[372] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Erinnern Sie sich daran, daß Sie in Ihrem Verhör vom 19. September vorigen Jahres ausgesagt haben, Ihr gegenwärtiger Standpunkt sei, Hitler wäre der größte Verbrecher gewesen, den Sie je in Ihrem Leben gesehen hätten?
VON PAPEN: Das trifft durchaus zu. Das ist die Ansicht, die ich mir geformt habe, nachdem ich hier von all den Verbrechen erfahren habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war am 19. September 1945. Ihre nächste Antwort interessiert mich aber weitaus mehr. Sagten Sie nicht, als man Ihnen die Frage stellte, wann Sie zu der Ansicht kamen, daß Hitler der größte Verbrecher sei, den Sie je in Ihrem Leben gesehen hätten: »Erst nachdem ich die Tatsachen kennengelernt habe, nach denen er den Krieg anfing«? Erinnern Sie sich daran, daß Sie das gesagt haben?
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat es nicht bei Ihrer engen Zusammenarbeit mit Hitler ziemlich lange gedauert, bis Ihnen diese recht offenkundige Tatsache zum Bewußtsein kam?
VON PAPEN: Meine Ansicht über Hitler, seine innenpolitische Bedeutung, war mir nach dem 30. Juni 1934 vollkommen klar; aber ich habe wie alle anderen Menschen annehmen dürfen, daß er wenigstens auf dem außenpolitischen Gebiet vernünftig sein würde, und dieser Ansicht bin ich gewesen bis nach dem Münchener Agreement.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann wollen wir doch einmal sehen, ob Sie nicht eigentlich schon eher Gelegenheit gehabt hätten, zu dieser Ansicht zu kommen; als Sie im Jahre 1932 Reichskanzler waren, mußten Sie sich doch mit den Persönlichkeiten, Zwecken und Methoden der Nationalsozialistischen Partei vertraut machen, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und das haben Sie auch getan, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie erinnern sich noch – ich will keine Zeit damit verschwenden das Dokument zu verlesen, aber Sie dürfen mir glauben, daß ich wörtlich zitiere – daß Hitler Ihnen am 16. November 1932 einen Brief geschrieben hat, in dem er sagte: »Sie müssen meine Einstellung und die Einstellung meiner Partei kennen.«
[372] VON PAPEN: Natürlich wußte ich, welche Ziele seine Partei verfolgte; aber ich darf hinzufügen, wenn eine Partei in eine Koalition mit einer anderen Partei tritt, dann hat sie von ihrem Programm sehr viel abzustreichen und ein Koalitionsprogramm anzunehmen, und das war, was Hitler am 30. Januar getan hat.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aber bevor wir zum 30. Januar kommen, will ich Sie fragen, welchen Standpunkt Sie im Jahre 1932 hatten. Während Ihrer Kanzlerschaft im Jahre 1932 bezweifelten Sie kaum die Möglichkeit, daß, wenn Hitler zur Macht kam, Deutschland Gefahr lief, mit brutalen und verfassungswidrigen Methoden regiert zu werden, nicht wahr?
VON PAPEN: Zweifellos war das Programm der Nationalsozialisten in dieser Beziehung revolutionär, aber ich habe ja dem Gericht ausführlich dargelegt, daß, als wir zu dieser Zwangslösung des 30. Januar schritten, wir eine Reihe von Sicherheiten einbauten und ein gemeinsames Koalitionsprogramm entwarfen, das nach unserer Ansicht die von Ihnen erwähnten Gefahrenpunkte ausschloß.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Präsident von Hindenburg vertrat um die Mitte des Jahres 1932 sehr stark die Ansicht, daß es höchst gefährlich wäre, Hitler die Macht in die Hand zu geben, nicht wahr?
VON PAPEN: Ja, er war durchaus dieser Ansicht, daß Hitler in seinen Machtbeschränkungen kontrolliert werden müsse.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Ihnen nur einen Satz aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Meißner vorlesen, die der Gerichtshof auf Seite 43 im Dokumentenbuch 11a finden wird. Dieses Dokument ist GB-495, Nummer 3309-PS.
Das war später, im August 1932. Herr Meißner sagt darüber aus:
»Hindenburg erklärte, daß er wegen der gespannten Lage nicht mit gutem Gewissen das Risiko übernehmen könnte, die Macht der Regierung einer neuen Partei wie der Nationalsozialistischen zu übertragen, die keine Mehrheit hatte und die intolerant, lärmend und undiszipliniert war.«
Das ist eine sehr gemäßigte Beschreibung der damaligen Ansicht des Reichspräsidenten, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie wußten doch, Angeklagter – ich spreche jetzt nicht über eine Koalition, sondern darüber, ob die Nationalsozialisten selbst zur Macht kommen würden – das war Ihnen doch vollkommen klar, daß sie dann wenig Skrupel haben und kurzen Prozeß mit ihren politischen Gegnern machen würden. Stimmt das nicht?
[373] VON PAPEN: Das kann man nicht sagen. Es ist immer im politischen Leben so, daß eine radikale Partei, überhaupt eine Partei, aber besonders eine radikale Partei, wenn sie zur Macht kommt und verantwortlich ist, sehr vieles in ihrem Programm abschreiben muß. Das haben wir beispielsweise bei den sozialistischen Parteien aller Länder gesehen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Stimmt es, daß der Angeklagte Göring, wie er unter Eid ausgesagt hat, Ihnen im Jahre 1932 mitgeteilt hatte, daß, was immer sonst die Nazis täten, Hitler niemals »Vize« werden oder an zweiter Stelle stehen und gegen jede politische Einrichtung kämpfen würde, die ihm nicht den ersten Platz einräumte? Ist das richtig?
VON PAPEN: Ja, das hat mir Hitler ja immer selbst erklärt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Daher wußten Sie doch ganz genau, daß Hitler und seine Komplicen die uneingeschränkte Möglichkeit verlangten, ihr Programm und ihre Absicht in die Tat umzusetzen, nicht wahr?
VON PAPEN: Nein, das wußte ich nicht. Das ist eine Feststellung, die Sie hier treffen, die keineswegs den damaligen Verhältnissen entspricht. Sie brauchen ja nur das Regierungsprogramm unserer Koalition vom 1. Februar zu lesen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können ganz unbesorgt sein, Angeklagter, auf die Zeit Ihrer Koalition vom 30. Januar werde ich schon noch zu sprechen kommen. Aber vorher will ich Ihnen nur noch ein oder zwei Fragen stellen über Ihre persönliche Ansicht von Hitler und über Hindenburgs Ansicht von Hitler im Jahre 1932; denn ich will die Entwicklung zwar kurz aber klar herausarbeiten.
Ich befrage Sie immer noch über das Jahr 1932 und die Frage, die ich Ihnen noch einmal vorlege, ist: War Ihnen nicht klar, daß, wenn Hitler und seine Komplicen zur Macht kämen, sie sich nur dann zufrieden geben würden, wenn sie die uneingeschränkte Möglichkeit hätten, ihr Programm und ihre Absichten in die Tat umzusetzen?
VON PAPEN: Nein, das wußte ich nicht; denn sonst hätte ich ja nicht den Versuch unternommen, 1933 sie in ein gemeinsames Koalitionsprogramm hineinzubringen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie erzählten uns doch – ich will es nur noch einmal klargestellt haben –, daß es Ihrer Ansicht nach in der zweiten Hälfte des Jahres 1932 für Deutschland notwendig war, die politischen Gegensätze und inneren Streitigkeiten auszugleichen und die Beziehungen zu den Westmächten zu verbessern, um dadurch die Forderungen des Versailler Vertrags zu erleichtern. Ich versuche hier, Ihre Ansicht so, wie ich Sie verstehe, kurz zusammenzufassen. Stimmt das?
[374] VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, Ihr erster Schritt zu diesem Zweck war, daß Sie Hitler im August 1932 aufforderten, Vizekanzler in Ihrer Regierung zu werden, nicht wahr?
VON PAPEN: Ganz recht, jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hitler lehnte aber ab und lehnte auch Ihr neuerliches Angebot im November 1932 ab, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Um jetzt Zeit zu sparen, möchte ich nur feststellen, ob Herr Meißner in Ziffer 6 und 7 seiner eidesstattlichen Erklärung die Situation richtig beschreibt. Ich will es für Sie zusammenfassen, und glauben Sie mir, ich werde Ihnen sehr gern die Stellen vorlesen, über die Sie Zweifel haben. Er drückt sich folgendermaßen aus: Im November 1932 hätten Sie geglaubt, die allgemeine Lage und insbesondere die Nazi-Partei könne in Schach gehalten werden, wenn der Präsident Ihnen die Machtbefugnis gäbe, auf Grund des Artikels 48 Verordnungen zu erlassen und Sie die Unterstützung der Reichswehr und der Polizei hätten; daß aber General von Schleicher damals anderer Ansicht gewesen sei, da er nicht glaubte, daß die Reichswehr imstande war, die Ordnung in Deutschland aufrechtzuerhalten. Ist das richtig?
VON PAPEN: Es stimmt insofern nicht, als dieser Vorgang nicht verfassungsmäßig mit irgendeinem Paragraphen zu decken ist, sondern einen Verfassungsbruch darstellt. Sonst ist es richtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Daß er also außerverfassungsmäßige Methoden anzuwenden hätte, um Herr der Lage zu bleiben. Meinen Sie das?
VON PAPEN: Ja, er hatte mir ja, wie ich hier dargelegt habe, am 1. Dezember diesen Auftrag erteilt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, aber hat Meißner recht, wenn er sagt, daß Sie, nachdem es Ihnen nicht gelungen war, Hitler in Ihre Regierung zu bekommen, wünschten, auf Grund von Notverordnungen zu regieren und mit Hilfe der Reichswehr die Ordnung aufrechtzuerhalten, daß aber General von Schleicher gesagt hätte, daß es undurchführbar sei?
VON PAPEN: Nein, das stimmt nicht. Nachdem der Präsident Hindenburg entschieden hatte, daß er keinen Verfassungsbruch begehen wollte, hat er bekanntlich den General von Schleicher zum Reichskanzler ernannt. Herr von Schleicher wollte damals durch die Spaltung der Partei eine Mehrheit schaffen, und ich halbe diesen Versuch des Herrn von Schleicher selbstverständlich unterstützt.
[375] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nur für den Fall, daß ich mich irren sollte, möchte ich Ihnen Meißners eigene Worte hier vorlegen. Absatz 5 auf Seite 44 des Dokumentenbuches 11a. Ich glaube, Angeklagter, es wäre gut, wenn Sie mit mir mitläsen, wenn es Ihnen recht ist, damit wir jeden Irrtum ausschließen.
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Absatz 5 von Meißners Erklärung lautet:
»Papen wäre wahrscheinlich von Präsident Hindenburg wieder zum Kanzler ernannt worden, wenn er bereit gewesen wäre, einen offenen Kampf gegen die Nationalsozialisten aufzunehmen, was die Androhung oder den Gebrauch von Gewalt mit sich gebracht hätte; beinahe bis zum Zeitpunkt seines Rücktritts waren Papen und noch einige andere Minister sich darüber einig, daß es notwendig war, den Kampf gegen die Nazis mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln durchzuführen und sich auf Artikel 48 der Verfassung zu stützen, selbst wenn dies zu einem bewaffneten Konflikt führen könnte. Aber die anderen Minister waren der Meinung, daß solch ein Vorgehen zum Bürgerkrieg führen würde.
Die Entscheidung wurde von Schleicher getroffen, der früher ein energisches Vorgehen gegen die Nationalsozialisten vorgeschlagen hatte, auch wenn es den Einsatz der Polizei und des Heeres bedeuten sollte. Dann, in der entscheidenden Kabinettssitzung, ließ er den Gedanken fallen und erklärte sich für eine Verständigung mit Hitler bereit.«
Stimmt das?
VON PAPEN: Zum Teil stimmt es, und zum Teil stimmt es nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann sagen Sie es uns so kurz wie möglich, worin es nicht stimmt.
VON PAPEN: Meine Wiederernennung zum Reichskanzler durch Hindenburg, wie Herr Meißner sagte, wäre möglich gewesen, wenn ich bereit gewesen wäre, einen offenen Kampf gegen die Nazis zu führen. Das ist historisch völlig falsch; denn ich habe ja am 1. Dezember Hindenburg vorgeschlagen, einen Verfassungsbruch zu begehen und damit einen offenen Kampf gegen die Nazi-Partei zu führen und Herr von Schleicher hat es kontradiktet. Das ist die historische Wahrheit.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Damit wir alles in richtiger Reihenfolge haben, betrachten Sie bitte Absatz 6 desselben Dokuments, ungefähr den zweiten Satz, er fängt an:
»Als es klar wurde, daß Hitler nicht bereit war, in die Regierung Schleichers einzutreten und andererseits, daß [376] Schleicher nicht in der Lage war, die Nationalsozialistische Partei zu spalten, was er mit Hilfe Gregor Straßers zu tun gehofft hatte, erlitt die Politik, für die Schleicher Kanzler geworden war, Schiffbruch. Schleicher war sich darüber im klaren, daß Hitler... gegen ihn besonders erbittert war und daß er sich nie dazu bereit erklären würde, mit ihm zusammenzuarbeiten. Deshalb änderte er jetzt seine Meinung und entschloß sich dazu, die Nazis zu bekämpfen, was bedeutete, daß er jetzt eine Politik treiben wollte, der er sich einige Wochen früher, als Papen sie vorgeschlagen hatte, scharf widersetzt hatte.«
Ist das richtig?
VON PAPEN: Das ist durchaus richtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich will die Lage ganz genau klarstellen. Sie haben uns erklärt, daß Sie sich zum erstenmal im August an Hitler gewandt haben. Bevor Sie sich an ihn wandten, hatten Sie schon die SA und SS legalisiert, nachdem diese vom Reichskanzler Brüning für illegal erklärt worden waren. Sie taten das am 14. Juni, nicht wahr?
