen. Pompejus verschanzte sich unmittelbar am Strande und blieb vermöge seiner Schiffe sowohl mit seinem Hauptmagazin, dem wohlverwahrten Dyrrhachium, wie mit der übrigen Welt in regelmäßiger Verbindung. Er konnte sich ohne Schwierigkeit auf dem Wasserwege verpflegen, während Cäsar auf die mühseligen Landzufuhren aus einem zum Teil schon stark ausfouragierten Gebiet angewiesen blieb. Trotz seiner Überlegenheit war Cäsar nicht in der Lage, eine Entscheidung zu erzwingen.

Er beschloß, sein Heer zu teilen. Fast die ganze Verstärkung, die ihm zuletzt zugekommen war, 31/2 Legionen, schickte er ins Innere[572] des Landes. Zwei Legionen gingen dem Scipio entgegen, um ihn womöglich abzufangen und zu schlagen. Anderthalb Legionen wandten sich nach Hellas, um möglichst viele Städte und Landschaften zu unterwerfen oder für Cäsar zu gewinnen. Mit dem Gros seines Heeres unternahm Cäsar, das Heer des Pompejus einzuschließen. Das Gelände begünstigte das Unternehmen, so daß zeitweilig nur die natürlichen Abhänge der Hügel etwas abzuschroffen und einzelne Redouten anzulegen waren. Aber die Arbeit blieb ungeheuer, und der zu erwartende Gewinn war gering. Cäsar selbst gibt an, er habe dreierlei mit der Einschließung bezweckt. Er wollte seine eigene Zufuhr gegen die überlegene Reiterei des Pompejus decken; diese Reiterei durch Abschneiden von der Fouragierung schädigen und schwächen; endlich die feindliche Partei moralisch drücken, indem allenthalben bekannt wurde, Pompejus sei eingeschlossen und wage keine Schlacht zu liefern. Daß er durch die Einschließung Pompejus endlich zur Kapitulation oder auch nur zu einer Friedensverhandlung hätte bringen können, meint Cäsar selber nicht, und es war auch ganz ausgeschlossen. Nichts konnte Pompejus hindern, sobald er wollte, sein Heer einzuschiffen und irgendwo andershin zu schaffen.

Die Frage ist, weshalb Pompejus nicht einfach nach Italien überging, was manche seiner Freunde rieten. Er hatte guten Grund, das nicht zu tun. Cäsar hätte in diesem Falle sein Heer durch Illyrien ebenfalls nach Italien geführt, was ihm zum wenigsten mit einem Teil etwas früher oder später gelingen mußte, und dann hätte, auch wenn Italien mittlerweile in Pompejus' Hände gelangt war, sofort die Entscheidungsschlacht geschlagen werden müssen, die Pompejus keine Aussicht geboten hätte, denn er hatte nur 9 Legionen bei sich, Cäsar 2 und mehr als noch einmal soviel in Italien, Gallien, Spanien und den Inseln.

Der beste Plan für Pompejus wäre wohl gewesen, nicht sowohl direkt auf Italien und Rom loszugehen, als den Cäsarianern erst wieder, mit Hilfe des Königs Juba von Numidien, Sizilien Sardinien und Spanien abzunehmen und dann erst, nachdem man aus diesen Provinzen die Streitkräfte wesentlich vermehrt, die Entscheidungsschlacht anzunehmen. Mit Hilfe der Flotte konnten alle diese Unternehmungen zugleich oder sehr schnell hintereinander durchgeführt[573] werden. Die vier Legionen, die Cäsar in Spanien hatte, bestanden zum größten Teil aus den alten pompejanischen Soldaten; vielleicht war es möglich diese zurückzugewinnen. Wir wissen nicht, ob Pompejus sich mit derartigen Plänen getragen hat. Wir haben keine Quelle, die uns einen zuverlässigen Einblick in die intimeren Erwägungen seines Hauptquartiers gewährt.286 Da jedoch allseitig berichtet wird, daß Pompejus eine Schlacht zu vermeiden gewünscht habe, und nicht anzunehmen ist, daß seine Strategie in eine bloße Negation auslief, so sind wir berechtigt, Gedanken ungefähr von der Art der eben entwickelten bei ihm zu supponieren.

