Nachmittagssitzung.

[189] [Der Angeklagte Sauckel im Zeugenstand.]


DR. NELTE: Ich möchte die Aufmerksamkeit des Gerichts auf folgende Tatsache lenken:

General Alexandrow hat sich heute vormittag auf das Dokument 744-PS bezogen. Zunächst wurde mir eine Urkunde vorgelegt, die als deutsche Übersetzung bezeichnet war. Diese Übersetzung enthält offenbare Unmöglichkeiten.


VORSITZENDER: Dr. Nelte, sagten Sie 744?


DR. NELTE: 744-PS.


VORSITZENDER: Ich habe keine Notiz darüber, daß er sich auf dieses Dokument bezogen hätte. Ich weiß nicht, ob er... General Alexandrow, haben Sie heute vormittag 744-PS erwähnt?


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Jawohl, ich habe mich heute vormittag auf dieses Dokument bezogen. Es ist eine Verordnung des Angeklagten Keitel vom 8. Juli 1943 über Verwendung von Kriegsgefangenen im Bergbau.


DR. NELTE: Ich erhielt dann von der Sowjetrussischen Anklagebehörde das Original, das heißt, die Photokopie eines Schreibens vom 8. Juli 1943, unterschrieben von Keitel. Es liegen mir nun zwei deutsche Texte vor, die nicht nur inhaltlich voneinander stark abweichen, sondern es ist sogar auf der Übersetzung ein Zusatz, der auf dem Original nicht steht, nämlich zu dem Kopf »Chef des Oberkommandos der Wehrmacht« ist hinzugefügt »Generalstab des Heeres«.

Ich möchte Sie nun nicht damit aufhalten, daß ich die sonstigen unrichtigen Übersetzungen verlese; ich muß aber annehmen, daß Ihnen die fremdsprachlichen Texte vorliegen, die, wie ich aus der Rückübersetzung feststellen muß, unrichtig sind. Da dieses Dokument, das Originaldokument, das Beweisstück ist und nicht beanstandet wird, möchte ich Sie bitten anzuordnen, daß die Ihnen vorgelegten fremdsprachlichen Übersetzungen daraufhin geprüft werden, inwieweit sie von dem Originaldokument abweichen.


VORSITZENDER: Ist das Dokument schon vorher zum Beweis vorgelegt worden? Ist es als Beweis angeboten worden? War es ein Beweisstück?


GENERALMAJOR ALEXANDROW: 744-PS.


VORSITZENDER: Das heißt noch nicht, daß es als Beweisstück vorgelegt wurde. Das heißt lediglich, daß es auf diese Weise gekennzeichnet wurde. Wurde es bereits vorher als Beweisstück angeboten?


[189] GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich weiß nicht, welche US-Nummer das Dokument hat. Aber soviel ich weiß, ist es als Beweisstück vorgelegt worden. In dem Exemplar, welches in deutscher Sprache vorgelegt wurde, heißt es, daß die deutsche Übersetzung am 26. November 1945 von Leutnant der USA-Infanterie Niebergall verfertigt wurde. Wenn Dr. Nelte diese Übersetzung fehlerhaft findet, so glaube ich, daß man die Übersetzungsabteilung beauftragen sollte, die Fehler zu korrigieren.


DR. NELTE: Ich bin überzeugt, Herr Präsident...


VORSITZENDER: Das beste wird sein, es von der Übersetzungsabteilung nochmals überprüfen zu lassen. Wir werden anordnen, daß es sofort geschieht.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: [zum Zeugen gewandt] Man wird Ihnen gleich das Protokoll der Rede Rosenbergs vorlegen. Ich werde mich auf ein ganz kurzes Zitat beschränken. Bitte, lesen Sie mir nach:

»Sie haben z. T. die Vorstellung, als ob der Weg nach Deutschland ungefähr etwas Ähnliches sei, wie der Weg nach Sibirien.«

Und weiter:

»Ich weiß, wenn man 11/2 Millionen Menschen herbringt, kann man sie nicht wunderbar unterbringen. Daß hier Tausende von Menschen schlecht untergebracht sind oder schlecht behandelt werden, ist selbstverständlich. Darüber braucht man sich keine grauen Haare wachsen zu lassen. Es ist aber eine sehr nüchterne Frage – und ich nehme an, Gauleiter Sauckel hat sie schon besprochen oder wird noch darüber sprechen –: Diese Menschen aus dem Osten werden nach Deutschland gebracht, um zu arbeiten und eine möglichst große Arbeitsleistung zu erzielen. Das ist eine ganz nüchterne Angelegenheit. Um eine Leistung zu erzielen, darf man sie natürlich nicht zu 3/4 erfroren herbringen, 10 Stunden stehen lassen; man muß ihnen vielmehr soviel zu essen geben, daß sie Kraftreserven haben...«

Hat der Angeklagte Rosenberg die Bedingungen, unter denen Sie die Arbeiter aus den besetzten Gebieten nach Deutschland brachten, richtig beschrieben? Oder glauben Sie, daß diese Beschreibung nicht zutrifft?

SAUCKEL: Ich kann nicht sagen und erkennen, wann Rosenberg diese Rede gehalten hat. Ich selbst habe sie nicht gehört und keine Abschrift davon bekommen. Ich kann aber ausdrücklich feststellen, daß, sowie ich mein Amt angetreten habe, ich in umfassendster Weise Vorkehrungen getroffen habe, daß Zustände, [190] wie sie Rosenberg hier besprochen hat und die nicht meine Amtszeit berühren können, unter allen Umständen vermieden worden sind; denn dafür habe ich mein umfassendstes Anordnungswerk erlassen. Um solche Zustände zu verhüten, habe ich für jede Nation, die in Deutschland arbeitete, Hunderte von gültigen verbindlichen Anordnungen gesetzlicher Art erzielt, die das bis ins einzelne unmöglich machten. Das habe ich dazu zu sagen. Es kann sich nicht, auf Zustände meiner Zeit beziehen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Herr Vorsitzender! Ich werde mich mit dieser einen Stelle aus der Rede des Angeklagten Rosenberg begnügen. Ich werde auch die vielen Dokumente, die dem Gerichtshof bereits vorliegen, nicht behandeln; Dokumente, welche die verbrecherischen Methoden, die mit Wissen des Angeklagten Sauckel bei der Anwerbung von Arbeitskräften in den besetzten Gebieten und bei deren Ausbeutung als Sklaven in Deutschland angewandt wurden, unzweideutig feststellen. Ich werde nur noch dem Gerichtshof ein neues Dokument, USSR-468, vorlegen. Es ist die Arbeitskarte, die einer polnischen Bürgerin, Maria Atler, von den deutschen Behörden in Breslau ausgehändigt wurde. Diese Arbeitskarte ist insofern charakteristisch, als auf der Rückseite ein Stempel mit der Abbildung einer Sau zu finden ist. Nach einer eidesstattlichen Erklärung der Maria Atler sind solche Arbeitskarten von deutschen Behörden in Breslau im Jahre 1944 an alle Fremdarbeiter ausgehändigt worden. Zusammen mit diesem Originaldokument lege ich die von der Polnischen Staatskommission beglaubigte Aussage Maria Atlers vor.


[Zum Zeugen gewandt:]


Angeklagter Sauckel! Haben Sie sich diese Arbeitskarte angesehen? Haben Sie das Bild einer Sau auf dieser Karte gefunden?

SAUCKEL: Ja.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wußten Sie von diesen Arbeitskarten, auf denen eine Sau abgebildet war, und die die menschliche Würde erniedrigten?


SAUCKEL: Eine solche Karte und eine solche Kenntnis habe ich nicht gehabt. Ich kann bei dieser Abbildung hier nicht genau erkennen, was sie bedeuten soll. Ich habe damit gar nichts zu tun. Ich kenne eine solche Kennzeichnung einer Karte nicht und weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Ich weiß nicht, ob es bei einer Arbeitsverwaltung möglich gewesen ist, solche Zeichen anzubringen oder nicht. Ich würde bitten, ein Original sehen zu dürfen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wußten Sie von der Existenz solcher Karten und ihrer Verwendung?

SAUCKEL: Nein, von solchen Karten mit solchen Zeichnungen hatte ich keine Ahnung, kein Interesse und nicht den geringsten [191] Grund, solche Menschen, die in Deutschland arbeiteten, so zu kränken. Ich habe keine Ahnung davon und weiß auch nicht, was das bedeuten soll.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nun werde ich einen kurzen Auszug aus dem Dokument USSR-170 verlesen. Es ist die Niederschrift einer Sitzung beim Reichsmarschall Göring vom 6. August 1942. Ich zitiere den Teil dieser Rede, in dem der Angeklagte Göring seine Wertschätzung Ihrer Tätigkeit ausdrückt. Ich lese:

»Ich muß hierzu eins sagen. Ich will Gauleiter Sauckel nicht loben, das hat er nicht nötig. Aber was er in dieser kurzen Zeit geleistet hat, um in einer solchen Geschwindigkeit Arbeiter aus ganz Europa herauszuholen und in unsere Betriebe zu bringen, das ist einmalig. Ich möchte das allen Herren sagen: Wenn jeder auf seinem Gebiet nur ein Zehntel der Energie verwenden würde, die der Gauleiter Sauckel verwandt hat, dann würde es wirklich eine Leichtigkeit sein, die von Ihnen geforderten Aufgaben zu erfüllen. Das ist meine heilige Überzeugung und keine Redensart.«

Ende des Zitats.

Haben Sie diese Wertschätzung Ihrer Tätigkeit aus dem Munde des Angeklagten Göring gehört?

SAUCKEL: Es ist möglich, daß der Reichsmarschall das gesagt hat. Ich kann mich auf die Einzelheiten einer so lange zurückliegenden Sitzung nicht besinnen. Richtig ist, daß ich als Mensch und Angehöriger meines Volkes verpflichtet war, meine Pflicht zu tun. Ich habe versucht, das erklären meine Dokumente, meine Pflicht auf menschlich anständige Weise zu tun. Darum war ich sehr bemüht.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich lege dem Gerichtshof jetzt das Dokument Nummer USSR-462 vor. Es ist ein Artikel von Dr. Friedrich Didier, abgedruckt im »Reichsarbeitsblatt« von 1944. Es handelt sich um eine amtliche Veröffentlichung des Reichsarbeitsministeriums und des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz. Der Artikel trägt die Überschrift: »Fritz Sauckel – zu seinem 50. Geburtstag«.

Ich habe nicht die Absicht, diesen Artikel zu verlesen, denn er ist ein einziges Loblied über den Angeklagten Sauckel, und es lohnt sich nicht, dabei zu verweilen. Jedoch möchte ich Sie fragen, Angeklagter Sauckel, kennen Sie diesen Artikel?


SAUCKEL: Ich kenne diesen Artikel nicht. Ich kann nicht sagen, was in dem Artikel steht. Ich habe das Reichsarbeitsblatt nicht immer durchlesen können. Das Reichsarbeitsblatt ist nicht von mir herausgegeben, es ist eine alte Einrichtung des Arbeitsministeri ums, in dem alle Verordnungen des Ministeriums stehen, [192] auch meine Verordnungen. Und die Verordnungen, die von mir im Reichsarbeitsblatt stehen, bezeugen alle meine Fürsorge auch für die fremden und für die deutschen Arbeiter.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Dann werden Sie jetzt Gelegenheit haben, sich flüchtig mit diesem Artikel vertraut zu machen. Er wird Ihnen gleich überreicht werden.


VORSITZENDER: Welches Dokument liest er jetzt?


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Es ist ein Artikel aus dem Reichsarbeitsblatt mit dem Titel: »Fritz Sauckel – zu seinem 50. Geburtstag«.

Wir legen dieses Dokument zum erstenmal unter USSR-462 vor.


[Zum Zeugen gewandt:]


Haben Sie es gelesen? Sagen Sie, gibt dieser Artikel Ihre politische und Regierungstätigkeit richtig wieder?

SAUCKEL: Der Schreiber dieses Artikels ist an sich kein Fachmann. Ich kann zu dem Inhalt eines Geburtstagsartikels keine weitere Stellung nehmen. Er umfaßt eine sehr flüchtige Darstellung meines Lebensganges und meines Arbeitsbereiches.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nun eine letzte Frage. In einer Rede bei der ersten Tagung der Arbeitseinsatzstäbe am 6. Januar 1943 in Weimar haben Sie erklärt – ich zitiere aus dem dritten Dokumentenbuch Ihres Verteidigers, Dokument Nummer 82:

»Was nunmehr die Grundlagen unserer Arbeit anbetrifft...«

Ich lasse den ersten Punkt aus und lese den zweiten Punkt:

»... in der Treue zu Führer und Volk. Sie gibt uns die Legitimation zur Durchführung auch der härtesten Maßnahmen.«

Und dann am Ende des Dokuments:

»Ich werde hier in steigendem Maße die Verantwortung übernehmen.«

Nun sagen Sie mir folgendes: Übernehmen Sie die Verantwortung für die Verschleppung der Bevölkerung der besetzten Gebiete in die Sklaverei, für die Leiden und das Unglück der Millionen von Ihnen verschleppter Menschen und für die Wiedererrichtung der düsteren Aera des Sklavenhandels im zwanzigsten Jahrhundert?

SAUCKEL: Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, daß Sie jetzt gerade dieses Dokument anführen, und ich bitte Sie sehr, mir dieses Dokument vorzulegen, damit ich dazu die richtige entsprechende Darstellung meiner Auffassung geben kann, die in diesem Dokument enthalten ist.

[193] GENERALMAJOR ALEXANDROW: Falls notwendig, wird Sie Ihr Verteidiger mit diesem Dokument bekannt machen.

Herr Vorsitzender! Ich habe das Kreuzverhör des Angeklagten Sauckel beendet.


VORSITZENDER: Dr. Thoma! Wollen Sie ein Rückverhör?


DR. THOMA: Herr Zeuge! Welches war die Rolle Rosenbergs als Ostminister in der Durchführung des Arbeitseinsatzes?


SAUCKEL: Die Rolle des Ostministers in der Durchführung des Arbeitseinsatzes war, an die ihm nachstehenden Dienststellen des Ostministeriums meine Wünsche und Anforderungen weiterzugeben in Bezug auf meine Arbeitsaufgabe. Ich kann natürlich nicht zu den anderen Abteilungen des Ostministeriums Stellung nehmen, die ich nicht kenne.


DR. THOMA: Hat Ihnen Rosenberg nicht wiederholt gesagt, daß er den Reichskommissar Koch beauftragen werde, von seinen Hoheitsrechten Gebrauch zu machen?


SAUCKEL: Das ist richtig. Es lag im Zuge der Aufgaben Rosenbergs, dem Reichskommissar Koch, der ihm unterstellt war, Anweisungen zu geben auf jedem Gebiet der Verwaltung dort.


DR. THOMA: Sie haben also das dahin verstanden, daß er ihm Anweisungen geben sollte; in welcher Richtung?


SAUCKEL: Rosenberg hat und sollte – das haben wir ausdrücklich vereinbart – Koch Anweisungen geben, irgendwelche wilden und unzulässigen Methoden, die auch im Widerspruch zu meinen Anordnungen standen, zu unterlassen; das hat Rosenberg meines Wissens auch getan.


DR. THOMA: Rosenberg hat durch den Hinweis auf die Hoheitsrechte des Reichskommissars sagen wollen, daß er Ihre Werbemethoden verbieten soll und einfach nicht mehr zulassen soll, daß von Ihren Einsatzgruppen Ostarbeiter weggebracht werden sollen?