VON PAPEN: Ich hatte das Verbot aufgehoben, jawohl, aber nur für vier Wochen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie hielten es wirklich für gut, das Verbot gegen die SA, den Terror der Straßen, aufzuheben?
VON PAPEN: Ich habe dem Gericht ausdrücklich erklärt, wieso es zur Aufhebung dieses Verbots kam. Der Grund war, Hitler und seine Partei zu einer Tolerierung meines Kabinetts zu veranlassen. Und der zweite Grund war, daß die Aufhebung dieser Kampfverbände einseitig war, wenn man nicht zugleich auch die sozialistischen und kommunistischen Verbände verbot.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und am 20. Juli hatten Sie sich der Regierung Braun-Severing mit Gewalt entledigt und Preußen und die preußische Polizei unter Ihre Gewalt bekommen?
VON PAPEN: So kann man es nicht ausdrücken, nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun gut, Sie sind die Regierung Braun-Severing losgeworden und hatten Preußen und die preußische Polizei nunmehr in der Hand, ist das richtig?
VON PAPEN: Ich hatte die preußische Polizei nicht in der Hand. Aber die preußische Polizei wurde nunmehr von dem Reichskommissar von Preußen, den ich eingesetzt hatte, einem sehr gemäßigten Mann, regiert.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nach der Weimarer Verfassung hatten Sie als Kanzler das Recht, die wesentlichen Richtlinien der Politik zu diktieren, und der Kommissar für Preußen wie alle [377] anderen Minister mußten diesen grundlegenden Richtlinien folgen, stimmt das nicht?
VON PAPEN: Nachdem ich einen Kommissar eingesetzt hatte, hatte ich das Recht, die generellen Linien der Politik für Preußen zu bestimmen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte, daß Sie sich nunmehr eine Rede ansehen, die Sie in Essen im November 1933 gehalten haben, in der Sie über diese Zeit sprachen.
Es ist Seite 54 im Dokumentenbuch 11 und Seite 47 im deutschen Dokumentenbuch.
Sehen Sie einmal die Einleitung an:
»Seitdem die Vorsehung mich dazu berufen hatte, der Wegbereiter der nationalen Erhebung unserer Heimat und der Wiedergeburt unseres Vaterlandes zu werden, habe ich versucht, das Werk der Nationalsozialistischen Bewegung und ihres Führers mit allen meinen Kräften zu stützen.«
Stimmt das?
VON PAPEN: Absolut, jawohl, das bezieht sich...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Einen Augenblick, ich fragte nur, ob das stimmt. Ich komme vielleicht noch einmal darauf zurück.
»Und wie ich damals, bei der Übernahme der Kanzlerschaft« – das bezieht sich auf Sie, als Sie Kanzler wurden – »dafür geworben habe, der jungen kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zur Macht zu ebnen.«
War die Art, wie Sie der jungen, kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zur Macht ebneten, daß Sie das Verbot gegen die SA aufhoben, die gemäßigte Regierung in Preußen absetzten und die Befehlsgewalt über die Polizei zentralisierten?
VON PAPEN: Nein, das wäre ein sehr schlechter Vergleich gewesen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Bleiben Sie jetzt einen Augenblick dabei, und sagen Sie mir, ob das nicht Ihr Werk war. Sagen Sie dem Gerichtshof, wie Sie der jungen kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zur Macht ebneten, wenn nicht auf diese Art?
VON PAPEN: Ja, ich werde das sehr genau sagen. Das Programm der Nazi-Partei sah eine Befreiung Deutschlands von der Diskrimination vor, die der Versailler Vertrag uns auferlegt hatte. Ich habe darüber ausführlich gesprochen hier und habe dargestellt, welche Mühe ich mir selbst gegeben habe, in dieser Beziehung ein Entgegenkommen der Großmächte zu erreichen. Wir wollten von einer Second-rate-nation wieder eine Großmacht werden, und das war der Sinn.
[378] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Ich will Sie jetzt nicht unterbrechen, und der Gerichtshof wird Ihnen jede Möglichkeit geben, zu wiederholen, was Sie über diesen Punkt gesagt haben; aber ich möchte, daß Sie zuerst meine Frage beantworten. Wenn ich unrecht habe mit meiner Behauptung, daß Sie diese beiden Schritte unternommen haben, um dieser kämpfenden Freiheitsbewegung den Weg zu ebnen, so sagen Sie uns mit einigen Worten, was Sie denn sonst unternommen haben, um den Weg zu ebnen? Das ist die Frage? Was haben Sie getan?
VON PAPEN: Ich habe zweimal an Hitler das Angebot gerichtet, in meine eigene Regierung einzutreten, und als Ende Januar 1933 die Lage keinen anderen Ausweg mehr bot, habe ich die Koalition auf Antrag Hindenburgs mit der Nationalsozialistischen Partei zusammengebracht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Waren Sie damals der Ansicht, daß Hitler für Deutschland unbedingt notwendig war?
VON PAPEN: Ich war der Ansicht, daß ein Mann, der im März 1932, das heißt, bevor ich an die Regierung kam, 36,8 Prozent aller deutschen Stimmen erhalten hatte bei der Präsidentenwahl, daß dieser Mann und seine Partei in die verantwortliche Regierungsarbeit eingeschaltet werden müßte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber abgesehen von seinem Wahlerfolg, glaubten Sie, daß Hitler auf Grund seiner Persönlichkeit, seiner Ziele und seines Programms damals für Deutschland eine Notwendigkeit war?
VON PAPEN: Ich wüßte nicht, wie man mit einer Partei, die 36,8 Prozent aller deutschen Stimmen kontrolliert, auf polizeilichem Wege fertig werden würde.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich Ihre eigenen Worte im nächsten Absatz des gleichen Briefes an. Dort scheinen Sie nicht nur vom Wahlerfolg zu sprechen.
»Der liebe Gott hat Deutschland gesegnet, daß er ihm in Zeiten tiefer Not einen Führer gab, der es über alle Nöte und Schwächen, über alle Krisen und Gefahrenmomente hinweg mit dem sicheren Instinkt des Staatsmannes zu einer glücklichen Zu kunft führen wird.«
Das war, ich will nicht sagen eine übertriebene aber doch eine ziemlich starke Ausdrucksweise von einem ehemaligen Kavallerieoffizier in Bezug auf eine politische Figur, wenn er nicht fest an diese Figur glaubte oder nicht wollte, daß andere Leute denken, er glaube fest an sie. Meinten Sie wirklich, was Sie hier sagen?
VON PAPEN: Dazu darf ich folgendes sagen: Nachdem ich die Koalition mit Hitler gemacht hatte, war ich überzeugt, daß er diesen [379] Pakt der Koalition halten werde, und oft und wiederholt, nicht nur in dieser Rede, habe ich mich damals zu Hitler bekannt und zu dem gemeinsamen Programm, und weshalb ich gerade in dieser Rede für ihn eingetreten bin, das habe ich bereits dem Gericht gesagt; denn hier handelte es sich darum, festzustellen, und zwar vor der ganzen Welt festzustellen, daß das feierliche Bekenntnis Hitlers zum Frieden ein ernstgemeintes Bekenntnis war, das wir alle unterschrieben.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich will mich nicht weiter dabei aufhalten. Verstehen Sie, was ich Ihnen vorhalte? Daß Sie in den ersten Monaten Ihrer Kanzlerschaft alle möglichen Versuche unternahmen, Hitler zu sich in die Regierung zu bekommen. Als er das zum zweitenmal ablehnte, da wollten Sie nach Meißners Aussage Gewalt gegen ihn anwenden. Als Schleicher dagegen Einspruch erhob, traten Sie zurück. Als Schleicher dann den Posten übernahm und in Schwierigkeiten geriet, wandten Sie sich wieder Hitler zu. Das ist es, was ich Ihnen vorwerfe, denn es geschah doch auf Ihre Veranlassung hin, daß Sie und Hitler am 4. Januar 1933 eine Besprechung im Hause Kurt von Schröders hatten, nicht wahr?
VON PAPEN: Nein, das ist eine völlig falsche Auffassung. Leider hat das Gericht nicht erlaubt, daß ich über diese Zusammenkunft am 4. Januar mich ausdrücklich geäußert habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Stimmen Sie also mit von Schröder nicht überein, der behauptet, daß die Zusammenkunft auf Ihr Verlangen hin stattgefunden hätte?
VON PAPEN: Ja, ich bin durchaus anderer Ansicht. Diese Zusammenkunft hat stattgefunden auf den Wunsch von Hitler.
VORSITZENDER: Wollen Sie ihn auffordern, uns über die Zusammenkunft vom 4. Januar zu berichten?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, gewiß. Ich werde das sofort behandeln.
Behaupten Sie, daß Hitler diese Zusammenkunft wünschte? Ich halte Ihnen vor, daß von Schröder, der ja der Mittelsmann war, behauptet, daß Sie diese Zusammenkunft verlangt hätten. Sind Sie anderer Ansicht?
VON PAPEN: Ja, ich bin völlig anderer Ansicht, weil es nicht den Tatsachen entspricht, was Herr von Schröder behauptet. Herr von Schröder....
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, dann erzählen Sie dem Gerichtshof selbst, wer diese Zusammenkunft zustande gebracht hat.
DR. KUBUSCHOK: Ich widerspreche der Verwendung des Affidavits Schröder. Bei der Beweiserhebung der Anklage sollte das Dokument vorgelegt werden. Ich verlangte Beibringung des Zeugen, [380] da er sich in der Nähe befindet. Das Gericht stellte der Anklagebehörde anheim, den Zeugen zu stellen. Die Anklage verzichtete darauf, den Zeugen zu stellen. Jetzt soll im Wege des Kreuzverhörs das Affidavit verwendet werden. Ich glaube, das geht nicht, da insoweit die Entscheidung des Gerichts durchkreuzt würde. Das Gericht hatte entschieden: Verwendung mit dem Zeugen. Jetzt würde es ohne den Zeugen verwendet werden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das stimmt, Euer Lordschaft. Ich möchte darauf hinweisen, daß es jedoch etwas anderes ist, es im Kreuzverhör zu verwenden, nachdem Dr. Kubuschok als Teil seiner eigenen Beweisführung einen Bericht über diese Zusammenkunft aus dem Schultheßschen Kalender der Europäischen Geschichte als Beweismittel vorgelegt hat. Sie finden den Bericht in Band I, Seite 27 seines Dokumentenbuches. Wenn Beweismittel dieser Art ins Dokumentenbuch aufgenommen wurden, dann habe ich doch wohl das Recht, dieses Beweismittel im Kreuzverhör auf Grund des Affidavits von Schröders anzufechten.
Ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft, ich hätte weitergehen sollen. Mein Freund hat eine Erklärung des Freiherrn von Schröder selbst vorgelegt, die auf Seite 26 steht. Er sagt, daß Freiherr von Schröder gleichzeitig zur Widerlegung der falschen Pressemeldungen beim Conti-Büro folgende Erklärung abgegeben hat:
»Die Initiative, eine Aussprache zwischen dem ehemaligen Reichskanzler von Papen als dem Repräsentanten weitester nationalkonservativer Kreise und Herrn Hitler als dem alleinigen Führer der nationalsozialistischen Bewegung herbeizuführen, ist einzig und allein von mir persönlich ausgegangen.«
Ich hätte gedacht, daß, da eine Erklärung des Freiherrn von Schröder vorgelegt wurde, ich das Recht habe, sie mit einer anderen Erklärung Schröders anzufechten.
DR. KUBUSCHOK: Darf ich dazu etwas bemerken, Herr Präsident? Es sind zwei ganz verschiedene Dinge. Sir David weist auf ein Dokument hin, das ich aus dem Schultheßschen Geschichtskalender vorgebracht habe. Das ist ein gemeinsames Kommuniqué von Papen und Schröder, das damals in den Zeitungen veröffentlicht worden ist. Ich beanstande jedoch ein Affidavit des Zeugen Schröder und habe damals darauf hingewiesen, und die Anklage hat mir damals darin recht gegeben, daß Schröder im Rahmen der vorliegenden Anklage eine suspekte Persönlichkeit ist und daß er selber an den Dingen so interessiert ist, daß eine Produzierung eines Affidavits nur dann möglich ist, wenn wir die Gelegenheit haben, Herrn von Schröder die entsprechenden Vorhaltungen zu machen. Jedenfalls das, was hier ist, ist nichts anderes als die Wiedergabe [381] zeitgenössischer Dokumente aus dem historischen Geschichtskalender von Schultheß. Diese Dokumente sind in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft vom Gericht angenommen worden.
VORSITZENDER: Sir David! Können Sie dem Angeklagten nicht die Tatsachen vorhalten ohne Beziehung auf das Dokument?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das kann ich leicht, Euer Lordschaft, und werde es auch tun.
Angeklagter! Schlugen Sie nicht bei dieser Zusammenkunft vor, – Verzeihung, ich glaube, wir müssen erst die näheren Umstände feststellen, wo sie stattfand und wer dabei war.
Es war in Baron von Schröders Haus in Köln, glaube ich, oder in seiner Wohnung in Köln, nicht wahr?
VON PAPEN: Ja, aber kein Freund von mir, nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich komme nun zu den Leuten, die im Hause anwesend waren. Bei der Besprechung waren zugegen: von Hitlers Partei er selbst, der Angeklagte Heß, Himmler und Keppler, nicht wahr?
VON PAPEN: Das ist möglich, ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Keppler ist der Herr, von dem der Gerichtshof schon gehört hat, daß er sich im März 1938 in Wien aufhielt, nicht wahr?
VON PAPEN: Er war ein Mann, der sich immer in der Begleitung von Hitler befand.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Also, die Besprechung selbst fand zwischen Ihnen und Hitler statt im Beisein des Herrn von Schröder, nicht wahr?