Das Vorgehen Cäsars aber wird in ihm die Vorstellung hervorgerufen haben, daß hier noch größere Aussichten auf Erfolg geboten seien. Das Heer, mit dem Cäsar die Einschließung durchführte, war kleiner als das Heer des Pompejus; mit Hilfe seiner Schiffe konnte dieser die Belagernden jederzeit im Rücken angreifen. Wir dürfen einem so erfahrenen Feldherrn wie Pompejus zutrauen, daß er erkannte, welche Vorteile das überkühne Unterfangen Cäsars ihm bot, und deshalb beschloß, statt jedes anderen weitausschauenden Planes zunächst hiervon Gebrauch zu machen und Heer und Flotte zusammenzuhalten. Alle Tüchtigkeit der Cäsarischen Veteranen verhinderte endlich auch nicht, daß einmal ein groß angelegter Überfall der Pompejaner mit Hilfe der Schiffe gelang. Die Cäsarianer wurden auf drei Seiten zugleich angegriffen, vom Pompejanischen Lager aus, vom Strande und vom Rücken, erlitten eine schwere verlustvolle Niederlage, und ihre Befestigungen wurden da, wo sie im Süden den Strand berührten, durchbrochen.[574]

Dies Ergebnis ist so natürlich, daß man geneigt ist, Cäsar den Versuch, ein größeres, unbesiegtes Heer, das über die See verfügte, vom Lande aus einzuschließen, als einen schweren Fehler anzurechnen. Er hatte dabei im besten Fall nur wenig zu gewinnen, aber sehr viel zu verlieren. Aber im Kriege spielt der Zufall und das Glück, und Cäsar stellte die Frage an das Schicksal nicht aus Übermut, sondern da ihm nichts anderes zu tun übrig blieb. Überdies hatte er auch die Hoffnung, durch Verbindungen, die er in der Stadt angeknüpft hatte, Dyrrhachium in seine Gewalt zu bekommen. Hätte er, statt der Belagerung, mit seinem ganzen Heer den Marsch ins Innere angetreten, so hätte er auch nicht mehr erreicht, als die detachierten Legionen ausrichteten. Weder hätten die Seestädte sich ihm ergeben, noch hätte er Scipio überwältigt, der sich natürlich von dem feindlichen Hauptheer in vorsichtiger Entfernung gehalten hätte. Pompejus aber hätte unterdessen mit der Flotte seine Legionen Expeditionen machen lassen können, die vermutlich größere Erfolge gehabt hätten, als die Märsche Cäsars mit seinem Heer. Die Übermacht des Gegners zur See, die es ihm ermöglichte, der Entscheidung auszuweichen, wäre dann noch viel stärker zur Geltung gekommen.

Die Belagerung des Pompejanischen Heeres hat nun freilich zu gar nichts und zu Schlimmerem, zu einer Niederlage geführt. Aber gerade dieser Schlag rief den ersehnten Rückschlag hervor.

Geschwellt durch den Erfolg, wären die Pompejaner bereit gewesen, jetzt auf der Stelle die Entscheidungsschlacht anzunehmen, aber Cäsar, in weiser Erwägung, daß er seinen Truppen etwas Zeit geben müsse, sich von der Erschütterung moralisch zu erholen, entzog sich dem Kampf. Durch ein geschicktes Manöver gewann er einen Vorsprung und schlug den Weg nach Thessalien ein, um sich mit seinen detachierten Truppen wieder zu vereinigen. Diese hatten ihm einen großen Teil der inneren Landschaften gewonnen; das Hauptkorps unter Domitius manövrierte, aber ohne Erfolg, um Scipio herum, der der Entscheidung auswich.287[575]