SAUCKEL: Das hat Rosenberg mir gegenüber niemals geäußert, auch in Abrede gestellt, denn diese Kommissionen waren ja für die Zeit ihres Aufenthalts in der Ukraine der Arbeitseinsatzabteilung des Reichskommissars Koch unterstellt und eingegliedert. Und Koch war Aufsichtsbehörde und Verwaltungsbehörde für diese Angelegenheiten. Das ist einwandfrei feststehend.


DR. THOMA: Ich darf das Hohe Gericht darauf aufmerksam machen, daß aus einem Dokument, Rosenberg 10, hervorgeht, daß Sauckel diese Äußerung Rosenbergs nicht verstanden hat.


VORSITZENDER: Haben Sie von einem Dokument gesprochen, Dr. Thoma?


DR. THOMA: Ro-10.


[194] DR. SERVATIUS: Herr Präsident! In der nochmaligen Befragung des Zeugen durch den Verteidiger des Angeklagten Rosenberg muß sich die Verteidigung ja beschränken auf die Dinge, die nun neu vorgebracht worden sind und streitig geworden sind. Es war ja damals Gelegenheit, wie sein Mandant im Zeugenstand war, diese Fragen zu klären. Ich habe seinerzeit diese Frage von mir ausklären wollen, da wurde mir bedeutet, ich möchte Sauckel fragen. Er hat es klar hier dargelegt und es besteht nach meiner Ansicht keine Veranlassung, nun in diesem Punkt auf Dokumente zurückzukommen, die einer früheren Verteidigungszeit angehören.

Ich widerspreche einer derartigen Befragung.


VORSITZENDER: Gut. Dr. Thoma, ich glaube, es wäre besser, Sie gehen weiter und stellen die nächste Frage. Ich habe das Dokument auch nicht hier, das Sie dem Zeugen vorlegen oder auf das Sie sich beziehen.

Was ist Ihre nächste Frage?


DR. THOMA: Herr Zeuge! Hatten Sie nicht in Ihrem Programm die gesamte Verantwortung für den Arbeitseinsatz auf sich genommen?


SAUCKEL: Ich habe die Verantwortung auf mich genommen und bekenne mich dazu im Rahmen meiner Befugnisse – mehr kann ich ja nicht – und dafür, was ich angeordnet und veranlaßt habe. Dieses Verordnungswerk, Herr Doktor, liegt vor und hat Herrn Rosenberg vorgelegen...


VORSITZENDER: Dr. Thoma! Der Angeklagte hat sich darüber schon früher geäußert. Er hat all das schon vorher erörtert – über seine Verantwortung.


DR. THOMA: Herr Präsident! Ich darf darauf aufmerksam machen, daß in der Frage der Verantwortlichkeit ein bestimmter Absatz, und zwar der maßgebende Absatz, noch nicht verlesen worden ist. Es handelt sich um Dokument 016-PS in dem Programm des Arbeitseinsatzes, da heißt es unter Seite 21, Ziffer 1:...


VORSITZENDER: Bitte geben Sie nochmals die Dokumentennummer an, Herr Doktor.


DR. THOMA: 016-PS, im deutschen Dokument Seite 20; hier heißt es:

»Alle technischen und verwaltungsmäßigen Vorgänge des Arbeitseinsatzes obliegen ausschließlich der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, den Landesarbeitsämtern und den Arbeitsämtern.«


[195] SAUCKEL: Innerhalb des Deutschen Reiches, Herr Doktor. Außerhalb des Deutschen Reiches war ich selbstverständlich gebunden über die zuständigen Gebietschefs. Das ist ganz klar.

DR. THOMA: Auf diese Antwort bitte ich, das Gericht auf Seite 15 dieses Arbeitsprogramms aufmerksam machen zu dürfen. Diese Ziffer 1, die ich eben verlesen habe, steht unter dem Absatz:

»Kriegsgefangene und fremdländische Arbeiter.«


SAUCKEL: Soweit sie in Deutschland eingesetzt werden, vermittelt werden.

DR. THOMA: Ich darf darauf hinweisen, daß es in Ziffer 1 ausdrücklich heißt:

»Alle technischen und verwaltungsmäßigen Vorgänge des Arbeitseinsatzes...«


SAUCKEL: Und ich darf darauf hinweisen, daß es mir nicht möglich war, in die Zuständigkeiten des Reichskommissars Koch mich einzumischen, der es sich ausdrücklich verbeten hat.

DR. THOMA: Herr Zeuge! Sie waren von dem Generalbevollmächtigten für den Vierjahresplan ausdrücklich versehen mit Aushebungsbefugnissen gegenüber allen Behörden, und es geht meines Erachtens nicht an, daß Sie die Methoden der Werbung nun ablehnen und die Verantwortung auf den Ostminister abschieben wollen.

Ich habe keine weiteren Fragen mehr.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Der Verteidiger des Angeklagten Rosenberg kann Zwischenfragen stellen, aber es scheint mir nicht der gegebene Moment für ihn, eine Anklagerede gegen meinen Klienten zu halten.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich weiß genau, daß bereits zwei Kreuzverhöre stattgefunden haben, und ich wünsche nicht, ein drittes anzustellen. Wir haben aber ein Dokument, das unserer Ansicht nach ziemlich wichtig ist und das Herrn General Alexandrow überreicht wurde. Ich glaube, es muß irgendwelche Übersetzungsschwierigkeiten gegeben haben. Die Übersetzung ist nicht vorgelegt worden.

Ich bitte um die Erlaubnis des Gerichtshofs, ein oder zwei Fragen darüber an den Angeklagten stellen und das Dokument vorlegen zu dürfen. Ich halte es für recht wichtig, daß es vorgelegt wird.

VORSITZENDER: Herr Dodd! Der Gerichtshof will hier keinen Präzedenzfall schaffen, aber im Hinblick auf Ihre Erklärung, daß das Dokument General Alexandrow übergeben wurde und er es aus irgendwelchem Grunde nicht behandelt hat, werden wir Ihnen gestatten, darüber ein Kreuzverhör anzustellen.


[196] MR. DODD: Danke.


[Zum Zeugen gewandt:]


Herr Zeuge! Entsinnen Sie sich einer Gelegenheit im Jahre 1942, kurz nach Ihrer Ernennung, als Sie sich mit einigen leitenden Beamten des Arbeitsministeriums trafen und mit ihnen Ihr zukünftiges Programm besprachen, das Sie im Begriffe waren, aufzustellen und für das Sie jetzt die Verantwortung übernehmen wollen? Erinnern Sie sich daran?

SAUCKEL: Ich kann mich an Einzelheiten dieser Unterredung natürlich nicht entsinnen. Es sind verschiedene Punkte des Programms besprochen worden, und ich darf vielleicht im Zusammenhang auch zu der Stellungnahme des Verteidigers des Angeklagten Rosenberg sagen, daß das, was er zitiert hat...

MR. DODD: Einen Augenblick; einen Augenblick; ich habe Sie nur gefragt, ob Sie sich an diese Besprechung erinnern, und Sie sagten nein. Hier ist nun das Dokument.


SAUCKEL: An Einzelheiten dieser Besprechung nicht.


MR. DODD: Schauen Sie sich dann das Protokoll dieser Besprechung an.


VORSITZENDER: Welches Dokument ist das?


MR. DODD: Es ist EC-318.


VORSITZENDER: Welche Beweisstücknummer trägt es? Ist es schon vorgelegt worden oder nicht?


MR. DODD: Ich lege es jetzt vor. Ich bekomme die Nummer erst vom Sekretariat. Ich werde die Nummer später angeben, Herr Vorsitzender. Ich habe keine Vorbereitungen getroffen, dieses Dokument vorzulegen; daher hatte ich die Nummer nicht im voraus.


[Zum Zeugen gewandt:]


Nun möchte ich Ihre Aufmerksamkeit insbesondere auf einige Stellen lenken. Zunächst erzählen Sie den versammelten Beamten, daß Sie mit ihnen eng zusammenarbeiten wollen. Dann im Laufe der weiteren Besprechung geben Sie einen Überblick über die Anzahl der Arbeitskräfte, die Sie auszuheben beabsichtigen. Sie erwähnen, daß schätzungsweise eine Million gebraucht wird. Dann heben Sie an diesem Tage ganz klar hervor, daß die meisten Ihrer Leute, der Großteil dieser Arbeiter aus dem Osten, besonders aus Sowjetrußland kommen sollten.

Sie erzählten diesen Beamten von einer mehrstündigen Unterredung mit dem Führer und daß Sie mit dem Reichsmarschall acht Stunden lang gesprochen hätten; sie wären sich alle darin einig gewesen, daß das wichtigste Problem die Ausbeutung der Arbeitskräfte aus dem Osten wäre.

[197] Sie erwähnten ferner... sehen Sie das dort?

SAUCKEL: Wo ist von »Ausbeutung« die Rede; das Wort finde ich nicht.

MR. DODD: Finden Sie die Stelle, wo Sie sagten, Sie hätten Ihre Aufgabe mit dem Führer in einer mehrstündigen Unterredung besprochen? Finden Sie das?


SAUCKEL: Ich finde das nicht.


MR. DODD: Sie haben den deutschen Text vor sich, nicht wahr?


SAUCKEL: Ja, aber wollen Sie mir bitte freundlicherweise die Seite sagen?


MR. DODD: Seite 2, Mitte. Haben Sie es gefunden?


SAUCKEL: Herr Ankläger! Ich möchte ausdrücklich auf den Wortunterschied im Deutschen zwischen »Ausnutzung« und »Ausbeutung« hinweisen. »Ausbeutung« ist ein Begriff, der etwas anrüchig ist in der Arbeitersprache; »Ausnutzung« ist eine ganz gewöhnliche Darstellung; eine Sache zu benützen, heißt sie nutzbar zu machen. Das ist ein großer Begriffsunterschied in der deutschen Sprache.


MR. DODD: Wir wollen bei unserer Ansicht bleiben, und Sie können bei der Ihrigen bleiben; der Gerichtshof wird dann zwischen uns beiden entscheiden, welches die richtige Auslegung ist. Gleichviel, ob Sie »ausnützen« oder »ausbeuten« gesagt haben, sagten Sie trotzdem, daß das wichtigste Problem das »Ausnützen« oder das »Ausbeuten« war.


SAUCKEL: Das ist nicht gleichviel, Herr Ankläger, das ist im Deutschen ein elementarer Sprachunterschied. Darauf muß ich aufmerksam machen; das Wort »Ausbeutung« ist ein Wort, das ich nicht gebraucht habe und auch nicht brauchen wollte.


VORSITZENDER: Angeklagter! Sprechen Sie etwas leiser! Sie übertönen die Stimme des Übersetzers.


SAUCKEL: Ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft.


MR. DODD: Es interessiert mich nicht, ob Sie mit dem Wort »ausbeuten« einverstanden sind oder nicht. Dies ist ein sehr unwichtiger Teil des Dokuments, wie Sie das wahrscheinlich schon selbst erkannt haben.


SAUCKEL: Ich bitte, Ihnen widersprechen zu dürfen. Das Wort ist sehr wichtig vom menschlichen Standpunkt aus.


MR. DODD: Es liegt mir gar nichts daran, mit Ihnen zu streiten.


VORSITZENDER: Angeklagter! Der Gerichtshof kann sehr wohl den Unterschied zwischen den beiden Worten verstehen, und Sie gaben uns die Auslegung, die Ihrer Meinung nach richtig ist.


[198] MR. DODD: Nun, etwas weiter unten. Erinnern Sie sich, daß Sie sagten, eine Million Russen wären so rasch als möglich nach Deutschland zu bringen, um sogar noch vor der Offensive einsatzfähig zu sein? Es ist der nächste oder zweitnächste Satz in Ihrem Text. Sie werden es nicht sehen, wenn Sie auf mich schauen. Lesen Sie den nächsten Satz.


SAUCKEL: Ja, ich bitte, den nächsten Satz lesen zu dürfen.

»Die Voraussetzung für die Übernahme seines Auftrages wäre die Sicherstellung der Ernährung der Russen zu annähernd denselben Sätzen, wie sie für die deutsche Zivilbevölkerung gelte, gewesen.«


MR. DODD: Sie haben den Satz ausgelassen, den ich von Ihnen gelesen haben wollte. Ich weiß wohl, daß das kommt, aber ich möchte, daß Sie den Satz lesen, worin Sie sagen, Sie hätten eine Million Russen schnellstens in das Reich zu bringen; das ist der nächste oder übernächste Satz nach dem, in dem das Wort »ausbeuten« oder »ausnutzen« vorkommt, das Sie vorhin diskutiert haben.

SAUCKEL: »... müßten schnellstens in das Reich gebracht werden.«


MR. DODD: Das ist alles, was ich wissen will. Erinnern Sie sich, das gesagt zu haben?


SAUCKEL: Ja, daß ich das gesagt habe. Ich muß zu dieser Darstellung bemerken, das ist eine Niederschrift, die ich vorher nie gesehen oder kontrolliert habe. Irgend jemand hat sie gemacht. Die Niederschrift selbst kannte ich nicht und habe sie nicht vorgelegt bekommen.


MR. DODD: Nun, sie dürfte wohl stimmen, auch wenn Sie nicht von Ihnen selbst stammt.

Wollen wir jetzt zu dem vorletzten Absatz übergehen. Dort finden Sie einen Satz, der lautet oder besagt:

»Sie« – die Russen – »müßten durch die deutsche Verwaltung im Osten so scharf angefaßt werden, daß ein Stimmungsgefälle erzeugt werde, das sie gern nach Deutschland zur Arbeit gehen ließe.«

Haben Sie das gefunden?

SAUCKEL: Darf ich bitten, mir zu sagen, wo der Satz steht?

MR. DODD: Er folgt, unmittelbar auf den Satz, worin Sie von Ihren Verhandlungen mit Himmler sprechen. Vielleicht hilft Ihnen das. Finden Sie die Stelle, wo Sie sagen, Sie hatten Verhandlungen mit dem Reichsführer-SS; es gelang Ihnen, ihn dahin zu bringen, daß er die Stacheldrahtumzäunungen niederlegen ließ? Das haben Sie doch gewiß gelesen? Finden Sie jetzt den Satz:

[199] »Sie müßten durch die deutsche Verwaltung im Osten so scharf angefaßt werden, daß ein Stimmungsgefälle erzeugt werde, das sie gern zur Arbeit gehen ließe.«

Erinnern Sie sich, das gesagt zu haben?

SAUCKEL: Ich kann mich auf diesen Ausdruck im einzelnen nicht festlegen, daß ich ihn so gesagt habe; denn ich habe schon bemerkt, das ist eine Niederschrift von Ausführungen proklamatischer Art, die ich selbst nicht kontrolliert habe. Ich kann mich nicht festlegen, wie ein Dritter hier aus seiner Erinnerung eine Wiedergabe niedergeschrieben hat. Es ist das kein stenographisches Protokoll, sondern eine Wiedergabe, die weder von irgend jemand unterzeichnet ist, und in der...

MR. DODD: Sie brauchen keine längeren Erklärungen darüber abzugeben, daß diese Notizen von einer anderen Person stammen. Sie wurden Ihnen nicht als Ihre eigenen unterbreitet.

SAUCKEL: Ja, ich habe das Recht und die Pflicht, das zu sagen.