VON PAPEN: Nein. Vielleicht darf ich dem Gericht einen kurzen Abriß der Verhandlung geben, wie das Gericht gewünscht hat?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, ich glaube, es ist viel einfacher, wenn ich Ihnen die Tatsachen vorhalte, ich werde mich kurz fassen; der Gerichtshof wünscht es.
Sagen Sie, daß Schröder nicht dabei war?
VON PAPEN: Schröder mag vielleicht Teilen des Gesprächs beigewohnt haben. Ich habe die Erinnerung, daß in der Hauptsache ich allein mit Hitler gesprochen habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und die Unterredung zwischen Ihnen und Hitler fing ungefähr um halb zwölf Uhr vormittags an, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die erste Sache, die Sie zur Sprache brachten, war, daß Sie Hitler erklärten, daß, obwohl Sie nicht imstande gewesen wären, die beiden Nazis freizulassen, die [382] wegen Ermordung eines Kommunisten zum Tode verurteilt worden waren, Sie versucht hätten, den Präsidenten von Hindenburg zu veranlassen, sie zu begnadigen. Ist das nicht richtig?
VON PAPEN: Ja, ich erinnere mich, daß Hitler mir heftige Vorwürfe machte wegen dieses Todesurteils gegen diese Nationalsozialisten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der nächste Punkt war Ihre Versicherung Hitler gegenüber, daß weder Machenschaften noch Intrigen Ihrerseits Hindenburgs Weigerung, mit Hitler über dessen Ernennung zum Kanzler zu sprechen, veranlaßt hätten. Das war doch der zweite Punkt, daß nicht Sie es waren, der von Hindenburg veranlaßte, diese Unterredung zu verweigern?
VON PAPEN: Ja, ich habe ihm erklärt, daß mein Angebot vom 13. August 1932 an ihn absolut ehrlich gemeint war.
VORSITZENDER: Ich glaube kaum, daß das eine Antwort auf Ihre Frage war, Sir David.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Haben Sie Hitler nicht erklärt, daß es nicht Ihre Schuld gewesen wäre, daß Hindenburg sich im August 1932 geweigert hatte, die Frage der Ernennung Hitlers zum Kanzler zu besprechen...
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE:... als Hitler Hindenburg getroffen hatte.
VON PAPEN: Nein, das kann nicht zutreffend sein, denn nach Ausweis der historischen Akten hat ja Hitler eine Besprechung am 13. August mit Hindenburg gehabt, und Hindenburg hat ihm die Gründe auseinandergesetzt, warum er eine Kanzlerschaft Hitlers ablehnt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Meine Behauptung ist, daß Sie am 4. Januar, nachdem Sie mit Hindenburg gesprochen hatten, zu Hitler sagten: »Ich möchte, daß Sie verstehen, daß es nicht meine Schuld war, daß Hindenburg nicht über die Frage Ihrer Ernennung zum Kanzler sprechen wollte.« Sagten Sie ihm das nicht, daß es nicht Ihre Schuld sei und daß Sie geglaubt hätten, von Hindenburg wäre dazu bereit?
VON PAPEN: Nein, Herr Ankläger, das ist die Behauptung des Herrn von Schröder. Aber das ist nicht richtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: So, was behaupten Sie nun, ist über von Hindenburg und Hitler gesagt worden? Wenn Sie nicht anerkennen wollen, was ich Ihnen vorhalte, was haben Sie zu sagen?
VON PAPEN: Was Hindenburg Hitler gesagt hat, steht ja in allen Büchern zu lesen, das ist ja geschichtsnotorisch.
[383] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, nein. Wir wollen nur wissen – wenn ich mit Genehmigung des Gerichtshofs so sagen darf – was Sie am 4. Januar Hitler gesagt haben. Was haben Sie ihm gesagt, wenn Sie überhaupt etwas gesagt haben über das Verhältnis zwischen dem Präsidenten von Hindenburg und Hitler selbst?
VON PAPEN: Ja, wenn Sie mich hätten eine Erklärung abgeben lassen über den Verlauf der Verhandlung, würde ich das schon gesagt haben.
Im Laufe dieser ganzen Unterhandlung habe ich nichts anderes getan, als Herrn Hitler darauf aufmerksam zu machen, wie notwendig es sei, sich mit Herrn von Schleicher zu einigen, wie notwendig es sei, in seine Regierung einzutreten. Mit anderen Worten, ich setzte die Bemühungen fort, die ich selbst im Jahre 1932 gemacht habe, um die Nazi-Partei zu einer Mitarbeit zu bewegen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie allen Ernstes hier behaupten, daß Sie Hitler gesagt haben, er solle in ein Schleicher-Kabinett eintreten?
VON PAPEN: Im Gegenteil, ich habe ihm gesagt, er soll in ein Schleicher-Kabinett gehen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das ist ja, was ich Ihnen vorhalte. Ich behaupte, daß das ganz falsch ist. Was Sie Hitler vorschlugen, war, daß es sehr gut wäre, wenn die Konservativen und Nationalisten, deren politische Ansichten mit den Ihren übereinstimmten, sich mit Hitler zur Schaffung einer Regierung zusammentäten. Sie haben ihm das vorgeschlagen, was tatsächlich am 30. Januar dann geschah. Das war es, was Sie ihm bei dieser Besprechung vorgeschlagen haben. Sagen Sie, daß das nicht stimmt?
VON PAPEN: Mit keinem Worte, das ist eine absolute Fälschung. Zum Beweise dafür führe ich folgendes an:
Ich habe unmittelbar nach der Unterhaltung einen Brief an Schleicher geschrieben, am 4. Januar nachmittags. Diesen Brief wird er am 5. morgens gehabt haben. Aber noch bevor Herr von Schleicher diesen meinen Brief über den tatsächlichen Inhalt der Besprechungen erhalten hat, haben die Zeitungen, die Morgenzeitungen vom 5. Januar, eine Riesenhetze gegen mich inszeniert mit der Behauptung, in diesem Gespräch bei Schröder läge eine Illoyalität gegen Schleicher. Nach Berlin zurückgekommen, habe ich mich sofort zu Herrn von Schleicher begeben, und ich habe ihm erklärt, was tatsächlich der Inhalt unseres Gespräches war. Herr von Schleicher hat darüber ein Kommuniqué veröffentlicht. Dieses Kommuniqué...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber er war ja nicht der einzige, der ein Kommuniqué herausgegeben hat. Sie und Hitler haben auch eins herausgegeben.
[384] Ich möchte, daß Sie sich daran erinnern, Angeklagter – ich halte Ihnen vor, daß Sie den Vorschlag ge macht haben, daß Sie und Hitler eine Koalition mit den Konservativen, die hinter Ihnen standen, und den Nationalsozialisten hinter Hitler bilden sollten.
Sehen Sie das Kommuniqué an, das Sie und Hitler herausgaben.
Geben Sie bitte dem Angeklagten Dokument D-637. Euer Lordschaft, dies ist ein neues Dokument, das die Nummer GB-496 erhält.
Sehen Sie sich den Schluß des Dokuments an:
»Adolf Hitler und Herr von Papen übergeben der Öffentlichkeit folgende gemeinsame Erklärung:
Gegenüber unrichtigen Kombinationen, die in der Presse über das Zusammentreffen Adolf Hitlers mit dem früheren Reichskanzler v. Papen vielfach verbreitet wurden, stellen die Unterzeichneten fest, daß die Besprechung sich ausschließlich mit den Fragen der Möglichkeit einer großen nationalen, politischen Einheitsfront befaßt hat und daß insbesondere die beiderseitigen Auffassungen über das zur Zeit amtierende Reichskabinett im Rahmen dieser allgemeinen Aussprache überhaupt nicht berührt worden sind.«
Und nun, Angeklagter, nachdem ich Ihnen in Erinnerung gerufen habe, was Sie selbst herausgegeben haben, stimmt meine Behauptung nicht, daß Sie Hitler vorgeschlagen haben, diese Koalition von Konservativen und Nationalisten, die mit Ihnen politisch übereinstimmten, und mit der Nazi-Partei unter Hitler zu bilden?
VON PAPEN: Nein, Herr Ankläger, in diesem Kommuniqué wird zweierlei festgestellt. Einmal stelle ich fest, daß wir über das Kabinett Schleicher, wie das allgemein in der Presse angenommen wurde, über seinen Sturz oder über seinen Ersatz durch eine andere Regierung überhaupt nicht gesprochen haben. Dann stelle ich fest, daß es notwendig ist, die große nationalpolitische Einheitsfront zu schaffen. Herr von Schleicher präsidierte ja dasselbe Kabinett, das ich präsidiert hatte, mit denselben politischen Kräften. Wenn ich also Hitler auffordere, in dieses Kabinett einzutreten, so ist das genau dieselbe Kombination, als wenn ich ihn aufgefordert hätte, in mein Kabinett einzutreten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will nicht mit Ihnen darüber streiten, Angeklagter. Wenn Sie behaupten wollen, Sie hätten in dem Kommuniqué auf Ihre Weise zum Ausdruck gebracht, daß Sie Hitler gebeten hatten, die Nazis in Schleichers Kabinett zu bringen und daß Sie nicht mit ihm über Bildung einer Koalition gesprochen hätten; wenn Sie behaupten, das Kommuniqué hätte nur das zum Ausdruck gebracht, so habe ich keine Fragen mehr darüber, und ich werde auf eine andere Sache übergehen. Ich habe Ihnen meine Ansicht darüber gesagt und finde, daß das Kommuniqué dasselbe zum Ausdruck bringt.
[385] Nun kommen wir zum nächsten Schritt, den Sie unternahmen. Wollen Sie ableugnen, daß Sie sich im Laufe des Monats Januar darum bemühten, mit Hitler in Verbindung zu treten, sich mit dem Präsidenten von Hindenburg in Verbindung setzten, um Hitler in die Regierung zu bringen? Oder geben Sie das zu?
VON PAPEN: Das stimmt. Ich werde auch sagen, wie es stimmt. Ich habe zwei Unterhaltungen offizieller Art mit Hindenburg gehabt. Am 9. Januar, als ich nach Berlin zurückkam, habe ich mich vom Reichskanzler Schleicher zum Reichspräsidenten Hindenburg begeben. Der Reichskanzler Schleicher, in der Auffassung, daß ich in der Schröder-Unterhaltung gegen ihn illoyal gehandelt hätte, hatte Hindenburg gebeten, mich nicht mehr zu empfangen. Ich habe Herrn von Hindenburg über den tatsächlichen Inhalt der Besprechung Schröder informiert, und nachdem ich mich mit Schleicher geeinigt hatte, war auch Herr von Hindenburg der Überzeugung, daß das Ganze ein großes Mißverständnis gewesen war. Alsdann habe ich Herrn von Hindenburg nach meiner besten Erinnerung erst am 22. Januar offiziell wieder über diese Regierungssachen gesprochen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann wollen wir mal sehen, was der Chef der Präsidialkanzlei dazu zu sagen hat und ob seine Aussage Ihr Gedächtnis auffrischen kann.
Wollen Sie sich Meißners Affidavit ansehen, den zweiten Teil von Absatz 6 an.
Euer Lordschaft! Es ist 11a, Seite 45, ungefähr die siebente Zeile von unten.
Sie sehen, Angeklagter, daß nach dem ersten Abschnitt von Absatz 6 der zweite Teil folgendermaßen beginnt: »Schleicher machte Hindenburg diese Vorschläge zum erstenmal Mitte Januar 1933...«
Der nächste Satz lautet dann:
»Unterdessen war Papen nach Berlin zurückgekehrt und hatte dank Hindenburgs Sohn mehrere Besprechungen mit dem Präsidenten. Als Schleicher seine Bitten um Notvollmacht erneute, erklärte Hindenburg, daß er nicht imstande sei, ihm so eine Blanko-Vollmacht zu geben und daß er sich die Entscheidung in jedem einzelnen Fall vorbehalten müsse. Schleicher seinerseits erklärte, daß es ihm unter diesen Umständen unmöglich sei, in der Regierung zu bleiben und bot am 28. Januar 1933 seinen Rücktritt an.«
Dann Absatz 7:
»Mitte Januar, zu der Zeit, als Schleicher zum erstenmal Ausnahmevollmachten erbat, wußte Hindenburg nichts von den Zusammenkünften zwischen Papen und Hitler – besonders von der Zusammenkunft, die im Hause des kölnischen [386] Bankiers, Kurt von Schröder, stattgefunden hatte. In der zweiten Hälfte Januar spielte Papen eine immer wichtigere Rolle im Haus des Reichspräsidenten, aber trotz der Überredungen von Papen zögerte Hindenburg außerordentlich – bis Ende Januar –, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Er wollte Papen wieder als Reichskanzler haben. Zuletzt konnte Papen ihn auf Hitlers Seite herübergewinnen mit dem Argument, daß die Vertreter der anderen Rechtsparteien, die der Regierung angehören würden, Hitlers Handlungsfreiheit einschränken würden. Außerdem äußerte Papen seine Befürchtungen, daß – sollte die gegenwärtige Gelegenheit wieder verpaßt werden – ein Aufstand der Nationalsozialisten und Bürgerkrieg wahrscheinlich wären.«
Ist das richtig?
VON PAPEN: Nein.
