Schlacht bei Bannockburn


Schlacht bei Bannockburn.

24. Juni 1314.

[453] Diese Schlacht ist das vollständige Gegenstück zur Schlacht bei Falkirk (1298) und Seitenstück zu Courtray. Die von Eduard I.[453] unterworfenen Schotten haben sich wieder empört und Robert Bruce zu ihrem König erhoben. Durch Streit mit seinen eigenen Baronen in Anspruch genommen, hat Eduard II. lange nicht eingreifen können, endlich kommt er mit einem großen Heer angerückt. Robert wich vor ihm zurück bis dicht vor Stirling (dessen Burg noch von den Engländern besetzt war), einige Meilen nördlich von Falkirk. Hier nahm er auf dem hohen linken Ufer des Flüßchens Bannockburn eine Stellung, die, auf beiden Seiten an Sumpf oder Wald gelehnt, nicht gleich zu umgehen und zu flankieren war. Die freie Front beträgt eine kleine Viertelmeile; etwa in der Mitte führt eine alte Römerstraße über das tief eingesenkte Tal des Bannockburn auf Stirling. Das Tal des Bannockburn ist noch nicht 2000 Schritt breit; die Höhe, auf der die Schotten standen, erhebt sich bis zu 186 und 240 Fuß über der Talsohle.

Die Aufstellung der Schotten ist ganz ähnlich wie bei Falkirk: vier große Haufen von Spießern, dahinter die wenig zahlreichen Reiter.439

Nach Omans Darstellung verlief die Schlacht folgendermaßen. Robert hatte das an sich schon sehr starke Fronthindernis des tiefen, sumpfigen Flußtals noch verstärkt durch verdeckte Wolfsgruben, die er auf dem zu seiner Stellung heraufführenden Abhang anlegen ließ.

Trotz aller Hindernisse stürmte die englische Ritterschaft hinauf und suchte die schottischen Haufen zu sprengen. Die ungeheure Masse der Engländer, wohl 10000 Pferde und 50-60000 Mann zu Fuß konnten sich aber auf dem engen Gelände nicht bewegen. Die meisten kamen gar nicht an den Feind, sondern blieben tatenlos[454] stehen; vor allem aber konnten die Schützen nicht durch die Reiter hindurch gegen die schottischen Spießer vorgebracht werden. Ein Haufe Schützen, dem es gelang, die Flanke der Schotten zu gewinnen, wurde durch einen Vorstoß der schottischen Ritter unter Führung des Marschalls Robert Keith wieder verjagt. Die Entscheidung geben endlich die schottischen Trainknechte, die in der Flanke der Engländer erschienen, durch bunte Tücher, die sie an ihre Spieße banden, den Anschein erweckten, als ob ein neues Heer mit seinen Bannern ankomme, lauten Schlachtruf erhoben und dadurch in der englischen Ritterschaft eine Panik hervorriefen.

Daß diese letzte Wendung eine Legende ist, braucht nur ausgesprochen zu werden, um einzuleuchten. Selbst angenommen, die englische Ritterschaft sei so schreckhafter Natur gewesen, wo sollen die schottischen Knechte denn hergekommen sein, da doch auf beiden Flügeln ihres Heeres das Gelände ungangbar war?

Das eigentliche Problem ist, weshalb die Engländer nicht, wie bei Falkirk, die schottischen Spießerhaufen erst durch ihre Schützen mürbe machten, ehe sie die Ritter gegen sie ansetzten. Die Erklärung, daß die Schottischen Ritter sie fortjagten, während sie bei Falkirk selber die Flucht ergriffen hatten, genügt nicht, denn weshalb kamen die englischen Ritter bei Bannockburn nicht ihren Schützen zu Hilfe und vertrieben zunächst die wenigen schottischen Reiter, statt sich vergeblich an den Spießerhaufen abzumühen? Das läßt sich vielleicht noch so erklären, daß die schottischen Haufen eine geschlossene Phalanx bildeten, die so gut angelehnt war, daß höchstens einige Schützen, aber keine Reiter sie zu umgehen vermochten. Aber man hätte doch auch, wie bei Hastings, die Schützen in der Front arbeiten lassen können, und überdies scheint es nicht einmal, als ob Flankierungen so unmöglich gewesen wären, denn es wird berichtet, daß am Tage vor der Schlacht ein Haufe von 800 englischen Rittern um den linken Flügel der Schotten herum bis in die Nähe von St. Ninians Kirche gekommen, die hinter der Mitte der schottischen Front lag, und erst nach heftigem Gefecht zurückgetrieben wäre.