MR. DODD: Warten Sie doch einen Augenblick, und lassen Sie mich hie und da eine Frage an Sie stellen. Ich habe nicht behauptet, dies seien Ihre Notizen, ich zeigte sie Ihnen lediglich, um festzustellen, ob Sie sich, nachdem Sie sie sahen, daran erinnern können? Und erinnern Sie sich daran oder nicht?


SAUCKEL: Ich erinnere mich an diese Stelle keineswegs; ich kann hier nur das lesen, was eine dritte Person, von der ich nicht weiß, wer sie war, niedergeschrieben hat. Sie kann mich auch sehr wohl mißverstanden haben, das ist möglich...


MR. DODD: Nun, es steht hier auch, Sie hätten eine Unterhaltung mit dem Reichsführer-SS gehabt. Erinnern Sie sich, daß Sie dies im Laufe dieser Unterhaltung oder Rede, oder was es auch immer war, sagten?


SAUCKEL: Der Reichsführer-SS hat mich verschiedene Male angegangen und angehalten, und ich habe beim Reichsführer-SS ja durchsetzen müssen, daß Stacheldrahtumzäunungen niedergelegt werden; das habe ich gemacht. Ich habe die Anordnungen des Reichsführers-SS von Beginn meiner Dienstzeit an abgemildert und bin dadurch in einen starken Widerspruch gekommen.


MR. DODD: Dann stimmt also dieser Teil des Protokolls. Der Protokollführer oder wer auch sonst dies niederschrieb, hat richtig berichtet, was Sie über die Verhandlungen mit dem Reichsführer-SS sagten, nicht wahr? Das finden Sie, geht in Ordnung?


SAUCKEL: Was er im einzelnen niedergeschrieben hat, worüber ich mich unterhalten haben soll, habe ich noch nicht gelesen.


MR. DODD: Hören Sie zu! Sehen Sie sich das Schriftstück noch einmal an. Sie beanstandenden Satz, der berichtet, daß Sie sagten, [200] sie sollten im Osten scharf angefaßt werden; aber Sie beanstanden nicht den vorhergehenden Satz, der besagt, daß Sie den Stacheldraht entfernen ließen. Stimmt das nicht?

Anscheinend beschweren Sie sich über die Tatsache, daß dies nicht Ihr eigener Bericht, sondern der eines anderen war. Haben Sie das gelesen?


SAUCKEL: Nein.


MR. DODD: Nun, es ist der Satz vor dem, über den wir gerade sprachen. Können Sie ihn wirklich nicht finden? Brauchen Sie Hilfe?

SAUCKEL: Ja, hier sind zwei Seiten doppelt.


MR. DODD: Alles, was ich Sie fragte, Herr Zeuge, ist, ob der Satz über Ihre Besprechung mit Himmler ein einigermaßen zutreffender Bericht über das ist, was Sie gesagt haben?


SAUCKEL: Das kann ich Ihnen aus der Erinnerung nicht beantworten. Ich habe mit Himmler außerordentlich wenig gesprochen und nur sehr flüchtig, es können auch Verhandlungen gewesen sein, die meine Dienststelle in meinem Auftrag geführt hat, das kann ich Ihnen nicht sagen.


MR. DODD: Die Antwort zu alledem ist also, daß Sie sich nicht daran erinnern, was Sie damals sagten; das Dokument hilft Ihnen nicht, sich daran zu erinnern.


SAUCKEL: Sie können von mir unmöglich verlangen, daß ich mich exakt erinnere an Vorgänge, die sehr flüchtig gewesen sind und schon sehr weit zurückliegen.


MR. DODD: Ich bin gern bereit, es dabei zu belassen. Hier steht ein geschriebenes Protokoll gegen das Versagen Ihres Gedächtnisses; ich überlasse es dem Gerichtshof zur Beurteilung.


VORSITZENDER: Herr Dodd! Vielleicht sollten Sie ihm...


SAUCKEL: Das ich aber vorher nicht selbst gekannt habe.


VORSITZENDER: Herr Dodd! Vielleicht sollten Sie ihm den nächsten Absatz vorlegen:

»Als Drittes...« Er folgt nach dem Satz über die harte Behandlung.


MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender!


[Zum Zeugen gewandt:]


Bitte, lassen Sie Ihren Finger auf der Stelle, damit Sie sie nicht verlieren. Der nächste Satz beginnt:

»Als Drittes hat er die bisher vom Reichsmarschall befohlenen Lohnbedingungen als untragbar bezeichnet und beim Reichsmarschall erreicht, daß die Russen bis zur Hälfte des Lohnes der deutschen Arbeiter verdienen könnten.«

[201] Übrigens, da wir gerade bei dieser Erklärung sind, was hatte denn der Reichsmarschall vorgeschlagen?

SAUCKEL: Es haben vor meinem Dienstantritt – darüber habe ich meinem Verteidiger gegenüber ausführlich ausgesagt – Verordnungen des Ministerrats bestanden über die Lohnregelungen, und ich habe diese Lohnregelungen ständig verbessert, und zwar viermal, soweit ich das durchsetzen konnte innerhalb meiner Amtszeit.

VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf die Frage. Die Frage war: Was hat der Reichsmarschall als Lohn für diese Arbeiter vorgeschlagen? Sie können das beantworten.


SAUCKEL: Der Reichsmarschall hat mir gegenüber keine Vorschläge gemacht, sondern ich habe Regelungen bei meinem Amtsantritt vorgefunden, die ich für ungenügend gehalten habe.


MR. DODD: Erzählen Sie uns darüber etwas mehr. Was verstehen Sie unter »ungenügend«; Sie sprachen hier auch von »untragbar«? Wie war die Lage bezüglich der Löhne als Sie Ihr Amt antraten?


SAUCKEL: Ich habe schon gestern bei meiner Vernehmung durch meinen Verteidiger gesagt und in einem Beispiel dargelegt, daß ein Ostarbeiter, als ich mein Amt antrat, etwa bei einer Lohnhöhe von 60 Pfennig in der Stunde nach Abzug seiner Verpflegung und Unterbringung etwa RM. 4.50 in bar ausbezahlt bekommen hat. Das habe ich abgeändert nach meinem Amtsantritt, die Barauszahlung, die freien Beträge, verdoppelt. Der Zweck der Anordnungen, die vor mir bestanden haben, war wohl aus Währungsgründen und dergleichen geschaffen, um einen zu hohen Umlauf freier Beträge dort zu verhüten. Das ist mir nicht näher bekannt.


MR. DODD: Dieses Beweisstück, Herr Vorsitzender, wird US-881. Ich habe dann keine weiteren Fragen.


[Dr. Ballas, in Stellvertretung von Dr. Horn für den Angeklagten Ribbentrop.]


DR. WALTER BALLAS, STELLVERTRETENDER VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN RAEDER: Ich habe einige Fragen an den Zeugen zu stellen. Sie haben gestern im Kreuzverhör über eine französische Diplomaten-Organisation, die unter dem Französischen Botschafter Scapini eingerichtet war, gesprochen, die für die in Deutschland befindlichen Franzosen aufgezogen wurde. Ist es richtig, daß diese Organisation auf Wunsch des Angeklagten von Ribbentrop aufgezogen wurde?

SAUCKEL: Auf beiderseitigen Wunsch und beiderseitige Vereinbarungen. Wir haben beide dieselben Interessen gehabt; das ist richtig.


[202] DR. BALLAS: Können Sie mir die Gründe angeben, die von Ribbentrop zur Aufziehung dieser Organisation veranlaßten?


SAUCKEL: Die Gründe, die hierzu veranlaßten, waren meines Erachtens, eine Verständigung der deutschen und französischen Bevölkerung auf diese Weise herbeizuführen, indem eine besonders sorgfältige Betreuung der in Deutschland arbeitenden Franzosen gewährleistet sein sollte.


DR. BALLAS: Diese Diplomaten-Organisation war zugleich zuständig für die Behandlung der französischen Kriegsgefangenen? Können Sie angeben, welche Gründe es waren, die das Deutsche Auswärtige Amt zu einer solchen, während des noch bestehenden Kriegszustandes zwischen Deutschland und Frankreich ungewöhnlichen Einrichtung bestimmte?


SAUCKEL: Es waren Besprechungen zwischen der Französischen Regierung des Marschalls Pétain und der Deutschen Regierung, und die beiden Völker versuchten sorgfältig, eine Verständigung herbeizuführen.


DR. BALLAS: Deswegen diese ungewöhnliche Maßnahme, die sich auf Kriegsgefangene bezog?


SAUCKEL: Nicht allein deswegen. Ich erachtete es mit als eine besondere Notwendigkeit und darf dazu erwähnen, daß diese Organisation später geteilt oder ergänzt worden ist, indem neben Herrn Scapini, der sich den französischen Kriegsgefangenen besonders widmete, ein Herr Broehne sich besonders für die französischen Zivilarbeiter eingesetzt hat.

DR. BALLAS: Ist es richtig, daß der Angeklagte von Ribbentrop im Rahmen des Auswärtigen Amtes eine Organisation aufgezogen hatte, um für die Betreuung ausländischer Arbeiter laufend aus den von Deutschland besetzten Gebieten Künstler, Vortragende, Zeitungen, Bücher und so weiter kommen zu lassen, um diese Arbeiter als Freunde einer Verständigung mit Deutschland nach Hause zurückkehren zu lassen?


SAUCKEL: Es war der Zweck einer Vereinbarung, die vom Herrn Reichsaußenminister unter Beteiligung des Propagandaministeriums, der Deutschen Arbeitsfront und meiner Dienststelle eingerichtet worden ist, um durch ausländische Künstler, Künstlerinnen und Vortragende die Freizeit der ausländischen Arbeiter auszugestalten. Es sind auch in großem Maße zu diesem Zwecke russische Künstler in Deutschland gewesen. Es hatte auch den Zweck, Bibliotheken und Zeitschriften der Heimatländer zu ermöglichen.


DR. BALLAS: Danke sehr, ich habe keine weiteren Fragen.


[203] DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Zur Richtigstellung des zeichnerischen Irrtums in dem Dokument 1 will ich nur eine Bestätigung von dem Zeugen haben.


[Das Dokument wird dem Angeklagten überreicht.]


Sie haben doch unter den Bedarfsträgern die Dienststellen des Ministers Funk?

SAUCKEL: Jawohl.

DR. SERVATIUS: Wenn Sie nach unten gehen, finden Sie als dritten Kasten eingeschrieben »Rüstungsinspektion« und darunter »Reichsautobahn«. Diese beiden Stellen sind vom Zeichner falsch eingezeichnet, sie gehören nicht dorthin. Ist es richtig, daß diese beiden Stellen hier gestrichen werden müssen?


SAUCKEL: Jawohl, das ist richtig.


DR. SERVATIUS: Ich bitte daher, die Zeichnungen soweit zu berichtigen, daß diese beiden Felder einfach gestrichen werden. Sie gehören zum Ministerium Speer; aber auf diese Seite habe ich mich nicht näher konzentriert und möchte auch hier keine Diskussionen darüber führen.

Dann ist aus dem photographischen Album von Buchenwald eine Reihe von Bildern vorgelegt worden, auf denen der Angeklagte zusammen mit Himmler zu sehen ist.

Herr Zeuge! Können Sie aus dem Bild die Zeit feststellen, wann etwa dieses Treffen gewesen ist? Es sind gewisse Anzeichen, die Sie mit mir gestern besprochen haben. Wenn Sie sie kurz darstellen wollen?


SAUCKEL: Ja, das Bild oben an der linken Seite zeigt, daß es sich hier noch um einen Zustand des Bauens handelt, denn ich sehe hier unfertige Straßenböschungen und dergleichen. Es kann sich also um einen Zustand der Bauzeit handeln.


DR. SERVATIUS: Was können Sie bezüglich der Zeit aus der Kleidung der einzelnen Personen schließen?


SAUCKEL: Aus der Kleidung ist ganz klar ersichtlich, daß es sich um eine Zeit vor dem Kriege handelt, denn Himmler trägt hier schwarze Uniform, die er während des Krieges nie getragen hat, außerdem, wie ich sehe, einen Degen, der während des Krieges verboten gewesen ist. Es ist ganz klar, daß dieses Treffen vor dem Kriege gewesen ist.


DR. SERVATIUS: Haben die Personen Auszeichnungen?


SAUCKEL: Ich kann das nicht erkennen, ob sie Auszeichnungen tragen, nein.


DR. SERVATIUS: Ich kann also daraus schließen, daß die Aufnahme aus einer Zeit vor dem Kriege stammt?


[204] SAUCKEL: Sie stammt bestimmt aus der Zeit vor dem Kriege, denn ich selbst habe während des Krieges keine SS-Uniform getragen.

DR. SERVATIUS: Es ist gestern vorgelegt worden Dokument 810. Das ist ein Bericht über die Sitzung auf der Wartburg. Dort ist Ihnen von Seite 25 des deutschen Textes ein Bericht von Dr. Sturm vorgehalten worden, worin unter anderem gesagt ist, daß mit der Gestapo und Konzentrationslagern zusammengearbeitet wurde und man damit auf dem richtigen Weg wäre. Sie sind gefragt worden, ob das auch Ihre Auffassung sei und ob eine solche Zusammenarbeit korrekt wäre. Was haben Sie darunter verstanden? Wollen Sie damit sagen, daß Sie mit den Methoden des Konzentrationslagers, so wie sie von Himmler angewendet worden waren, einverstanden waren?


SAUCKEL: Unter gar keinen Umständen. Ich wollte andeuten, daß es korrekt war, wie es aus dem Dokument hervorgeht, daß stufenweise Durchsetzung der Arbeitsdisziplin, wie sie bei Nichtbefolgung vorgesehen werden sollte, nämlich erst Verwarnung, dann innerbetriebliche leichte Geldbußen – wie sie ja tatsächlich in meiner Verordnung Nummer 13, die ich im Dokumentenbeweis vorzulegen bitte, vorgesehen waren – und daß erst, nachdem Warnungen und innerbetriebliche leichte Disziplinarstrafen nicht genügten, zur weiteren Behandlung der Fälle – wie auch in dem Dokument erwähnt ist – über die Staatsanwaltschaft und über richterliche Ahndung weitergeschritten wird. Ich habe einen korrekten Strafweg als korrekt bezeichnet. Die Methoden der Konzentrationslager habe ich damit keinesfalls als korrekt bezeichnen wollen, die waren mir auch zu jener Zeit in keiner Weise bekannt.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich habe ein Dokument 1764-PS vorliegen. Ich habe nicht feststellen können, wann und ob es schon vorgebracht worden ist. Es ist mir nur jetzt zugegangen als Photokopie. Es ist der sogenannte Hemmen-Bericht. Es ist ein Bericht, den der Gesandte Hemmen gemacht hat über einen Abschnitt vom Arbeitseinsatz in Frankreich. Ich möchte dem Angeklagten hier ein kurzes Stück vorlesen. Es handelt sich um die Zahl der in Deutschland beschäftigten Franzosen; ich möchte mir das von ihm bestätigen lassen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Herr Zeuge! Ich lese Ihnen hier eine Stelle vor und bitte...

VORSITZENDER: Dr. Servatius! Es ist nicht üblich, die Vorlage von Dokumenten im Wiederverhör zu gestatten. Warum ist es im ersten Verhör nicht zur Sprache gekommen?