DR. KUBUSCHOK: Darf ich eine Bemerkung machen zur Verwendung des Affidavits Meißner? Das Affidavit – der Fall ist ähnlich, aber nicht ganz gleich dem Falle Schröder – das Affidavit Meißner ist nicht in der Verhandlung dem Gericht angeboten worden. Es war mir jedoch bei der Beweisverhandlung der Anklage zur Kenntnis gekommen, daß ein Affidavit Meißner verwendet werden sollte. Ich habe mich daraufhin mit der Staatsanwaltschaft unterhalten und habe darauf hingewiesen, daß ich mich mit der Vorlegung des Affidavits Meißner keinesfalls begnügen würde, sondern unbedingt Meißner als Zeugen hierher bestellen würde. Der Grund ist der gleiche; die Persönlichkeit des Zeugen Meißner, der an den Dingen sehr beteiligt ist, läßt hier äußerste Vorsicht geraten sein. Die Staatsanwaltschaft hat mir gesagt, sie würde das Affidavit nicht verwenden und hat mir schließlich auch erklärt, daß sie Schröder nicht als Zeugen laden würde. Ich hatte von mir aus keine Veranlassung, den Zeugen zu laden. Ich stehe jetzt in der Lage, daß im Kreuzverhör nunmehr das Affidavit gebracht wird, ohne daß ich den suspekten Zeugen Meißner vor dem Gericht durchleuchten, noch angreifen kann.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Was die Angelegenheit des Affidavits anbelangt, so sagt mir Major Barrington eben, daß er es noch nicht hatte, als er den Fall gegen Papen vorbrachte. Ich verwende es jetzt. Wenn der Gerichtshof nun findet, daß das, was der Zeuge zugibt, genügend von dem Affidavit abweicht, um ein Kreuzverhör zu rechtfertigen, habe ich nicht das geringste gegen einen Antrag für ein Kreuzverhör Meißners durch Dr. Kubuschok einzuwenden.
VORSITZENDER: Was sagen Sie zur Behauptung des Herrn Dr. Kubuschok, daß die Anklagevertretung erklärt hätte, sie würde das Affidavit nicht verwenden?
[387] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Das habe ich nicht gesagt. Major Barrington, der mit mir war, erinnert sich auch nicht, daß ich so etwas gesagt hätte. Major Barrington selbst hat das bestimmt niemals gesagt. Das war auch nie unsere Absicht, denn es war doch offensichtlich ein sehr wichtiges Dokument für uns.
VORSITZENDER: Von wann ist es datiert?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vom 28. November. Wir haben Dr. Kubuschok eine Abschrift überreicht.
DR. KUBUSCHOK: Jawohl.
Herr Präsident! Darf ich erklären? Es ist eine verpflichtende Erklärung seitens der Englischen Anklagebehörde, das Affidavit nicht vorzulegen und den Zeugen nicht zu bringen, nicht abgegeben worden. Ich habe aber immer wieder, unter Hinweis darauf, falls das Affidavit verwendet wird, gesagt, daß ich den Zeugen verlange. Ich habe die Anklagebehörde verschiedentlich befragt: »Wird der Zeuge nun von Ihnen gerufen werden oder nicht?« Das ist verneint worden. Worauf ich sagte: »Dann habe ich auch kein Interesse daran; dann werden wir diesen ganzen Komplex fallen lassen, und ich werde diesen Zeugen nicht rufen.«
VORSITZENDER: Das Affidavit scheint vor langer Zeit ausgestellt zu sein?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft.
VORSITZENDER: Tatsächlich war es ungefähr zur Zeit, als der Prozeß begann. Vielleicht sollten Sie sich nur auf die Tatsachen stützen und nicht auf das Affidavit.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich bin selbstverständlich gerne bereit, den Wünschen des Gerichtshofs zu entsprechen. Sollten irgendwelche Fragen auftauchen und sollte Dr. Kubuschok Herrn Meißner ins Kreuzverhör nehmen wollen, so habe ich von mir aus nichts dagegen. Meiner Ansicht nach bin ich in der Sache Schröder aber in einer etwas anderen Lage. Was die Frage anlangt, ob wir fair handeln, so möchte ich Euer Lordschaft darauf hinweisen, daß gewiß kein Mitglied meines Stabes auch nur einen Augenblick daran dachte, die Verteidigung könne annehmen, daß wir das Dokument nicht gebrauchen würden, denn wir hatten von Anfang an die Absicht, es zu verwenden. Wir haben der Verteidigung eine Abschrift dieses Affidavits gegeben, um sie rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen.
DR. KUBUSCHOK: Jawohl; das ist geschehen, und ich habe es auch dankbar anerkannt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich bemühe mich sehr, nicht zuviel Zeit des Gerichtshofs in Anspruch zu nehmen. [388] Ich möchte am liebsten weitergehen und nur die Tatsachen vorbringen und so alle Erörterungen darüber abschneiden.
VORSITZENDER: Sehr gut, tun Sie das.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, Angeklagter, Sie haben erklärt, daß Sie zwei Zusammenkünfte mit dem Präsidenten von Hindenburg gehabt hätten, und dann, nach dem 18. Januar, hatten Sie ein paar Begegnungen mit Hitler, und nach dem 22. Januar Besprechungen mit Göring, wie er in seiner Aussage angegeben hat; nicht wahr?
VON PAPEN: Nein, mit Hitler bin ich nicht zusammengekommen seit dem 4. Januar bis zum 22. Januar.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, sagen wir ungefähr vier Tage lang. Aus den Akten der Nazi-Partei geht hervor, daß Sie die Verhandlungen am 18. Januar angefangen haben. Wir wollen nicht über einen oder zwei Tage streiten. Die maßgebliche Zusammenkunft war diejenige, die mit Oskar von Hindenburg im Hause des Angeklagten von Ribbentrop zustande gebracht wurde, nicht wahr?
VON PAPEN: Es war eine Vorbesprechung; sie war jedenfalls die erste Fühlungnahme mit den Nationalsozialisten, mit Hitler und mit Göring.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und bei dieser Zusammenkunft in Ribbentrops Haus unterhielt sich Oskar von Hindenburg mit Hitler etwa eine Stunde lang unter vier Augen. Stimmt das nicht?
VON PAPEN: Das ist möglich. Ich erinnere mich nicht mehr daran.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Danach kam man zum Entschluß, daß Hitler Reichskanzler in der neuen Regierung werden würde, daß er den Angeklagten Frick als Innenminister und den Angeklagten Göring als Minister ohne Portefeuille in die Regierung bringen würde und daß er selbst als Kanzler Regierungschef würde?
VON PAPEN: Nein, am 22. haben wir uns keineswegs darauf geeinigt, sondern wir haben uns darauf beschränkt...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich sagte nur, daß das im Laufe einiger Tage zwischen Ihnen beschlossen wurde; nicht wahr?
VON PAPEN: Ja, aber es ist sehr wichtig, festzustellen – verzeihen Sie, daß ich das hinzufüge: Wir haben diese Besprechungen erst begonnen, nachdem es feststand, daß Herr von Schleicher keine Regierung bilden konnte, nachdem der Spaltungsversuch mit der Nazi-Partei mißglückt war. Das ist sehr wichtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Behaupten Sie nun dem Gerichtshof gegenüber, daß Sie zu dem Zeitpunkt alles das, was Sie zugeben unternommen zu haben, um Hitler zur Macht zu bringen, nur darum taten, weil er an der Spitze der größten Partei im Reichstage stand, [389] oder weil Sie dachten, er wäre der geeignetste Mann damals für den Posten des deutschen Reichskanzlers? Was war nun Ihr Motiv?
VON PAPEN: Mein Motiv, Herr Ankläger, war sehr einfach. In der Lage, die nach dem 23. Januar entstanden war, gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder Verfassungsbruch mit Bürgerkrieg oder eine Regierung mit Hitler an der Spitze.
Ich glaube, ich habe das sehr ausführlich dem Gericht geschildert.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich von Ihnen wissen möchte, Angeklagter, ist: Sie hatten damals diese Besprechungen mit Hitler; Sie selbst sind doch auch Kanzler von Deutschland gewesen. Dachten Sie damals, daß Hitler mit seiner Person, seinen Zielen und Absichten der richtige Kanzler für Deutschland sein würde? Das ist doch eine sehr einfache Frage. Ich will eine gerade Antwort. Waren Sie der Ansicht, daß es gut für Deutschland wäre, Hitler, so wie Sie ihn damals kannten, zum Reichskanzler zu haben?
VON PAPEN: Darauf kann ich nur sagen, daß die Koalition, die ich im Auftrage des Reichspräsidenten geformt habe, eine Zwangslösung war. Es entstand nicht die Frage, ob er besser oder schlechter war; wir mußten ihn nehmen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, dann wollen wir einmal sehen. Ich glaube, Sie sagten, daß Sie gar nicht so sicher waren, daß Hitler die Opposition ausschalten würde, ehe er selbst zur Macht käme. Wie lange brauchten Sie, nachdem Hitler schon Reichskanzler geworden war, um zu erkennen, daß er die Absicht hatte, alle Opposition auszuschalten?
VON PAPEN: Das habe ich endgültig erkannt, als ich den letzten Versuch machte in der Marburger Rede, ihn auf das gemeinsame Programm festzulegen, und als dieser Versuch scheiterte...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war 18 Monate später, am 17. Juni 1934. Wollen Sie dem Gerichtshof erklären, daß Sie 17 Monate gebraucht hätten, um darauf zu kommen, daß Hitler die Opposition zerbrechen wollte?
VON PAPEN: Nein, ich habe ja dem Gericht gesagt...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie noch an ein oder zwei Dinge erinnern. Erinnern Sie sich an Herrn Ernst Heilmann, der Führer der Sozialdemokraten im Preußischen Landtag war?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich glaube, er gehörte zusammen mit Ihnen zehn Jahre lang dem Preußischen Landtag an. Er kam sofort in ein Konzentrationslager, wo er mit der größten Grausamkeit behandelt wurde, nicht wahr?
VON PAPEN: Das habe ich erst später hier erfahren; das habe ich nicht gewußt damals.
[390] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie vor dem Gerichtshof behaupten, daß Sie im Jahre 1933 nicht wußten, daß Ernst Heilmann in ein Konzentrationslager kam?
VON PAPEN: Ich habe lediglich gewußt, daß eine Reihe von politischen Gegnern aus der Kommunistischen und Sozialistischen Partei von der Gestapo ins Konzentrationslager geschickt worden war; das habe ich gewußt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie bitte meine Frage beantworten. Da war also der Führer der Sozialdemokratischen Partei im Preußischen Landtag, ein Mann, der mit Ihnen zusammen zehn Jahre lang im Parlament saß. Wollen Sie sagen, Sie wußten nicht, daß man ihn in ein Konzentrationslager gebracht hatte?
VON PAPEN: Ich erinnere mich nicht, nein. Ich glaube, daß ich es erst hier erfahren habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt will ich Ihnen noch einen bekannten Namen nennen, Carl von Ossietzky, dem der Friedens-Nobelpreis verliehen worden war, ein Schriftsteller und Journalist. Wußten Sie auch von ihm nicht, daß er ins Konzentrationslager gekommen war?
VON PAPEN: Ich habe Herrn Ossietzky nur in Erinnerung als Herausgeber einer periodischen Zeitschrift, sonst ist mir nichts über ihn bekannt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten nicht, daß er im Jahre 1936 den Friedens-Nobelpreis erhielt?
VON PAPEN: Das konnte ich unmöglich im Jahre 1933 wissen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein. Aber Sie wußten auch nicht, daß er ihn später bekommen hat; wußten Sie nicht, daß er eingesperrt wurde?
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich dachte, ich hätte seinen Namen mit dem Ihrigen in Zusammenhang bringen können. Nehmen wir jemand anderen, nehmen wir Dr. Ernst Eckstein, der Reichstagsabgeordneter und ein sehr bekannter Rechtsanwalt in Breslau war. Wußten Sie, daß er in ein Konzentrationslager gebracht worden war?
VON PAPEN: Nein, ich habe Dr. Eckstein nicht gekannt, leider.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Oder Dr. Joachim, den sozialdemokratischen Rechtsanwalt aus Berlin; wußten Sie, daß er in ein Konzentrationslager gekommen war?
VON PAPEN: Nein, ich habe ihn nicht gekannt, und ich habe es auch nicht gewußt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und abgesehen von diesen Einzelfällen, wußten Sie nicht, daß innerhalb weniger Monate, nachdem Hitler Kanzler geworden war, Hunderte, wenn nicht Tausende [391] von Sozialdemokraten und Kommunisten in Konzentrationslager gebracht wurden?
VON PAPEN: Tausende?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, sagen wir Hunderte, wenn Ihnen das lieber ist. Das ist die Ziffer, die Göring zugegeben hat. Nehmen wir also Hunderte von Sozialdemokraten und Kommunisten. Minister Severing schätzte die Zahl jeder Partei auf 1500; wußten Sie das nicht?
VON PAPEN: Ich erinnere mich sehr genau, als der Angeklagte Göring eines Tages in das Kabinett kam, nachdem er das Hauptquartier der Kommunistischen Partei, das Liebknecht-Haus, polizeilich ausgenommen hatte, und dem Kabinett mitteilte, er habe eine Unmenge von Akten gefunden, aus denen hervorgehe, in welchem Maße Kommunisten und andere Elemente versuchten, die öffentliche Ordnung zu stören und die neue Regierung zu stürzen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie meine Frage beantworten. Wußten Sie nicht, daß Hunderte von Sozialdemokraten und Kommunisten in Konzentrationslager gebracht wurden?
VON PAPEN: Nein, Hunderte, das war mir unbekannt. Ich habe gewußt, daß einzelne Führer ins Konzentrationslager geworfen worden waren.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: In Ihrer Aussage vor Gericht haben Sie angegeben, daß der Amnestieerlaß vom 21. März denen ähnlich war, die schon früher herausgekommen waren. Das war doch eine ausgesprochen einseitige Amnestie, nicht wahr? Es war nur eine Amnestie für diejenigen, die in der nationalen Revolution gekämpft hatten, das heißt, eine Amnestie für die Nazis. Aber keine Amnestie für Kommunisten oder Sozialdemokraten oder sonst jemanden, der zur Gegenpartei gehörte, nicht wahr?
