Nachmittagssitzung.

[500] MR. DODD: Hoher Gerichtshof! Wir hatten bei der Mittagsvertagung gerade die Verlesung der eidesstattlichen Erklärung des Dr. Wilhelm Jäger beendet. Die Zustände, die in dieser eidesstattlichen Erklärung beschrieben wurden, beschränkten sich nicht allein auf die Kruppwerke, sondern herrschten überall in Deutschland.

Wir wenden uns jetzt einem Bericht des polnischen Hauptkomitees an die Verwaltung des polnischen Generalgouvernements, Dokument R-103, US-204, zu. Dieses Dokument datiert vom 17. Mai 1944 und beschreibt die Lage der polnischen Arbeiter in Deutschland. Ich möchte insbesondere auf Seite 2 der englischen Übersetzung verweisen, beginnend mit Absatz 2. Im deutschen Text befindet sich die Stelle auf Seite 2, Absatz 2. Ich zitiere daraus folgendes:

»Die Reinlichkeit mancher vollgedrängten Lagerräume widerspricht den elementarsten Anforderungen. Die Möglichkeit, warmes Abwaschwasser zu erhalten, ist vielfach ausgeschlossen und macht es den reinlichsten Eltern unmöglich, bei ihren Kindern selbst nur die primitivsten hygienischen Maßregeln einzuhalten und oft ihre einzige Wäsche, über die sie verfügen, zu waschen. Eine Folge davon ist die Krätze, die vielfach um sich greift und nicht ausgemerzt werden kann....

Aus den Ostarbeiterlagern und von den kinderreichen Arbeiterfamilien stammen auch meistens die flehentlichen Briefe, die an uns um Ernährungshilfe gerichtet werden. Die dort angeführte Quantität und Qualität der in den Lagern verabreichten Lebensmittel – die sogen. 4. Kost – ist durchaus nicht hinreichend, um die bei schwerer Arbeit verbrauchten Kräfte zu ersetzen. 3,5 kg Brot für die Woche und eine schmale Mittagssuppe, die aus Kohlrüben oder anderen Gemüsen ganz ohne Fleisch- und Fettgehalt gekocht ist, und hie und da ein spärlicher Zusatz von Kartoffeln, sind für den schwer arbeitenden Mann eine Hungerkost.

Wenn dann noch Fälle vorkommen, daß man z.B. für die Weigerung – das Abzeichen »Ost« anzunehmen – Hungerstrafen verhängt, die so weit gehen, daß Arbeiter bei ihrer Arbeit ohnmächtig werden (Lager in Klosterteich, Grünheim i. Sa.), dann ergibt sich daraus in der Folge eine Erschöpfung der Organismen, die als Ergebnis eine völlige Entkräftung, Krankheitszustände und Tuberkulose nach sich zieht. Daß die Tuberkulose bei den in den Fabrikbetrieben beschäftigten polnischen Arbeitern stark um sich greift, ist auf die mangelhaften Ernährungsrationen zurückzuführen, [500] die in den Gemeinschaftslagern verabreicht werden, wobei der Kräfteverbrauch bei den den Arbeitern gestellten schweren Arbeitsleistungen nicht ersetzt werden kann.

... Der Ruf um Hilfe, der zu uns dringt, bringt Tatsachen des Darbens und Hungerns, schwerer Magen- und Darmerkrankungen besonders bei den Kleinen, die auf die schmale und durchaus nicht für Kinder berechnete Kost zurückzuführen sind. An eine geeignete ärztliche Behandlung und Krankenpflege ist in den Massenlagern nicht zu denken.«

Ich beziehe mich nun auf Seite 3 desselben Dokuments, besonders auf den ersten Absatz. Im deutschen Text ist dies Seite 5, Absatz 1:

»Zu diesen Übeln gesellt sich im Lagerleben für die kinderreichen Familien der Mangel einer zielbewußten Beschäftigung und Aufsicht dieser Kinderscharen, die, sich selbst überlassen, ohne Unterricht und religiöse Betreuung verwildern müssen, und zu Analphabeten heranwachsen. Der Müßiggang in einer rohen Umgebung kann und muß unerwünschte Auswirkung bei diesen Kindern hervorrufen....

Zu welchen Auswüchsen diese Mißstände führen können, zeigt die Tatsache, daß in den Ostarbeiterlagern (›Waldlust‹, Post Lauf/Pegnitz) Fälle vorkommen, wo achtjährige, schwächliche und unterernährte Kinder zu Zwangsarbeiten herangezogen werden und daran zu Grunde gehen....

Daß alle diese Übelstände eine bedrohliche Rückwirkung auf den Gesundheitszustand und die Lebensfähigkeit der Arbeiter haben, zeigen die vielen Fälle von Tuberkulose bei ganz jungen Men schen, die als arbeitsunfähig aus dem Reich ins Generalgouvernement zurückkehren. Ihr Zustand ist meistens so schwer, daß an eine Heilung nicht mehr zu denken ist.

Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß Erschöpfungszustände bei übermäßiger Arbeit und bei Unterernährung nicht als Krankheitszustände anerkannt werden bis zum Augenblick, wo die Krankheit sich durch hohe Fieberzustände und Erschöpfung bis zur Ohnmacht geltend macht.

Es sind zwar vorsorglich Heime für arbeitsunfähige Arbeiter geschaffen, aber man kann sie erst dann beziehen, wenn die Heilung nicht mehr in Aussicht steht – Neumarkt in Bayern –, wo die Unheilbaren langsam dahinsiechen und wo nichts vorgenommen wird, um den Zustand des Kranken durch entsprechende Ernährung und Heilmittel auch nur zu lindern. Es befinden sich darin auch Kinder, bei denen die Heilung der Tuberkulose nicht aussichtslos ist, auch Personen im vollen Mannesalter, die – rechtzeitig zu ihren Familien am Lande heimgeschickt – vielleicht doch noch genesen könnten....

[501] Nicht weniger schmerzlich wird die Zerrissenheit des Familienlebens empfunden, die dadurch bewirkt wird, daß Ehefrauen, Mütter kleiner Kinder aus ihrem Familienkreis herausgerissen werden und ins Reich zum Arbeitseinsatz geschickt werden.«

Schließlich verlese ich von Seite 4, Absatz 1 des selben Dokuments, Seite 7, Absatz 4, des deutschen Textes.

»Wenn unter diesen Mißständen der moralische Halt abgeht, der sonst durch geregelte Familienverhältnisse geschaffen wird, dann müßte derjenige moralische Halt erhalten bleiben und unterstützt werden, den die religiöse Einstellung der polnischen Bevölkerung mit sich bringt. Die Ausschaltung des Gottesdienstes, der religiösen Praktik und Betreuung aus dem Leben der polnischen Arbeiter, das Verbot, die Kirchen zu besuchen, wenn darin Gottesdienst für andere abgehalten wird, und sonst andere Maßnahmen, kennzeichnen eine gewisse Geringschätzung des religiösen Einflusses auf den Gesinnungsinhalt der Arbeiter....«


VORSITZENDER: Können Sie uns sagen, wer die Mitglieder des polnischen Zentralkomitees waren, oder wie es zu dessen Gründung kam?

MR. DODD: Soweit uns bekannt ist, wurde dieses Komitee seinerzeit, als Polen besetzt wurde, vom Nazi-Staat aufgezogen, um eine Art Zusammenarbeit mit diesem während der Besatzungszeit herzustellen. Wir kennen jedoch nicht die Namen der Mitglieder und haben auch sonst keine näheren Informationen.


VORSITZENDER: Ist es ein erbeutetes Dokument?


MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender. Alle Dokumente, die ich zu diesem Fall vorlege, mit Ausnahme des Berichts der Niederländischen Regierung und von ein oder zwei anderen amtlichen Berichten, wie der eidesstattlichen Erklärungen von Deuß und ähnlichen, sind erbeutete Dokumente. Dies spezielle Dokument wurde, wie ich eben erfahre, von der 3. Armee der Vereinigten Staaten erbeutet.

Besonders harte und brutale Behandlung wurde den Arbeitern aus den besetzten Ostgebieten zuteil. Wie wir schon ausgeführt haben, lebten sie tatsächlich in Knechtschaft und waren nahezu jeder Art von Erniedrigung ausgesetzt; sie wurden in Ställen mit Tieren untergebracht; das Recht der freien Religionsausübung und die gewöhnlichen Vergnügungen der menschlichen Gesellschaft waren ihnen versagt.

Eine Schilderung dieser Behandlung enthält Dokument EC-68, US-205. Dieses Dokument EC-68 trägt die Überschrift: »Bestimmungen über die Behandlung ausländischer Landarbeiter polnischen [502] Volkstums«. Es trägt das Datum vom 6. März 1941 und stammt vom Badischen Finanz- und Wirtschaftsminister. Wir kennen dessen Namen nicht und konnten ihn auch nicht feststellen.

Ich lese den englischen Text des Dokuments, und zwar von Anfang an:

»Mit Genugtuung haben die Dienststellen des Reichsnährstandes – Landesbauernschaft Baden – das Ergebnis der Verhandlungen beim Höheren SS- und Polizeiführer am 14. Februar 1941 in Stuttgart aufgenommen. Entsprechende Merkblätter wurden den Kreisbauernschaften bereits übergeben. Anschließend gebe ich einzelne Bestimmungen bekannt, wie diese auf Grund der Besprechungen festgelegt wurden und nun entsprechend angewendet werden müssen:

1. Ein Beschwerderecht steht den Landarbeitern polnischen Volkstums grundsätzlich nicht mehr zu und dürfen solche auch von keiner Dienststelle entgegengenommen werden.

2. Die Landarbeiter polnischen Volkstums dürfen die Ortschaften, in welche sie zum Einsatz gegeben wurden, nicht mehr verlassen und haben Ausgangsverbot vom 1. Oktober bis 31. März von 20 Uhr bis 6 Uhr, und vom 1. April bis 30. September von 21 Uhr bis 5 Uhr.

3. Die Benutzung von Fahrrädern ist streng untersagt. Ausnahmen sind möglich für Fahrten zur Arbeitsstelle aufs Feld, wenn ein Angehöriger des Betriebsführers oder der Betriebsführer selbst dabei ist.

4. Der Besuch der Kirchen, gleich welcher Konfession, ist streng verboten, auch wenn kein Gottesdienst abgehalten wird. Einzelseelsorge durch die Geistlichen außerhalb der Kirchen ist gestattet.

5. Der Besuch von Theatervorstellungen, Kinos oder sonstigen kulturellen Veranstaltungen ist für Landarbeiter polnischen Volkstums streng untersagt.

6. Der Besuch von Gaststätten für Landarbeiter polnischen Volkstums ist streng verboten mit Ausnahme einer Gaststätte im Ort, die vom Landratsamt hierzu bestimmt wurde und nur an einem Tag in der Woche. Der Tag, welcher zum Besuch der Gaststätte freigegeben wurde, wird ebenfalls vom Landratsamt bestimmt. Bei dieser Bestimmung ändert sich an dem unter 2. verkündeten Ausgangsverbot nichts.

7. Der Geschlechtsverkehr mit Frauen und Mädchen ist streng verboten, und wo solcher festgestellt wird, ist Anzeigepflicht gegeben.

[503] 8. Zusammenkünfte von Landarbeitern polnischen Volkstums nach Feierabend auf anderen Höfen, sei es in Stallungen oder in den Wohnräumen der Polen, sind verboten.