Am sichersten wäre es auch jetzt noch für Pompejus gewesen, nicht direkt auf die Entscheidung loszugehen, sondern gestützt auf dem moralischen Erfolg seines Sieges bei Dyrrhachium, zunächst die westlichen Provinzen wieder zu gewinnen und dann erst mit verdoppelter Kraft auf Cäsar selbst zu fallen. Aber selbst wenn Pompejus dergleichen gedacht hat, wie denn in der Tat Cäsar berichtet, daß er noch immer der Entscheidungsschlacht abgeneigt gewesen sei, so war er doch nicht genügend Herr seiner Partei, um bei ihr einen so langwierigen Plan durchzusetzen. Cäsar erzählt, er habe seinerseits die drei Möglichkeiten erwogen: daß Pompejus nach Italien ginge; daß er die epirotischen Seestädte, die Besatzungen Cäsars hatten und seine Depots bildeten, belagerte, und daß er ihm selbst nachfolgte. Von diesen drei Möglichkeiten wäre ohne Zweifel die zweite für Pompejus die beste gewesen. Cäsar sagt, in diesem Falle würde er seinerseits Scipio belagert und dadurch Pompejus zum Entsatz gezwungen haben. Scipio hatte aber die Möglichkeit, in eine Seestadt, etwa Thessalonike oder bis nach Byzanz zurückzugehen, wo ihm Cäsar ohne Flotte nichts hätte anhaben können, während Pompejus die Festungen Cäsars zu Lande und zu Wasser hätte angreifen können. Die Waffen waren also keineswegs gleich. Aber die Pompejaner waren jetzt viel zu selbstbewußt, um sich auf solchen Umwegen an den Sieg heranschlängeln zu wollen. Zunächst machten sie einen Versuch, ob sie nicht das Korps des Domitius, das in Macedonien gegen Scipio manövrierte, abschneiden könnten, und als das noch im letzten Augenblick mißlang und Domitius mit seinen beiden Legionen zu Cäsar entkam, da zog man ihm nach in die Ebene von Thessalien und bot die Entscheidungsschlacht. Beide Feldherren verfügten im ganzen auf dem Kriegsschauplatz jetzt über 11 Legionen; Cäsar hatte in seinen epirotischen Seeplätzen 8, Pompejus in Dyrrhachium 15 Kohorten zurückgelassen. Aber Cäsar hatte die anderthalb nach Hellas detachierten Legionen noch nicht zurück, so daß das Pompejanische Heer, wie durch den Sieg moralisch gekräftigt, so auch an Zahl erheblich überlegen war.