VON PAPEN: Ganz richtig, ja. Es war ein Amnestieakt für die Leute, die gegen das Zustandekommen der Regierung gearbeitet hatten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten das also. Sehen wir uns noch einmal Ihre Essener Rede an, Ihr eigener Bericht über Ihr Tun; Seite 54 des Dokumentenbuches 11. Sie haben mir gerade erklärt, daß alles, was Sie in dieser Rede gesagt hatten, auf Wahrheit beruhte – das war im November –, daß Sie versucht hätten, die Arbeit der nationalsozialistischen Bewegung und ihres Führers mit allen Kräften zu unterstützen. Später haben Sie, wie Sie hier lesen können, gesagt, daß Sie »von der gütigen Vorsehung dazu ausersehen worden waren, die Hand des Führers und des Kanzlers in die Hand des geliebten Feldmarschalls zu legen«.
Im November 1933 mußten Sie doch ziemlich eindeutig festgestellt haben, wie Hitler, Ihr Kanzler und Führer, mit denjenigen [392] verfuhr, die seine politischen Gegner waren. Sie haben uns Ihren Standpunkt ja schon klargemacht, warum sagten Sie dann, wie stolz Sie darauf wären, die Nationalsozialistische Partei mit aller Ihrer Kraft unterstützt zu haben, wenn Sie nicht damit einverstanden waren?
VON PAPEN: Wir haben gegen die Verstöße Hitlers und der Partei gegen die Koalitionspolitik nach unseren besten Kräften innerhalb des Kabinetts opponiert. Gewiß waren uns die Verstöße bekannt. Ich habe persönlich in vielen Reden, die hier dem Gericht nicht vorliegen, auch auf diese Verstöße hingewiesen, aber solange dieser Koalitionspakt bestand, mußte ich doch hoffen, daß wir uns durchsetzen würden und deshalb, nur aus diesem Grunde, habe ich Hitler meiner Loyalität versichert, damit er seinerseits auch loyal gegen uns andere sein sollte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will Ihnen nun die letzten Worte vorlesen. Sie wenden sich hier in einem besonderen und sehr vorsichtig gehaltenen Aufruf an Ihre katholischen Landsleute und sagen:
»Lassen Sie uns in dieser Stunde dem Führer und dem neuen Deutschland sagen, daß wir an ihn und sein Werk glauben.«
Warum haben Sie so gesprochen, wo Sie doch im November 1933 wissen mußten, daß es sein Programm war, jeden Widerstand zu brechen, seine politischen Gegner zu zerschmettern, die Gewerkschaften aufzulösen und sich selbst zum uneingeschränkten Herrscher Deutschlands zu machen? Warum haben Sie solche Reden gehalten, wenn Sie nicht an ihn glaubten und nicht mit allem, was Hitler wollte, einverstanden waren?
VON PAPEN: Das will ich Ihnen ganz genau sagen. Sie wissen, daß ich im Juli dieses Jahres das Konkordat abgeschlossen hatte und daß ich von Hitler die Versicherung erhalten hatte, den religiösen Frieden zur Basis seiner Politik zu machen. Je mehr es gelang, konservative Elemente hinter die Regierung zu bringen, um so besser mußte es für die Erfüllung meines Programms sein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn das Ihre Antwort ist, dann gehen wir zu einem anderen Punkt über. Ich glaube, Sie haben heute angegeben, oder Sie haben sogar vor ein paar Minuten gesagt, daß Sie nach und nach herausfanden, mit was für Leuten Sie da zusammensaßen, als Sie am 17. Juni Ihre Marburger Rede hielten. Glauben Sie bitte nicht, daß ich beleidigend sein will...
VORSITZENDER: Die russische Übersetzung kommt hier auf derselben Leitung durch wie die französische. Machen wir jetzt eine Pause.
[Pause von 10 Minuten.]
[393] DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Darf ich die Bitte an das Gerecht richten, meinen Klienten, Herrn von Neurath, morgen und übermorgen von der Sitzung zu dispensieren zwecks Vorbereitung und Vollendung seiner eigenen Verteidigung?
VORSITZENDER: Natürlich, jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Angeklagter! Sie haben dem Gerichtshof ziemlich viel über Ihre Marburger Rede gesagt. War nicht einer Ihrer Mitarbeiter ein Herr Jung?
VON PAPEN: Ganz richtig, jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und hat er Ihnen nicht – glauben Sie mir, ich will Ihnen in keiner Weise nahetreten – aber hat er Ihnen nicht beträchtlich bei der Abfassung der Marburger Rede geholfen?
VON PAPEN: Herr Jung hat sehr häufig für mich Skizzen zu Reden entworfen und auch zu dieser Marburger Rede.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja. Er wurde nach dem 30. Juni erschossen, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Er war ein Mann, dem Sie nicht nur persönlich sehr zugetan waren, sondern dessen politischen Ansichten – ich glaube, Sie pflegten ihn einen fortschrittlichen Konservativen zu nennen – Sie großen Respekt und viel Verständnis entgegenbrachten, nicht wahr?
VON PAPEN: Ganz richtig, ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben uns von Herrn von Bose erzählt. Er ist auch erschossen worden? Herr von Tschirschky wurde nach diesem Vorfall von zwei verschiedenen Gruppen von Leuten verhaftet?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist Herr von Savigny auch verhaftet worden?
VON PAPEN: Ich kann mich nicht erinnern, ich glaube nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, insgesamt wurden – die Namen spielen keine Rolle – doch zwei Mitglieder Ihres Stabes erschossen, und drei wurden verhaftet?
VON PAPEN: Ein Mitglied meines Stabes wurde erschossen und zwei verhaftet. Herr Jung gehörte nicht zu meinem Stabe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Jung war kein Mitglied Ihres Stabes, aber er war doch einer Ihrer engen Mitarbeiter...
VON PAPEN: Er war ein Mitarbeiter, der, wie ich gesagt habe, mir sehr häufig half, wenn ich sehr beschäftigt war, Skizzen zu [394] meinen Reden zu machen und mit dem ich meine konservativen Ideen austauschte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und es ist natürlich ganz allgemein bekannt, daß General von Schleicher und seine Frau auch erschossen worden sind, und ich glaube, wenn ich mich recht erinnere, ist auch General von Bredow erschossen worden, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Sie uns sagten, waren Sie auch drei Tage lang verhaftet, und Ihre Akten wurden beschlagnahmt, nicht wahr?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat das Ihren Glauben an das Regime erschüttert?
VON PAPEN: Meinen Glauben woran? Ich bitte um Entschuldigung.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hat dieser Vorgang Ihren Glauben an das Regime und Hitler erschüttert?
VON PAPEN: Allerdings. Ich habe dem Gericht gestern ausgeführt, daß mit diesem Akt der Pakt vom 30. Januar zerbrochen war.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben dann am 2. Juli, glaube ich, Ihren Rücktritt angeboten.
VON PAPEN: Nein, ich habe ihn schon vorher angeboten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, das stimmt, Sie hatten ihn schon am 18. oder 19. Juni angeboten und haben Ihr Rücktrittsgesuch am 2. Juli noch einmal wiederholt.
VON PAPEN: Ganz richtig.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, richtig, das war ein Fehler meinerseits. Wollen Sie hier vor dem Gerichtshof behaupten, daß Sie Ihr Rücktrittsgesuch wiederholten, weil Sie den Glauben an das Regime verloren hatten oder weil Sie sich durch Ihre Verhaftung, die Beschlagnahme Ihrer Akten und die Erschießung Ihrer Sekretäre in Ihrer Ehre gekränkt fühlten?
VON PAPEN: Ich habe meine Demission gegeben, einmal wegen des unmöglichen Affronts gegen meine eigene Person und meinen Stab, zweitens, weil durch diesen Akt der Pakt vom 30. Januar seitens Hitlers gebrochen war und weil jede innerpolitische Zusammenarbeit mit ihm für mich unmöglich geworden war.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich verstehe. Schauen Sie sich bitte das Dokument D-714 an.
Euer Lordschaft, es wird GB-497.
[395] Es ist ein Brief, den Sie am 4. Juli an Hitler geschrieben haben und in dem Sie sagen:
»Gestern 10 Uhr vormittags hatte ich die Ehre, nachdem am 2. 7. 9 Uhr abends die Polizeihaft gegen mich aufgehoben wurde, Ihnen mündlich meinen Standpunkt zu den Ereignissen der letzten Tage darzulegen. Dabei führte ich aus, daß ich meinen Sitz im Kabinett unmöglich einnehmen könne, bevor nicht meine Ehre und die Ehre meiner Beamten wiederhergestellt sei.
Am 30. 6. sind fünf meiner Mitarbeiter verhaftet, einer davon erschossen worden. Meine Akten sind beschlagnahmt, mein Amtszimmer versiegelt, meine Privatsekretärin gleichfalls verhaftet. Dieser Zustand dauert zur Stunde noch an.
Ein solches Vorgehen gegen den zweithöchsten Beamten des Reiches könnte nur gerechtfertigt sein, wenn er und seine Beamten sich einer Mittäterschaft an dem Komplott gegen Führer und Volk schuldig gemacht hätten.
Es liegt nicht nur im Interesse des Schutzes meiner persönlichen Ehre, sondern mehr noch der Autorität und Sauberkeit des Staates, daß hier die Schuld unverzüglich festgestellt oder die Ehre wiederhergestellt werde.«
Und dann sagen Sie weiter:
»Dem Auslande sind die Vorgänge in zum Teil entstellter Form bekannt geworden.«
und daß aus diesem Grunde keine Stunde verloren werden sollte. Sie haben an sein soldatisches Ehrgefühl appelliert und verlangt, daß der Fall dem Oberreichsanwalt überwiesen werden oder aber eine Erklärung veröffentlicht werden solle, die besagt,
»... daß die Untersuchung keinen Beweis für irgendeine Mittäterschaft an dem Komplott ergeben habe und damit die Ehre meiner Beamten und die meine wiederhergestellt« werden soll. »Falls Sie den letztgenannten Weg nicht beschreiten wollen, wäre mein weiteres Verbleiben im Kabinett unmöglich.«
Schauen Sie sich nun den Schluß des Briefes an:
»Mein Amt hatte ich Ihnen, Herr Kanzler, bereits am 18. und 19. 6. zur Verfügung gestellt. Ich kann diese Demission um so leichteren Herzens heute fordern, als das von uns am 30. 1. 33 gemeinsam begonnene Werk nunmehr gegen jeden Aufruhr gesichert scheint. Gleichzeitig bitte ich um meine Entbindung von dem Amt als Saarkommissar.
[396] Ich nehme an, daß Sie die Entscheidung über die Wiederherstellung meiner Ehre, um die ich Sie gestern bat, in den nächsten Stunden treffen werden.
Ich bleibe Ihnen und Ihrer Arbeit für unser Deutschland in Treue verbunden.«
Stimmt es, daß es Ihr Herz erleichterte, Hitlers Arbeit jetzt gegen irgendwelche weiteren Aufstände gesichert zu sehen?
VON PAPEN: Ich habe die Frage nicht verstanden.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ist es richtig, daß, wie Sie hier sagen, Ihr Herz erleichtert war, daß Hitlers Werk gegen weiteren Aufruhr gesichert schien?
VON PAPEN: Ja. Ich stand unter dem Eindruck, daß es eine Revolution gewesen sei, die er niedergeschlagen habe. Dieser Brief ist ja einen Tag nach meiner Haftentlassung geschrieben. Ich habe das Gefühl gehabt, hier ist eine Revolution gewesen; das ist nunmehr erledigt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, daß General von Schleicher und seine Frau getötet worden waren?
VON PAPEN: Ich glaube nicht, daß ich das in diesem Augenblick gewußt habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten also nur, daß Herr von Bose erschossen worden war?
VON PAPEN: Ja, das steht ja in dem Brief.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und Sie wußten, daß auch nicht der geringste Grund auf der Welt bestanden hätte, um General von Schleicher, Jung und Bose zu erschießen, nicht wahr?
VON PAPEN: Nein, den Grund habe ich nicht gewußt. Soviel ich mich erinnere...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein. Sie wußten, daß kein Grund dafür vorlag, nicht wahr?
VON PAPEN: Nein. Hitler hat auf meine Frage nach dem Grund geantwortet, daß Herr von Bose verwickelt sei in eine Angelegenheit der Weitergabe von Informationen an die ausländische Presse.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut. Wir haben also anzunehmen, daß Sie mit Kopf und Herz, in vollem Vertrauen und mit voller Aufrichtigkeit gesprochen haben, als Sie am 4. Juli 1934 sagten: »Ich verbleibe Ihnen und Ihrer Arbeit für unser Deutschland in Treue verbunden.« Ist das richtig?
VON PAPEN: Ja, weil ich hoffen mußte, daß seine weitere Arbeit, auch wenn er sich innenpolitisch von mir trennte, für Deutschland nicht zu einem Nachteil führen würde.
[397] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie brauchen nicht weiter in den Briefen zu lesen, Sie können sich darauf verlassen, daß ich sie rechtzeitig behandeln werde. Lesen Sie also die anderen nicht im voraus.
Die Folge Ihres Briefes war, daß Sie Hitler an jenem Tage sahen, nicht wahr?
Wollen Sie bitte nur meine Fragen beantworten. Ich versichere Sie, ich werde die Briefe mit Ihnen durchgehen. Sie sahen Hitler an jenem Tage?
VON PAPEN: Ich habe ihn früher gesehen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie sahen ihn auch nachher?
VON PAPEN: Ich habe ihn an dem Tage zuvor gesehen. In dem Brief steht...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie sahen ihn nach dem Brief, und Sie trafen doch mit Hitler die Vereinbarung, bis September Vizekanzler zu bleiben und dann im Auswärtigen Amt eine Stelle anzunehmen?
VON PAPEN: Ich glaube nicht, nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie das nicht glauben, schauen Sie sich bitte den nächsten Brief an, D-715, der GB-498 wird.