9. Die Benutzung von Eisenbahnen, Omnibussen oder sonstigen öffentlichen Verkehrsmitteln durch Landarbeiter polnischen Volkstums ist verboten.

10. Bescheinigungen von der Ortspolizeibehörde (Bürgermeisteramt), welche zum Verlassen des Ortes berechtigen, dürfen nur in ganz großen Ausnahmefällen ausgestellt werden. Keinesfalls aber, wenn ein Pole eigenmächtig eine Dienststelle, sei es ein Arbeitsamt oder die Kreisbauernschaft, aufsuchen oder seinen Arbeitsplatz wechseln will.

11. Ein eigenmächtiger Stellenwechsel ist streng verboten. Die Landarbeiter polnischen Volkstums haben so lange täglich zu arbeiten, wie es im Interesse des Betriebs gelegen ist und vom Betriebs führer verlangt wird. Eine zeitliche Begrenzung der Arbeitszeit besteht nicht.

12. Das Züchtigungsrecht steht jedem Betriebsführer für die Landarbeiter polnischen Volkstums zu, sofern gutes Zureden und Belehrungen ohne Erfolg waren. Der Betriebsführer darf in einem solchen Fall von keiner Dienststelle deswegen zur Rechenschaft gezogen werden.

13. Die Landarbeiter polnischen Volkstums sollen nach Möglichkeit aus der Hausgemeinschaft entfernt werden und können in Stallungen usw. untergebracht werden. Irgendwelche Hemmungen dürfen dabei nicht hindernd im Wege stehen.

14. Alle von Landarbeitern polnischen Volkstums begangenen Schandtaten, die dazu angetan sind, den Betrieb zu sabotieren oder die Arbeiten aufzuhalten, z. B. durch Arbeitsunwillen und freches Benehmen, unterliegen der Anzeigepflicht, auch dann, wenn es sich um leichtere Fälle handelt. Ein Betriebsführer, welcher durch pflichtgemäße Anzeige seinen Polen, der daraufhin eine längere Haftstrafe verbüßen muß, verliert, erhält auf Antrag vom zuständigen Arbeitsamt bevorzugt eine andere polnische Arbeitskraft zugewiesen.

15. In allen anderen Fällen ist nur noch die Staatspolizei zuständig.

Auch für die Betriebsführer sind hohe Strafen vorgesehen, sollte festgestellt werden, daß der notwendige Abstand von den Landarbeitern polnischen Volkstums nicht gewahrt worden ist. Dassel be gilt auch für die Frauen und Mädchen. Sonderzuwendungen sind streng untersagt. Nichteinhaltung der Reichstarife für Landarbeiter polnischen Volkstums [504] werden mit sofortiger Wegnahme der Arbeitskraft durch das zuständige Arbeitsamt bestraft.«

Die Frauen der eroberten Gebiete wurden gegen ihren Willen verschleppt, um als Hausangestellte zu arbeiten. Der Angeklagte Sauckel beschreibt diesen Vorgang mit eigenen Worten im Dokument 016-PS, das schon als US-168 vorgelegt wurde. Es ist Seite 7, Absatz 4 des englischen Textes. Im deutschen Text befindet sich die Stelle auf Seite 10, Absatz 1. Ich zitiere wörtlich:

»Um der deutschen Hausfrau, vor allem der kinderreichen Mutter sowie der aufs höchste in Anspruch genommenen deutschen Bauersfrau eine fühlbare Entlastung zuteil werden zu lassen und ihre Gesundheit nicht weiter zu gefährden, hat mich der Führer auch beauftragt, aus den östlichen Gebieten etwa 4-500000 ausgesuchte, gesunde und kräftige Mädchen ins Reich hereinzunehmen.«

Sobald sie eingefangen und gezwungen worden waren, Arbeiterinnen in Deutschland zu werden, wurden diese Frauen aus dem Osten auf Befehl ihres Sklavenhalters, des Angeklagten Sauckel, einem Haushalt zugewiesen, dem sie verpflichtet blieben. Sie hatten höchstens drei Stunden Freizeit in der Woche, und das Recht zur Rückkehr in die Heimat war ihnen versagt.

Ich lege jetzt Dokument 3044(b)-PS, US-206, vor. Das Schriftstück ist eine Verordnung, die von dem Angeklagten Sauckel herausgegeben wurde und Anweisungen für Hausfrauen betreffend die Behandlung von Hausarbeitern aus dem Osten enthält. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Verordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie erscheint auf den Seiten 592 und 593 des zweiten Bandes einer Veröffentlichung des Zentralverlags der NSDAP, mit dem Titel »Verfügungen, Anordnungen, Bekanntgaben«. Ich zitiere von dem ersten Absatz der englischen Übersetzung einen Teil der Verordnung:

»Ein Anspruch auf Freizeit besteht nicht. Hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen dürfen sich grundsätzlich außerhalb der Haushalte nur bewegen, um Angelegenheiten der Haushaltungen zu erledigen. Jedoch kann ihnen bei Bewährung einmal wöchentlich als Belohnung die Gelegenheit gegeben werden, sich drei Stunden ohne Beschäftigung außerhalb des Haushalts aufzuhalten. Dieser Ausgang muß bei Einbruch der Dunkelheit, spätestens aber um 20.00 Uhr beendet sein. Der Besuch von Gaststätten, Lichtspiel- oder sonstigen Theatern und ähnlichen für Deutsche oder ausländische Arbeiter vorgesehenen Einrichtungen ist verboten. Desgleichen ist der Kirchenbesuch untersagt. Besondere Veranstaltungen werden unter Umständen für hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen in städti schen Haushaltungen durch die Deutsche Arbeitsfront, [505] für hauswirtschaftliche Ostarbeiterinnen in ländlichen Haushaltungen durch den Reichsnährstand gemeinsam mit dem Deutschen Frauenwerk durchgeführt werden. Die hauswirtschaftliche Ostarbeiterin muß außerhalb des Haushalts stets ihre Arbeitskarte als Personalausweis mit sich führen. Urlaub, Rückkehr nach der Heimat wird zunächst nicht gewährt. Die Anwerbung der hauswirtschaftlichen Ostarbeiterinnen erfolgt auf unbestimmte Zeit.«

Stets hing über diesen Sklavenarbeitern der Schatten der Gestapo und der Konzentrationslager. Ebenso wie alle anderen größeren Programme der Nazi-Verschwörer wurde auch dieses durch die SS-Wachen und durch Himmlers Methoden, mit Menschen umzugehen, erzwungen.

Ein vom Reichsführer der SS, Himmler, an den SD und an die Sicherheitspolizeioffiziere am 20. Februar 1942 über das Thema Sklavenarbeiter erlassener Geheimerlaß, der die Arbeiter aus dem Osten betrifft, nennt im einzelnen alle Gewaltmaßnahmen, die gegen diese angewendet wurden.

Ich lege Dokument 3040-PS, US-207, vor und bitte den Gerichtshof, von diesem Erlaß amtlich Kenntnis zu nehmen. Er ist in der allgemeinen Erlaß-Sammlung Teil II, Abschnitt 2 A III f, Seite 15 bis 24 veröffentlicht. Ich möchte von Seite 3 des englischen Textes zitieren, beginnend mit Absatz III; im deutschen Text ist es Abschnitt 2 A III f, auf Seite 19:

»III. Bekämpfung der Disziplinwidrigkeit.

1. Entsprechend der Gleichsetzung der Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet mit Kriegsgefangenen muß eine straffe Disziplin in den Unterkünften und am Arbeitsplatz herrschen. Disziplinlosigkeiten, zu denen auch pflichtwidrige Arbeitsverweigerung und lässiges Arbeiten mitgehören, werden ausschließlich von der Geheimen Staatspolizei bekämpft. Die leichteren Fälle werden von dem Leiter der Bewachung nach Weisung der Staatspolizeileitstellen mit den in der Anlage vorgesehenen Maßnahmen erledigt. Zur Brechung akuten Widerstandes wird den Wachmännern auch eine körperliche Einwirkung auf die Arbeitskräfte zu erlauben sein. Doch darf hiervon nur aus zwingendem Anlaß Gebrauch gemacht werden. Die Arbeitskräfte sollen stets darüber belehrt werden, daß sie bei disziplinvollem Verhalten einschließlich guter Arbeitsleistung, anständig behandelt werden. In schwereren Fällen, d. h. in solchen, in denen die dem Leiter der Bewachung zur Verfügung stehenden Maßnahmen nicht ausreichen, hat die Staatspolizeileitstelle mit ihren Mitteln einzugreifen. Dementsprechend wird in der Regel nur mit [506] harten Maßnahmen, d. h. Einweisung in ein Konzentrationslager oder Sonderbehandlung vorzugehen sein. Die Einweisung in ein Konzentrationslager erfolgt auf dem üblichen Weg; in besonders schweren Fäl len ist beim Reichssicherheitshauptamt Sonderbehandlung unter Angabe der Personalien und des genauen Tatbestandes zu beantragen. Die Sonderbehandlung erfolgt durch Strang. Sie soll nicht in unmittelbarer Umgebung des Lagers stattfinden. Eine gewisse Anzahl von Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet soll der Sonderbehandlung beiwohnen. Ihnen ist dabei der Tatbestand, der zur Sonderbehandlung führte, warnend bekannt zu geben. Sollte aus Gründen der Lager-Disziplin ausnahmsweise Sonderbehandlung im Lager erforderlich sein, ist dies mit zu beantragen.«

Ich gehe nun auf Seite 4 des Textes zu Absatz VI über. Im deutschen Text ist es Seite 20, Abschnitt 2 A III f:

»VI. Geschlechtsverkehr. Die Ausübung des Geschlechtsverkehrs ist den Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet verboten. Durch die streng abgeschlossene Unterbringung haben sie auch an sich keine Gelegenheit dazu.... Für jeden Geschlechtsverkehr mit deutschen Volksgenossen oder Volksgenossinnen ist bei männlichen Arbeitskräften aus dem altsowjetrussischen Gebiet Sonderbehandlung, bei weiblichen Arbeitskräften Einweisung in ein Konzentrationslager zu beantragen.«

Und schließlich auf Seite 5, Absatz VIII des gleichen Dokuments, im deutschen Text auf Seite 21, Abschnitt 2 A III f:

»VIII. Fahndung. Flüchtige Arbeitskräfte aus dem altsowjetrussischen Gebiet sind grundsätzlich im deutschen Fahndungsbuch auszuschreiben. Ferner sind örtliche Fahndungsmaßnahmen zu veranlassen. Bei Ergreifung ist der Flüchtling grundsätzlich zur Sonderbehandlung vorzuschlagen.«

Wir haben dem Hohen Gerichtshof mehr als einmal gesagt, daß es das Hauptziel des gesamten Zwangsarbeitsprogramms war, die Völker der besetzten Länder dazu zu zwingen, für die deutsche Wehrwirtschaft zu arbeiten. Die Verordnung, durch die der Angeklagte Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ernannt wurde, offenbart das Ziel dieser Ernennung, nämlich den Einsatz von Arbeitskräften zu erleichtern, die in der deutschen Kriegsindustrie, besonders aber in der Rüstungsindustrie gebraucht wurden, und zwar durch Zentralisierung der Anwerbung und Zuweisung der ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen in diese Industrien unter Sauckels Verantwortung. Ich verweise auf unser Dokument 1666-PS, US-208, vom 21. März 1942. Dieses [507] Dokument ist eine von Hitler, Lammers und dem Angeklagten Keitel unterzeichnete Verordnung und enthält die Ernennung des Angeklagten Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Ich ersuche den Gerichtshof, von dieser Verordnung, veröffentlicht auf Seite 179 des Reichsgesetzblattes von 1942, Teil I, amtlich Kenntnis zu nehmen. Ich verweise auf den englischen Text, beginnend mit Absatz 1, und ich zitiere wörtlich:

»Die Sicherstellung der für die gesamte Kriegswirtschaft, besonders für die Rüstung erforderlichen Arbeitskräfte bedingt eine einheitlich ausgerichtete, den Erfordernissen der Kriegswirtschaft entsprechende Steuerung des Einsatzes sämtlicher verfügbaren Arbeitskräfte, einschließlich der angeworbenen Ausländer und Kriegsgefangenen, sowie die Mobilisierung aller noch unausgenutzten Arbeitskräfte im Großdeutschen Reich, einschließlich des Protektorats, sowie im Generalgouvernement und in den besetzten Gebieten.

