Monstrelet über Tannenberg.

[549] Als Beispiel, wie sehr die Dinge sich in einiger Entfernung verschieben können, schließe ich hier die Erzählung von der Schlacht bei Tannenberg in der französischen Chronik von Monstrelet an, der der Fortsetzer Froissarts und einer der wichtigsten und meistbenutzten Quellen-Schriftsteller der Zeit ist. Er berichtet:

»Am 16. Juni des Jahres 1410 fiel der Hochmeister von Preußen, begleitet von mehreren seiner Ritter, Brüdern und anderen von verschiedenen Nationen, bis zu 300000 Christen in Litthauen ein, um es zu verwüsten. Sogleich trat ihm der König dieses Reiches entgegen, zusammen mit dem König der Sarmaten, im ganzen wohl 400000 Sarazenen, und sie lieferten einander eine Schlacht. Die Christen behielten den Sieg, und es blieben von den Sarazenen wohl 36000 tot. Unter ihnen waren die bedeutendsten der Admiral von Litthauen und der Konnetable der Sarmaten. Die anderen, die übrig bleiben, entflohen. Von den Christen blieben etwa 200, aber sie hatten daneben viele Verwundete.«

»Bald darauf kam der König von Polen, der ein großer Feind des Hochmeisters von Preußen war und erst kürzlich scheinbar Christ geworden war, um die polnische Krone zu erwerben, mit seinen Polen den genannten Sarazenen zu Hilfe und ermahnte sie, den Krieg gegen die Preußen wieder zu beginnen, so daß sie sich acht Tage nach jener Niederlage von neuem gegeneinander versammelten, nämlich der König von Polen und die beiden genannten Könige auf der einen Seite, die wohl 600000 Krieger hatten, gegen den Meister von Preußen und mehrere andere große christliche Herren, welche von den Sarazenen geschlagen wurden. Und es gab auf dem Platz wohl 60000 Tote oder mehr. Unter ihnen war der Meister von Preußen und ein Edelmann aus der Normandie, Herr Jean de Ferrière, Sohn des Herrn de Vienville, und aus der Picardie der Sohn des Herrn du Bois d'Annequin. Und es wurde allgemein gesagt, die Sache sei verloren worden durch die Schuld des Konnetable des Königs von Ungarn, der im zweiten Treffen der Christen war und mitsamt allen Ungarn davonging.«528[549]

»Die Sarazenen aber trugen ihren Ruhm und Sieg keineswegs ohne Verlust davon, denn es fielen von ihnen, außer 10000 Polen, 120000 Mann, wie alles durch die Herolde gemeldet wurde und auch durch den Bastard von Schottland, der hieß Graf de Hembe.«


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 549-550.
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