[205] DR. SERVATIUS: Die Zahlen sind erst im cross-examination streitig geworden.

Ich habe keinen großen Wert darauf gelegt aufzuklären, wieviel Hunderttausende im einzelnen nun herüber oder hinüber gegangen waren. Ich kann ja diese Frage übergehen und im Plädoyer auf diese Frage zurückkommen.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof sagte nicht, daß Sie jetzt nicht davon Gebrauch machen können. Da es sich aus dem Kreuzverhör ergab, glaube ich, können Sie es jetzt bringen.


DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Ich lese Ihnen kurz den maßgebenden Abschnitt vor und bitte, mir zu sagen, ob diese Auffassung, die dort vertreten ist, richtig ist.

Der Botschafter Hemmen berichtet hier in einem Schreiben, das am 6. Februar 1944 beim Auswärtigen Amt in Berlin eingegangen ist, unter III folgendes:

»... Dem Arbeitereinsatz für Deutschland: Es begann mit der freiwilligen Arbeiteranwerbung, die bis Ende 1942 400000 Mann erbrachte. In der ersten Hälfte des Jahres 1943 wurden zwei weitere freiwillige Aktionen für je 250000 Mann unternommen, von denen die erste bei gleichzeitiger Gewährung aller Vorteile der ›releve‹, d.h. der Beurlaubung von Kriegsgefangenen im Verhältnis 1:3 oder der Gewährung des Arbeiterstatuts, einige 200000 Mann brachte, während die zweite nur noch unter Anwendung des neuen Dienstpflichtgesetzes, also des Zwanges, durchgeführt werden konnte, jedoch nur 122000 Mann brachte.«

Ich überschlage hier das Ende der Seite und lese weiter auf Seite 8:

»Als Gesamtergebnis der Sauckel-Aktion sind zusammen 818000 überwiegend Männer nach Deutschland gegangen, davon nur 168000 auf Grund der gesetzlichen Dienstpflicht. Davon befanden sich Ende Januar 1944 nur noch 420000 dort.«

Sind diese Ausführungen Ihrer Erinnerung nach im großen richtig?

SAUCKEL: Ich darf dazu bemerken, der Gesandte Hemmen an der Botschaft in Paris bearbeitete diese Fragen dort, und sie sind richtig wiedergegeben. Ich darf zum Schluß sagen, Sie meinten wohl 420000, nicht 420?

DR. SERVATIUS: Tausend.


SAUCKEL: Ja, das ist ja das Entscheidende, daß durch die Kürze der Verträge der Franzose selbst alle Halbjahre wechselte und hier nur die Hälfte da sein konnte.


[206] DR. SERVATIUS: Ja, das haben Sie schon gesagt.


SAUCKEL: Ich bitte auch, zur Erläuterung dem Gericht sagen zu dürfen, wenn ein Verhältnis 1:3 stattgefunden hat – also Deutschland gab einen Kriegsgefangenen für drei Arbeiter zurück –, dann waren nach eineinhalb Jahren sowohl der Kriegsgefangene wie die für ihn eingetretenen französischen Arbeiter meistens wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, denn sie blieben ja nur ein halbes Jahr. Der Führer war sehr schwer für diese Regelung zu gewinnen.


DR. SERVATIUS: Ich habe dann keine Fragen mehr.


VORSITZENDER: Wir werden uns jetzt vertagen.


[Pause von 10 Minuten.]


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird am Montag um 2.00 Uhr noch zusätzliche Anträge auf Zeugen und Dokumente entgegennehmen.

M. HERZOG: Herr Vorsitzender! Ich möchte noch kurz auf das Dokument D-565 zurückkommen. Es sind die Aufnahmen, die den Angeklagten Sauckel im KZ Buchenwald zeigen. Die Anklage hat niemals behauptet und behauptet auch jetzt nicht, daß diese Photographien während des Krieges aufgenommen wurden; im Gegenteil, das Original, das Ihnen überreicht wurde, ist 1938 datiert, und der Angeklagte hat auf die Frage seines Verteidigers geantwortet, er habe uns gesagt, daß er Buchenwald in Begleitung von italienischen Offizieren besucht hat. Auf diesen Bildern sehe ich nicht einen italienischen Offizier. Ich sehe lediglich den Reichsführer-SS Himmler, und ich behaupte nicht und ich habe es auch nie behauptet, daß diese Photographien aus einem anderen Jahr als 1938 stammen.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich habe noch eine letzte Frage im Zusammenhang mit Dokument 82 aus dem Dokumentenbuch Sauckel III, Seite 206 und folgende. Da ist auf Seite 207 eine Ausführung unter Nummer 3, die ich dem Angeklagten hier noch einmal vorhalten möchte. Der Anklagevertreter der Sowjetunion hat ausgeführt, der Angeklagte Sauckel habe hier gesagt, daß er keinen Schutz gegen Verbrechen gebe. Ich darf dem Zeugen nochmals den Satz vorlesen, er möge ihn erklären; ich selbst hatte ihn schon einmal zitiert: Das ist offenbar ein Mißverständnis; es ist ein sehr kurzer Satz und lautet:

»Sie können auf Ihrem Einsatzgebiet von mir jeden Schutz verlangen, nur keinen für Verbrechen.«

Herr Zeuge! Soll das heißen, daß Sie gegen Verbrechen keinen Schutz geben?

[207] SAUCKEL: Im Gegenteil, im Zusammenhang mit dem Dokument geht klar hervor, daß ich kein Verbrechen duldete. Ich schützte diese Leute nicht, die mir nicht unterstanden, falls sie dort Verbrechen begehen sollten. Das durften sie nicht, das habe ich verboten...

DR. SERVATIUS: Ich glaube, aus dem deutschen Sprachgebrauch ergibt sich ohne weiteres die Darstellung des Angeklagten, so wie er sie gibt, als richtig. Ich habe dann an den Zeugen keine Fragen mehr.


MR. BIDDLE: Angeklagter Sauckel! Ich will mehrere Fragen an Sie stellen. Wollen Sie bitte ruhiger sprechen. Hören Sie sich diese Fragen genau an, und versuchen Sie, die passenden Antworten auf diese Fragen zu geben.


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Ich möchte Sie zuerst etwas über Ihr Personal befragen.

Sie hatten doch offenbar ein großes Zentralbüro, nicht wahr?


SAUCKEL: Ich hatte ein kleines Zentralbüro, Herr Richter.


MR. BIDDLE: Ein kleines Zentralbüro? Und wieviel Leute...


SAUCKEL: Ein persönliches Büro.


MR. BIDDLE: Wieviel Angestellte waren in diesem Büro?


SAUCKEL: In diesem persönlichen Büro, Herr Richter, waren zwei Personalreferenten, ein Ministerialrat Dr. Stothfang, ein Landrat Dr....


MR. BIDDLE: Einen Moment, wieviel?


SAUCKEL: Zwei höhere und etwa acht mittlere und untere Beamte als Hilfskräfte und Registratoren.


MR. BIDDLE: Haben Ihre Inspekteure auch von diesem Büro ausgearbeitet?


SAUCKEL: Die Inspekteure gehörten in die Abteilung 9 des Reichsarbeitsministeriums, die dort eingerichtet war. Das war eine besondere Abteilung, die auf meine Bitte im Reichsarbeitsministerium eingerichtet worden ist, mit hohen Beamten, die...


MR. BIDDLE: Nun nehme ich an, daß die Inspekteure unter Ihrer Leitung arbeiteten und Ihnen auch Berichte erstatteten. Habe ich recht?


SAUCKEL: Die Inspekteure erstatteten zunächst der Abteilung 5 im Reichsarbeitsministerium Bericht, bei wichtigen Anlässen bekam ich Mitteilung. Die Inspekteure hatten das Recht und die Pflicht, Mißstände an Ort und Stelle zu bereinigen, wenn sie sie in der Arbeitsverwaltung feststellten.


[208] MR. BIDDLE: Wieviel Inspekteure hat es gegeben?


SAUCKEL: Es gab in der Abteilung 9, nach meiner...

MR. BIDDLE: Nein, nein. Wieviel zusammen?


SAUCKEL: Es hat verschiedene Inspektionen gegeben, Herr Richter. Diese Inspektion...


MR. BIDDLE: Einen Augenblick, Angeklagter. Hören Sie bitte auf meine Frage. Ich habe Sie gefragt, wieviel Inspekteure es dort in allen Inspektionen gab?


SAUCKEL: Das kann ich für den Anteil der Arbeitsfront aus eigenem Wissen nicht sagen. Es wäre eine Angelegenheit von Dr. Ley gewesen, den Umfang der Inspektion der Arbeitsfront klarzustellen. Das weiß ich im einzelnen nicht.


MR. BIDDLE: Wissen Sie ungefähr, wieviel Inspekteure in der Arbeitsinspektion vorhanden waren? Sie müssen doch ungefähr wissen, wieviel es waren, nicht wahr?


SAUCKEL: Das mögen – ich kann die Zahlen nicht genau angeben – annähernd 60 bis 70 gewesen sein, wenn man sie alle zusammenfaßt, einschließlich der der Deutschen Arbeitsfront.


MR. BIDDLE: Betätigten sich diese auch außerhalb Deutschlands oder arbeiteten sie ausschließlich innerhalb des Reiches?


SAUCKEL: Diese Inspekteure haben in der Hauptsache nur in Deutschland gearbeitet.

MR. BIDDLE: Und sie inspizierten zum Beispiel Ernährung, Transportverhältnisse, Verhältnisse in den Lagern und so weiter?


SAUCKEL: Das war ihre Aufgabe.


MR. BIDDLE: Ja, und die wichtigen Berichte gingen Ihnen zu?


SAUCKEL: Nein. Die Berichte mußten nach einer Vereinbarung an die zuständigen Obersten Reichsbehörden zum Zwecke der Abstellung gerichtet werden. Für Mängel in der Industrie und in den Lagern war die ausführende Stelle die Gewerbeaufsicht, die dem Herrn Reichsarbeitsminister Seldte unterstanden hat. Das war die oberste...


MR. BIDDLE: Haben Sie gar keinen dieser Berichte erhalten?


SAUCKEL: Es sind auch Beschwerden an mich herangetragen worden; ich habe nichts anderes tun können, als sie an die durchzuführenden Stellen zurückzuverweisen und zu verlangen, alles zu tun, was abgestellt werden kann; und das habe ich auch getan.


MR. BIDDLE: Erhielten Sie Berichte der Inspekteure, irgendwelche Berichte von den Inspekteuren?


SAUCKEL: Diese Berichte sind nicht direkt an mich eingelaufen, sondern sie sind den Dienstweg zu den Stellen gelaufen, die mit der Abstellung dieser Mißstände beauftragt waren.


[209] MR. BIDDLE: Angeklagter! Ich habe Sie nicht gefragt, ob sie direkt kamen, sondern ob Sie überhaupt Berichte erhielten. Haben Sie sie erhalten? Haben Sie sie gesehen?


SAUCKEL: Es sind sehr selten solche Berichte zu mir gekommen.


MR. BIDDLE: So wissen Sie nicht, was für Zustände herrschten, da Sie die Berichte der Inspekteure nicht erhielten? Stimmt das?


SAUCKEL: Ich habe außerdem noch meine Mitarbeiter und diese Inspekteure persönlich etwa vierteljährlich oder halbjährlich zu den Gauleitern in die deutschen Gaue geschickt; darüber, was diese bei persönlicher Rücksprache mit den gebietlichen Stellen besprochen und dort besichtigt und gesehen haben, habe ich Berichte bekommen. Das war nichts katastrophaler Art, sondern Mängel in der Durchführung der Anordnungen, die ich gegeben habe, die habe ich erfahren, diese...


MR. BIDDLE: Sie erklären also, daß Sie niemals Berichte oder Klagen »katastrophaler Art« erhielten? Ist das richtig?


SAUCKEL: Ich habe die Frage nicht genau verstanden.


MR. BIDDLE: Sie haben niemals irgendwelche Berichte oder Beschwerden erhalten, die Sie als »katastrophaler Art« bezeichneten. Stimmt das?


SAUCKEL: Innerhalb Deutschlands habe ich Berichte und Beschwerden empfangen, wie ich sie meinem Herrn Verteidiger von Feldmarschall Kluge geschildert habe oder wie sie aus den Besprechungen von Rosenberg mir bekanntgegeben wurden. Ich habe sofort entsprechende Maßnahmen ergriffen, aber das ist nicht häufig der Fall gewesen...


MR. BIDDLE: Angeklagter! Wenn Sie meinen Fragen genau folgen und versuchen würden, sie entsprechend zu beantworten, glaube ich, daß wir viel rascher vorwärtskämen.

Sie haben den Ausdruck »katastrophaler Art« benutzt, das waren Ihre eigenen Worte. Haben Sie irgendwelche Berichte »katastrophaler Art« erhalten?


SAUCKEL: Ich habe von Feldmarschall Kluge und durch Berichte von Rosenberg, die hier erwähnt worden sind, wenige Fälle erfahren und sie für katastrophal gehalten und abzustellen versucht.


MR. BIDDLE: Das nannten Sie also Falle »katastrophaler Art«?

SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Was waren das für Fälle?


SAUCKEL: Das war der Fall, den mir der Feldmarschall Kluge meldete, es seien im Osten bei der Werbung Kinos umstellt worden; [210] das habe ich schon für katastrophal gehalten. Der zweite Fall war der Fall der Rücktransporte, wo dem Bericht zufolge – neuerer Bericht heißt er, ich weiß die Dokumentennummer nicht – Kinder unterwegs gestorben und außerhalb des Zuges gelegt worden sein sollen. Das habe ich für katastrophal gehalten. Es konnte aber...


MR. BIDDLE: Die Frage ist beantwortet.


SAUCKEL: Aber...


MR. BIDDLE: Sie haben das bereits beantwortet. Haben Sie irgendwelche Beschwerden über Koch erhalten?


SAUCKEL: Es sind bisweilen von dem Ostminister Rosenberg und auch von anderer Seite über Koch bei mir Beschwerden eingelaufen. Koch hat das natürlich seinerseits wieder sehr heftig bestritten.


MR. BIDDLE: Sie erhielten also von verschiedenen Leuten Beschwerden über Koch?


SAUCKEL: Ja. Ich konnte...

MR. BIDDLE: Und die Beschwerden gaben wieder, was Koch tat? Stimmt das?


SAUCKEL: Ich habe nicht von vielen Seiten Beschwerden über Koch bekommen, sondern von einer Seite...


MR. BIDDLE: Nun, warten Sie...


SAUCKEL: Aber von einigen Leuten...


MR. BIDDLE: Warten Sie! Wollen Sie nicht die Frage beantworten? Ich habe Sie nicht gefragt, ob Sie viele Beschwerden erhalten haben. Ich sagte, die Beschwerden ergaben, was Koch tat? Stimmt das ?


SAUCKEL: Jawohl, in einigen Fällen.


MR. BIDDLE: Und was machten Sie mit diesen Beschwerden?


SAUCKEL: Ich habe, soweit mein Arbeitsgebiet in Frage kam – es handelt sich um die Beschwerden, die hier besprochen worden sind –, eine Dienstbesprechung bei mir angeordnet; es war unmittelbar nach den Beschwerden Rosenbergs. Ich habe damals die Stellung eingenommen, die mein Verteidiger eben in der Tagung vom 6. Januar 1943 zitiert und auf die er hingewiesen hat.


