1761-1762.

[423] Trotz der Siege von Liegnitz und Torgau ist Friedrich 1761 in schlechterer Lage als nach Kunersdorf und Maxen.

Er kann nicht mehr schlagen, schützt sein Heer hinter Feldbefestigungen (Bunzelwitz) und verliert allmählich seine Festungen Glatz, Schweidnitz, Kolberg.

Freilich auch die Österreicher sind so sehr am Ende ihrer Kräfte, daß Maria Theresia sich entschließt, ihre Armee, die sie nicht länger unterhalten und bezahlen kann, zu reduzieren (Dezember 1761). Jedes Regiment löste zwei Kompagnien auf; die Offiziere wurden mit Halbsold entlassen, so weit sie nicht bei anderen Kompagnien offene Stellen fanden456. Trotzdem glaubte man den Krieg noch gewinnen zu können, als der Tod der Zarin Elisabeth (5. Januar 1762) die Lage von Grund aus veränderte. Die Russen traten nicht nur von dem österreichischen Bündnis zurück, sondern gingen über auf die Seite der Preußen.

Vermöge des Übertritts der Russen hatte Friedrich jetzt die numerische Überlegenheit. Aber eine Schlachtentscheidung hat er noch nicht mehr gesucht, sondern legte den Feldzug von vornherein auf bloße Manövererfolge an. Den Österreichern war es noch am Schlusse des Jahres 1761 gelungen, sich der Festung Schweidnitz zu bemächtigen, und gestützt auf diese, ihre Winterquartiere in Schlesien zu nehmen. Die Preußen waren bis auf Breslau zurückgedrückt. Statt nun alles darauf anzulegen, die Österreicher möglichst noch diesseits der Berge mit gesammelter Macht anzufallen, schwächte sich der König, indem er ein großes Detachement (16000 Mann) nach Oberschlesien entsandte, und drückte durch Umgehung Daun bis hinter Schweidnitz zurück457.[423]

Aus dieser Stellung suchte Friedrich ihn hinauszubringen, erst indem er einen Posten auf dem linken Flügel angriff, wurde aber zurückgeschlagen; dann indem er weiter nördlich über Trautenau in Böhmen einbrach und dort brandschatzen ließ. Aber Daun ließ sich nicht irre machen, deckte seine Magazine bei Braunau rechtzeitig und blieb bei Schweidnitz. Der Einfall in Böhmen hätte leicht zu einem Echec wie bei Maxen führen können.

Friedrich zog sich also wieder aus Böhmen zurück und zeigte nun, daß es keineswegs Schwächlichkeit und Unentschlossenheit war, wenn er bloß manövrierte.

Er ließ die Truppen unter Wied, die bisher gegen den linken Flügel der Österreicher manövriert hatten, drei Nachtmärsche hintereinander machen, führte sie rings um Schweidnitz herum gegen den rechten Flügel der Österreicher und griff hier unerwartet bei Burkersdorf und Leutmansdorf die Posten der Österreicher an, die eine halbe Meile vom Gros diesen Flügel decken sollten. Der überraschende Angriff gelang, obgleich er über kupiertes Terrain gehen mußte, und Daun war nun gezwungen, so weit ins Gebirge zurückzugehen, daß die Preußen endlich zur Belagerung von Schweidnitz schreiten konnten. Da diese Belagerung sich hinzog bis zum 9. Oktober, so war der Feldzug damit zu Ende. Friedrich ist darin keineswegs von sich selber abgefallen, sondern hat nach der Lage der Umstände, von dem gefährlichen und kostspieligen Mittel der Schlacht jetzt absehen zu können geglaubt. Das Ziel, um dessentwillen er vor sechs Jahren in den Krieg gegangen war, die Erwerbung Sachsens, war auf keinen Fall mehr zu erreichen. Es handelte sich nur noch um den status quo ante und der stand auch ohne weitere Schlacht in Aussicht. Ein Sieg hätte freilich die Entscheidung beschleunigt, aber nach den gemachten Erfahrungen hatte Friedrich sich jetzt dem Manöverpol seiner Strategie so weit genähert, daß er unter den obwaltenden Verhältnissen auf die Schlacht verzichtete. Den Satz, daß Preußens Kriege »kurz und vif« sein müßten, hatte er fallen lassen.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1920, Teil 4, S. 423-424.
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