Das Fußvolk in den Kreuzzügen


Das Fußvolk in den Kreuzzügen.

[428] Wie HEERMANN, ist auch KÖHLER III, 3, 209 der Ansicht, daß sich während des Kreuzzuges ein tüchtiges Fußvolk durch die Schule des Krieges selber gebildet habe. In den Schlachten bei Antiochia und Askalon mache es sich schon bemerkbar, nachdem es sich bei Doryläum noch sehr schwer gezeigt habe. Im Abendlande habe damals ein brauchbares Fußvolk nicht existiert. Der Grund für die Bildung eines Fußvolks sei zu finden in der Notwendigkeit, der Reiterei vor den türkischen Bogenschützen Schutz zu gewähren. Der historische Zusammenhang in dieser Betrachtung erscheint verfehlt.

Daß das Fußvolk, welches bei Doryläum kämpft, nichts getaugt habe, ist nicht bewiesen. Sei es, daß es aus ursprünglichen Reitern bestand, die ihre Pferde verloren hatten, sei es, daß es Schützen und Spießer von Haus aus waren – auf jeden Fall dürfen und müssen wir vermuten, daß die Herren, in denen Dienst sie den Zug machten, sich kriegsbrauchbare Gesellen ausgesucht haben, und das Abendland bot ja allenthalben zu kriegerischer Schulung Gelegenheit genug.433 Die Genesis der Schlacht brachte es mit sich, daß Boemund zu nächst einen Vorstoß mit den Rittern machte. Es ist möglich, daß er dabei gar keine Fußkämpfer mitnahm, aber doch nicht sicher, da Fulcher bei diesem Kampf ausdrücklich hervorhebt, daß das türkische Heer ausschließlich aus Reitern, das christliche aus beiden Waffen, Fußvolk und Reitern, bestanden habe.

Die Ritter wurden, sei es nun mit, sei es ohne Unterstützung von Fußkämpfern, geschlagen, fluteten zurück und wurden durch die Masse der Fußkämpfer aufgenommen, die mit ihren vorgestreckten Spießen die Flucht hemmten (Radulf). Die ganze Masse hielt nun stand und die Ritter machten aus ihr heraus Ausfälle und Vorstöße.

Mehr hat das Spießvolk auch zu späteren Zeiten in unglücklich verlaufenden Gefechten nicht geleistet. Erst mit den Schweizern und Hussiten wird es anders.

Daß keine unserer Quellen etwas von Schußwaffen bei dem christlichen Fußvolk erwähnt, muß bloßer Zufall sein; vermutlich ist es zu erklären aus dem Bestreben, die Not des Boemundschen Heerhaufens, der von den berittenen türkischen Schützen ringsum bedrängt wurde, möglichst eindrucksvoll zu schildern. Hätte man die christlichen Bogner erwähnt, die die Feinde mit ihren Schüssen abwehrten, so wäre die Gefahr nicht[429] so dringlich, die Errettung durch Gottfried und die anderen nicht so wunderbar erschienen. Da wir wissen, wie gut die Normannen sonst den Bogen zu handhaben wußten, und auch in späteren Gefechten der Kreuzfahrer die Schützen auftreten, so werden sie bei Doryläum nicht gänzlich gefehlt haben.

Schließlich die Meinung KÖHLERS, die Kreuzfahrer hätten sich ein Fußvolk ausbilden müssen, um ihrer Reiterei vor den türkischen Bogenschützen Schutz zu gewähren, verkennt völlig die Natur der mittelalterlichen Waffengattungen. Der einzige Schutz, den es für den Reiter mit der blanken Waffe gegen den Bogner, den berittenen wie den unberittenen, gibt, ist (außer seiner Rüstung), daß er ihm so schnell wie möglich zu Leibe geht und ihn nicht zu mehr als zu einem, durch die nahende Bedrohung schon unsicheren Schuß kommen läßt. Daß Ritter durch Beigabe sowohl von Schützen wie von Spießern wirksam unterstützt werden können, ist vielfältig bezeugt, nicht bloß auf den Kreuzzügen; man darf das aber nicht so ausdrücken, daß diese Fußkämpfer ihnen Schutz gewährten.

Die tatsächlich stärker als im Occident hervortretende Bedeutung des Fußvolkes in den Gefechten in Syrien ist ohne Zweifel auf nichts anderes als auf den Mangel an Pferden zurückzuführen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 428-430.
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