Berufskrieger.

[45] Tacitus, Germ. 30, 31, rühmt den Chatten ganz besondere Kriegseigenschaften nach und erzählt, daß es unter ihnen viele gebe, die ihr Leben lang weder Haus noch Acker haben, sondern nur dem Kriege leben. Diese Schilderung unterliegt insofern einem Bedenken, als sie die Chatten gar zu sehr über die andern Germanen hinaushebt. Nirgends tritt es in historischen Tatsachen zutage, daß eine germanische Völkerschaft wesentlich mehr vermocht habe als eine andere; wohl brachten sie sich gegenseitig Niederlagen bei, und die einst so hochstehenden Cherusker sollen nach Tacitus' Behauptung schon zu seiner Zeit sehr herunter gekommen gewesen sein, aber auf eine spezifische Verschiedenheit des Kriegertums, wie etwa zwischen den Spartanern und den übrigen Hellenen im fünften Jahrhundert, dürften wir daraus noch nicht schließen. Jeder germanische Mann in jeder germanischen Völkerschlacht ist vor allem Krieger: das ist die Grundtatsache, die alles andere beherrscht. Daß nun auf dem Boden dieses allgemeinen Kriegertums einzelne sich zu besonderen Recken herausbilden, als Abenteurer, Räuber und Schmarotzer durch die Gaue ziehen, keine Familie gründen, keine Acker bestellen, nur zeitweilig zu ihrem Geschlecht zurückkehren, aber wenns ans Raufen geht, immer dabei sind und sich gern ins erste Glied des Keils stellen lassen, daß solche Gesellen, die auch gern einmal den römischen Sold nahmen, zahlreich bei allen germanischen Völkerschaften vorkamen, mögen wir gern glauben. Nur darf man, indem man diese Wildlinge Berufskrieger nennt, die anderen Germanen deshalb nicht zu Bauern machen: es ist nur ein Gradunterschied, Krieger sind sie alle.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 45-46.
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