Lord Hailes, Lingard und Pauli nehmen an, daß die Schotten nicht hinter dem Bannockburn-Bach mit der Front nach Süden, sondern mit dem linken Flügel an den Felsen von Stirling, mit[455] dem rechten an den Bannockburn-Bach gelehnt gestanden hätten. In diesem Fall wäre ihr linker Flügel allerdings nicht zu umgehen gewesen, um so leichter aber der rechte. Überdies stimmt diese nordöstliche Richtung der Front nicht mit der Überlieferung, daß den Engländern die Morgensonne ins Gesicht geschienen habe. An der topographischen Grundlage der Stellung der Schotten hinter dem Lauf des Baches, den Rücken gegen Stirling, wie wir sie oben nach Oman angenommen haben, scheint mir ein Zweifel nicht möglich.

Die Lösung steckt vielleicht wieder in den Heereszahlen. Man hat bisher allgemein angenommen, daß das englische Heer das weit überlegene gewesen sei. Die schottische Chronik von Fordun († ca. 1384) gibt den Engländern 340000 Mann zu Pferd und ebenso viel zu Fuß, Summa 680000. 100000 Mann zum wenigsten haben die meisten neueren Historiker angenommen und auch der vorsichtige Oman glaubt doch, wie wir sahen, bis zu 60000 gehen zu müssen. Diese Zahl hat scheinbar sogar eine urkundliche Grundlage. Es sind nämlich die Aufgebotsschreiben Eduards II. an eine Anzahl Sheriffs und Barone erhalten. Nicht bloß die Engländer und Walliser, sondern auch die Iren und sogar die Gascogner sollten ihre Kontingente für diesen Krieg stellen. Die Aufgebote für die Ritter nennen wie gewöhnlich keine Zahlen. Neben den Rittern aber werden »pedites« aufgeboten, für jeden Bezirk eine bestimmte Zahl, York 4000, Lancashire 500 usw. Insgesamt sollen 12 englische Grafschaften, eine Anzahl Grenzbarone und Wales 21540 Mann stellen. Das ist etwa ein Drittel des Landes. Nehmen wir nun auch an, argumentiert Oman, daß der Süden für diesen Feldzug im hohen Norden weniger Mannschaft schickte, so kann das gesamte Heer doch nicht wohl unter 50 bis 60000 Mann stark gewesen sein.

Hiergegen möchte ich einwenden, daß zunächst nicht gesagt ist, daß der Süden außer den Rittern und ihrem Gefolge überhaupt Mannschaft für diesen Krieg gestellt hat. Man zog die Walliser heran, weil sie als halbe Barbaren für besonders kriegstüchtig und für den Gebirgskrieg besonders brauchbar galten. Daß man aber ein Massenaufgebot aus dem südlichen England nach Schottland geführt habe, ist weder bezeugt noch glaublich.[456]

Weiter aber ist es sicherlich ein Fehler, die Heereszahl ohne weiteres auch nur annähernd gleich der Aufgebotszahl zu setzen. Man darf die Vorstellungern moderner Verwaltungs-Exaktheit noch nicht einmal aufs 16. Jahrhundert, geschweige aufs 14. übertragen. Daß dem Sheriff von York aufgetragen wurde, 4000 Mann zu schicken, ist noch kein Beweis, daß er auch nur die Hälfte wirklich geschickt hat.