Es ist ein Brief vom 10. Juli 1934, der anfängt:
»Unsere Vereinbarung vom 4. Juli« – das ist das Datum des letzten Briefes – »dahingehend, daß ich bis September in meiner Stellung als Vizekanzler verbleibe und sodann im auswärtigen Dienst Verwendung finden solle, war zwischen uns auf folgender Voraussetzung begründet: Sofortige, völlige Wiederherstellung meiner Autorität und Ehre, die es mir ermöglichen würden, im Dienste des Reiches – in welcher Form auch immer – zu ver bleiben.«
Wollen Sie nun etwa dem Gerichtshof sagen, daß Sie am 10. Juli nicht wußten, daß General von Schleicher und seine Frau und auch General von Bredow getötet und auch Jung und Bose ermordet worden waren? Bestreiten Sie, daß Sie das am 10. Juli gewußt haben?
VON PAPEN: Das bestreite ich keineswegs, daß ich das gewußt habe, aber ich habe ja gefordert, wie ich dem Gericht schon gesagt habe, daß eine Untersuchung über all diese Dinge angestellt wird, damit wir genau die Gründe erfahren. Es ist dargestellt worden in der Öffentlichkeit, als sei Schleicher erschossen worden im Zustande der Notwehr. Also alle diese Dinge waren damals noch völlig unklar.
[398] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist aber doch richtig, daß Sie, wie Sie hier schreiben, mit Hitler vereinbart hatten, bis September Vizekanzler zu bleiben und unter der genannten Bedingung dann in den Auswärtigen Dienst einzutreten. Stimmt das?
VON PAPEN: Nein, das stimmt nicht, denn ich habe schon ausgeführt...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der Brief ist von Ihnen, wie Sie wissen?
VON PAPEN: Ja, dieser Brief ist geschrieben, weil Hitler mir in Aussicht gestellt hatte eine Klarstellung, eine Untersuchung, die es mir ermöglichen würde, nach Wiederherstellung meiner Ehre und Aufklärung der ganzen Verbrechen im Dienste des Reiches zu verbleiben. Aber das ist niemals erfolgt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Bose und Jung waren doch enge Mitarbeiter von Ihnen, und wenn jemand wissen mußte, ob sie unschuldig waren oder nicht, dann waren es doch Sie. Warum sind Sie dann, obwohl Sie das wußten, mit Hitler übereingekommen, noch länger Vizekanzler zu bleiben und dann in das Auswärtige Amt einzutreten?
VON PAPEN: Ich habe ja festgestellt, daß ich meine Demission genommen hatte; dieser Satz, der über mein mögliches Verbleiben im Amte spricht, ist ja nur eine Supposition. De facto hatte ich meinen Abschied genommen, und ich habe de facto seit 4. Juli überhaupt keine Regierungstätigkeit mehr ausgeübt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Schauen Sie sich doch die nächsten Worte in diesem Brief an:
»Ich hatte Ihnen zu diesem Zweck am 5. Juli einen Vorschlag für eine amtlich zu erlassende Erklärung unterbreitet, welche die Gründe darlegte, weshalb zu der Verhaftung einer Anzahl von Mitgliedern meines Büros geschritten worden sei, auf welche Weise Herr von Bose ums Leben kam und worin die Nichtbeteiligung sämtlicher Mitglieder meines Büros an der SA-Revolte festgestellt wurde. Diese von mir erbetene Erklärung ist von Ihnen nur in einem Auszug genehmigt und veröffentlicht worden, nämlich insoweit die Enthaftung und die Nichtschuld von den Herren von Tschirschky, von Savigny und meiner Privatsekretärin Stotzingen bekanntgegeben wurden.«
Sie hatten also Hitler Ihre eigene Darstellung vorgelegt und ihn gebeten, sie durchzulassen, was er aber nicht tat. Er wollte die Leute, die mit Ihnen zusammenarbeiteten ganz und gar nicht für schuldlos erklären, und trotz alledem kamen Sie mit ihm überein, als Vizekanzler weiterzuarbeiten und dann ins Auswärtige Amt einzutreten.
[399] Sie verstehen, was ich Ihnen vorhalte? Ich halte Ihnen vor, daß Sie einzig und allein um Ihre persönliche Stellung besorgt waren und darum, Ihr Ansehen wiederherzustellen. Sie waren bereit, diesen Mördern zu dienen, solange Ihrem Ansehen kein Abbruch getan wurde.
VON PAPEN: Herr Ankläger! Einen besseren Beweis für meine Absichten, mich von dem Regime zu trennen, kann ich nicht geben, als daß ich de facto meinen Abschied genommen habe. Wenn alles klargestellt worden wäre, wenn die Unschuld klargestellt worden wäre, in der meine Beamten und Angestellten ermordet und verhaftet worden sind, dann wäre vielleicht eine Möglichkeit eines Verbleibens im Reichsdienst, nicht als Vizekanzler – als solcher hatte ich ja demissioniert – möglich gewesen. Sie entnehmen aber aus dem Brief, daß Hitler keine Anstalten gemacht hat, eine solche Erklärung abzugeben.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und als Antwort darauf, daß er keine Anstalten machte, gaben Sie Ihrer Bewunderung für seine Handlungsweise auf eine noch widerlichere Weise Ausdruck. Betrachten Sie Nummer D-716; dies wird GB-499.
»Sehr verehrter Herr Reichskanzler!
Über unsere gestrige Aussprache habe ich lange nachgedacht und die mir gemachten Ausführungen, speziell die mir von Ihnen mitgeteilten Absichten in bezug auf Ihre Reichstagsrede haben mich angesichts der ungeheueren Wichtigkeit der Rede und ihrer besonderen Wirkung auch auf Deutschlands außenpolitische Stellung andauernd beschäftigt. Es drängt mich daher, ja ich fühle mich verpflichtet, Sie meine Ansicht wissen zu lassen, wie ich es auch des öfteren bei anderen Gelegenheiten früher tat.
Sie haben mir gestern auseinandergesetzt, daß Sie vor der Öffentlichkeit die ganze Verantwortung zu übernehmen beabsichtigen für alles, was auch neben der Niederschlagung der SA-Revolte geschehen sei. Wie männlich und menschlich groß ich das finde, gestatten Sie mir, Ihnen sagen zu dürfen. Die Niederschlagung der Revolte, Ihr tapferes und entschlossenes persönliches Eingreifen haben in der ganzen Welt ausnahmslos nur Anerkennung gefunden. Was im Augenblick jedoch erschwerend auf Deutschland lastet, sind lediglich die Geschehnisse, die außerhalb Ihrer eigenen Initiative und nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Revolte stattfanden, wie Sie mir an Beispielen selbst erläuterten. Das ist besonders in der englischen und amerikanischen Presse zum Ausdruck gekommen.«
[400] Dann lasse ich drei Absätze ans und lese weiter, wo Sie sagen:
»Lassen Sie mich noch einmal sagen, daß meine eigene Person oder mein Amt – abgesehen von der Wiederherstellung der persönlichen Ehre – keinerlei Rolle spielen und nur insofern zur Debatte stehen, als die Vorgänge in der Vizekanzlei am 30. Juni in der Öffentlichkeit als Folge eines Bruches zwischen Ihnen und mir ausgewertet werden.«
Und nachdem Sie noch eine Weile in derselben Art fortfahren, schließen Sie:
»In unveränderter Verehrung und Treue.«
Lief das nicht darauf hinaus, Angeklagter, daß, wenn nur Ihr Ansehen wiederhergestellt wurde, es Ihnen nichts ausmachte, ob Ihre Mitarbeiter erschossen würden oder ob sich die Regierung, der Sie als Mitglied angehörten, des Mordes zur Verwirklichung ihrer politischen Ideen bediente? Das alles machte Ihnen nichts aus, solange Sie Ihr eigenes Ansehen und die Aussicht auf eine spätere Stellung im Auswärtigen Dienst behalten konnten.
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Warum haben Sie dann solche Dinge an den Führer einer Verbrecherbande, die Ihre Mitarbeiter ermordet hatten, geschrieben? Warum haben Sie an ihn geschrieben:
»Die Niederschlagung der Revolte, Ihr tapferes und entschlossenes persönliches Eingreifen haben in der ganzen Welt ausnahmslos nur Anerkennung gefunden.«
Warum schrieben Sie das?
VON PAPEN: Weil ich zu diesem Datum der Ansicht war, daß in der Tat eine Revolution stattgefunden hatte, daß Hitler sie beseitigt hatte. Daß auf der anderen Seite viele Leute umgebracht waren, Angehörige meines eigenen Büros, da sollte Hitler ja wieder – sollte er die Wahrheit feststellen. Wenn er mir sagte, daß er selber dafür die Verantwortlichkeit übernehmen wolle, so hielt ich das für einen ausgezeichneten Akt, aber nicht in dem Sinne, wie Hitler es getan hatte nachher, indem er erklärte im Reichstag, daß diese Vorgänge rechtens sind. Ich habe darunter verstanden, daß, wenn er selber die Verantwortung übernehmen wollte für diese Vorgänge, daß er sie vor der Welt aufklären wird, aber nicht durch ein Gesetz erklären vor der Welt, daß sie rechtens sind ohne Nachforschung.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie etwa dem Gerichtshof sagen, daß Sie am 12. Juli dachten, es bestünde der geringste Zweifel oder die Möglichkeit, daß Ihr Freund Jung des Hochverrats gegen das Reich schuldig sei oder einer Verschwörung gegen Hitler schuldig gewesen sei? Haben Sie das auch nur einen Augenblick lang geglaubt?
[401] VON PAPEN: Herr Hitler hat mir damals erklärt, daß die Erschießung Boses erstens mal nur eine...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, ich habe Sie zuerst nur über Ihre eigene Meinung gefragt. Ich habe gefragt, ob Sie für einen Moment geglaubt haben, daß Jung des Hochverrats gegen das Reich oder einer Verschwörung gegen Hitler schuldig war.
VON PAPEN: Nein, sicherlich nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, Sie wußten doch sehr wohl, daß Hitler sich im Hinblick auf die öffentliche Meinung im Auslande wegen der Veröffentlichungen über den Bruch zwischen Ihnen und ihm Sorgen machte?
Sie wußten doch, daß nach diesem Blutbad die Unterstützung eines Exreichskanzlers, der, wie Sie sagten, aus einer katholischen und alten Familie stammte und hochangesehen in katholischen Kreisen war, daß die Unterstützung eines solchen Mannes mach diesem Blutbad, das die Meinung im Auslande sehr beunruhigt hatte, für ihn sehr wertvoll sein werde? Sie wußten das, nicht wahr?
VON PAPEN: Nein, aus diesem Brief scheint hervorzugehen, daß ich Herrn Hitler andauernd gebeten habe festzustellen, weshalb und warum gegen meine Mitarbeiter und mich in dieser Weise vorgegangen worden ist. Er sollte das der Welt sagen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber, Herr von Papen, wenn Sie als ehemaliger Reichskanzler und, wie Sie selbst sagen, als einer der führenden Katholiken in Deutschland und ehemaliger Offizier der Kaiserlichen Armee, wenn Sie damals gesagt hätten: »Ich will mit Mord, mit kaltblütigem Mord als Werkzeug der Politik nichts zu tun haben«, dann hätten Sie doch wahrscheinlich, wenn auch unter einem gewissen persönlichen Risiko, diese ganze verfaulte Regierung gestürzt. Stimmt das nicht?
VON PAPEN: Das ist möglich; aber wenn ich es öffentlich gesagt hätte, würde ich wahrscheinlich ebenso irgendwo verschwunden sein wie meine Mitarbeiter, und im übrigen wußte ja die Welt durch meinen Rücktritt, daß ich mich mit dieser Sache nicht identifizierte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Dann wollen wir uns einmal ansehen, was Sie geschrieben haben. Schauen Sie sich Dokument D-717 an, das GB-500 wird, und Sie sehen, wie es die Bedeutung, die Hitler Ihrer Unterstützung beigelegt hat, noch unterstreicht. Sehen Sie sich bitte den zweiten Absatz an – ich will ihn verlesen, da er ganz kurz ist. Sie sagen hier:
»Ich hoffe, Sie haben meinen gestrigen Brief erhalten und so aufgenommen, wie er gemeint war.
[402] Heute bitte ich Sie aus persönlichen Gründen, mich von der Teilnahme an der Reichstagssitzung zu dispensieren. Sie vertraten zwar gestern die Auffassung, mein Fernbleiben könne den Eindruck erwecken, als sei zwischen uns Unstimmigkeit. Dieser Eindruck wird aber sicherlich nicht bestehen können, wenn Sie in Ihren Ausführungen den Fall der Vizekanzlei in der von Ihnen mir zugesagten Form behandeln.
Ich habe in all diesen Tagen größte Zurückhaltung nach außen geübt und mich so wenig als möglich gezeigt, und Sie wenden es sicherlich verstehen, wenn ich erst dann wieder vor die Öffentlichkeit treten möchte, wenn jeder Schatten von mir genommen ist.
Den Fraktionsvorsitzenden habe ich gleichfalls gebeten, mein Fernbleiben zu entschuldigen.«
Wer war der Fraktionsvorsitzende? War das der Vorsitzende der Nazi-Partei?
VON PAPEN: Nein, ich glaube, daß der Fraktionsvorsitzende Dr. Frick war.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Das war die Regierungspartei, nicht wahr?
VON PAPEN: Ja, aus diesem Schreiben geht ja hervor, daß ich Hitler gebeten habe, vor dem Reichstag Rechenschaft abzugeben über die gegen mich und meine Mitarbeiter unternommenen Sachen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wollten, daß er eine Erklärung dahingehend abgebe, daß Ihre Loyalität ihm gegenüber stets die gleiche geblieben sei. Das wollten Sie doch?
VON PAPEN: Nein, ich wollte...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie anderer Meinung sind, dann schauen Sie sich D-718 an, welches GB-501 wird, und Sie werden sehen, was Sie am nächsten Tag sagen:
»Sehr verehrter Herr Reichskanzler! Nachdem Sie gestern abend der Nation und der Welt den großen Rechenschaftsbericht der inneren Entwicklung, die zum 30. Juni führte, gegeben haben, habe ich das Bedürfnis, Ihnen, wie einst am 30. Januar 1933, die Hand zu drücken und zu danken für alles, was Sie durch die Niederschlagung der beabsichtigten zweiten Revolution und durch die Verkündung unverrückbarer staatsmännischer Grundsätze dem deutschen Volke neu gegeben haben.