Diese Aufgabe wird der Reichsstatthalter und Gauleiter Fritz Sauckel als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz im Rahmen des Vierjahresplans durchführen. In dieser Eigenschaft untersteht er dem Beauftragten für den Vierjahresplan unmittelbar.

Dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz stehen zur Durchführung seiner Aufgabe die zuständigen Abteilungen III (Lohn) und V (Arbeitseinsatz) des Reichsarbeitsministeriums und dessen nachgeordnete Dienststellen zur Verfügung.«

Sauckels Erfolg kann aus einem Brief ermessen werden, den er selbst am 15. April 1943 an Hitler geschrieben hat, und der einen Bericht über seine Tätigkeit während dieses einen Jahres darstellt. Wir beziehen uns auf Dokument 407 VI-PS, US-209. Ich möchte von Seite 1, Absatz 6 und 9 des englischen Textes zitieren; im deutschen Text Seite 2, Absatz 1 und 2:

»Nach einjähriger Tätigkeit als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz darf ich Ihnen melden, daß vom 1. April vorigen Jahres bis zum 31. März d. J. der deutschen Kriegswirtschaft 3638056 neue fremdvölkische Arbeitskräfte zugeführt werden konnten.... Die 3638056 Arbeitskräfte verteilen sich auf folgende Zweige der deutschen Kriegswirtschaft; auf die Rüstung 1568801...«

Ein weiterer Beweis für die dauernde Verwendung ausländischer Sklavenarbeiter geht aus einem Bericht der Zentralen Planung hervor, auf die wir schon mehrmals heute Morgen und auch gestern verwiesen haben. Eine weitere Besprechung dieser Zentralen Planung fand am 16. Februar 1944 statt. Ich beziehe mich auf das von uns bereits vorgelegte Dokument R-124, US-179, das das [508] Protokoll über diese Sitzung enthält. Ich zitiere insbesondere von Seite 26, Absatz 1, des englischen Textes; es ist dies Seite 16, Absatz 2, des deutschen Textes:

»Die Rüstungsindustrie arbeitet auch sehr weitgehend mit Ausländern, und zwar nach den letzten effektiven Zahlen mit 40 %.«

Außerdem verzeichnet unser Dokument 2520-PS, US-197, daß nach Aufstellungen des Speer-Ministeriums vom 31. Dezember 1944 ungefähr zwei Millionen Ausländer als Arbeiter unmittelbar mit der Herstellung von Rüstungsmaterial und Munition, Fertig-oder Teilprodukten, beschäftigt wurden. Daß die große Masse dieser Arbeiter gezwungen wurde, gegen ihren Willen nach Deutschland zu kommen, geht klar aus Sauckels Erklärung hervor, die ich vorher, und zwar heute Morgen, aus dem Dokument R-124, Seite 11, Absatz 3, zitiert habe, und nach der von fünf Millionen Fremdarbeitern nur 200000 oder weniger freiwillig gekommen waren.

Es gelang den Angeklagten Sauckel, Speer und Keitel, Ausländer auch zum Bau von militärischen Befestigungen zu zwingen. Auf diese Weise wurden französische, holländische und belgische Staatsangehörige gepreßt, gegen ihren Willen am Bau des »Atlantik-Walls« teilzunehmen. Wir verweisen auf Dokument 556(2)-PS, US-194. Es ist dies ein Hitler-Befehl vom 8. September 1942 mit der Paraphe des Angeklagten Keitel. Ich zitiere den Befehl wörtlich:

»Die von mir im Gebiet der Heeresgruppe West angeordneten umfangreichen Küstenbefestigungsanlagen erfordernden Einsatz und die äußerste Anspannung aller im besetzten Gebiet verfügbaren Arbeitskräfte. Die bisherige Zuweisung von einheimischen Arbeitskräften ist ungenügend. Um sie zu erhöhen, ordne ich daher die Einführung der Dienstverpflichtung und des Verbotes, den Arbeitsplatz ohne Zustimmung der zuständigen Be hörde zu wechseln, in den besetzten Gebieten an. Weiterhin ist in Zukunft die Ausgabe von Lebensmittel- und Kleiderkarten an Einsatzfähige von dem Nachweis einer Beschäftigung abhängig zu machen. Der Nichtantritt einer zugewiesenen Arbeitsstelle sowie das Verlassen des Arbeitsplatzes ohne Zustimmung der zuständigen Behörden hat den Entzug der Lebensmittel- und Kleiderkarten zur Folge. Der GBA erläßt im Einvernehmen mit den Militärbefehlshabern bzw. den Reichskommissaren die entsprechenden Ausführungsbestimmungen.«

Der Angeklagte Sauckel rühmte sich Hitler gegenüber tatsächlich seines durch das Zwangsarbeiterprogramm erzielten Beitrags an der Errichtung des Atlantik-Walles, der durch die »Organisation Todt« des Angeklagten Speer gebaut wurde. Wir verweisen auf[509] Dokument 407-VIII-PS, US-210. Diese Urkunde ist ein Brief des Angeklagten Sauckel an Hitler vom 17. Mai 1943. Ich will den zweiten und letzten Absatz vorlesen:

»Zusätzlich zu den durch den Arbeitseinsatz seit meiner Amtsübernahme der gesamten deutschen Wirtschaft zugewiesenen Arbeitskräften wurde auch die Organisation Todt laufend mit neuen Arbeitskräften versehen....

Damit hat auch der Arbeitseinsatz alles getan, um die Durchführung des Atlantik-Walles ermöglichen zu helfen.«

Auf ähnliche Weise wurde die russische Zivilbevölkerung in Arbeitsbataillone gepreßt und zum Bau von Befestigungen gezwungen, die gegen ihre eigenen Landsleute verwendet wurden. Im Dokument 031-PS, US-171, einem Aktenvermerk aus dem Ministerium Rosenbergs, wird auf Seite 1, Absatz 1, folgendes gesagt:

»Im Operationsgebiet sind bzw. werden die Männer und Frauen zu Arbeitsbataillonen zusammengezogen, um beim Stellungsbau zum Arbeitseinsatz zu gelangen.«

Nicht genug damit, zwangen die Verschwörer Kriegsgefangene zu Kriegsoperationen gegen ihr eigenes Land und dessen Verbündete. Anläßlich einer Konferenz der Zentralen Planung vom 19. Februar 1943, welcher der Angeklagte Speer, der Angeklagte Sauckel und Feldmarschall Milch beiwohnten, kam es zu folgenden Äußerungen, die in unserem Dokument R-124 auf Seite 32, Absatz 5, des englischen Textes wiedergegeben sind. Es ist der letzte Absatz auf Seite 20 des deutschen Textes. Ich zitiere die Worte des Angeklagten Sauckel:

»Die Gefangenen, die gemacht werden, werden dort gebraucht.« Milch: »Wir haben die Forderung gestellt, daß bei uns in der Flakartillerie ein gewisser Prozentsatz Russen ist. 50000 sollen im ganzen heran; 30000 sind schon als Kanoniere da. Das ist eine witzige Sache, daß Russen die Kanonen be dienen müssen.«

Wir verweisen nun auf die Dokumente 3027-PS und 3028-PS, US-211 und US-212. Sie befinden sich, soviel ich weiß, ganz am Schluß des Dokumentenbuchs, in einer separaten Manilamappe. Es sind amtliche Photographien der deutschen Wehrmacht und, wenn der Hohe Gerichtshof Dokument 3027-PS prüfen will, besagt die Überschrift, daß russische Kriegsgefangene während des Angriffs auf Tschedowo als Munitionsträger verwendet wurden. Dokument 3028-PS besteht aus einer Reihe offizieller Photographien der deutschen Wehrmacht vom Juli und August 1941, auf denen zu sehen ist, wie russische Kriegsgefangene in Lettland und der Ukraine zum Laden und Entladen von Munition auf und von [510] Eisenbahnwaggons und Lastautos und zum Aufstapeln von Munition gezwungen wurden; all dies geschah in offener Mißachtung der Gesetze des Völkerrechts, insbesondere des Artikels 6 der Anlage zum Haager Abkommen Nr. IV vom Jahre 1907, der vorsieht, daß die Arbeiten von Kriegsgefangenen in keinem Zusammenhang mit Kriegsoperationen stehen dürfen. Man verwendete jedoch Kriegsgefangene in der deutschen Rüstungsindustrie fast ebensoviel und in ebensolchem Umfang wie die ausländischen zivilen Zwangsarbeiter. Wir verweisen auf Dokument 3005-PS, US-213. Es ist dies ein Geheimschreiben des Reichsarbeitsmi nisters an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, welches sich auf einen Befehl des Angeklagten Göring mit den nachfolgenden Bestimmungen bezieht. Ich zitiere aus dem ersten Absatz dieses Schriftstücks wörtlich:

»Auf persönlichen Befehl des Herrn Reichsmarschalls sind aus den französischen Kriegsgefangenen, die bisher nicht in der Rüstungswirtschaft eingesetzt sind, zunächst 100000 Mann herauszuziehen und der Rüstungswirtschaft (Luftwaffenindustrie) zu überweisen. Die dadurch entstehenden Lücken werden durch Sowjet. Kriegsgefangene aufgefüllt werden. Die Umsetzung der genannten 100000 franz. Kriegsgefangenen hat bis zum 1. Oktober zu erfolgen.«

Der darin genannte Reichsmarschall ist natürlich der Angeklagte Göring.

Eine ähnliche Politik wurde auf die russischen Kriegsgefangenen angewendet. Der Angeklagte Keitel leitete die Ausführung des Befehls Hitlers, Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft zu verwenden. Ich verweise hier auf unser Dokument EC-194, US-214. Dieses Dokument ist seiner Bezeichnung nach ebenfalls eine geheime Aufzeichnung, es stammt aus Hitlers Hauptquartier und ist datiert vom 31. Oktober 1941. Ich lese Seite 1, Absatz 1 und 2, und zitiere wörtlich:

»Der Mangel an Arbeitskräften wird zu einem immer gefahrdrohenderen Hemmnis für die künftige deutsche Kriegs- und Rüstungswirtschaft. Die erhoffte Entlastung durch Freistellungen aus der Wehrmacht ist nach Ausmaß und Zeitpunkt unsicher, ihrem möglichen Umfang nach wird sie angesichts des großen Bedarfs den Erwartungen und Bedürfnissen keinesfalls entsprechen.