MR. BIDDLE: Und die Affäre Koch war mit dieser Konferenz erledigt, nehme ich an. Das war alles, was Sie getan haben?


[Keine Antwort.]


MR. BIDDLE: War die Sache damit für Sie erledigt?

SAUCKEL: Soweit es mich betraf, habe ich selbst auch den Führer noch verschiedene Male darauf hingewiesen, daß ich es für unmöglich halte, Ostarbeiter und die Bevölkerung im Osten schlecht [211] zu behandeln. Auf Grund der Anordnungen, die ich ja laufend erlassen habe und die in meinen Dokumenten enthalten sind, habe Ich alles getan, was ich tun konnte, um sie zu verhüten. Ich bitte...


MR. BIDDLE: Ich habe Sie über Ihre Zentralstelle betragt. Hatten Sie irgendwelche Zweigstellen gehabt?


SAUCKEL: Nein, ich hatte keine Zweigstellen, sondern zwei Abteilungen des Arbeitsministeriums, 5 und 6, waren mir zur Durchführung meiner Aufgaben verwaltungsmäßiger und fachlicher Art zur Verfügung gestellt.


MR. BIDDLE: Gut, das genügt.


SAUCKEL: Dort wurde der geschäftsmäßig-admini strative Gang gehandhabt. Ich bitte...


MR. BIDDLE: Einen Augenblick bitte. Nun, gehörten die Anwerbungsbüros zum Reichsarbeitsministerium?


SAUCKEL: Nein, im Arbeitsministerium waren...


MR. BIDDLE: Das ist unwichtig. Das ist alles was Sie beantworten sollen. Nun, wo waren die Anwerbungsbüros?


SAUCKEL: Die Anwerbungsbüros waren in den besetzten Gebieten...


MR. BIDDLE: Das weiß ich. Aber unter welchem Amt, welcher Verwaltung, welchem Ministerium?


SAUCKEL: Die Abteilungen »Arbeit« selbst waren in den verschiedenen Gebieten in die Verwaltung dieser Gebiete eingefügt. Das geht aus meiner Verordnung 4 eindeutig hervor; das ist schon vor meiner Amtsübernahme auch so gewesen. Es waren Bestandteile der Gebietsverwaltungen.


MR. BIDDLE: Der örtlichen Verwaltung? Als Sie die 1500 Gebietsämter erwähnten, waren das die Anwerbungsbüros?


SAUCKEL: Das waren die Büros in den verschiedenen Gebieten insgesamt, die diese Verwaltungen in der untersten Instanz darstellten, wie ich eben erwähnt habe.


MR. BIDDLE: Sie beantworten meine Frage nicht. Ich habe Sie gefragt, ob das Anwerbungsbüros waren; waren es Anwerbungsbüros?


SAUCKEL: Es waren nicht nur Anwerbungsbüros; es waren die Dienststellen der jeweiligen gebietlichen Arbeitsverwaltungen in der untersten Instanz.


MR. BIDDLE: Besorgten diese die Verwaltung und Anwerbung?


[Keine Antwort.]


MR. BIDDLE: Die Anwerbung wurde von ihnen besorgt, nicht war?

[212] SAUCKEL: Ich verstehe, daß das ein und dasselbe war. Die Anwerbung geschah nach deutschen Grundsätzen im Zuge der Verwaltung. Es konnte außerhalb der Verwaltung nicht angeworben werden.


MR. BIDDLE: Das waren dann Anwerbungsbüros? Ihre Antwort lautet Ja? Stimmt das? Das waren Anwerbungsbüros?


SAUCKEL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Gut. Sie hätten das gleich am Anfang sagen können. Das Wollte ich wissen. –

Nun möchte ich etwas über die Verbindung Ihrer Ämter mit den Amtsstellen der Partei erfahren. Die Gaue und die Gauleiter arbeiteten mit Ihnen zusammen in Ihrer Eigenschaft als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz? Ist das richtig?


SAUCKEL: Nein, Herr Richter, das ist ein Irrtum. Mit der Anwerbung hatten die Gauleitungen nichts zu tun, das waren...


MR. BIDDLE: Einen Moment bitte. Von Anwerbung habe ich nicht gesprochen. Ich habe Sie über das Verhältnis Ihrer Ämter zu den Gauleitern befragt. Die Gauleiter arbeiteten mit Ihnen im allgemeinen Programm zusammen? Ist das richtig?


SAUCKEL: Nicht im allgemeinen Programm, Herr Richter, sondern nur in dem Programm der Betreuung der deutschen und der ausländischen Arbeiter.


MR. BIDDLE: Ich verstehe. Die Gauleiter hatten daher nichts mit Anwerbungen zu tun? Ist das richtig?


SAUCKEL: Nein, das ist richtig.


MR. BIDDLE: Das ist richtig? Sie kümmerten sich um die Arbeits- und Lebensbedingungen der eingesetzten Arbeiter? Stimmt das?

SAUCKEL: Wenn sie im Reich eingesetzt waren.


MR. BIDDLE: Im Reich?


SAUCKEL: Im Reich.


MR. BIDDLE: Arbeiteten die Gaue außerhalb des Reiches in den besetzten Gebieten auch für Sie oder betrachteten Sie diese als Teile des Reiches?


[Keine Antwort.]


MR. BIDDLE: Ich möchte die Frage wiederholen. Ich glaube, sie war nicht sehr klar. Gewisse besetzte Gebiete wurden ins Reich eingegliedert, nicht wahr?

SAUCKEL: Ins Reich eingegliedert waren im Osten nur die Gebiete Wartheland und Westpreußen...


[213] MR. BIDDLE: Wiederum habe ich Sie nicht nach der Anzahl der einverleibten Gebiete gefragt. Ich habe gesagt, daß gewisse besetzte Gebiete, bestimmte Teile derselben, ins Reich eingegliedert wurden. Ist das richtig?


SAUCKEL: Das ist richtig.


MR. BIDDLE: Wenn Sie sagen »Die Gauleiter im Reich«, so schließt das die Gauleiter jener Gebiete ein, welche ins Reich eingegliedert wurden. Stimmt das?


SAUCKEL: Ja, aber sie haben hier nicht in ihrer Eigenschaft als Gauleiter wirken können, sondern nur, wenn sie Reichsstatthalter gewesen sind, also eine staatliche Verwaltung unter sich hatten. Das waren zwei vollkommen getrennte Apparate oder Institutionen mit verschiedenem Personal.


MR. BIDDLE: Hatte jeder Gauleiter ein an seinen Gau angeschlossenes Arbeitsamt innerhalb seines Gaues?


SAUCKEL: Darf ich fragen, meinen Sie alle deutschen Gaue oder nur diese Gaue, von denen wir eben gesprochen haben, Herr Richter?


MR. BIDDLE: Ich meine nur die Gaue, von denen wir gerade gesprochen haben. Jeder davon hatte ein Arbeitsamt, nicht wahr?


SAUCKEL: Die hatten eine Arbeitsverwaltung, an deren Spitze ein Gauarbeitspräsident gestanden hat.


MR. BIDDLE: Stimmt; das genügt. Ist Ihnen nun die Organisation der Gaue auf dem Gebiet der Arbeitsverwaltung bekannt? Hatten die auch Kreisleiter, die sich mit Arbeiterfragen befaßten?


SAUCKEL: Nein. Das hatten die nicht.


MR. BIDDLE: Dann nehme ich an, daß auch die Ortsgruppenleiter mit dem Arbeitsprogramm nichts zu tun hatten.


SAUCKEL: Nein, das war nicht der Fall, sondern das war ein streng getrennter Verwaltungsbegriff...


MR. BIDDLE: Sehr richtig.


SAUCKEL: Aber das war...


MR. BIDDLE: Schon gut. Nun möchte ich über das, was Sie als private Anwerbung bezeichnen, etwas wissen. Wer ernannte die Agenten, welche diese privaten Anwerbungen besorgten? Wer ernannte sie? Stellten die Unternehmer Agenten an, die Arbeiter für sie besorgen sollten?


[Keine Antwort.]


MR. BIDDLE: Wissen Sie, was ich mit »privaten Anwerbungen« meine?

SAUCKEL: Jawohl.


[214] MR. BIDDLE: Sie wurden durch Agenten besorgt? Stimmt das?


SAUCKEL: Ich habe nur in einem Falle, im Jahre 1944, in Frankreich und zum Teil in Belgien gestat tet, daß ausnahmsweise auf Grund dieser Verabredungen mit diesen französischen Verbänden Agenten tätig sein konnten.


MR. BIDDLE: Wiederum, Herr Zeuge, habe ich Sie danach überhaupt nicht gefragt. Sie hören mir nicht zu. Ich fragte: Wer hat diese Agenten, die als private Anwerbungsagenten arbeiteten, ernannt? Wer hat sie ernannt?


SAUCKEL: Die ernannte in den dortigen Ländern der Beauftragte für den Arbeitseinsatz zusammen mit diesen französischen Organisationen. Ich selbst konnte das nicht. Es war ein Agreement, keine feste Anstellung....


MR. BIDDLE: Ich verstehe. Und Sie sagten, glaube ich, daß diese Agenten eine Vermittlergebühr erhielten. Ist das richtig? Mit anderen Worten, es wurde ihnen per Arbeiter ein bestimmter Betrag bezahlt. Für jeden Arbeiter, den sie brachten, wurde ihnen eine Gebühr bezahlt. Stimmt das?


SAUCKEL: Jawohl. Ich kenne die Einzelheiten selbst heute nicht mehr. Aber es ist im wesentlichen richtig.


MR. BIDDLE: Wenn Sie das Wort »schanghaien« gebrauchten, auf das Sie hinwiesen, das Sie erklärten, so nehme ich an, daß Sie damit nur eine private Anwerbung unter Anwendung von Gewalt meinten. Ist das die volle Bedeutung dieses Ausdrucks?


[Keine Antwort.]


MR. BIDDLE: Das ist alles, was er bedeutet, nicht wahr? Private Anwerbung unter Anwendung von Gewalt?

SAUCKEL: Nein,...


MR. BIDDLE: Einen Augenblick bitte! Können Sie einen Menschen ohne Anwendung von Gewalt »schanghaien«? Sie wollen doch nicht sagen, daß man Leute durch Überredung »schanghaien« kann? Nicht wahr?


SAUCKEL: Doch! Denn ich wollte, daß diese französischen Verbände ja gerade auf diese Weise freiwillig werben, indem in freundschaftlicher Art dort in dem Café ein Glas Bier oder Wein oder sonst dergleichen getrunken wurde, um das nicht in den amtlichen Büros zu tun. Ich meinte nicht die üble Art des »Schanghaies«, wie Sie mir vielleicht von dieser Stadt aus meiner seemännischen Zeit irgendwie in Erinnerung ist. Es war eine etwas drastische Ausdrucksform, aber keine konkrete Darstellung dieses Vorgangs. Ich habe niemals, Herr Richter, in Frankreich oder an anderer Stelle ein »Schanghaien« angeordnet, sondern weil...


[215] MR. BIDDLE: Ich weiß, Sie haben das nicht befohlen, das war nicht meine Frage. Unter »Schanghaien« verstehen Sie, daß man lediglich ein Glas Wein freundschaftlich mit einem Arbeiter trinkt und dann verpflichtet er sich. Meinten Sie das?


SAUCKEL: So verstand ich es, wie ich es in der Zentralen Planung in etwas drastischer Form zum Ausdruck gebracht habe, um die Anforderungen, die an mich gestellt waren, mit einigen plausiblen Gegengründen meiner Anstrengungen, die ich unternahm, zu beantworten.


MR. BIDDLE: Warum haben Sie gegen diese private Anwerbung Einspruch erhoben? Was hatten Sie dagegen einzuwenden?


SAUCKEL: Ich habe nicht in diesem Fall Einspruch erhoben, sondern es widersprach deutschen Anschauungen über die Arbeitsvermittlung. Nach deutschen Anschauungen und vor...


MR. BIDDLE: War es gegen das deutsche Gesetz?


SAUCKEL: Es war gegen meine Überzeugung und gegen deutsche Gesetze.


MR. BIDDLE: Das habe ich Sie nicht gefragt. Ihre Überzeugungen interessieren mich im Augenblick nicht. Ich fragte: War es gegen das deutsche Gesetz? Es war doch gesetzwidrig?


SAUCKEL: Es war im allgemeinen gegen die deutsche Arbeitsgesetzgebung. Es sollten möglichst keine privaten Vermittlungen stattfinden; aber ich darf zur Erläuterung sagen, Herr Richter, daß, nachdem der Arbeiter gewonnen war, trotzdem die hoheitliche Verpflichtung auf Grund staatlichen Vertrages stattgefunden hat. Also es ist nicht so zu verstehen, daß der betreffende Arbeiter dann endgültig ohne staatlich genehmigten Vertrag ins Reich gekommen ist, sondern dieser Vertrag wurde ihm genau so gewährt wie allen anderen.


MR. BIDDLE: Sie meinen, ein Arbeiter, der von privaten Agenten »schanghait« wurde, hatte dieselben Rechte, wenn er erst einmal arbeitete, wie jeder andere. Meinen Sie das?


SAUCKEL: Dieselben Rechte und Sicherungen wie jeder andere auch.


MR. BIDDLE: Das stimmt. Und jetzt komme ich für einen Augenblick zu einem anderen Thema. Ich möchte nur Ihre Verteidigung und Ihren Standpunkt richtig verstehen. Sagen Sie bitte, ob das stimmt: Sie haben nicht selbst angeworben, die Polizei hat nicht angeworben. Ihre hauptsächlichste Aufgabe war in erster Linie aufzupassen, daß sich alles recht- und gesetzmäßig abwickelte. Ist das richtig? Das war Ihre wichtigste Funktion?


SAUCKEL: Das war mein Bestreben.


[216] MR. BIDDLE: Um diese auszuführen, mußten Sie dafür Sorge tragen, daß entsprechende Gesetze erlassen wurden, so daß die Anwerbung gesetzmäßig durchgeführt werden konnte. Ist das richtig? War das Ihre Aufgabe?


SAUCKEL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Und sehr oft waren diese Gesetze... übrigens waren diese Gesetze doch einfach Erlasse. Es waren bloß Erlasse, die vom Führer oder von Ihnen selbst oder irgendeinem Minister unterzeichnet waren. Wenn Sie »Gesetze« sagen, meinen Sie natürlich Erlasse.


SAUCKEL: Die Gesetze in den besetzten Gebieten zur Erfassung der Arbeitskräfte mußten vom Führer angeordnet werden und erlassen werden von den Chefs der Gebiete.


MR. BIDDLE: Ich meinte folgendes: Um eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung der Fremdarbeiter zu haben, mußten Sie lediglich dafür sorgen, daß gewisse Erlasse unterzeichnet wurden. Das war ein Teil Ihrer Aufgabe, sie unterzeichnen zu lassen?


SAUCKEL: Ich habe diese Erlasse nicht unterzeichnet, sondern...


MR. BIDDLE: Das weiß ich. Ich sagte nicht, daß Sie diese unterzeichneten. Ich verstehe das. Sie haben das im einzelnen schon des längeren erklärt. Jetzt wollen wir sehen, wo die Polizei dabei in Erscheinung tritt. Sie hatte also mit der Anwerbung nichts zu tun. Wenn einmal ein Erlaß unterzeichnet war, dann wurde er Gesetz, nicht wahr? Wenn ein Erlaß unterzeichnet war, dann war er Gesetz?