Schmerzvolle tragische Umstände haben verhindert, daß ich zum erstenmal seit dem 30. Januar nicht an Ihrer Seite erscheinen konnte. Sie selbst haben mich dispensiert und [403] haben Verständnis dafür gehabt, daß der Vizekanzler nicht auf der Ministerbank Platz nehmen kann, solange er sich unter einem Sonderregime befindet. (Meine beschlagnahmten Akten sind trotz Görings und Ihres eigenen Befehls mir auch bis heute noch nicht wieder zugestellt worden.)
Ihre Feststellungen legen es vor der Geschichte klar, daß jede Verdächtigung einer Verbindung meiner Person mit den hochverräterischen Umtrieben eine bewußte Verleumdung und Ehrabschneidung gewesen ist. Ich danke Ihnen für diese Feststellung.«
Dann, nachdem Sie sagen, daß die Leute das aber immer noch glaubten, sagen Sie im vorletzten Absatz:
»Ich wäre deshalb dankbar, wenn Sie bald einmal Gelegenheit fänden, positiv festzustellen, daß ich bis heute« – das war der 14. Juli – »in Loyalität für Sie, Ihre Führerschaft und Ihr Werk um Deutschland eingestanden bin und gekämpft habe.«
Nun, Herr Angeklagter, wollen Sie immer noch bestreiten, was ich Ihnen eben vorgehalten habe, daß Sie nichts anderes wollten, als vor der Welt Ihre Loyalität für das Regime klar festgestellt haben? Sie machten sich keine Gedanken darüber, daß Schleicher und seine Frau, Bose und Jung und alle die anderen Leute von der Reichsregierung ermordet worden waren. Wie hätten Sie sonst einen solchen Brief schreiben können?
VON PAPEN: Ich habe diesen Brief geschrieben, wie das ja aus diesem Brief hervorgeht, weil ich weiterhin angeklagt wurde eines Einverständnisses mit den Mordversuchen an Göring, Goebbels und anderen Konspirationen. Deswegen liegt mir daran, festzustellen oder es liegt mir daran, daß der Reichskanzler Hitler feststellte, daß ich keine Konspirationen gegen ihn im Gesamtbetrieb dieses Aufstandes unternommen habe. Natürlich befasse ich mich in diesem Schreiben zunächst mit meiner Position, den Positionen meiner Mitarbeiter. Die Wiederherstellung der Ehre des Generals von Schleicher war ja die Aufgabe der Armee und war ja nicht meine Aufgabe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde darauf zurückkommen, wenn wir die Wehrmacht behandeln. Im Augenblick halte ich Ihnen folgendes vor: Obgleich Sie wußten, daß außer Ihren alten Kollegen Ihre eigenen Freunde ermordet worden waren, haben Sie immer wieder Ihre Loyalität beteuert und sich auf die Tatsache berufen, daß Sie mit Hitler immer zusammengearbeitet und seine Arbeit unterstützt haben; war das ehrlich? Ist der Inhalt dieses Briefes ehrlich gemeint, oder wollen Sie sagen, daß es nur Lügen waren, die Sie selbst schützen sollten?
[404] VON PAPEN: Nein, ich habe das geschrieben, weil ja in der Tat das ganze Vorgehen gegen mich, der versuchte Mord an mir durch Himmler, die Tatsache, daß ich verhaftet wurde, alle basiert waren auf der Annahme, daß ich teilgenommen hätte an einer Konspiration gegen die Regierung Hitlers. Es mußte also klargestellt werden, daß ich gegen diese Regierung, solange wie ich ihr angehört habe, in vollster Loyalität gehandelt hatte. Das ist der Grund, warum ich um diese Feststellungen bitte.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wie Sie sich erinnern werden, hat Ihr geschätzter Verteidiger dem Baron von Lersner auf Ihre Veranlassung hin einen Fragebogen vorgelegt. Es ist Nummer 2a auf Seite 212 des dritten Dokumentenbuches der Verteidigung. Frage 2a:
»... der Angeklagte von Papen an der Hoffnung festgehalten,... die Politik Hitlers mit der Durchtränkung konservativer Ideen auf den von ihm erstrebten Weg zu bringen, bis die am 30. 6. 1934 erfolgten Morde und deren Rechtfertigung durch Hitler ihn überzeugten, daß seine Bemühungen und seine Hoffnung umsonst gewesen seien?«
Und Baron von Lersner hat natürlich diese Frage bejaht.
VORSITZENDER: Welche Frage war das?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: 2a auf Seite 212.
VORSITZENDER: Es ist nicht in dem uns vorliegenden Exemplar enthalten.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung...
VORSITZENDER: 2h?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Verzeihung, das ist meine Schuld, das »h« ist so verwischt, daß ich es für ein »a« gehalten habe. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Die Frage ist wirklich 2h.
[Zum Zeugen gewandt:]
Drückt das richtig Ihre Ansichten aus: »... bis die am 30. 6. 1934 erfolgten Morde und deren Rechtfertigung durch Hitler ihn« – das sind doch Sie – »überzeugten, daß seine Hoffnungen und Bemühungen umsonst gewesen seien.« Stimmen Sie damit überein? Das ist doch ein Fragebogen, der von Ihrem eigenen gelehrten Herrn Verteidiger vorgelegt worden ist?
VON PAPEN: Ja, ich stimme damit überein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn das Ihre Ansicht ist, warum schrieben Sie dann diese Briefe, in denen Sie so eine widerliche Bewunderung für Hitler zum Ausdruck bringen?
VON PAPEN: Was ich in dem Fragebogen zum Ausdruck bringen will, oder was ich Herrn Lersner fragen will, ist folgendes: Ist es richtig...
[405] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die Antworten, die der Zeuge erwartet, gehen ja aus seinen Fragen hervor. Dies ist eines der besten Beispiele für eine Suggestivfrage, das ich je gesehen habe. Sie sagen, daß dieser Fragebogen Ihre Ansicht ausdrückt, nicht wahr?
VON PAPEN: Ich darf vielleicht sagen, wenn ich dieser Ansicht war, daß mit dem 30. Juni es offensichtlich wurde, daß eine weitere Zusammenarbeit mit Hitler nicht mehr möglich war und daß infolgedessen das Koalitionsprogramm, das zwischen uns vereinbart war, zusammengebrochen war,...
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie sagen doch immer wieder, daß Ihre Loyalität und Bewunderung unverändert geblieben seien und daß Sie für ihn gearbeitet hätten: »Ich bleibe Ihnen in Treue verbunden in Ihrer Arbeit für unser Deutschland.«
Wenn Ihre Ansicht so war, wie sie in dem Fragebogen zum Ausdruck kommt, daß die Grundlagen Ihres Glaubens erschüttert worden waren, warum schreiben Sie, daß Sie dem Werk Hitlers für Deutschland loyal ergeben bleiben?
VON PAPEN: Ich habe Ihnen und dem Gericht schon erklärt, daß ich hoffte, daß trotz dem Zusammenbruch der inneren Lage Hitler auf dem Gebiet der Außenpolitik eine vernünftige Politik machen würde. Er war aber da, wir konnten ihn doch nicht wegschaffen, wir hatten doch mit Hitler zu rechnen und mit seiner Regierung. Alle die Herren haben ja weiter mitgearbeitet, ich bin der einzige gewesen, der ausgetreten ist. Alle diese Briefe, durch welche Sie beweisen wollen, daß ich unaufrichtig oder nicht wahrheitsgetreu sei, oder wie Sie es nennen, daß ich ein Lügner oder ein Betrüger sei, können vor der Welt die Tatsache nicht ableugnen, daß ich damals meinen Abschied genommen habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und elf Tage später eine andere Beschäftigung angenommen haben. Elf Tage nach dem letzten Brief haben Sie es übernommen, diese – ich will nicht sagen Mörderbande – sondern diese Regierung, die sich des Mordes zur Verwirklichung ihrer politischen Ideen bediente, als Bevollmächtigter für Österreich zu vertreten. Das war elf Tage nach Ihrem letzten Brief.
Wir wollen sehen, ob das Mordmotiv nicht auch in dieser Angelegenheit eine Rolle spielt. Glaubten Sie, daß Hitler hinter dem Juli-Putsch in Österreich gesteckt hatte, durch den es zur Ermordung des Kanzlers Dollfuß gekommen ist?
VON PAPEN: Ich wußte, daß der von ihm für die Führung der österreichischen Partei abgeordnete Herr Habicht jedenfalls mit dieser Sache im Zusammenhang stand. Daß Herr Hitler selber diesen Akt gebilligt hätte, das ist mir nicht bekannt gewesen.
[406] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Glaubten Sie, daß das Deutsche Auswärtige Amt etwas mit dem Juli-Putsch zu tun hatte?
VON PAPEN: Das deutsche Außenamt hat mit dem Juli-Putsch gar nichts zu tun nach meiner Auffassung.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Glaubten Sie, daß Dr. Rieth – wenn das sein Name ist – ja richtig, Rieth, der Deutsche Gesandte in Wien – glaubten Sie, daß er hinter dem Putsch steckte?
VON PAPEN: Nein, mir ist nur bekannt, daß Dr. Rieth mit der Österreichischen Regierung verhandelt hat.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten also nicht, daß Hitler dahintergesteckt hatte. Sie bestreiten, daß das Deutsche Auswärtige Amt damit zu tun hatte. Sie wußten nicht, daß Dr. Rieth dahintergesteckt hatte? Jetzt sehen Sie sich einmal Seite 96 des Dokumentenbuches 11a an, Seite 79 und 80 im deutschen Text.
Es ist ein Bericht von Ihnen vom nächsten Jahr. Ich behandle ihn außerhalb der zeitlichen Reihenfolge, weil Sie darin in einem Satz die Tatsachen zusammenfassen. Und wenn Sie sich den Absatz ansehen – ich glaube, es ist der letzte auf Seite 79 im deutschen Text.
Es ist der vorletzte Absatz auf Seite 96 des Dokumentenbuches 11a, Euer Lordschaft.
Ich zitiere:
»Die von der persönlichen Unterredung zwischen dem Führer und Reichskanzler und dem Italienischen Staatschef zu Stresa erhoffte Ausgleichung des deutsch-italienischen Gegensatzes wurde durch die drohende Stellungnahme Mussolinis, anläßlich der Erschießung seines Freundes Dollfuß, wie durch die Teilmobilisierung italienischer Korps am Brenner in das schroffe Gegenteil gewandelt. Es zeigte sich, daß der durch meine Entsendung nach Wien gemachte Versuch, ›normale und freundschaftliche Beziehungen wiederherzustellen‹, nach dem Vorausgegangenen nicht ohne weiteres möglich war. Das Mißtrauen in die Gewaltmethoden der NSDAP Österreichs« – sehen Sie sich bitte die nächsten Worte an – »beeinflußt, wie sich durch die geführten Prozesse immer mehr herausgestellt hatte, von führenden reichsdeutschen Persönlichkeiten – war zu groß, der Eindruck der terroristischen Methoden und des Todes des Bundeskanzlers zu nachhaltig auf weiteste Kreise gewesen.«
Sagen Sie dem Gerichtshof, Angeklagter, wer waren die führenden deutschen Persönlichkeiten, von denen Sie hier sagen, daß sie den Juli-Putsch vom Jahre 1934 und den Dollfußmord unterstützt haben? Wer waren sie?
[407] VON PAPEN: Keinesfalls der frühere Deutsche Gesandte in Wien, Herr Rieth, sondern ausschließlich der Herr Habicht und die ihm untergeordneten Persönlichkeiten, welche damals im Auftrage von Hitler die österreichische Politik der Nazis geleitet haben.
Aber ich darf darauf aufmerksam machen, daß in diesem Satz ja steht: »Das Mißtrauen in die Gewaltmethoden der Nazis Österreichs,... wie es sich durch die geführten Prozesse immer mehr herausgestellt hat...« – das ist ja eine Erkenntnis, die wir ein Jahr später gehabt haben, nicht damals, als ich beauftragt wurde.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will folgendes wissen: Ich habe gefragt, wer die führenden reichsdeutschen Persönlichkeiten waren? Wollen Sie etwa behaupten, daß Habicht, der nur ein Verbindungsmann der NSDAP in Österreich war, eine führende reichsdeutsche Persönlichkeit gewesen sei. Wer waren sie denn? Sie wollen doch nicht sagen, daß österreichische Nazis führende reichsdeutsche Persönlichkeiten gewesen sind? Wer waren die führenden reichsdeutschen Persönlichkeiten, von denen Sie da sprechen?
VON PAPEN: Die führende Persönlichkeit war zweifellos Herr Habicht. Aber dieser Brief ist auch geschrieben, um dem Hitler zu sagen: »Hier, bitte, sieh', was Du angerichtet hast.«
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie ernstlich, daß der Gerichtshof diese Behauptung als Grundlage zur Beurteilung Ihrer Glaubwürdigkeit annimmt, daß Sie mit »leitenden reichsdeutschen Persönlichkeiten« Herrn Habicht gemeint haben und sonst niemand, obwohl Sie den Plural verwendet haben. Wollen Sie, daß der Gerichtshof das annehmen soll? Denken Sie gut nach, ehe Sie antworten. Erinnern Sie sich nicht, daß General Glaise-Horstenau sich nicht einmal des Namens von Habicht entsinnen konnte, als er hier aussagte. Sie können doch nicht ernstlich behaupten, daß Sie einen Agenten der österreichischen NSDAP als »führende reichsdeutsche Persönlichkeit« bezeichnet haben. Sie können uns doch bestimmt eine bessere Antwort geben. Denken Sie nochmal darüber nach, und sagen Sie dem Gerichtshof, wen Sie damit meinten.