Der Führer hat nunmehr angeordnet, daß auch die Arbeitskraft der russischen Kriegsgefangenen durch ihren Großeinsatz für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft weitgehend auszunutzen ist. Voraussetzung für die Arbeitsleistung ist angemessene Ernährung. Daneben sind ganz geringe [511] Entlohnung zur bescheidensten Versorgung mit einigen Genußmitteln des täglichen Lebens, gegebenenfalls Leistungsprämien, vorzusehen.«

Ich gehe nun zu Absatz 2, II und III, des gleichen Dokuments über und zitiere wörtlich:

»II. Bau und Rüstungswirtschaft.

a) Arbeitskolonnen für Bauten aller Art, insbesondere für den verstärkten Ausbau der Küstenverteidigung (Betonarbeiter, Entladekommandos für Zwecke kriegswichtiger Betriebe).

b) Geeignete Rüstungsbetriebe, deren Auswahl so zu treffen ist, daß die Belegschaft in der Masse aus Kriegsgefangenen unter Anleitung und Aufsicht besteht (gegebenenfalls nach Herausziehen und anderweitiger Verwendung der deutschen Arbeitskräfte).

III. Sonstige Kriegswirtschaft.

a) Bergbau nach der Art wie zu II b).

b) Reichsbahn-Arbeitskolonnen für Streckenbau usw.

c) Land- und Forstwirtschaft in geschlossenem Einsatz.

Den Einsatz russischer Kriegsgefangener nach vorstehenden Beispielen regeln:

Zu I. Die Wehrmacht.

Zu II. Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition und Generalinspekteur für das deutsche Straßenwesen im Benehmen mit Reichsarbeitsminister und OKW (Wi Rü Amt). Beauftragte des Reichsministers für Bewaffnung und Munition sind zur Mitwirkung bei Auswahl der Facharbeiter in den Kriegsgefangenenlagern zuzulassen.«

Der Angeklagte Göring besprach in einer Konferenz im Luftfahrtministerium am 7. November 1941 auch die Verwendung von Kriegsgefangenen in der Kriegsrüstungsindustrie. Wir verweisen nun auf 1206-PS, US-215. Dieses Dokument ist eine Geheime Kommandosache und enthält Görings Ausführungen über Einsatz und Behandlung von Kriegsgefangenen in vielen Zweigen der deutschen Kriegsindustrie. Ich möchte nun von Seite 1, Absatz 1, und Seite 2, Absatz 4, des englischen Textes zitieren. Es sind dies Seite 1, Absatz 1, und Seite 3, Absatz 1, des deutschen Textes:

»Einstellung des Führers in der Frage der Kriegsgefangenenbeschäftigung in der Kriegswirtschaft grundsätzlich geändert. Insgesamt bisher 5 Millionen Kriegsgefangene, Arbeitseinsatz bis jetzt 2 Millionen.«

Und nun von Seite 2:

[512] »In der Heimat und Protektorat wäre es ideal, wenn ganze Betriebe durch russische Kriegsgefangene besetzt werden können mit Ausnahme der für die Anleitung erforderlichen Kräfte. Für den Arbeitseinsatz kommen in der Heimat und im Protektorat vordringlich in Frage:

a) an der Spitze Kohlenbergbau. Führeranordnung, daß sämtliche Zechen auf Geeignetheit für den Einsatz von Russen untersucht werden sollen. Gegebenenfalls ganze Betriebe mit russischen Arbeitern besetzen.

b) Transportwesen (Lokomotiv- und Waggonbau, Reparaturbetriebe usw.). Aus Kriegsgefangenen sind Eisenbahnwerkstatt- und Industrie-Arbeiter herauszusuchen. Bahn ist wichtigstes Transportmittel im Osten.

c) Rüstungsbetriebe. Vor allem Panzer- und Geschützfabriken. Eventuell auch Flugzeugmotoren- Teilbau.

Geeignete ganze Abteilungen der Betriebe möglichst nur mit Russen besetzen. Im übrigen kolonnenmäßiger Einsatz. Verwendung in Werkzeugmaschinenfabriken, im Bau landwirtschaftlicher Traktoren, Generatorenbau usw. Notfalls an einzelnen Orten Baracken für Gelegenheitsarbeiter errichten, welche als Entladekommandos und ähnliches ver wendet werden. (Reichsminister des Innern durch Gemeindebehörden.)

OKW/AWA ist für Hereinbringung russischer Kriegsgefangener zuständig, Einsatz durch ›Planstelle für den Einsatz für alle Kriegsgefangenen‹. Nötigenfalls Dienststellen bei Reichskommissariaten.

Kein Einsatz dort, wo Gefahr für Menschen oder ihre Versorgung besteht, also explosivempfindliche Betriebe, Wasser-, Kraftwerke u. a. Keine Berührung mit deutscher Bevölkerung, vor allem keine ›Solidarität‹.

Deutscher Arbeiter ist grundsätzlich Vorgesetzter der Russen. Ernährung Sache des Vierjahresplans. Schaffung eigener Kost (Katzen, Pferde usw.).

Kleidung, Unterbringung, Verpflegung etwas besser als zu Hause, wo Leute zum Teil in Erdhöhlen wohnen.

Schuhversorgung für Russen grundsätzlich Holzschuhe, nötigenfalls russische Schusterwerkstätten einrichten. Nachprüfung gesundheitlicher Tauglichkeit, damit keine Seuchen eingeschleppt werden.

Minenräumen grundsätzlich durch Russen, eventuell durch herausgezogene russische Pioniere vornehmen lassen.«

Der Angeklagte Göring war nicht der einzige der hier Angeklagten, der die Politik der Verwendung von Kriegsgefangenen in der deutschen Rüstungsindustrie befürwortete und anwandte; [513] auch der Angeklagte Speer trat für sie ein und brachte sie zur Anwendung. Wir verweisen auf Dokument 1435-PS, US-216. Dieses Dokument gibt eine vom Angeklagten Speer vor den Nazi-Gauleitern am 24. Februar 1942 gehaltene Rede wieder. Ich möchte aus Absatz 2 dieses Dokuments folgendes zitieren:

»Ich habe daher dem Führer Ende Dezember den Vorschlag gemacht, meine gesamten Arbeitskräfte, einschließlich der Techniker, für einen geschlossenen Einsatz im Osten freizugeben. Die verbliebenen etwa 10000 Kriegsgefangenen wurden anschließend von mir der Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt.«

Auf der 36. Konferenz der Zentral-Planung vom 22. April 1943 berichtete er, daß nur 30 Prozent der russischen Kriegsgefangenen in der Rüstungsindustrie beschäftigt seien. Der Angeklagte Speer fand dies unbefriedigend. Ich verweise wieder auf Dokument R-124, das Protokoll der Zentral-Planung, und zwar auf Seite 17, Absatz 10 des englischen Textes. Es ist Seite 14, Absatz 7 des deutschen Textes. Ich zitiere die darin enthaltene Erklärung des Angeklagten Speer wörtlich:

»Es ist eine Aufteilung da, auf welche Sektoren die russischen Kriegsgefangenen verteilt sind, und diese Aufstellung ist ganz interessant. Danach ist es in der Rüstung ein verhältnismäßig geringer Prozentsatz, nämlich nur 30 %. Darüber habe ich mich immer beschwert.«

Ich gehe nun zu Seite 20 desselben Dokuments R-124 über, und zwar Seite 20, Absatz 1, des englischen Textes, das ist Seite 14, letzter Absatz, des deutschen Textes. Der Angeklagte Speer sagt dort, und ich zitiere wörtlich:

»Die 90000 russischen Kriegsgefangenen in der gesamten Rüstungsindustrie sind zum größten Teil Fachkräfte.«

Der Angeklagte Sauckel, der zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz zu dem ausdrücklichen Zweck ernannt wurde, unter anderem Kriegsgefangene in die deutsche Kriegsindustrie einzugliedern, machte kein Hehl daraus, daß Kriegsgefangene gezwungen werden sollten, in der deutschen Rüstungsindustrie zu arbeiten. Sein Programm des Arbeitseinsatzes, das in dem bereits vorliegenden Dokument 016-PS, US-168 wiedergegeben ist, enthält diese Erklärung auf Seite 6, Absatz 10 des englischen Textes und auf Seite 9, Absatz 1 des deutschen Textes:

»Alle schon in Deutschland befindlichen Kriegsgefangenen, sowohl aus den West- wie den Ostgebieten, müssen, soweit dies noch nicht geschehen ist, ebenfalls restlos der deutschen Rüstungs- und Ernährungswirtschaft zugeführt, ihre Leistung muß auf den denkbar höchsten Stand gebracht werden.«

[514] Ich möchte nun von der Ausbeutung ausländischer Arbeiter im allgemeinen abgehen und einen ziemlich wesentlichen Punkt des Nazi-Programms behandeln, der, wie uns scheint, die Brutalität und die Ziele des Programms der Sklavenarbeit mit denen des Konzentrationslagers vereint. Die Nazis brachten alle Angehörigen der alliierten Staaten in Konzentrationslager, wo sie sie zwangen, gemeinsam mit den anderen Insassen der Konzentrationslager, unter Bedingungen zu arbeiten, die tatsächlich dazu aufgestellt waren, sie auszurotten. Wir bezeichnen das als das Nazi-Programm der Vernichtung durch Arbeit.

Im Frühjahr 1942 wandten sich diese Verschwörer den Konzentrationslagern als einer weiteren Quelle von Sklavenarbeitern für die Rüstungsindustrie zu. Ich verweise auf ein neues Dokument R-129, US-217. Dieses Dokument ist ein Brief an den Reichsführer SS Himmler, datiert vom 30. April 1942, und stammt von einem seiner Untergebenen, einem gewissen Pohl, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS. Ich möchte nun von der ersten Seite dieses Dokuments zitieren:

»Ich berichte Ihnen heute über die augenblickliche Lage der Konzentrationslager und über Maßnahmen, welche ich getroffen habe, um Ihren Befehl vom 3. März 1942 durchzuführen.«

Ich gehe nun weiter und zitiere die Absätze 1, 2 und 3 auf Seite 2 des englischen Textes, es steht auf Seite 1 des deutschen Textes:

»1. Der Krieg hat eine sichtbare Strukturänderung der Konzentrationslager gebracht und ihre Aufgaben hinsichtlich des Häftlingseinsatzes grundlegend geändert. Die Verwahrung von Häftlingen, nur aus Sicherheits-, erzieherischen oder vorbeugenden Gründen allein, steht nicht mehr im Vordergrund. Das Schwergewicht hat sich nach der wirtschaftlichen Seite hin verlagert. Die Mobilisierung aller Häftlingsarbeitskräfte, zunächst für Kriegsaufgaben (Rüstungssteigerung) und später für Friedensbauaufgaben, schiebt sich immer mehr in den Vordergrund.

2. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich notwendige Maßnahmen, welche ein allmähliches Überführen der Konzentrationslager aus ihrer früheren einseitigen politischen Form in eine den wirtschaftlichen Aufgaben entsprechende Organisation erfordern.