Cäsar selbst gibt an, daß er nur 22000 Mann Infanterie und 1000 Mann Kavallerie, Pompejus hingegen 45 000 Mann Infanterie und 7000 Mann Kavallerie gehabt habe. Fügen wir gleich hinzu, daß er seinen Sieg mit einem Verlust von nur 200 Mann[576] erfochten haben will, während 15 000 Pompejaner das Schlachtfeld bedeckt haben sollen, so konnte man solchen Zahlen Glauben schenken, so lange man überhaupt noch überlieferte Zahlen arglos nachsprach, etwas erstaunlich ist es aber, daß sie auch noch heute eifrig verteidigt werden. Unmöglich wie sie an sich sind, stehen sie noch in besonderem Widerspruch mit der weiteren Behauptung Cäsars, daß Pompejus bis zuletzt die Schlacht eigentlich nicht gewollt und nur durch die blinde Siegeszuversicht und das unausgesetzte Drängen seiner Umgebung endlich dazu getrieben worden sei. Was für eine Persönlichkeit müßte Pompejus gewesen sein, wenn er mit mehr als doppelter Überlegenheit an Infanterie und siebenfacher an Kavallerie der Entscheidung hätte aus dem Wege gehen wollen? Wie konnte er hoffen, Cäsar, der ihm ja, wie wir wissen, an Landtruppen damals im ganzen weit überlegen war, je wieder unter so günstigen Verhältnissen zu begegnen? Nach den Bewegungen, die Pompejus macht, dürfen wir annehmen, daß er eine gewisse Überlegenheit in der Zahl gehabt hat, daß diese Überlegenheit aber doch nicht bedeutend genug war, um ihm gegen die qualitative Überlegenheit der Veteranen Cäsars die Zuversicht zu einer offenen Feldschlacht schon bei Dyrrhachium einzuflößen. Erst jetzt, wo der glückliche Überfall des feindlichen Lagers bei Dyrrhachium die Moral seiner Truppen sehr gehoben, die der Gegner, wie er glauben durfte, geschwächt hatte, kam er zu dem Entschluß, die Entscheidung zu wagen, suchte aber bis zuletzt auch noch kleine Vorteile im Terrain für sich zu gewinnen und zögerte die Schlacht dadurch hin. Nehmen wir die andern Nachrichten, die uns erhalten sind, zu Hilfe, die vielleicht auf Cäsars General Asinius Pollio zurückgehen, der auch ein Werk über die Bürgerkriege geschrieben hat, so darf man – unter dem Vorbehalt, daß sich etwas Sicheres nicht sagen läßt – das Heer des Pompejus auf vielleicht 40000 Legionare und gegen 3000 Reiter, das des Cäsar auf gut 30000 Legionare und vielleicht 2000 Reiter veranschlagen; auch an Leichtbewaffneten, die Beide außerdem hatten, war wohl Pompejus überlegen.

Daß Pompejus auch jetzt noch Bedenken gegen die Schlacht gehabt habe, verdient keinen Glauben. Nachdem man einmal Cäsar in das Innere gefolgt war, konnte das Hinziehen keinen Nutzen mehr bringen. Man konnte Cäsar nicht verhindern, durch die fruchtbaren[577] Landschaften vom Schwarzen Meer bis zum Isthmus zu ziehen und sich von ihnen ernähren zu lassen. Der Vorteil, den das Pompejanische Heer in der Verpflegung hatte, daß es durch Verbindung mit den Seestädten Transporte aus der Ferne heranziehen konnte, war doch nicht groß genug, um den Nachteil aufzuwiegen, daß durch langes Hinhalten der ganze moralische Gewinn des bisherigen Feldzuges wieder verloren ging. Dabei hatte Cäsar noch die anderthalb Legionen aus Hellas und wahrscheinlich auch zwei Legionen, die über Illyrien aus Italien kamen, zu erwarten.288 Wenn Pompejus wirklich noch Bedenken geäußert hat, so mußte das noch bei Dyrrhachium, ehe man beschloß, Cäsar zu folgen, oder spätestens als der Schlag gegen das Korps des Domitius mißglückt war, gewesen sein; nicht mehr, als man ihm einmal in Thessalien gegenüberstand. Daß es trotzdem nicht sofort, als die Heere einander wieder in Sicht hatten, zur Schlacht kam, lag nur daran, daß jeder in der Meinung, der andere suche nunmehr die Entscheidung, einen für sich recht günstigen Platz wählte und hoffte, der Gegner werde sich dahin locken lassen.289

Endlich rückte Pompejus so weit von seinem Lager in die Ebene vor, daß er keinen Terrain Vorteil mehr hatte, und darauf beschloß Cäsar, der schon abmarschieren wollte, nicht weiter auf seine Verstärkungen zu warten, sondern die Schlacht anzunehmen, und ging ihm entgegen.

Versuchen wir ein Bild dieses folgenschweren Entscheidungstages zu entwerfen. Es wird sich von den bisher angenommenen Darstellungen nicht unwesentlich unterscheiden, da, wie ich glaube, die Darstellung Cäsars selber, der man zu folgen pflegt, auf Grund der Aussagen der andern Quellen, wie schon bei den Heereszahlen, einschneidend zu korrigieren ist.[578]

Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 1, S. 569-579.
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