Die Schlacht bei Höchstädt.[364] 412.

13. August 1704.

Die Übermacht Ludwigs XIV. beim Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges war so groß, daß er Ideen der Niederwerfung ähnlich denen Napoleons hat ins Auge fassen können. Verbündet mit dem Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, konnte man eine Vereinigung von Heeren aus Italien und Deutschland planen, um auf Wien loszugehen.

Die Gegner gewannen aber schließlich dadurch die Überlegenheit, daß Marlborough mit einer englisch-holländischen Armee, entgegen dem Willen seiner Regierung, an die Donau marschierte.

Längere Zeit manövrierte man hier umeinander herum. Wohl versetzten die Allierten den Bayern einen schweren Schlag durch die Erstürmung des Schellenbergs, die ihnen den Übergang über die Donau bei Donauwörth ermöglichte; zu einer großen Entscheidung zu gelangen, war aber um so schwerer, als auf beiden Seiten der Oberbefehl geteilt war: auf der einen Seite Marlborough und Ludwig von Baden, zu denen dann noch mit einer dritten Armee Prinz Eugen trat; auf der anderen Seite Kurfürst Max Emanuel und der französische Marschall Marsin, zu denen noch mit einer dritten Armee Tallard stieß.

Als die verbündeten Franzosen und Bayern eine unangreifbare Stellung vor Augsburg genommen hatten, wußten die Alliierten, obgleich sehr überlegen, nichts anderes zu tun, als das[364] bayerische Land systematisch zu verwüsten, um durch den Jammer des Volkes den Kurfürsten zu einem Abkommen zu bewegen.

Da der Kurfürst fest blieb, schien es dahin kommen zu müssen, daß die Marlboroughsche Armee endlich heimberufen wurde. Um noch etwas zu tun, beschloß man, mit einem detachierten Korps Ingolstadt zu belagern. Als aber die verbündete Armee eine Gegenbewegung machte, beschlossen Eugen und Marlborough, den Augenblick zu benutzen und sie, ehe jene sich in ihrer neuen Stellung befestigt hatte, anzugreifen. »Der mißliche Stand unserer Angelegenheiten, schrieb Marlborough, erheischt einen so kraftvollen, um nicht zu sagen, verzweifelten Ausweg«.

Das Wesen der Ermattungsstrategie tritt in dieser Äußerung um so mehr zu Tage, als die Alliierten nur das für die Belagerung von Ingolstadt bestimmte Korps, 14000 Mann, an sich zu ziehen brauchten, um über eine erhebliche numerische Überlegenheit (62000 gegen 47000) zu verfügen. Man hat gemeint, sie hätten auf jene 14000 Mann verzichtet, nur um ihren Befehlshaber, Ludwig von Baden, loszuwerden, mit dem die beiden anderen sehr schlecht harmonierten. Diese Motivierung, an sich sehr anfechtbar, wird widerlegt dadurch, daß anfänglich Eugen für den Oberbefehl der Belagerung bestimmt war. Wir werden in dieser Epoche noch mehr Beispiele finden, daß erhebliche Korps für sekundäre Zwecke abgezweigt, einer Entscheidungsschlacht entzogen bleiben.

Die alliierten Feldherren siegten bei nur sehr geringer numerischer Überlegenheit wesentlich durch ihre überlegene Führung. Die verbündeten Franzosen und Bayern waren durch den Angriff überrascht und hatten ihre Feldbefestigungen noch nicht vollendet. Die Stellung war nicht unvorteilhaft, Eugen kam gegen den feindlichen linken, nördlichen Flügel, den er umfassen sollte, nicht vorwärts, und als die ersten Angriffe abgeschlagen waren, hätte ein kräftiges Nachstoßen und Übergang zum Angriff sehr gute Chancen geboten. Es gibt ja, wie wir seit Marathon wissen, keine stärkere Kampfesform als die Defensive, die im richtigen Augenblick zur Offensive übergeht. Aber dazu gehört ein großer Feldherr. Der französische Marschall Tallard, der an der entscheidenden Stelle im Zentrum kommandierte, war das nicht nur nicht, sondern hatte auch nicht[365] die Verfügung über die Heeresteile seiner beiden Kollegen, die die Offensive hätten mitmachen müssen. Die Schlacht war von ihnen auf nichts als auf Abwehr eingerichtet und deshalb die Dörfer Blindheim (Blenheim) und Ober-Glauheim so stark besetzt, daß keine Reserven für die Offensive übrig geblieben waren413.

Unter diesen Umständen gelang es der kaltblütigen Umsicht Marlboroughs, nach den ersten abgeschlagenen Angriffen eine Truppenverschiebung durchzuführen und mit großer Übermacht zwischen den beiden Dörfern durchzustoßen und das feindliche Zentrum zu zersprengen, so daß die beiden Dörfer nun auch vom Rücken bedroht und angegriffen werden konnten und die Besatzung von Blindheim schließlich kapitulieren mußte.

Zu beachten ist, daß am Schellenberg wie bei Höchstädt der Angriff erfolgte, während noch die Verteidigung mit der Arbeit an der Feldbefestigung beschäftigt war.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 364-366.
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