3. Ich habe deshalb alle Führer der früheren Inspektion der Konzentrationslager, alle Lagerkommandanten und alle Werkleiter am 23. und 24. April 1942 versammelt und ihnen persönlich die neue Entwicklung dargelegt. Die wesentlichen Dinge, deren Durchführung vordringlich ist, damit die Aufnahme rüstungsindustrieller Arbeiten keine Verzögerung [515] erleidet, habe ich in beiliegender Anordnung zusammengefaßt.«

Dieser Befehl, auf den im Absatz 3 verwiesen war, bildete den Rahmen zu einem Programm unbarmherziger Ausbeutung, das unter anderem folgendes vor sah. Ich verweise hier auf die Beilage zu dem erwähnten Brief, die ebenfalls einen Teil des Dokuments R-129 darstellt, und zwar auf die Absätze 4, 5 und 6 auf Seite 3 des englischen Textes und Seite 3 des deutschen Textes.

»4. Der Lagerkommandant allein ist verantwortlich für den Einsatz der Arbeitskräfte. Dieser Einsatz muß im wahren Sinne des Wortes erschöpfend sein, um ein Höchstmaß an Leistung zu erreichen.

Die Zuteilung von Arbeiten erfolgt nur zentral durch den Chef der Amtsgruppe D. Die Lagerkommandanten selbst dürfen eigenmächtig keine Arbeiten von dritter Seite annehmen noch Verhandlungen hierüber führen.

5. Die Arbeitszeit ist an keine Grenzen gebunden. Ihre Dauer hängt von der betrieblichen Struktur des Lagers und von der Art der auszuführenden Arbeiten ab und wird vom Lagerkommandanten allein festgesetzt.

6. Alle Umstände, welche die Arbeitszeit verkürzen können (Mahlzeiten, Appelle u. a.), sind daher auf ein nicht mehr zu verdichtendes Mindestmaß zu beschränken. Zeitraubende Anmärsche und Mittagspausen nur zu Essenszwecken sind verboten.«

Das Programm der Rüstungsproduktion, das wir soeben beschrieben haben, war nicht nur ein Plan zur Erfassung aller nur möglichen Arbeiter aus den Lagern. Es war tatsächlich ein wesentlicher Teil des größeren Nazi-Programms der Vernichtung. Ich möchte zu diesem Punkt auf unser Dokument 654-PS, US-218, verweisen.

VORSITZENDER: Glauben Sie nicht, daß es recht wäre, nunmehr für einige Minuten zu unterbrechen?

MR. DODD: Sehr gut.


[Pause von 10 Minuten.]


MR. DODD: Vor der Pause habe ich auf Dokument 654-PS, US-218, verwiesen. Dieses Dokument ist eine Aufzeichnung über eine Vereinbarung zwischen Reichsführer SS Himmler und dem Justizminister Thierack. Sie trägt das Datum 18. September 1942 Das Wort Vernichtung, auf das ich kurz vor der Pause verwiesen habe, ist in diesem Dokument ausdrücklich genannt. Ich möchte vor Seite 1, Absatz 2, dieses Dokuments zitieren:

[516] »2. Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer SS zur Vernichtung durch Arbeit. Es werden restlos ausgeliefert die Sicherungsverwahrten, Juden, Zigeuner, Russen und Ukrainer, Polen über 3 Jahre Strafe, Tschechen oder Deutsche über 8 Jahre Strafe, nach Entscheidung des Reichsjustizministers. Zunächst sollen die übelsten asozialen Elemente unter letzteren ausgeliefert werden. Hierzu werde ich den Führer durch Reichsleiter Bormann unterrichten.«

Diese Vereinbarung enthält auf Seite 2, Absatz 12 des englischen Textes und Seite 3, Absatz 14 des deutschen Textes noch folgende weitere Bestimmungen:

»14. Es besteht die Übereinstimmung darüber, daß mit Rücksicht auf die von der Staatsführung für die Bereinigung der Ostfragen beabsichtigten Ziele in Zukunft Juden, Polen, Zigeuner, Russen und Ukrainer nicht mehr von den ordentlichen Gerichten, soweit es sich um Strafsachen handelt, abgeurteilt werden sollen, sondern durch den Reichsführer SS erledigt werden. Das gilt nicht für bürgerlichen Rechtsstreit und auch nicht für Polen, die in die deutschen Volkslisten angemeldet oder eingetragen sind.«

Im September 1942 traf der Angeklagte Speer Maßnahmen, um diese neue Quelle von Arbeitskräften unter seine Zuständigkeit zu bringen. Speer überzeugte Hitler, daß nur dann eine bedeutende Produktion erzielt werden könnte, wenn die Häftlinge aus den Konzentrationslagern, die in Fabriken beschäftigt werden, unter der technischen Kontrolle des Ministeriums Speer, anstatt unter der Kontrolle der Lagerverwaltung, stünden. In der Tat wäre es ohne die Mitwirkung des Angeklagten Speer unserer Meinung nach nur sehr schwer möglich gewesen, die Gefangenen in irgendwie bedeutendem Ausmaße für die Kriegspro duktion zu verwenden, da er nicht gewillt war, Himmler die Werkzeugmaschinen und andere notwendige Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Es wurde demzufolge vereinbart, daß die Gefangenen unter der Kontrolle des Angeklagten Speer in Fabriken ausgebeutet werden sollten. Um Himmler für die Abtretung dieser Zuständigkeit an Speer zu entschädigen, schlug der Angeklagte Speer vor, und Hitler stimmte dem zu, daß Himmler einen Anteil an den Rüstungserzeugnissen erhalten würde, und zwar im Verhältnis zu der Anzahl von Arbeitsstunden, die von seinen Häftlingen beigetragen wurden. Das Protokoll über Speers Besprechungen mit Hitler am 20., 21. und 22. September 1942 ist in der bereits vorliegenden Urkunde R-124, US-179, enthalten. Ich möchte besonders auf Seite 34 des englischen Textes verweisen. Es ist das Protokoll des Angeklagten Speer über [517] diese Besprechung, und ich zitiere von Seite 34, Absatz 36, von der Mitte der Seite an. Es ist Seite 26 oben, im deutschen Text:

»Den Führer aufmerksam gemacht, daß – über eine geringe Menge von Arbeiten hinaus – es nicht möglich sein wird, in den Konzentrationslagern eine Rüstungsfertigung aufzuziehen, denn

1. fehlten hierfür die notwendigen Werkzeugmaschinen,

2. die notwendigen Baulichkeiten, während in der Rüstungsindustrie durch Ausnutzung der zwei ten Schicht beides noch vorhanden sei.

Der Führer ist mit meinem Vorschlag einverstanden, nach dem die verschiedensten Betriebe, die aus Luftschutzgründen außerhalb der Städte angelegt wurden, ihre vorhandenen Arbeitskräfte an Betriebe in den Städten zur Ausfüllung der zweiten Schicht abgeben und hierfür aus den Konzentrationslagern die notwendigen Arbeitskräfte – ebenfalls für zwei Schichten – erhalten.

Ich habe den Führer auf die Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, die ich in der Forderung von Reichsführer SS Himmler sehe, einen maßgebenden Einfluß auf diese Betriebe auszuüben. – Auch der Führer hält einen solchen Einfluß nicht für erforderlich.

Dagegen ist der Führer damit einverstanden, daß dem Reichsführer SS Himmler aus der Zurverfügungstellung der Häftlinge für die Ausrüstung seiner Division ein Vorteil erwächst.

Ich schlage vor, ihn an dem Arbeitsstundenaufwand seiner Häftlinge prozentual durch Abgabe von Kriegsgerät zu beteiligen. – Es wird von einer etwa 3-5prozentigen Beteiligung gesprochen, mit der der Führer einverstanden wäre, wobei die Geräte ebenfalls nach dem Arbeitsstundenaufwand angerechnet werden.

Der Führer ist bereit, unter Vorlage einer Liste die zusätzliche Zuweisung dieser Geräte und Waffen an die SS zu befehlen.«

Nachdem auf diese Weise eine Nachfrage für Arbeitskräfte aus Konzentrationslagern geschaffen war, und der Angeklagte Speer ein Verfahren zur Ausnützung dieser Arbeitskräfte in Rüstungsfabriken aufgestellt hatte, wurden Vorkehrungen getroffen, um die Zuführung der zur Vernichtung durch Arbeit bestimmten Opfer zu erhöhen. Auf Grund einer Vereinbarung zwischen Himmler und dem obenerwähnten Justizminister wurde ein stetiger Zustrom gesichert, der durch Programme erreicht wurde, die im folgenden dargestellt werden. Ich verweise auf Urkunde L-61, US-177; ich zitiere Absatz 3. [518] Wie sich der Gerichtshof erinnern wird, handelt es sich hier um einen Brief des Angeklagten Sauckel vom 26. November 1942 an die Präsidenten der Landesarbeitsämter. Ich zitiere den dritten Absatz dieses Briefes:

»Die im Rahmen dieser Maßnahme auszusiedelnden Polen werden, soweit es sich bei ihnen um kriminelle und asoziale Elemente handelt, in Konzentrationslagern untergebracht und zur Arbeit eingesetzt.«

Zu diesen allgemeinen Maßnahmen kamen besondere Aktionen zur Erfassung von Personen, die normalerweise nicht in Konzentrationslager gesandt worden wären.

VORSITZENDER: Haben Sie das nicht schon heute Morgen verlesen?

MR. DODD: Ja, Herr Präsident. Ich habe es wieder holt, um es im Hinblick zu diesem Beweisthema besonders zu betonen.

Zum Beispiel »aus Gründen der Kriegsnotwendigkeit« befahl Himmler die Überführung von mindestens 35000 arbeitsfähigen Gefangenen in Konzentrationslager. Ich lege jetzt Beweisurkunde 1063-D-PS, US-219, vor. Dieses Dokument ist ein Befehl Himmlers, datiert vom 17. Dezember 1942. Der Befehl sieht vor, ich zitiere ihn teilweise, und zwar den ersten Absatz:

»Aus kriegswichtigen, hier nicht näher zu erörternden Gründen, hat der RFSS und Chef der Deutschen Polizei am 14. Dezember 1942 befohlen, daß bis Ende Januar 1943 spätestens mindestens 35000 arbeitsfähige Häftlinge in die Konzentrationslager einzuweisen sind. Um diese Zahl zu erreichen, ist folgendes erforderlich:

1. Ab sofort (zunächst bis zum 1. Februar 1943) werden Ost- oder solche fremdvölkische Arbeiter, welche flüchtig gegangen oder vertragsbrüchig geworden sind und nicht den verbündeten, befreundeten oder neutralen Staaten angehören,... auf dem schnellsten Wege den nächstgelegenen Konzentrationslagern eingeliefert....

2. Die Befehlshaber und Kommandeure der Sicherheitspolizei und des SD und die Leiter der Staatspolizei(leit)stellen überprüfen sofort unter Zugrundelegung eines besonders scharfen und engen Maßstabes

a) die Hafträume,

b) die Arbeitserziehungslager.

Alle arbeitseinsatzfähigen Häftlinge sind, wenn es sachlich und menschlich irgendwie zu vertreten ist, sofort nach den folgenden Richtlinien in das nächstgelegene KZ zu überstellen, z. B. auch dann, wenn Strafverfahren demnächst eingeleitet [519] werden oder werden sollen. Nur solche Häftlinge, welche im Interesse des weiteren Ermittlungsverfahrens unbedingt in Einzelhaft verbleiben müssen, können weiterhin belassen werden. Es kommt auf jede einzelne Arbeitskraft an.«

Es wurden auch Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, daß diese Vernichtung durch Arbeit mit größtmöglicher Wirksamkeit durchgeführt wurde. Neue Konzentrationslager wurden in der Nähe von wichtigen Kriegsbetrieben eingerichtet. Der Angeklagte Speer hat selbst zugegeben, daß er persönlich durch Ober-Österreich reiste, um Plätze für Konzentrationslager in der Nähe der verschiedenen Munitionsfabriken dort auszusuchen. Ich verweise hierzu auf das Protokoll über eine eidliche Vernehmung des Angeklagten Albert Speer.