Sieht man nun erst die Aufgebotsbriefe näher an, so steigern sich die Zweifel. Das Aufgebot an die Iren ist vom 22. März. Die Aufgebote für die pedites sind vom 27. Mai, und am 10. Juni soll bereits die Mannschaft bei Berwick sein. Nach dem Wortlaut ist es freilich zweifelhaft, ob es sich nur um Wiederholung eines älteren Befehls handelt. Aber die Begründung spricht dafür, daß wirklich jetzt erst diese Verstärkung beschlossen worden ist, denn es ist gesagt, man gebrauche das Fußvolk, weil die Schotten sich »in locis fortibus et morosis (ubi equitibus difficilis patebit accessus)« aufgestellt haben. Mag es sich nun um bloße Einschärfung eines früheren Befehls und strenge Mahnung oder um die erste Ordre handeln, in jedem Fall ist nicht anzunehmen, daß 14 Tage nach Erlaß die Masse der Befohlenen wirklich auf dem Sammelplatz an der schottischen Grenze beisammen gewesen ist. Ja, es erscheint nicht unmöglich, daß der Befehl im Eifer erlassen, doch überhaupt nicht zur Ausführung gekommen ist. Denn wäre eine solche Truppe bei Bannockburn gewesen, so müßte sie sich doch auch irgendwie zeigen und geltend machen. Man hatte sie gerufen, um die Schotten zu fassen, wo die Reiter ihnen nicht an den Leib konnten. Nun hatten die Schotten eine solche Stellung. Da soll dieses Fußvolk untätig hinter den Rittern gestanden haben, statt durch den Wald und um den Sumpf herum den Schotten in die Flanken zu gehen?

Freilich entsteht dann der andere Widerspruch, daß man erst das Aufgebot für das Fußvolk erlassen hat und dann zur Schlacht geschritten ist, ohne seine Ankunft abzuwarten. Aber zum Warten war keine Zeit. Der Feldzug war bestimmt, die Feste Stirling zu entsetzen, und der Kommandant, Sir Philipp Mowbray, hatte mit den Schotten eine Kapitulation geschlossen, er wolle Stirling[457] übergeben, falls er nicht bis zum Johannistage, und das war bereits der Tag der Schlacht, entsetzt sei.

Es mag in der ritterlichen Umgebung des Königs von Anfang an Zwietracht gewesen sein, ob man sich mit den Milizen belasten solle oder nicht; ihr militärischer Wert war doch nur gering und manche Ritter mögen sie mehr für schädlich als für nützlich erklärt haben, so daß man ohne große Bedenken vorging, auch wenn nur wenige sich eingestellt hatten.

Nach alledem scheint es mir zwar nicht bewiesen oder beweisbar, aber doch recht gut möglich, daß das englische Heer in der Hauptsache das gewöhnliche Ritterheer war und daß die Überlegenheit der Zahl auf Seite der Schotten war, die inmitten ihres eigenen Landes ein wirkliches Massenaufgebot der Verteidigung der nationalen Freiheit zusammengebracht hatten.

Mit dieser Annahme ist der Verlauf der Schlacht verständlich. Die Schotten haben eine sehr gute Flügelanlehnung, und die Ritter machen keinen Umgehungsversuch, da ihre Kräfte durch den Frontangriff voll in Anspruch genommen werden. Die Umgehung durch bloße Schützen schlagen die schottischen Ritter, die hinter der Phalanx stehen, zurück.

Die Entscheidung fällt gegen die Angreifer, im Unterschied von Hastings und Falkirk, aber analog zu Courtray, weil das Fronthindernis, der sumpfige Bach, der Abhang, die Wolfsgräben für die Ritter überaus schwierig und verlustbringend, Flankierung unmöglich war, der Mangel an freier Bewegung das übliche Zusammenwirken der Schützen und Ritter nicht zuließ, und schließlich vermutlich Bruce die geschlossene Masse mit ihrer Überzahl zum Gegenstoß vorwärts führte.

Eine prinzipielle Überlegenheit der Schotten oder der schottischen Kriegsweise über die Engländer war durch Bannockburn nicht konstituiert. Auch nach diesem glänzenden Erfolge wich, wie Oman mit Recht feststellt, Robert Bruce offenen Kämpfen mit den Engländern aus, ließ 1321 sogar ein englisches Heer wieder bis Edinburg kommen und suchte es nur durch Abschneiden der Zufuhr wieder zum Lande hinauszumanövrieren.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 453-458.
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