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Und wenn irgend jemand sich der Arbeiteranwerbung widersetzte oder wenn er sich nicht registrieren ließ, oder wenn er seinen Vertrag nicht erfüllte, dann wurde er zum Verbrecher. Das ist richtig, nicht wahr?


SAUCKEL: Er wurde in diesem Falle ein Gesetzesübertreter. Verbrechen haben wir das nicht geheißen, sondern Vergehen.


MR. BIDDLE: Aber er hat gegen das Gesetz verstoßen?


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Sie meinen, er hat kein Verbrechen begangen. Hat er ein Verbrechen begangen oder nicht? Nehmen wir an, ein Mann ließ sich nicht registrieren, wenn er dazu aufgefordert wurde. War das ein Verbrechen?


SAUCKEL: Nein, das war kein Verbrechen. Wir nannten das ein Vergehen in Deutschland.


MR. BIDDLE: Und wenn er ein solches Vergehen verübte, wurde er der Polizei übergeben. Ist das richtig?


[217] SAUCKEL: Nicht sofort; sondern er wurde im Vorbereitungsverfahren durch das örtliche Arbeitsamt aufgefordert, sich zu stellen und zu melden und...


MR. BIDDLE: Das haben Sie schon erklärt. Er bekam für das Vergehen drei oder vier Tage und wenn er sich auch dann noch nicht registrieren ließ, wurde er für das Vergehen der Polizei übergeben. Ist das richtig?


SAUCKEL: Wie das in den einzelnen Gebieten in der. Praxis gehandhabt worden ist, kann ich nicht sagen. Es ist sehr verschieden gewesen, zum Teil sehr lax.


MR. BIDDLE: Sie haben uns doch schon in Ihrem Kreuzverhör gesagt, daß die Polizei einschritt, wenn jemand gegen das Gesetz verstieß. Die Polizei war einfach da, um dafür zu sorgen, daß das Gesetz nicht verletzt wurde. Das ist doch richtig, nicht wahr? Das war ihre Aufgabe?


SAUCKEL: Nein, das war nicht meine Aufgabe, sondern das war Aufgabe der Dienstbehörden.


MR. BIDDLE: Nun, warum sagen Sie dann immer »Das war nicht meine Aufgabe«. Ich habe Sie nicht gefragt, ob es Ihre Aufgabe war. Ich spreche nur über die Polizei, ich spreche nicht über Sie. Wenn diese Arbeitserlasse verletzt wurden, dann schritt doch zu einem gewissen Zeitpunkt die Polizei ein. Ist das richtig?


SAUCKEL: Das wäre der normale Weg gewesen, der richtige.


MR. BIDDLE: Oder wenn zum Beispiel die Leute in Paris zusammengetrieben wurden und körperlichen Widerstand leisteten, dann wurde die Polizei gerufen, nicht wahr? Wenn Widerstand geleistet wurde, mußten Sie die Polizei rufen, nicht wahr?


SAUCKEL: Ja, ich kann aber sagen, daß mir das fast nie gemeldet worden ist, sondern es ist dann meist ein Verzicht eingetreten. Es geht das klar aus den Listen der Arbeitertransporte hervor. Im Jahre 1944 sind zum Beispiel von einem großen Programm noch keine zehn Prozent nach Deutschland gekommen. Es ist uns dann nichts anderes übriggeblieben, als zu »schanghaien«.


MR. BIDDLE: Bitte, sprechen Sie nicht weiter! Sie haben bereits darüber ausgesagt. Ich möchte gern ein Bild von dem ganzen System bekommen. Nun zum Heer: Sie sagten, glaube ich, daß die Rolle des Heeres darin bestand, daß, wenn es zu Sabotage oder Widerstand in den besetzten Gebieten kam, das Heer einschreiten mußte, so daß die Arbeitsverwaltungen arbeiten konnten. Das würde stimmen, nicht wahr?


SAUCKEL: In sogenannten Widerstandsgebieten, in denen die Verwaltung durch Widerstandsbewegungen, nicht nur auf dem Gebiete des Arbeitseinsatzes, sondern auch bei anderen Funktionen, [218] gehemmt war und die öffentliche Sicherheit der deutschen Truppen nicht mehr gewährleistet war.


MR. BIDDLE: An anderen Funktionen bin ich nicht interessiert. Augenblicklich interessiere ich mich besonders für die Arbeitseinsatzfrage. Wenn es nun in Polen und Rußland zum Beispiel unmöglich war, Leute anzuwerben, weil der Widerstand gegen die Anwerbung oder das Heer zu heftig war, mußte dann das Heer kommen und bei der Anwerbung behilflich sein. Diese Feststellung wäre doch nicht unzutreffend, nicht wahr?

SAUCKEL: Das kann man sagen.


MR. BIDDLE: Das ist richtig. Wenn übrigens irgendeiner dieser Arbeiter sich widersetzte, gegen das Gesetz verstieß oder sich nach drei Tagen nicht registrieren ließ, wurde er dann jeweils vor ein Gericht gestellt oder ging einfach die Polizei gegen ihn vor? Diese Leute kamen doch niemals vor ein Gericht, nicht wahr?


SAUCKEL: Das kann ich Ihnen im einzelnen und in der Gesamtheit nicht sagen. Es ist wohl verschieden gehandhabt worden. Ich weiß das nicht im einzelnen.


MR. BIDDLE: Wir wollen das besonders besprechen. Hat irgendeiner Ihrer Erlasse die Einleitung eines Gerichtsverfahrens gegen solche Leute vorgesehen?


SAUCKEL: Nein, das haben meine Erlasse nicht. Ich war auch nicht befugt, solche Erlasse innerhalb der Gebiete für Gerichtsverfahren zu erlassen, denn ich war nicht Gebietshoheitsträger.


MR. BIDDLE: Gut, ich bin mir aber noch nicht ganz klar über die Lager. Wir wollen das einmal kurz betrachten. Es gab da, was Sie – wie ich glaube – Durchgangslager oder Verteilungslager nannten, nicht wahr?


SAUCKEL: Jawohl.

MR. BIDDLE: Wie viele?


SAUCKEL: Das kann ich Ihnen aus dem Gedächtnis nicht sagen.


MR. BIDDLE: Nein, natürlich nicht, aber glauben Sie, daß es mehr als hundert waren?


SAUCKEL: Nein, das glaube ich nicht.


MR. BIDDLE: Kaum. Aber vielleicht fast hundert?


SAUCKEL: Nein, das ist, glaube ich, auch nicht ganz richtig.


MR. BIDDLE: Können Sie uns nicht irgendeine Zahl nennen?


SAUCKEL: Ich nehme an, daß es im Reich 30 oder 40 Durchgangslager gegeben hat.


MR. BIDDLE: Im Reich?


SAUCKEL: Im Reich.


[219] MR. BIDDLE: Gab es solche Durchgangslager auch in den besetzten Gebieten, zum Beispiel in Frankreich?


SAUCKEL: In den besetzten Gebieten? Ob in Frankreich Durchgangslager und wie viele es gewesen sind, kann ich nicht sagen. Es waren im Westen an der Grenze Übernahmestationen und im Osten waren an der Grenze Durchgangslager; deren Aufgabe war, eine nochmalige ärztliche Untersuchung, Entlausung der Kleidungsstücke und...


MR. BIDDLE: Das genügt, glaube ich. Ich denke, daß Sie das ausreichend beantwortet haben. Dann gab es noch die sogenannten Arbeitserziehungslager. Erinnern Sie sich, daß Sie sagten, es habe Arbeitserziehungslager gegeben?


SAUCKEL: Diese Erziehungslager...


MR. BIDDLE: Können Sie nicht ja oder nein sagen?


SAUCKEL: Nein.


MR. BIDDLE: Wie viele?


SAUCKEL: Da habe ich keine Ahnung...


MR. BIDDLE: Davon haben Sie keine Ahnung? Vielleicht 50 oder 100?


SAUCKEL: Nein, ich kann Ihnen gar nicht annähernd sagen, wie viele, weil ich nie eine Liste darüber bekommen habe. Sie unterstanden nicht mir.


MR. BIDDLE: Wem unterstanden sie?


SAUCKEL: Sie waren ausschließlich der Polizei, beziehungsweise, soviel ich weiß, dem Gruppenführer Müller unterstellt.

MR. BIDDLE: Und ich nehme an, daß die Mannschaften und Offiziere, so wie in den anderen Konzentrationslagern, aus SS-Angehörigen bestanden.


SAUCKEL: Ich muß das auch annehmen, kann es aber nicht sagen, weil ich nie ein solches Lager gesehen habe.


MR. BIDDLE: Aber das wäre nicht unwahrscheinlich?


SAUCKEL: Nein, die Lager unterstanden ausschließlich der Polizei.


MR. BIDDLE: Der Polizei? Wer ist nun in diese Arbeitserziehungslager eingeliefert worden?


SAUCKEL: Nach meinem Wissen – ich habe darüber sehr wenig erfahren – ist eingeliefert worden, wer in einer Anzahl von Fällen wegen Verstoßen gegen die Arbeitsordnungen oder die Disziplin in den Betrieben und so weiter rückfällig geworden ist.


MR. BIDDLE: Richtig, gut. Danke sehr. Das ist alles, was ich über diesen Punkt wissen will. Mit anderen Worten, Leute, die [220] sich nicht meldeten oder die ihre Verträge brachen, wurden zur »Erziehung« geschickt. Worin bestand denn diese Erziehung? Was bedeutet denn überhaupt das Wort »Erziehung«? Wie wurden sie »erzogen«?

SAUCKEL: Das kann ich Ihnen nicht sagen, ich nehme an, daß gearbeitet werden mußte. Es war ein Termin vorgesehen, etwa von acht Tagen, glaube ich, bis zu 56 Tagen. Ich kann das nicht genau sagen. Ich habe das auch erst im Gerichtssaal hier erfahren.


MR. BIDDLE: Wir wollen das mal ein wenig aufklären. Schließlich waren Sie doch Generalbevollmächtigter, daher mußten Sie doch etwas über diese Sachen gewußt haben. Es gab Arbeitslager, ebenso wie Arbeitserziehungslager, nicht wahr?


SAUCKEL: Ja. Ich möchte das unterscheiden von mir aus...


MR. BIDDLE: Ja, ich werde einen Unterschied machen. Ich will Sie fragen: Diese Arbeitslager waren doch Lager, wohin Arbeiter geschickt wurden und wohnten, die in der Industrie beschäftigt waren. Stimmt das? Es waren einfach Lager, wo Arbeiter wohnten und lebten?


SAUCKEL: Es waren Lager, wo Arbeiter untergebracht waren, wo sie wohnten.


MR. BIDDLE: Das ist richtig. Und die Arbeitserziehungslager waren etwas anderes als die Arbeitslager, nicht wahr?


SAUCKEL: Die waren grundsätzlich verschieden. Die Arbeitserziehungslager waren eine Einrichtung des Reichsführers-SS. Die Arbeitslager, in denen sie wohnten, wurden erstellt von den Betrieben oder Betriebsgemeinschaften, bei denen die Arbeiter beschäftigt waren.


MR. BIDDLE: Wenn nun ein Mann in ein Arbeitserziehungslager eingewiesen wurde, wurde er nicht nur zur Arbeit geschickt, sondern er wurde bestraft, weil er das Gesetz verletzt hatte. So muß es doch gewesen sein?


SAUCKEL: Er ist meines Wissens in ein Arbeitserziehungslager gekommen, um dort zur Arbeitspünktlichkeit erzogen zu werden, und es war zugleich eine Bestrafung für seine Verstöße im Betrieb.


MR. BIDDLE: Bestanden irgendwelche Verordnungen für diese Arbeitserziehungslager, irgendwelche Bestimmungen?


SAUCKEL: Ich kenne keine Bestimmungen. Sie mußten vom Reichsführer-SS, vom Chef der Polizei, erlassen werden; von mir aus gab es keine Bestimmungen.


MR. BIDDLE: Obwohl es also ein Teil Ihrer Aufgabe war, die ausländischen Arbeiter, die nach Deutschland gebracht wurden, zu betreuen, hatten Sie, wenn sie der Polizei übergeben worden waren, keine Zuständigkeit mehr für sie. Stimmt das?


[221] SAUCKEL: Das stimmt. Ich muß das in einer Weise noch berichtigen. Ich habe nicht die Aufgabe gehabt, die Arbeiter zu betreuen; ich habe nur die Aufgabe gehabt, die Arbeiter den Betrieben zu vermitteln. Die Aufsicht über die Lager und die Betreuung war in keiner Weise meine Aufgabe. Ich habe...


MR. BIDDLE: Augenblick, Angeklagter, das ist uns ganz klar. Sie hatten also praktisch keine Exekutivfunktionen. Aber Sie haben doch wiederholt gesagt, daß Sie Anordnungen erlassen hatten, Hunderte, sagten Sie, um die Lebensbedingungen der Leute zu verbessern. Nun wissen wir, es war nicht Ihre Aufgabe, diese Leute zu verpflegen oder unterzubringen. Aber Sie erfüllten damit eine Ihrer Hauptaufgaben: denn eine Ihrer Hauptaufgaben war es, sie in möglichst gutem Zustand zu erhalten. Darum waren Sie an allen Beschwerden interessiert. Das verstehen wir alles. Es stimmt doch, daß dies eine Ihrer Obliegenheiten war?


SAUCKEL: Es war diese Aufgabe von mir übernommen; es lag nicht in meinen Obliegenheiten, die mir auf getragen waren; sondern die Beschwerden, mit denen ich täglich belastet war, waren die, daß nicht genügend Arbeiter da waren. Meine Aufgabe war die Lenkung, Steuerung und Beschaffung der Arbeiter; aber ich habe aus eigenem Interesse auf die Notwendigkeit als Voraussetzung hingewiesen, daß die Arbeiter pfleglich behandelt und dadurch erhalten werden.


MR. BIDDLE: Ich verstehe, es war eine freiwillige Aufgabe, die Sie sich auferlegten. Es gehörte nicht in Ihren Aufgabenkreis, aber Sie taten es dennoch. Ich möchte mich ein wenig mit den Arbeitern selbst befassen. Ich glaube, daß wir genau oder wenigstens einigermaßen Bescheid wissen, wie viele hereingebracht wurden. Ich möchte aber wissen, wie viele freiwillig und wie viele unfreiwillig gekommen sind. Bevor Sie das beantworten –, ich meine jene Arbeiter, die nicht auf Grund irgendeines Gesetzes hereingebracht wurden, sondern solche, die sich freiwillig aus eigenem Antrieb zur Arbeit gemeldet haben. Es gab doch nicht sehr viele von dieser Kategorie?


SAUCKEL: Doch, es gab sehr viele Arbeiter, die sich ohne Gesetzeszwang, aber auf Grund von Propaganda und Werbung gemeldet haben und auf Grund der Tatsache, daß in Deutschland die Löhne und dergleichen verhältnismäßig hoch und geregelt waren. Es hat sehr viele Arbeiter gegeben...


MR. BIDDLE: Lassen Sie uns das einmal näher betrachten: Es kam eine Zeit, da die Gesetze, die für deutsche Arbeiter galten, auch auf Fremdarbeiter angewandt wurden.

SAUCKEL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Nach dem Gesetz mußte jeder Deutsche arbeiten. Stimmt das?


[222] SAUCKEL: Jawohl. Das stimmt.