VORSITZENDER: Herr Dodd, bezieht sich das letzte von Ihnen verlesene Dokument, Urkunde 1063-PS, auf Kriegsgefangene oder gewöhnliche Gefangene?

MR. DODD: Wir nehmen an, daß es sich auf Gefangene in gewöhnlichen Gefängnissen bezieht.

Zufolge der heute Morgen gefällten Entscheidung des Gerichtshofs halte ich es für richtig, festzustellen, daß dem Verteidiger des Angeklagten Speer der vollständige Text dieses Verhörs in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt wurde. Es ist zufällig eine kurze Vernehmung, und es war uns daher möglich, die Übersetzung schnell fertigzustellen; sie wurde in die Informationszentrale der Verteidiger gebracht.


DR. HANS FLÄCHSNER, VERTEIDIGER FÜR DEN ANGEKLAGTEN SPEER: Mit Bezug auf die Vernehmung, die der Herr Vertreter der Anklage eben zu verlesen angekündigt hat, möchte ich mir gestatten, einige Bemerkungen zu machen:

Es ist richtig, daß uns eine deutsche Übertragung des englischen Protokolls – wenn man es als Protokoll bezeichnen darf – übermittelt worden ist. Aus dem Vergleich des englischen Textes mit der deutschen Übertragung ergibt sich aber, daß sowohl in dem aufgenommenen englischen Text als auch in der deutschen Übertragung sinnentstellende Fehler enthalten sind, die, wie ich glaube, auf ein Mißverständnis des als Dolmetscher hinzugezogenen Urkundsbeamten zurückzuführen sind. Ich glaube daher, annehmen zu müssen, daß das sogenannte Protokoll, also auch der englische Wortlaut, nicht den Inhalt dessen wiedergibt, was der Angeklagte Speer bei seiner Vernehmung zum Ausdruck bringen wollte. Es dürfte daher der Ermittlung der Wahrheit nicht dienlich sein, wenn in diesem Verfahren dieses Protokoll überhaupt Verwendung findet.


VORSITZENDER: Herr Dodd, wann wurde die deutsche Übersetzung dem Verteidiger übergeben?


[520] MR. DODD: Vor vier Tagen ungefähr.


VORSITZENDER: Herr Dodd, enthält sie eine Beglaubigung der Richtigkeit der englischen Übersetzung des Vernehmungsbeamten?


MR. DODD: Ja. Am Ende des Verhörs befindet sich eine Beglaubigung des Vernehmungsbeamten, des Dolmetschers und des Protokollführers. Es sind drei Beglaubigungen.


VORSITZENDER: Ich glaube, das Beste ist, unter diesen Umständen die Vernehmung jetzt zur Kenntnis zu nehmen. Sie werden die Möglichkeit haben, durch Befragen des Angeklagten zu zeigen, wie weit seiner oder Ihrer Behauptung nach das Verhör ungenau übersetzt wurde.


DR. FLÄCHSNER: Ich danke.


MR. DODD: Darf ich nun den Hohen Gerichtshof auf das letzte Dokument im Dokumentenbuch verweisen. Es ist die viertletzte Seite.


VORSITZENDER: Auf welche Seite verweisen Sie?


MR. DODD: Ich verweise auf Seite 16 des englischen Textes des Vernehmungsprotokolls und Seite 21 des deutschen Textes. Die Aussage dort lautet:

»Es war Tatsache, daß wir bisher sehr bemüht waren, Arbeitskräfte aus in der Nähe von Fabriken gelegenen Konzentrationslagern in Fabriken zu beschäftigen, um so die verfügbaren Arbeitskräfte zu erfassen. Aber dieses kam nicht zur Erwähnung in Verbindung mit der Reise... «,

d. h. die Reise Speers nach Österreich. Das Dokument hat die Nummer US-220.

VORSITZENDER: Ich glaube, ich muß dem Verteidiger des Angeklagten sagen, daß, wenn er die Verlesung der Beweisurkunde abgewartet hätte, eingesehen hätte, daß es ganz unnötig war, Einspruch zu erheben.

MR. DODD: Der Angeklagte Göring befürwortete diese Verwendung von Arbeitern aus den Konzentrationslagern und forderte noch mehr an. Ich verweise hier auf Dokument 1584-PS – Teil I, US-221. Dieses Dokument ist ein Fernschreiben von Göring an Himmler vom 14. Februar 1944. Ich zitiere aus diesem Dokument, und zwar beginne ich mit dem zweiten Satz:

»Gleichzeitig bitte ich Sie, mir für die Luftwaffenrüstung noch eine möglichst große Anzahl KZ-Sträflinge zur Verfügung zu stellen, da die bis herige Erfahrung diese Arbeitskräfte als sehr brauchbar herausgestellt hat. Die Luftkriegslage macht die Verlegung der Industrie unter die Erde erforderlich.

[521] Gerade hierbei lassen sich KZ-Sträflinge arbeitsmäßig und lagermäßig besonders gut zusammenfassen.«

Später hat der Angeklagte Speer die Verantwortung für dieses Programm übernommen, und Hitler versprach Speer, daß 100000 ungarische Juden durch die SS herbeigeschafft werden würden, falls die für das Programm notwendigen Arbeitskräfte nicht beschafft werden könnten.

Speer machte über seine Besprechungen mit Hitler am 6. und 7. April 1944 Aufzeichnungen, die in dem bereits vorliegenden Dokument R-124, US-179, enthalten sind. Ich lese von Seite 36 des englischen Textes, Seite 29 des deutschen Textes:

»Dem Führer vorgeschlagen, daß aus Mangel an Baukräften und Einrichtungen das zweite Großbauvorhaben nicht auf deutschem Gebiet, sondern in unmittelbarer Nähe der Grenze auf geeignetem Gelände (vor allem Kiesgrundlage und Transportmöglichkeiten) auf französischem, belgischem oder holländischem Gebiet errichtet werden soll. Der Führer ist dann mit diesem Vorschlag einverstanden, wenn das Werk hinter eine befestigte Zone zur Erstellung kommen kann. Für den Vorschlag auf französischem Boden spricht insbeson dere die Tatsache, daß es dann wesentlich leichter möglich sein wird, die notwendigen Arbeiter zur Verfügung zu stellen. Trotzdem bittet der Führer zu versuchen, in einem wesentlich sichereren Gebiet, nämlich im Protektorat, dieses zweite Werk zu errichten. Sollten dort die Arbeitskräfte ebenfalls nicht zu stellen sein, so will der Führer persönlich sich mit dem Reichsführer SS in Verbindung setzen und diesen veranlassen, aus Ungarn die erforderlichen etwa 100000 Mann durch Bereitstellung entsprechender Judenkontingente aufzubringen. Der Führer verlangt ausdrücklich unter scharfer Betonung des Versagens der Bauorganisation bei der Industriegemeinschaft Schlesien, daß dieses Werk ausschließlich durch die OT gebaut werden muß und die Menschengestellung durch den Reichsführer SS erfolgen muß. Er verlangt, daß kurzfristig eine Sitzung bei ihm stattfindet zur Besprechung der Einzelheiten unter Anwesenheit der beteiligten Männer.«

Die unsagbar brutale, unmenschliche und entwürdigende Behandlung von alliierten Staatsbürgern und anderen Opfern der Konzentrationslager, die buchstäblich zu Tode gearbeitet wurden, ist im Dokument L-159, das nicht im Dokumentenbuch enthalten ist, beschrieben. Es ist ein offizieller, von einem Kongreß-Komitee der Vereinigten Staaten erstatteter Bericht, und zwar das US-Senatsdokument Nummer 47. Dieses Kongreß-Komitee unternahm auf Aufforderung von General Eisenhower Besichtigungen der befreiten Lager. Das Dokument trägt die Beweisstücknummer US-222. Ich [522] möchte kurz aus diesem Schriftstück vorlesen, und zwar den letzten Absatz auf Seite 14 und die ersten zwei Absätze auf Seite 15 des englischen Textes:

»Die Behandlung dieser Gefangenen war im allgemeinen die folgende: Sie wurden in Holzbaracken zusammengepfercht, die nicht einmal groß genug waren, um ein Zehntel der Zahl zu fassen. Sie mußten auf mit Holzbrettern versehenen Holzgestellen schlafen, 2, 3 und 4 Etagen übereinander, manchmal ohne Decken, manchmal mit einem Haufen schmutziger Lumpen versehen, die sowohl als Strohsack als auch als Decke dienten.

Ihre Nahrung bestand im allgemeinen aus ungefähr einem halben Pfund Schwarzbrot pro Tag und einer Schüssel wässeriger Suppe, mittags und abends, manchmal auch nicht einmal soviel. Infolge der großen Anzahl, die auf kleinem Raum zusammengedrängt war und infolge mangelnder Vorkehrungen, vermehrten sich Läuse und Ungeziefer, Krankheiten verbreiteten sich und diejenigen, die nicht bald als Folge von Krankheit und Qual starben, fielen dem langsamen, langen Prozeß des Verhungerns anheim. Trotz dieses planmäßigen Aushungerungsprogramms für Gefangene fanden wir keinen Beweis dafür, daß die deutsche Bevölkerung als Ganzes an Nahrung oder Kleidung Mangel litt. Der Gegensatz war so frappierend, daß wir nur zu der Schlußfolgerung kommen konnten, daß die Aushungerung der Insassen dieser Lager beabsichtigt war.

Nach Ankunft im Lager wurden Neuankömmlinge gezwungen, entweder in einer naheliegenden Rüstungsfabrik zu arbeiten, oder sie wurden in ›Kommandos‹ aufgeteilt, zur Erledigung irgendwelcher Aufgaben in der Nachbarschaft, und jeden Abend wurden sie in ihren Barackenstall zurückgebracht. Gewöhnlich war einem deutschen Verbrecher die Aufsicht über einen solchen ›Block‹ oder Schuppen gegeben, in dem die Gefangenen schliefen. Von Zeit zu Zeit wählte er unter seinen Gefangenen einen aus, der ihm besonders geweckt oder intelligent erschien, oder der sonst irgendwie Führereigenschaften zu besitzen schien. Dieser mußte sich im Wachraum melden und man hörte nie wieder etwas von ihm. Die Häftlinge waren allgemein der Ansicht, daß diese Menschen erschossen, vergast oder gehängt und dann verbrannt wurden. Arbeitsverweigerung oder irgendein Vergehen gegen bestehende Bestimmungen wurde mit Prügelstrafe bestraft, oder durch andere Arten der Folterung, wie zum Beispiel das Ausreißen der Fingernägel, und gewöhnlich endete jeder Fall nach [523] schweren Leiden mit dem Tod. Das hier beschriebene Vorgehen stellt ein berechnetes und teuflisches Programm beabsichtigter Quälerei und Vernichtung seitens derjenigen dar, die die deutsche Regierungsgewalt besaßen.«

Ich verlese nun von Seite 11 des englischen Textes, und zwar beginne ich mit dem zweiten Satz des Absatzes 2; im deutschen Text Seite 12, Absatz 1. Es ist eine Beschreibung des Lagers Dora in Nordhausen.

»Im allgemeinen fanden wir, daß dieses Lager genau nach dem Muster von Buchenwald betrieben und verwaltet worden war. Wenn die Leistungsfähigkeit der Arbeiter infolge der schlechten Arbeitsbedingungen nachließ, wurden zur Strafe ihre Rationen herabgesetzt; das Resultat war ein circulus vitiosus, bei dem die Schwachen immer schwächer wurden, bis man sie schließlich ausrottete.«

Dies war der Ablauf der Dinge für die Arbeit in den Konzentrationslagern: Arbeit, Folterung, Aushungerung und Tod. Von diesen Arbeitskräften hat der Angeklagte Göring, indem er verlangte, daß ihm mehr davon zur Verfügung gestellt werden, gesagt, daß sie sich als sehr nützlich erwiesen hätten; und der Angeklagte Speer war »eifrigst bestrebt«, sie in den Fabriken unter seiner Kontrolle zu verwenden.

Die Politik, die diesem Programm zu Grunde lag, die Art, in der es ausgeführt wurde und die diesbezügliche Verantwortlichkeit der Verschwörer ist ausführlich erörtert worden. Ich möchte deshalb jetzt die besondere Verantwortlichkeit des Angeklagten Sauckel behandeln.

Die Tatsache der Ernennung des Angeklagten Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz kann vor allem wohl damit erklärt werden, daß er ein alter und verläßlicher Nazi war. In dem bereits vorliegenden Dokument 2974-PS, US-15, vom 17. November 1945 gibt er zu, die folgenden Stellungen innegehabt zu haben:

Im Anfang nur ein Mitglied der NSDAP, wurde er später Mitglied des Reichstags, dann Gauleiter von Thüringen, Mitglied des Thüringer Landtags, Innenminister und Chef des Thüringischen Staatsministeriums, Reichsstatthalter von Thüringen, SA-Obergruppenführer, SS-Obergruppenführer. 1935 wurde er Leiter der Berlin-Suhler Waffen- und Fahrzeugwerke, 1936 Leiter der Gustloff-Werke Nationalsozialistische Industrie-Stiftung und ehrenamtlicher Stiftungsführer. Und vom 21. März 1942 bis 1945 war er Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz.

Sauckels amtliche Funktionen sind alle durch Beweise belegt. Seine Bestellung zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erfolgte durch einen Erlaß vom 21. März 1942, den wir [524] bereits verlesen haben und der von Hitler, Lammers und dem Angeklagten Keitel unterzeichnet wurde. Durch diesen Erlaß erhielt Sauckel Vollmacht und Verantwortung, die nur derjenigen Hitlers und Görings, des Beauftragten für den Vierjahresplan, nachstanden. Und auch diesen Beiden war er nur hinsichtlich der Anwerbung, des Einsatzes und der Behandlung ausländischer und einheimischer Arbeiter unterstellt.

Der Angeklagte Göring, dem Sauckel unmittelbar unterstellt war, schaffte die Werbungs- und Verteilungsstellen im Rahmen seines Vierjahresplans ab und übertrug deren Vollmachten dem Angeklagten Sauckel. Ferner übertrug er dem Angeklagten Sauckel die weitgehenden Vollmachten eines stellvertretenden Bevollmächtigten für den Vierjahresplan.

Dies erhellt aus dem Dokument 1666-PS, und zwar einem zweiten Dokument 1666-PS, aber datiert vom 27. März 1942. Es ist ein Erlaß, der im Reichsgesetzblatt 1942, Teil I, auf Seite 180 veröffentlicht ist. Ich bitte den Gerichtshof, von diesem Erlaß amtlich Kenntnis zu nehmen.

»In Ausführung des Erlasses des Führers über einen Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 21. März 1942, ordne ich folgendes an:

1. Meine Geschäftsgruppen Arbeitseinsatz (Runderlaß vom 22. Oktober 1936) werden aufgelöst. Ihre Aufgaben (Beschaffung und Verteilung der Arbeitskräfte, Regelung der Arbeitsbedingungen) übernimmt der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, der mir unmittelbar untersteht.

2. Dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz obliegt es, die Arbeitsbedingungen (Lohnpolitik) der im Reichsgebiet eingesetzten Arbeitskräfte nach den Erfordernissen des Arbeitseinsatzes zu regeln.

3. Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz ist ein Organ des Vierjahresplanes. Soweit neues Recht zu setzen oder bestehendes zu ändern ist, hat er mir entsprechende Vorschläge zu machen.

4. Dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz stehen zur Durchführung seiner Aufgaben die mir vom Führer übertragenen Weisungsrechte an die Obersten Reichsbehörden, ihre nachgeordneten Dienststellen sowie an die Dienststellen der Partei und ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände, an den Reichsprotektor, den Generalgouverneur, die Militärbefehlshaber und Chefs der Zivilverwaltungen, zur Verfügung.

Anordnungen und Weisungen von grundsätzlicher Bedeutung sind mir vorher vorzulegen.«

[525] Das Dokument 1903-PS ist ein Hitler-Erlaß vom 30. September 1942, der dem Angeklagten Sauckel außerordentliche Vollmachten über Zivil- und Militärbehörden in den von Deutschland besetzten Gebieten überträgt. Ich ersuche den Gerichtshof, von diesem Erlaß amtlich Kenntnis zu nehmen. Er ist veröffentlicht in Band II, Seite 510, der »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben«, die von der Parteikanzlei herausgegeben worden sind.

Dieser Erlaß bestimmt folgendes:

»Ich ermächtige den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Reichsstatthalter und Gauleiter Fritz Sauckel, zur Durchführung meines Erlasses über einen Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 21. März 1942 (Reichsgesetzblatt I, Seite 179), nach seinem Ermessen im Großdeutschen Reich einschließlich das Protektorat sowie im Generalgouvernement und in den besetzten Gebieten alle Maßnahmen zu treffen, die den geordneten Arbeitseinsatz für die deutsche Kriegswirtschaft unter allen Umständen gewährleisten. Er kann zu diesem Zweck bei den Dienststellen der Militär- und Zivilverwaltung Beauftragte ernennen. Diese sind dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz unmittelbar unterstellt. Zur Durchführung ihrer Aufgaben können sie den für den Arbeitseinsatz und die Lohnpolitik zuständigen militärischen und zivilen Dienststellen Weisungen erteilen.

Die näheren Bestimmungen erläßt der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz.

Führerhauptquartier, 30. September 1942.

Der Führer, gez.: Adolf Hitler.«

Innerhalb eines Monats nach seiner Ernennung übermittelte der Angeklagte Sauckel dem Angeklagten Rosenberg sein »Arbeitsmobilisierungs-Programm«. Dieses Programm ist in dem bereits vorliegenden Dokument 016-PS, US-168, wiedergegeben. Es sieht Zwangsaushebung und die höchst mögliche Ausnützung der gesamten Arbeitshilfsquellen sowohl der eroberten Gebiete als auch der Kriegsgefangenen im Interesse der Nazi-Kriegsmaschine vor, und zwar mit den denkbar niedrigsten Ausgaben für den deutschen Staat.

Ich verweise hierzu auf eine Erklärung des Angeklagten Sauckel, Seite VI, unten, des englischen Textes; Seite 9, Absatz 2 des deutschen Textes, und verlese wie folgt:

»Es ist zu betonen, daß trotzdem noch eine gewaltige Zahl fremder Arbeitskräfte ins Reich hereingenommen werden muß. Das größte Reservoir hierfür sind die besetzten Gebiete des Ostens.

[526] Es ist daher unumgänglich notwendig, die in den eroberten sowjetischen Gebieten vorhandenen Menschenreserven voll auszuschöpfen. Gelingt es nicht, die benötigten Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu gewinnen, so muß unverzüglich zur Aushebung derselben bzw. zur Zwangsverpflichtung geschritten werden.

Neben den schon vorhandenen, noch in den besetzten Gebieten befindlichen Kriegsgefangenen, gilt es also vor allem, Zivil- und Facharbeiter und -arbeiterinnen aus den Sowjet-Gebieten vom 15. Lebensjahr ab für den deutschen Arbeitseinsatz zu mobilisieren.«

Ich gehe nun zu Seite 11, Absatz 1, des englischen Textes, Seite 17, Absatz 4, des deutschen Textes über und zitiere wörtlich:

»Die restlose Beschäftigung aller Kriegsgefangenen sowie die Hereinnahme einer Riesenzahl neuer ausländischer Zivilarbeiter und Zivilarbeiterinnen, ist zur undiskutierbaren Notwendigkeit für die Lösung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes in diesem Kriege geworden.«

Der Angeklagte Sauckel vervollständigte diesen von ihm vorgelegten Plan mit den erforderlichen grundlegenden Richtlinien. Er sah die Einführung eines zwangsweisen Arbeitsdienstes für den Fall vor, daß die freiwillige Rekrutierung ausländischer Arbeiter erfolglos bleiben sollte.

Dokument 3044-PS enthält die Verordnung Nummer 4 des Angeklagten Sauckel vom 7. Mai 1942. Ich bitte den Gerichtshof, von dieser Verordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie ist in Band II, Seite 516 bis 527 der »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben« veröffentlicht, auf die ich schon vorher verwiesen habe.

Ich lese von Seite 1, Absatz 3 des englischen Textes:

»Die Anwerbung der ausländischen Arbeitskräfte erfolgt grundsätzlich auf der Grundlage der Freiwilligkeit. Dort jedoch, wo in besetzten Gebieten der Appell der Freiwilligkeit nicht ausreicht, müssen unter allen Umständen Dienstverpflichtungen und Aushebungen vorgenommen werden. Es ist dies ein undiskutierbares Erfordernis unserer Arbeitslage.«

Sauckel traf auch Maßnahmen für den Einsatz fremdländischer Arbeiter im Hinblick auf ihre Wich tigkeit für die Nazi-Kriegsmaschine. Wir verweisen auf Dokument 3044-(a)-PS, Anordnung Nummer 10 des Angeklagten Sauckel, und ersuchen den Gerichtshof, von dieser Anordnung amtlich Kenntnis zu nehmen. Sie ist in Band II der »Verfügungen, Anordnungen und Bekanntgaben« auf Seite 531 bis 533 veröffentlicht. Ich verlese Absatz 3 dieser Anordnung:

»Die verfügbaren Arbeitskräfte der besetzten Gebiete sind in erster Linie zur Befriedigung des kriegswichtigen Bedarfs [527] in Deutschland selbst einzusetzen. In den besetzten Gebieten sind sie nach folgender Rangordnung einzusetzen:

a) Für notwendige Aufgaben der Truppe, der Besatzungsdienststellen und der zivilen Dienststellen,

b) für deutsche Rüstungsaufgaben,

c) für Aufgaben der Ernährungs- und Landwirtschaft,

d) für gewerbliche, im deutschen Interesse liegende Aufgaben außerhalb der Rüstungswirtschaft,

e) für gewerbliche Aufgaben im Interesse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes.«

Der Angeklagte Sauckel und die ihm unterstehenden Behörden hatten ausschließliche Vollmacht hinsichtlich der Werbung von Arbeitern aus ganz Europa, soweit es vom Deutschen Reich besetzt, kontrolliert oder mit ihm befreundet war. Der Angeklagte Sauckel selbst bestätigte diese Befugnis in einem Erlaß, in dem bereits vorliegenden Dokument 3044-PS, US-206. Ich verweise auf Seite 1, Absatz 5 des englischen Textes dieses Dokuments und verlese wörtlich:

»Für die Anwerbung von Arbeitskräften in den von Deutschland besetzten Gebieten sind ausschließlich die Arbeitseinsatzdienststellen der in diesen Gebieten eingesetzten deutschen Militär- und Zivilverwaltungen verantwortlich.«


VORSITZENDER: Haben Sie das nicht schon verlesen?