MR. BIDDLE: Dieses Gesetz fand dann schließlich auch auf Fremdarbeiter Anwendung, wie Sie gerade sagten. Stimmt das?


SAUCKEL: Dieses Gesetz wurde in den besetzten Gebieten miteingeführt.


MR. BIDDLE: Richtig. Für alle gleich. So, daß es nach der Einführung dieses Gesetzes keine freiwillige Arbeit mehr gab, denn nachdem dieses Gesetz eingeführt war, mußten alle arbeiten.


SAUCKEL: Jawohl. Soweit sie in den besetzten Gebieten und auch anderswo nach Bedarf angefordert wurden.


MR. BIDDLE: Wenn Sie also von unfreiwilliger Arbeit sprachen, so galt dies für die Zeit vor der Einführung dieses Gesetzes. Richtig?


SAUCKEL: Ja, aber...


MR. BIDDLE: Wann wurde dieses Gesetz erlassen?


SAUCKEL: Dieses Gesetz wurde zu verschiedenen Zeitpunkten im Spätherbst 1942 eingeführt. Die genauen Daten in den verschiedenen Gebieten kann ich nicht sagen. Ich bitte das sagen zu dürfen, daß auch unter diesem Gesetz freiwillige Arbeiter noch freiwillig nach Deutschland gekommen sind. Sie sind...


MR. BIDDLE: Sie haben recht. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, dann wären sie unfreiwillig gekommen.


SAUCKEL: Nein.


MR. BIDDLE: Warum nicht?


SAUCKEL: Es wurden ja nur bestimmte Kontingente eingeführt, aber nicht die Gesamtheit der Arbeiter wurde für Deutschland angefordert.


MR. BIDDLE: Diese angeforderten Kontingente wären dann doch unfreiwillig hereingekommen.


SAUCKEL: Nein, es wurde auch eine freiwillige Werbung durchgeführt; das ist so zu verstehen, daß unter den Arbeitern...


MR. BIDDLE: Einen Augenblick, Angeklagter! Wir wollen uns hier nichts vormachen. Es ist ganz einfach. Wenn es ein Gesetz gab, das die Leute zur Arbeit zwang, dann mußten sie doch arbeiten, wenn ihr Kontingent einberufen wurde? Stimmt das?


SAUCKEL: Ja. Sie mußten in ihrem Heimatland zunächst arbeiten, aber sie konnten sich auch freiwillig melden, anstatt in ihrem Heimatland auch in Deutschland zu arbeiten. Und wir haben sehr großen Wert darauf gelegt.


MR. BIDDLE: Das heißt mit anderen Worten, man konnte zwischen einer Zwangsarbeit in einer Fabrik in Frankreich oder in [223] Deutschland wählen; in diesem Sinne war es freiwillig. Ist das richtig?


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Nur noch zwei oder drei Fragen: Sie haben diese Fragen klar beantwortet, glaube ich. Ich möchte Sie nun über drei Dokumente befragen; ich glaube, das ist dann alles. Ich werde nicht auf Einzelheiten eingehen. Sie erinnern sich an das Dokument, das als R-124 bekannt ist? Das war die Konferenz am 1. März 1944. Sie erinnern sich doch noch an diese Konferenz?

Würde ihm bitte jemand die deutsche Niederschrift zeigen, wenn sie vorhanden ist?


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie erinnern sich doch der Konferenz? Haben Sie sich diese Aufzeichnungen angesehen?

SAUCKEL: Es war die Konferenz über die Zentrale Planung.

MR. BIDDLE: Ja, das ist richtig. Haben Sie sich diese Aufzeichnungen angesehen?


SAUCKEL: Jetzt?


MR. BIDDLE: Ja.


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Geben Sie ungefähr wieder, was sich ereignete? Im wesentlichen war es ein Bericht über die Konferenz, nicht wahr?


SAUCKEL: Ja, in diesem Augenblick – ich bitte zu entschuldigen – kann ich mich an den konkreten Besprechungsgegenstand damals nicht erinnern.


MR. BIDDLE: Haben Sie beim Lesen dieser Aufzeichnungen irgend etwas gefunden, was Sie als einen wesentlichen Fehler betrachten?


SAUCKEL: Ich kann es jetzt nicht sagen, welcher Gegenstand gemeint ist.


MR. BIDDLE: Haben Sie die Aufzeichnungen gelesen?


SAUCKEL: Ich habe nicht alle Aufzeichnungen über die Zentrale Planung gelesen. Damals waren mir die Aufzeichnungen über die Zentrale Planung nicht erhältlich. Ich habe also nicht gewußt, daß über die Zentrale Planung Aufzeichnungen gemacht wurden.


MR. BIDDLE: Reden Sie nicht so viel! Ich habe Sie nur gefragt, ob Sie sie gelesen haben und Sie sagten, Sie hätten sie nicht alle gelesen. Das genügt.


SAUCKEL: Ich habe nicht alle gelesen.


MR. BIDDLE: Haben Sie irgendwelche Fehler in dem Teil gefunden, den Sie gelesen haben?


[224] SAUCKEL: Ich habe Ungenauigkeiten gefunden, jawohl.


MR. BIDDLE: Ungenaue Teile?


SAUCKEL: Ungenauigkeiten. Zum Beispiel die Wiedergabe meines Zwischenrufes »200000 zu 5 Millionen«; das ist ein vollkommen unmögliches Verhältnis.


MR. BIDDLE: Ich habe einen Ausdruck nicht ganz verstanden, den Sie nach diesen Aufzeichnungen gemacht haben. Und ich frage Sie, was Sie damit meinten. Sie sprechen von Ihren Sonderbeauftragten für Arbeitswerbung. War das der Ausschuß für sozialen Frieden, über den Sie gestern sprachen, mit ungefähr 1000 Leuten? Erinnern Sie sich dessen?


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Ist das dasselbe?

War das der Ausschuß, von dem Sie, wie ich glaube, sagten, daß er durch die SS und die Polizei in Frankreich, oder wo er auch sonst eingesetzt wurde, besonders ausgebildet werden mußte?


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Sie sagten übrigens, sie seien bewaffnet gewesen. Warum waren sie bewaffnet? Warum haben sie Waffen getragen?


SAUCKEL: Sie mußten zum persönlichen Schutz und zum Schutz derjenigen, die sie warben, eine Verteidigungsmöglichkeit gegen Angriffe haben.


MR. BIDDLE: Sie hatten doch sonst nichts mit der Polizei zu tun. Warum haben Sie dieses bewaffnete Polizeikorps aufgestellt? Warum halfen Sie dabei mit, dieses bewaffnete Polizeikorps aufzustellen?


SAUCKEL: Es war kein bewaffnetes Polizeikorps in dem üblichen Sinne, wie man das versteht, sondern es war...


MR. BIDDLE: Beschreiben Sie es nicht! Wir wissen, was es war. Warum haben Sie es aufgestellt? Ich dachte, Sie hätten sich von polizeilichen Maßnahmen ferngehalten?

SAUCKEL: Um einen Schutz für diese Leute zu haben und für diese Lokale, die sehr oft von der Widerstandsbewegung überfallen, zertrümmert oder belästigt worden sind.


MR. BIDDLE: Ich verstehe. Es war eine Organisation, die die Anwerbung schützen sollte. Stimmt das?


SAUCKEL: Jawohl.


MR. BIDDLE: Ich möchte nur noch eine Frage zu einem anderen Dokument stellen, 016-PS, datiert vom 20. April 1944. Es war »Das Programm des Arbeitseinsatzes«, welches Sie herausgegeben und [225] unterzeichnet haben. Sehen Sie es sich an. Ist es das Programm, das Sie unterzeichnet haben?


SAUCKEL: Nein.


MR. BIDDLE: Nein? Ich weiß nicht, was Sie meinen.


SAUCKEL: Ich habe Sie falsch verstanden, glaube ich. Ich hatte verstanden 1944, es handelt sich...


MR. BIDDLE: Nein, nein, am 20. April 1942. Sie haben »Das Programm des Arbeitseinsatzes« herausgegeben. Ist das das Programm, das von Ihnen unterzeichnet wurde und Ihnen als Beweisstück 016-PS gezeigt wurde? Das ist doch das Programm?


SAUCKEL: Das Programm – darf ich folgendes sagen: Es war ein Programm, das nicht unmittelbar besagt...


MR. BIDDLE: Angeklagter! Beantworten Sie die Frage! Alles, was ich zunächst wissen möchte, ist: Haben Sie ein »Programm des Arbeitseinsatzes« herausgegeben?


SAUCKEL: Das habe ich getan, aber...


MR. BIDDLE: Gut. Und es ist das Programm, das dieses Beweisstück aufzeigt? Ich will es nur identifizieren.


SAUCKEL: Ja.


MR. BIDDLE: Gut. Ich möchte Sie nun einiges über das Hereinbringen von Jugendlichen der besetzten Gebiete in das Reich fragen. Gewisse Jugendliche wurden hereingebracht, nicht wahr?


SAUCKEL: Es wurden Jugendliche hereingebracht, aber gegen meinen...


MR. BIDDLE: Gegen Ihre Absicht, sagten Sie. Wie viele wurden hereingebracht?


SAUCKEL: Das kann ich aus meinem Wissen unmöglich sagen, das weiß ich nicht. Es waren Jugendliche...


MR. BIDDLE: In welchem Alter? Wie jung waren sie?


SAUCKEL: Das kann ich auch nicht sagen, in welchem Alter die Jugendlichen waren, denn es handelte sich um Familien, die auf Grund von Flüchtlingsmaßnahmen oder Evakuierungen anderer Stellen mit ins Reich innerhalb ihrer Familien gekommen sind. Dann sind ein zweites Mal bei der sogenannten »Heu-Aktion« 1944 Jugendliche ins Reich gekommen, aber ohne daß ich dabei dann beteiligt gewesen bin.


MR. BIDDLE: Sie wissen selbstverständlich, daß es Jugendliche waren, heranwachsende Kinder. Das wissen Sie doch?


SAUCKEL: Ja.


[226] MR. BIDDLE: Zu welchem Zweck wurden sie hereingebracht? Wurden sie zur Arbeit angeworben, oder sollten sie im Reich erzogen werden?


SAUCKEL: Es liegen hier verschiedene Komplexe vor, innerhalb deren Jugendliche ins Reich gebracht worden sind. Ein Teil dieser Jugendlichen ist nicht geworben worden und ist auch nicht durch Agenten hereingekommen, sondern sie sind in der Durchführung von Flüchtlings- und Räumungsmaßnahmen mit ihren Familien auf Wunsch der Familien mit hereingekommen, und andere sind hereingekommen...


MR. BIDDLE: Einen Augenblick. Wir wollen diejenigen, die mit ihren Familien hereingekommen sind, weglassen. Es wurden auch einige zum Arbeiten angeworben, nicht wahr?


SAUCKEL: Für die Arbeit durften Jugendliche unter dem gesetzlichen Alter von 14 Jahren nicht hereingebracht werden. Es wurden durch Vereinbarungen, wie sie in den Dokumenten vorgetragen worden sind, von anderen Stellen Jugendliche zur Erziehung und Betreuung hereingebracht.


MR. BIDDLE: Angeklagter! Sie beantworten keine Fragen. Ich fragte Sie, ob einige zum Arbeiten hereingebracht wurden, ob Kinder von 14 bis 20 Jahren zum Arbeiten angeworben und hereingebracht wurden?


SAUCKEL: Aber nur Freiwillige wurden hereingebracht.


MR. BIDDLE: Nur Freiwillige wurden hereingebracht?


SAUCKEL: Jugendliche sollten nur als Freiwillige hereingebracht werden.


MR. BIDDLE: Sie warben also keine unfreiwilligen Jugendlichen; meinen Sie das?


SAUCKEL: Ich nicht.

MR. BIDDLE: Ich meine nicht Sie persönlich, ich meine die Verwaltung.


SAUCKEL: Nein, die Arbeitsverwaltung sollte keine Jugendlichen, vor allem nicht die Mädchen, zwangsweise, sondern freiwillig anwerben. Hausgehilfinnen waren nur Freiwillige.


MR. BIDDLE: Einige wurden auch hereingebracht, um in Deutschland erzogen und deutsche Staatsbürger zu werden, nicht wahr?


SAUCKEL: Das habe ich aus den Dokumenten ersehen. Aber es geschah nicht auf meine Veranlassung.


MR. BIDDLE: Sie wußten vorher nichts darüber? Hat Ihnen irgend jemand mitgeteilt, daß es mit dem Völkerrecht im Einklang [227] stand, Leute in den besetzten Gebieten zu zwingen, nach Deutschland zur Arbeit zu kommen?


SAUCKEL: Ich bin vom Führer eindringlich zu dieser Maßnahme verpflichtet worden, und es ist mir als zulässig geschildert worden. Es hat keine Stelle gegen diese Maßnahmen Bedenken oder Einspruch erhoben, sondern es entsprach der Forderung aller Stellen.


MR. BIDDLE: Das habe ich Sie nicht gefragt. Ich habe Sie gefragt, ob Ihnen irgend jemand mitgeteilt hat, daß dies mit dem Völkerrecht im Einklang stand.

SAUCKEL: Nein.


MR. BIDDLE: Sie wußten doch, daß das Außenamt derartige Dinge berücksichtigen mußte.


SAUCKEL: Ich habe ja mit dem Außenamt verschiedentlich gesprochen und es wurde das alles in Ordnung befunden, weil wir der Überzeugung waren, daß in diesen Gebieten auf Grund der vorliegenden Kapitulationsbedingungen die Einführung deutscher Vorschriften unter den gegebenen Verhältnissen zulässig und möglich war, auch unter Berücksichtigung der bestehenden Verträge. Das ist mein Glaube gewesen.


MR. BIDDLE: Behaupten Sie, das Auswärtige Amt habe Ihnen mitgeteilt, daß Sie nach Völkerrecht berechtigt waren, Leute aus Rußland zu zwingen, zur Arbeit nach Deutschland zu kommen?


SAUCKEL: Es ist mir niemals vom Auswärtigen Amt etwas Gegenteiliges gesagt worden, aber das Auswärtige Amt war, glaube ich, für die Frage im Osten nicht zuständig. Ich weiß das nicht.


MR. BIDDLE: Wen haben Sie um Rat gefragt?


SAUCKEL: Ich habe diese Bestimmungen schon vorgefunden, ehe ich in mein Amt kam; da lagen diese Entscheidungen schon vor. Sie wurden mir beim Führer ausdrücklich aufgetragen.

MR. BIDDLE: Dann ist die Antwort, daß Sie niemanden fragten. Stimmt das?


SAUCKEL: Ich habe niemanden gefragt; ich konnte niemanden fragen, weil alle Stellen meine Maßnahmen ja wünschten und annahmen. Es hat niemals eine gegenteilige Diskussion darüber stattgefunden.


MR. BIDDLE: Und Sie sagten, daß es nicht Aufgabe der Polizei war, die Arbeitsanwerbung zwangsweise durchzuführen?


SAUCKEL: Es war nicht Aufgabe der Polizei, Anwerbungen durchzuführen.


MR. BIDDLE: Warum haben Sie bei der Konferenz am 4. Januar 1944, über die Dokument 1292-PS berichtet, gesagt, daß Sie alles, [228] was in Ihrer Macht stünde, tun werden, um im Jahre 1944 die geforderten Arbeitskräfte aufzubringen, daß der Erfolg in erster Linie jedoch davon abhängen werde, welche deutschen Behörden zur zwangsweisen Durchführung zur Verfügung stünden und daß Ihr Projekt mit einheimischen Durchführungsstellen nicht durchgeführt werden könne.

Bedeutet das nicht, daß die Polizei Ihr Arbeiteranwerbungsprogramm erzwingen mußte?


SAUCKEL: Nein, es bedeutete – die Wiedergabe dieses Protokolls ist nicht sehr genau – ich habe dem Führer gegenüber ausgeführt, daß ich sein Programm wahrscheinlich nicht durchführen könnte, weil es erheblich große Partisanengebiete gäbe; ehe diese Partisanengebiete nicht so bereinigt seien, daß eine geregelte Verwaltung dort stattfinden könne, könne dort auch keine Werbung stattfinden. Es müßten also vorher die verwaltungsmäßigen, normalen Zustände wieder hergestellt werden. Das konnte nur von Organen erfolgen, die dafür bestimmt waren.


MR. BIDDLE: Was verstanden Sie unter deutschen Durchführungsstellen?


SAUCKEL: Mit deutschen Durchführungsstellen meinte ich an sich die normale Verwaltung. Aber die war in manchen Gebieten zu schwach.


MR. BIDDLE: Warum hat dann der Reichsführer-SS erklärt, daß ihm nur sehr wenig Durchführungsstellen zur Verfügung ständen, wenn diese Durchführungsstellen nicht Polizeistellen waren?


SAUCKEL: Ich hatte die Frage ursprünglich nicht richtig verstanden. Der Reichsführer, glaube ich, brachte nach meiner Erinnerung zum Ausdruck, daß er zur Befriedung dieser Gebiete nicht genügend Mannschaften hätte, da die alle an der Front wären. Das bezog sich nicht auf die Werbung und verwaltungsmäßige Dienstverpflichtung, sondern auf die Wiederherstellung geordneter Zustände in diesen Gebieten.


MR. BIDDLE: Wollen Sie also sagen, daß es nicht die Aufgabe der Polizei war, Ihnen bei der Arbeitsanwerbung zu helfen, sondern daß es Aufgabe des Militärs war?


SAUCKEL: Das war nach den verschiedenen Anordnungen in den Gebieten durchaus verschieden. Es gab Gebiete, in denen Militärbefehlshaber die alleinige Exekutivgewalt hatten, und es gab Gebiete, in denen zivile Behörden die Gebietshoheit auf deutscher Seite ausgeführt haben. Es gab eine dritte Art von Gebieten, die Heeresoperationszonen mit rückwärtigen Gebieten, in denen die Oberbefehlshaber des Heeres die vollziehende Gewalt hatten.


[229] MR. BIDDLE: Dann war es entweder die Polizei oder das Militär oder andere Stellen, die Ihre Zwangsverpflichtungen durchführen sollten? Stimmt das?


SAUCKEL: Ja, aber auch in diesen Gebieten standen zivile Verwaltungsapparate zur Verfügung, die nicht mit der Truppe oder mit der Polizei identisch waren, sondern innerhalb dieser Wehrmachtsorganisationen eigene Verwaltungszweige darstellten unter einem besonderen Verwaltungschef.


MR. BIDDLE: Dann verstehe ich nicht, was Sie meinten, als Sie sagten, daß Ihr Projekt nicht mit einheimischen Durchführungsstellen ausgeführt werden konnte.

Das ist alles, was ich fragen wollte. Der Angeklagte kann auf die Anklagebank zurückkehren.


DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Ich bitte aus dem Dokument 3 – das ist eine Aufzeichnung der Dienststellen Sauckels – zu sehen, welche Stellung der Zeuge gehabt hat, den ich nun rufen will. Es sind unter Sauckel im Reichsarbeitsministerium verschiedene Abteilungen, davon ist die Abteilung des Zeugen Timm das sogenannte Europa-Amt, das unter sich wieder drei Stellen hat, die eine für den Westen, die andere für den Osten, die dritte für das übrige, Süden und Südosten. Mit Erlaubnis des Gerichts rufe ich dann den Zeugen Timm.


[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE MAX TIMM: Max Timm.


VORSITZENDER: Sprechen Sie folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«

[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. SERVATIUS: Herr Zeuge! Sie waren im Reichsarbeitsministerium in der Abteilung Arbeitseinsatz tätig?


TIMM: Jawohl. Das ist zutreffend.


DR. SERVATIUS: Waren Sie schon da, als Sauckel die Stelle übernahm?


TIMM: Ja, und war einige Jahre vorher in der Arbeitsverwaltung.


DR. SERVATIUS: Welchen Eindruck erhielten Sie von Ihrem neuen Chef, als Sauckel sein Amt übernahm?


[230] TIMM: Als Sauckel sein Amt übernahm, hatte ich den Eindruck eines sehr energischen, arbeitsfreudigen Menschen, der zum Teil zuweilen erregbar war und auch wohl zu Zornesausbrüchen kam, der von seinen Mitarbeitern viel forderte, aber auch an sich selbst hohe Anforderungen stellte.


DR. SERVATIUS: Wie war er in der Durchführung seiner Maßnahmen?


TIMM: Bei seinem Amtsantritt fand er auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes ein ziemliches Durcheinander vor. Jeder machte in Arbeitseinsatz.


DR. SERVATIUS: War das der Grund, warum dieses Amt geschaffen wurde?


TIMM: Die vorhergehenden Chefs hatten nicht genügend Durchschlagskraft, um sich gegen manche Stelle durchzusetzen, und Sauckel war der starke Mann und besonders der starke politische Mann, der diese Dinge in Ordnung bringen sollte.


DR. SERVATIUS: Wie faßte Sauckel nun diese neue Arbeit an? Hielt er sich an die Verwaltungsbestimmungen, oder machte er das freier, wie man sagt, in einer wilden neuen Art?


TIMM: Er sah seine Aufgabe sehr stark als politische Aufgabe, gab sich aber immer. Mühe, die Verwaltungsdinge ordnungsgemäß ablaufen zu lassen. Er war allgemein bekannt als beamtenfreundlicher Gauleiter. Er hielt auch, um alle Stellen seiner Verwaltung zu unterrichten, in gewissen Abständen sogenannte Stabsbesprechungen ab, in denen die hauptsächlichsten Dinge, die wichtigsten Dinge besprochen wurden.


DR. SERVATIUS: Welche Stellung hatten Sie in dem Amt?


TIMM: Ich hatte zunächst in der Abteilung Arbeitseinsatz eine Unterabteilung und später eine Abteilung.


DR. SERVATIUS: Mit was befaßte sich diese Abteilung?


TIMM: Diese Abteilung hatte den fachlichen Einsatz aller Arbeitskräfte zu regeln, insbesondere die Fragen der Facharbeitereigenschaft, Anlernung von Arbeitskräften, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung.


DR. SERVATIUS: Hieß Ihr Amt auch Europa-Amt?


TIMM: Jawohl.


DR. SERVATIUS: Hatten Sie einen Gesamtüberblick über das, was in diesem Amt vorging?


TIMM: Nicht umfassend dadurch, daß Gauleiter Sauckel auch gleichzeitig noch weiter Gauleiter in Thüringen blieb und er in [231] Berlin im Thüringenhaus arbeitete, während die ihm zur Verfügung gestellten Fachabteilungen im Arbeitsministerium blieben.


DR. SERVATIUS: Nein. Sie hatten meine Frage nicht verstanden. Ob Sie von Ihrem Amt aus einen Überblick über alles hatten, was im Arbeitseinsatz vor sich ging, ohne Rücksicht auf die Tätigkeit Sauckels.


TIMM: Jawohl. Nicht ganz umfassend, weil nicht alle Vorgänge durch die Zersplitterung der Dienststellen an uns herankamen.


DR. SERVATIUS: Was waren die Stabsbesprechungen, wer nahm daran teil, und aus was für Leuten setzten sie sich zusammen?


TIMM: Zu den Stabsbesprechungen waren überwiegend die Verbindungsmänner zu den einzelnen Ressorts geladen.


DR. SERVATIUS: Was waren das für Leute?


TIMM: Das waren Leute verschiedener Art, Beamte, aber auch Wirtschaftler und ähnliches.


DR. SERVATIUS: Sie müssen einmal angeben, von welchen Dienststellen diese Leute kamen, oder waren es Leute, die bei Sauckel im Amt waren?


TIMM: Das waren überwiegend Männer anderer Ressorts, wie zum Beispiel ein Vertreter des Beauftragten für den Vierjahresplan, Vertreter des Rüstungsministeriums, Vertreter des Ostministeriums und anderer Ressorts.


DR. SERVATIUS: Ist das der sogenannte fachliche Arbeitsstab?


TIMM: Das war der fachliche Arbeitsstab.


DR. SERVATIUS: Wieviel Personen waren das etwa?


TIMM: Nach meiner Schätzung werden es etwa 15 bis 20 Personen gewesen sein.


DR. SERVATIUS: Daneben hatte Sauckel einen persönlichen Arbeitsstab. Aus was für Leuten setzte der sich zusammen?


TIMM: Der persönliche Arbeitsstab setzte sich überwiegend aus Männern zusammen, die Sauckel aus Weimar mitgebracht hatte, aus Männern seiner engeren Umgebung.


DR. SERVATIUS: Nun, hatte er noch Referenten? Wer war das?


TIMM: Er hatte zwei persönliche Referenten. Das war Landrat Berch und Ministerialrat Dr. Stothfang.


DR. SERVATIUS: Und welche Stelle hatte Dr. Didier?


TIMM: Dr. Didier war, soweit ich mich erinnere, der Pressereferent.


[232] DR. SERVATIUS: Wie verliefen nun diese Stabsbesprechungen? Was war der Gegenstand der Besprechungen?


TIMM: In diesen Stabsbesprechungen wurden alle Dinge des Arbeitseinsatzes, also des gesamtdeutschen Arbeitseinsatzes, besprochen. Eingeleitet wurden die Sitzungen im allgemeinen durch ein umfassendes Referat von Herrn Sauckel, in denen er seine Pläne für die Zukunft entwickelte.


DR. SERVATIUS: Wurden die Fragen der Werbung in den besetzten Gebieten besprochen und was hier interessiert, die Schwierigkeiten, die dort bestanden, die Methoden, von denen wir gehört haben? Was wurde darüber vorgetragen?


TIMM: Fragen der Werbung selbst wurden im allgemeinen dort weniger besprochen, sondern mehr die sich im Reiche abspielenden Fragen.


DR. SERVATIUS: Ich habe Sie zunächst über die besetzten Gebiete gefragt. Wurde zum Beispiel ein Fall, der hier vorgetragen worden ist, die Besetzung eines Kinos, Erfassung von Leuten in einem Kino und ähnliche solche Fälle besprochen?


TIMM: Jawohl, der Fall mit dem Kino ist mir bekannt.


DR. SERVATIUS: Der wurde dort besprochen?


TIMM: Jawohl, der wurde besprochen.


DR. SERVATIUS: Was wurde veranlaßt?


TIMM: Herr Sauckel hat verschiedene Herren – ich weiß im einzelnen nicht mehr welche – sofort beauftragt, alle Recherchen anzustellen, die nur möglich wären, um den Fall aufzuklären.


DR. SERVATIUS: Sind nun andere Fälle gemeldet worden?


TIMM: Es waren keine Fälle, die in der Schwere mit dem eben geschilderten Fall gleichzustellen waren.


DR. SERVATIUS: Wurde nun auch über die Frage der Arbeitsbedingungen für die ausländischen Arbeiter in Deutschland gesprochen?


TIMM: Über Fragen der Arbeitsbedingungen wurde auch in den Stabsbesprechungen gesprochen.


DR. SERVATIUS: Wurde da nicht gemeldet, daß in einzelnen Lagern oder Betrieben Zustände vorlagen, die beanstandet wurden?


TIMM: Es wurden schon Fälle dieser Art besprochen, und zwar lagen sie im allgemeinen auf dem Gebiete der Bekleidung, Ernährung und ähnlicher Dinge.


DR. SERVATIUS: Wie kamen denn diese Meldungen an die Stabsbesprechungen heran? Wer trug das vor, woher erfuhr man das?


[233] TIMM: Herr Sauckel legte immer wieder Wert darauf, diese Dinge draußen in der Praxis prüfen zu lassen und unterhielt ein weitverzweigtes System von Inspektionen, um sich ein Bild über diese Fragen zu verschaffen, und diese Inspektionsberichte waren dann Gegenstand eingehender Besprechungen in den Stabsbesprechungen.


VORSITZENDER: Ich habe eine Mitteilung zu machen.

Nach Beratung des Antrages der Anklagebehörde vom 21. Mai und des Memorandums der Verteidigung vom 29. Mai fällt der Gerichtshof folgende Entscheidung:

Dem Antrag der Anklagebehörde, daß die Plädoyers über die Schuld oder Unschuld der einzelnen Angeklagten nach Abschluß der Beweiserhebung für die einzelnen Angeklagten und vor Beginn des Beweisverfahrens gegen die angeklagten Organisationen gehalten werden sollen, wird stattgegeben. Der Gerichtshof wird jedoch über die Frage der Schuld oder Unschuld jedes Angeklagten keine Entscheidung treffen, bis das ganze Beweismaterial angehört worden ist. Wenn ein Verteidiger eines Einzelangeklagten glaubt, daß irgendwelches Beweismaterial für die angeklagten Organisationen seine Verteidigung unterstützen könnte, so kann er beantragen, hierzu nochmals gehört zu werden. Nach Abschluß der Beweiserhebung für die einzelnen Angeklagten wird der Gerichtshof daher zuerst die Plädoyers für sie hören und sodann die Plädoyers der Anklagebehörde. Die Schlußworte jedes Angeklagten, die ihm selbst zustehen, werden am Ende des Prozesses vor dem Urteil gehört werden.

Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Plädoyers über die Schuld oder Unschuld der einzelnen Angeklagten besser sofort nach Abschluß der Beweisaufnahme gehört werden, bevor der Gerichtshof davon abgeht und zum Falle der Organisationen übergeht. Außerdem gibt diese Anordnung den Kommissionären, die das Beweismaterial über die Organisationen entgegennehmen, mehr Zeit, ihre Arbeit zu vollenden. Die Angeklagten werden durch diese Anordnung keinen Nachteil erleiden; denn außer dem Umstand, daß ihr Fall wesentlich verschieden ist von dem der Organisationen, ist ihnen gestattet, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf alle Umstände zu lenken, die sich aus der Verhandlung gegen die Organisationen ergeben und welche sie als für ihre Verteidigung wertvoll ansehen.

Der Gerichtshof findet nichts im Statut, das dieses Verfahren verbieten könnte. Artikel 9 überläßt es dem Ermessen des Gerichtshofs, die Art und Weise der Beweisaufnahme für die angeklagten Organisationen zu bestimmen.

[234] Den Verteidigern für die einzelnen Angeklagten wird es nicht gestattet sein, Zeugen im Kreuzverhör zu vernehmen, die von den Verteidigern der Organisationen für diese gerufen worden sind, oder an einem derartigen Verfahren teilzunehmen, es sei denn, daß sie vom Gerichtshof hierzu besonders ermächtigt werden.

Das ist alles.

Der Gerichtshof wird morgen von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr eine öffentliche Sitzung abhalten.


[Das Gericht vertagt sich bis

1. Juni 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 15, S. 189-236.
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