MR. DODD: Nein, Herr Vorsitzender. Ich hatte bereits auf diesen Erlaß verwiesen, jedoch nicht auf diese Stelle.

Ich gehe nun zu Seite 2, Absatz II, 1-a, über und zitiere wieder wörtlich:

»Für die Durchführung der Anwerbung im verbündeten, befreundeten oder neutralen Ausland sind ausschließlich meine Beauftragten verantwortlich.«

Außerdem arbeiteten die folgenden Angeklagten, die von Sauckel über die Kontingente der von ihm geforderten ausländischen Arbeiter unterrichtet waren, mit ihm und seinen Bevollmächtigten zusammen, um diese Kontingente zu stellen. Der Angeklagte Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, arbeitete mit Sauckel zusammen.

Ich lege Dokument 3012-(1)-PS, US-190, vor. Es ist die Aufzeichnung eines Ferngesprächs des Chefs des Wirtschaftsstabs Ost der deutschen Armee vom 11. März 1943. Ich möchte die ersten beiden Absätze der Urkunde verlesen:

»Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz, Gauleiter Sauckel, weist in einem dringenden Fernschreiben an mich [528] darauf hin, daß der Arbeitseinsatz in der deutschen Landwirtschaft und ebenso alle dringlichsten, vom Führer befohlenen Rüstungsprogramme die schnellste Heranführung von ca. 1 Million Frauen und Männer aus den neubesetzten Ostgebieten innerhalb der nächsten vier Monate zur gebieterischen Notwendigkeit machen. Gauleiter Sauckel fordert zu diesem Zwecke ab 15. März den Abtransport von täglich 5000, ab 1. April von täglich 10000 Arbeiterinnen bzw. Arbeitern aus den neubesetzten Ostgebieten.«

Ich gehe nun zum nächsten Absatz über:

»Im Hinblick auf die der deutschen Kriegswirtschaft durch die Entwicklung der letzten Monate entstandenen außerordentlich hohen Ausfälle an Arbeitskräften ist es nunmehr erforderlich, daß die Werbung von Arbeitskräften für das Reich jetzt allenthalben mit allem Nachdruck wieder aufgenommen wird. Die im dortigen Bereich augenblicklich erkennbare Tendenz der Beschränkung bzw. der völligen Einstellung der Reichswerbung ist bei dieser Sachlage keinesfalls tragbar. Gauleiter Sauckel, der über diese Vorgänge unterrichtet ist, hat sich hierwegen unter dem 10. März 43 in einem Fernschreiben unmittelbar an Generalfeldmarschall Keitel gewendet und bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck gebracht, daß, wie in allen anderen besetzten Gebieten, dort, wo alle anderen Mittel versagen, auf Befehl des Führers von einem gewissen Druck Gebrauch gemacht werden muß.«

Wir hatten vor, an dieser Stelle das Protokoll über ein eidliches Verhör des Angeklagten Sauckel vorzulegen. Der Verteidiger des Angeklagten Sauckel ist jedoch nur im Besitze des englischen Vernehmungsprotokolls. Immerhin hat er es bereits seit einiger Zeit und die Auszüge, auf die wir uns zu beziehen beabsichtigten, waren ihm auch in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt worden.

Wenn ich die Entscheidung des Gerichtshofs richtig verstanden habe, werden wir das ganze Protokoll in deutscher Sprache zur Verfügung stellen müssen.

VORSITZENDER: Sie können diese Vernehmung verwerten, da ja die Auszüge in deutscher Sprache vorgelegt wurden.

MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender, auch der vollständige englische Text ist vorgelegt worden.


VORSITZENDER: Sehr gut.


MR. DODD: Ich verweise nunmehr auf das Protokoll über ein eidliches Verhör des Angeklagten Sauckel vom 5. Oktober 1945, [529] vormittags, US-224. Es ist das allerletzte Dokument im Dokumentenbuch. Ich möchte vom Schluß der Seite 1 des englischen Textes, es ist Seite 1, Absatz 11 des deutschen Textes, folgendes zitieren:

»Frage: War es für die Erfüllung des Kontingents notwendig, Verbindung mit dem OKW zu haben?

Antwort: Ich erinnere mich, daß der Führer Feldmarschall Keitel Anweisung gegeben hatte dahingehend, daß meine Aufgabe außerordentlich wichtig sei; und ich selbst habe öfters mit Keitel nach solchen Führerbesprechungen konferiert und ihn um seine Unterstützung gebeten.

Frage: Ist es richtig, daß es seine Aufgabe war, die vorschriftsmäßige Ausführung der gegebenen Befehle durch die Militärbefehlshaber in den besetzten Gebieten zu überwachen?

Antwort: Ja, der Führer sagte mir, daß er den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht und den Chef der Reichskanzlei wegen dieser Angelegenheit informieren werde. Dasselbe gilt für das Auswärtige Amt.«

Wir wollten ferner ein Protokoll über ein Verhör des Angeklagten Rosenberg vorlegen. Zu diesem Protokoll muß ich jedoch folgendes bemerken: Während wir dem Verteidiger die deutsche Übersetzung der Stellen, auf die wir uns berufen wollen, zur Verfügung gestellt haben, hatten wir keine Gelegenheit, dem Verteidiger den gesamten Text zur Verfügung zu stellen. Er hat jedoch die deutsche Übersetzung derjenigen Teile erhalten, deren Verwendung und Vorlage beim Gerichtshof wir beabsichtigen.

VORSITZENDER: Ich nehme an, daß Sie das später tun wollen.

MR. DODD: Ja, Herr Vorsitzender, sobald wir diese Akten in den Informationsraum bringen können.


VORSITZENDER: Gut.


MR. DODD: Das nächste Dokument ist ziemlich lang. Darf ich fragen, ob der Gerichtshof wünscht, daß ich fortfahre?


VORSITZENDER: Ja.


MR. DODD: Ich möchte nun auf den Angeklagten Rosenberg, den Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, zu sprechen kommen, der gleichfalls mit dem Angeklagten Sauckel zusammengearbeitet hat. Insbesondere verweise ich hierzu auf das Protokoll über eine eidliche Vernehmung des Angeklagten Rosenberg, die am Nachmittag des 6. Oktober 1945 stattgefunden hat. Es ist Beweisstück US-187, das drittletzte Vernehmungsprotokoll im Dokumentenbuch, und ich zitiere von Seite 1 des Protokolls:

»Frage: Ist es richtig, daß Sauckel die Anzahl Arbeiter, die für Arbeitszwecke aufgebracht werden mußten, auf die verschiedenen Ihnen unterstellten Gebiete aufgeschlüsselt hat?

[530] Antwort: Ja.

Frage: Und ist es richtig, daß danach Ihre Beauftragten versuchten, diese Arbeitskräfte aufzubringen, um das festgesetzte Kontingent zu erreichen?

Antwort: Sauckel hatte gewöhnlich sehr weitreichende Wünsche, die man nur erfüllen konnte, wenn man sehr genau in die Sache hineinschaute.

Frage: Unabhängig davon, ob Sauckels Wünsche weitreichend waren oder nicht. Das hat nichts mit der Sache zu tun. Ist es richtig, daß Ihnen für die Ihnen unterstellten Gebiete Kontingente auferlegt wurden und daß Sie diese Kontingente zu erfüllen hatten?

Antwort: Ja; es gehörte zum Amtsbereich der Verwaltungsbeamten, diese Kontingente entgegenzunehmen und sie über ihren Bezirk so zu verteilen, daß sie je nach der Anzahl und den Altersgruppen am besten erfüllt werden konnten.

Frage: Waren diese Verwaltungsbeamten ein Teil Ihres Verwaltungsapparates?

Antwort: Sie waren Funktionäre oder Beamte des Reichskommissars für die Ukraine, aber als solche waren sie durch das Ministerium für die besetzten Ostgebiete in ihr Amt eingesetzt.

Frage: Ist es richtig, daß Sie erkannt haben, daß die Kontingente, die Ihnen von Sauckel auferlegt worden waren, nicht durch freiwillige Arbeiter erfüllt werden konnten? Ist es weiterhin richtig, daß Sie die Rekrutierung zur Zwangsarbeit nicht mißbilligt haben?

Antwort: Ich habe bedauert, daß die Forderungen Sauckels so dringend waren, daß sie bei Fortsetzung von freiwilligen Rekrutierungen nicht erfüllt werden konnten; und deshalb habe ich der Notwendigkeit von Zwangsmaßnahmen zugestimmt.«

Dann lese ich weiter unten auf derselben Seite:

»Frage: Die Briefe, die wir gesehen haben und die zwischen Ihnen und Sauckel gewechselt wurden, enthalten keinen Hinweis darauf, daß Sie mit dem Prinzip der Anwerbung von Arbeitskräften gegen deren Willen nicht einverstanden waren; sie zeigen, wenn ich mich recht erinnere, daß Sie zwar mit der späteren Behandlung dieser Arbeiter nicht einverstanden waren, aber gegen die ursprüngliche zwangsweise Anwerbung nichts einzuwenden hatten?«


VORSITZENDER: Herr Dodd, ich glaube, es wäre dem Angeklagten Rosenberg gegenüber nur recht und billig, auch die [531] beiden nächsten Antworten zu verlesen, und zwar die, die seiner Aussage, er habe sich der Notwendigkeit der zwangsweisen Anwerbung fügen müssen, folgen.

MR. DODD: Sehr wohl, ich werde sie verlesen, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: »Haben Sie niemals mit Sauckel darüber diskutiert...«


MR. DODD: Ja.

»Frage: Haben Sie niemals mit Sauckel darüber diskutiert, daß in Anbetracht der Tatsache, daß die Kontingente nicht mit Freiwilligen erfüllt werden konnten, das gesamte Arbeiterwerbungsprogramm aufgegeben werden müsse, ausgenommen für Geworbene, die sich freiwillig meldeten?

Antwort: Ich konnte das nicht tun, denn die Anzahl oder Kontingente, die Sauckel vom Führer aufgetragen worden waren, waren vollkommen bindend für ihn, und ich konnte nichts dazu tun.«

Und nun komme ich noch einmal auf die Frage zurück, die ich eben verlesen habe; die Antwort darauf heißt:

»Das ist richtig. In diesen Briefen habe ich vornehmlich die Möglichkeit behandelt, eine Methode zu finden, die am wenigsten hart war; ich habe mich jedoch in keiner Weise in Opposition zu den Befehlen gesetzt, die letzterer für den Führer auszuführen hatte.«


VORSITZENDER: Ich glaube, wir sollten die Sitzung jetzt vertagen.

MR. DODD: Sehr wohl, Herr Vorsitzender.


[Das Gericht vertagt sich bis

13. Dezember 1945, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 3, S. 500-533.
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