VON PAPEN: Herr Ankläger! Herr Habicht war nicht ein Agent, sondern Herr Habicht war von Hitler eingesetzt, als der Führer der österreichischen Partei, also kann ich ihn doch mit Recht eine führende Persönlichkeit nennen. Wenn Hitler selbst damals von den Dingen Kenntnis gehabt hat, dann wird er ja beim Lesen meines Briefes gewußt haben, worauf ich anspiele.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber auch wenn ich Ihnen Habicht zugestehen wollte, was ich jedoch bestimmt nicht tun werde, so ist das doch nur ein einziger Mann. Wer waren aber die anderen? Sie sprechen von reichsdeutschen Persönlichkeiten. Wer sind denn [408] die anderen Leute, die hinter diesem Putsch und Mord gesteckt haben?
VON PAPEN: Ich muß nun offen sagen, daß nach zwölf bis dreizehn Jahren, die seit damals vergangen sind, ich mich nicht mehr erinnern kann, welche Leute ich im Auge gehabt habe, als ich das schrieb. Jedenfalls war der Zweck dieses Briefes, und das wird Ihnen einleuchten, Herrn Hitler zu sagen, diese Methoden, die dort angewandt sind, waren viel schädlicher, viel unglaublicher, als wir es damals gewußt haben.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, ich nehme das hin. Gehen wir jetzt von der Tatsache aus, daß Sie von verschiedenen ungenannten prominenten reichsdeutschen Persönlichkeiten wußten, die hinter der Ermordung Dollfuß' gesteckt hatten.
Wir wollen nun weitergehen und sehen, was Sie über Herrn Messersmith sagen. Soweit ich verstehe, bestreiten Sie mit ziemlicher Heftigkeit, wenn ich so sagen darf, was er über Sie sagt. Darum wollen wir uns noch einmal ansehen, was er sagt und wieviel davon Sie ernstlich als unwahr bezeichnen wollen.
Euer Lordschaft! Ich glaube, ich habe Ihnen gestern gesagt, auf welche Dokumente ich mich berufen werde. Affidavit 1760-PS finden wir im Dokumentenbuch 11; auf Seite 22 ist die wesentliche Stelle. Die andere eidesstattliche Versicherung ist 2385-PS, auf Seite 24, Buch 11a. Sie ist etwas kürzer.
Ich glaube, Angeklagter, Sie sollten sich Dokument 1760-PS ansehen, es beginnt auf Seite 3. Ich möchte, daß Sie sich die Stelle in der eidesstattlichen Erklärung heraussuchen – ich fürchte, ich kann Ihnen nicht genau die deutsche Stelle angeben – in der er über Sie spricht.
Es ist auf Seite 22, Euer Lordschaft.
Der Absatz beginnt: »Daß die Anschlußpolitik vollkommen unverändert blieb, wurde mir von Franz von Papen bei seiner Ankunft in Wien als Deutscher Gesandter bestätigt.«
Haben Sie die Stelle gefunden, Angeklagter?
VON PAPEN: Nein.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Auf Seite 12 der deutschen Übersetzung.
VON PAPEN: Seite 12?
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Seite 12 genau in der Mitte der Seite.
VON PAPEN: Ja. Seite 12, ich habe es.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Vielleicht können Sie den Absatz finden, der beginnt: »Daß die Anschlußpolitik vollkommen unverändert blieb, wurde mir von Franz von Papen bei seiner Ankunft [409] in Wien als Deutscher Gesandter bestätigt.« Können Sie das finden? Es steht ungefähr auf der Mitte der Seite.
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, wenn Sie sich das Affidavit des Herrn Messersmith etwas weiter unten ansehen, finden Sie folgendes:
»Als ich von Papen in der Deutschen Gesandtschaft besuchte, begrüßte er mich mit den Worten: ›Jetzt sind Sie in meiner Gesandtschaft, und ich kann die Unterhaltung führen.‹ In offenster und zynischster Art und Weise fuhr er dann fort, mir zu erzählen, daß ganz Südeuropa bis zu der türkischen Grenze Deutschlands natürliches Hinterland sei und daß er dazu berufen sei, die deutsche wirtschaftliche und politische Kontrolle über dieses ganze Gebiet für Deutschland zu erleichtern. Er sagte offen und ungeschminkt, daß das Erreichen der Kontrolle über Österreich der erste Schritt hierzu sei. Er erklärte mit Bestimmtheit, daß er in Österreich sei, um die Österreichische Regierung zu untergraben und zu schwächen und um von Wien aus an einer Schwächung der Regierung in anderen Staaten im Süden und Südosten zu arbeiten. Er sagte, daß er seinen Ruf als guter Katholik ausnützen werde, um Einfluß auf gewisse Österreicher wie Kardinal Innitzer zu diesem Endzweck auszuüben. Er sagte, daß er mir das erzähle, weil die Deutsche Regierung sich auf dieses Ziel, nämlich die Kontrolle über Südeuropa zu erhalten, festgelegt habe und daß nichts sie zurückhalten könne und daß unsere eigene Politik und die Politik Frankreichs und Englands nicht realistisch sei.«
Sodann sagt Herr Messersmith, er habe Ihnen gesagt, er sei empört, worüber Sie nur gelächelt und gesagt hätten, daß diese Unterhaltung natürlich nur zwischen Ihnen und Herrn Messersmith bleiben dürfe und daß Sie zu anderen nicht so offen sprechen würden.
Er fährt fort:
»Ich bin bei dieser Unterhaltung in Einzelheiten gegangen, weil sie kennzeichnend für die unbedingte Offenheit und Unumwundenheit ist, mit der hohe Nazi-Beamte von ihren Zielen sprachen.«
Nun haben Sie dem Gerichtshof erklärt, daß Sie Herrn Messersmith nichts Derartiges gesagt hätten. Wenn wir einmal absehen davon, ob Sie das Herrn Messersmith gesagt haben oder nicht, wollen Sie abstreiten, daß dies Ihre Ziele und Absichten waren?
VON PAPEN: Ja, ich streite absolut ab, daß meine Zwecke und Ziele die gewesen sind, die Herr Messersmith in seinem Affidavit hier angibt. Ich habe gestern das Gericht...
[410] SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich will das zuerst nur kurz besprechen. Wollen Sie noch einmal das Dokument aufnehmen, das Sie eben erst betrachtet haben? Es ist das Dokument 2248-PS.
Euer Lordschaft! Es befindet sich auf Seite 96 im Dokumentenbuch 11a. Ich möchte auf Seite 97 übergehen, Seite 81 im deutschen Buch.
Nun, Angeklagter, dies war Ihre Anschauung im Jahre 1935. Sehen Sie sich den Anfang von Seite 81 im deutschen Text an.
Euer Lordschaft! Es ist der erste Abschnitt auf Seite 97:
»Die große historische Rede des Führers vom 21. Mai d. J. und später das Flottenabkommen brachten eine starke außenpolitische Entlastung nach der englischen Seite. Aber die klare und endgültige Definierung des Verhältnisses des Nationalsozialismus zur sowjetischen Staatsdoktrin hatte die russisch-französischen Bemühungen, uns im Osten und Südosten lahm zu legen, selbstverständlich verdoppelt, ohne zugleich durch den klaren Ver zicht auf die Annektion oder den Anschluß Österreichs eine Entlastung nach der Gegenseite zu erzielen.
Der Versuch jeder wirtschaftlichen und mehr noch jeder politischen Offensive des neuerstandenen Dritten Reiches nach dem europäischen Südosten muß zwangsweise auf eine gesamteuropäische Front stoßen.«
Wer hat Sie denn auf die Idee einer wirtschaftlichen oder politischen Offensive nach dem Südosten Europas gebracht? Hatten Sie das mit dem Angeklagten von Neurath besprochen?
VON PAPEN: Nein, durchaus nicht.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Glauben Sie, daß Sie in Ihrem eigenen Namen gesprochen haben?
VON PAPEN: Selbstverständlich, ich stelle ja nur eine Negative fest. Ich stelle fest, Sir David, daß ein Vordrängen in den Südostraum an die gesamte europäische Front stoßen muß. Also ich warne davor.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie werden verstehen, Herr von Papen, daß ich im Augenblick keine Erklärung dazu abgeben kann. Ich kann nur Ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge lenken. Ich frage Sie lediglich, ob der Außenminister es war, der Sie auf diese Idee gebracht hat, oder ob es Ihre eigene Idee war. Sie sagen, es war Ihre eigene Idee.
VON PAPEN: Ja.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie sich nun Seite 82 an.
Es ist auch auf Seite 97 im englischen Text.
[411] Sie fahren dort wie folgt fort:
»Diese realpolitische Betrachtung der europäischen Konstellation ergibt ohne weiteres, daß das deutsch-österreichische Problem, in der nahen Zukunft jedenfalls, von der außenpolitischen Seite mit Erfolg nicht angefaßt werden kann. Wir müssen uns vorläufig damit bescheiden, den internationalen Status Österreichs für eine spätere Lösung nicht verschlechtern zu lassen. In dieser Beziehung scheint die Gefahr eines Nichteinmischungspaktes mit bilateralen Sicherungsverträgen erfolgreich abgewehrt. Das Heranreifen einer Lösung war und bleibt nur der Gestaltung des deutsch-österreichischen Verhältnisses in sich überlassen.«
Warum fürchteten Sie sich so sehr vor einem Nichteinmischungspakt, wenn Ihrer Meinung nach die österreichische Frage nur auf evolutionärem Wege und nur durch den eigenen Willen Österreichs gelöst werden sollte? Warum befürchteten Sie einen Nichteinmischungspakt, der das Reich verpflichten würde, sich in die Politik Österreichs nicht einzumischen?
VON PAPEN: Aus einem sehr einfachen Grunde. Alle politischen Kombinationen, die damals von der Gegenseite getroffen wurden, hatten nur das eine Ziel, Österreich in eine Kombination hineinzustellen, sei es ein Donau-Pakt, sei es ein Pakt mit Italien und Frankreich, eine Situation, die es unmöglich machte, den Anschlußgedanken vorwärtszubringen. Infolgedessen mußte unser selbstverständliches politisches Ziel sein und bleiben, den internationalen Status Österreichs nicht verschlechtern zu lassen, wie ich es hier ausgeführt habe.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jawohl, das ist die Antwort, die ich von Ihnen erwartet habe. Sehen Sie sich nun den nächsten Absatz auf Seite 83 an:
»Die deutsche Nation hat durch Jahrhunderte einen wahren Leidensweg für die Erringung ihrer Einheit durchschreiten müssen. Mit dem Aufbruch des Nationalsozialismus und der Begründung des Dritten Reiches durch die endgültige Erschlagung allen einzelstaatlichen Partikularismus schien eine einzigartige, nie wiederkehrende Gelegenheit gegeben, Bismarcks Werk zu vollenden und das deutsch-österreichische Verhältnis – als dynamische Folge des innerdeutschen Geschehens – einer Lösung näherzubringen.«
Ich möchte versuchen, ganz kurz darzulegen, was Sie mit der Vollendung des Werkes dieses Mannes meinen, weil ich hoffe, daß wir über die ältere Geschichte nicht verschiedener Meinung sind, was wir auch über die neuere Geschichte denken mögen. Ich verstehe Ihre Ansicht dahin, daß die Gründung des Deutschen Reiches durch Bismarck vom Jahre 1871 nur der Versuch einer Lösung war, die [412] das Habsburger Reich von Deutschland getrennt hielt und daß die endgültige Vollendung seines Werkes darin bestehen sollte, die alten Habsburgischen Hausländer zusammen mit den Ländern zurückgeführt werden sollten, die zum Heiligen Römischen Reich gehört hatten. Ist das nicht im großen und ganzen, was Sie meinen?
VON PAPEN: Ganz recht. Nicht die Habsburger Staaten alle, sondern Österreich, der deutsche Anteil.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Die ursprünglichen Habsburger Gebiete?
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Richtig. Ich hoffe, ich drücke mich objektiv genug aus.
VON PAPEN: Jawohl.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was haben Sie gemeint, wenn Sie in diesem Zusammenhang sagen, daß das deutsch-österreichische Verhältnis als »dynamische Folge des innerdeutschen Geschehens« einer Lösung näherzubringen wäre? Was haben Sie damit gemeint?
VON PAPEN: Damit meine ich folgendes: Noch niemals in der deutschen Geschichte war es vorgekommen, daß eine große Partei, welche die Einheit Deutschlands auf ihre Fahne geschrieben hatte, in beiden Ländern bestand. Das war eine einmalige historische Erscheinung, und ich wollte damit ausdrücken, daß die Dynamik dieser Bewegung in beiden Ländern, die auf eine Einheit drängt, eine Aussicht auf eine Lösung gibt.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie bitten, Angeklagter, mir folgenden schwierigen Punkt zu erklären: Wie konnten Sie eine Zustimmung zu einer Zentralisierung in Deutschland mit einer Nazi-Regierung, deren skrupelloses Programm Sie doch nach den Ereignissen vom 30. Juni 1934 kennen mußten, in Einklang bringen – wie konnten Sie ein skrupelloses zentralisiertes Deutschland mit einer evolutionären Lösung des österreichischen Problems in Einklang bringen? Das ist nämlich, was dieser Abschnitt zum Ausdruck bringt. Ich behaupte, daß sein eigentlicher Sinn viel einfacher ist, als Sie uns gesagt haben. Er bedeutet nämlich, daß Sie darauf aus waren, Österreich bei der ersten Gelegenheit in das nationalsozialistische Reich einzuverleiben.
VON PAPEN: Selbstverständlich mußte ich mit den gegebenen Verhältnissen rechnen und habe mit ihnen gerechnet wie jeder Realpolitiker. Also ich wollte versuchen, mit Hilfe der vorhandenen Faktoren der Na tionalsozialistischen Partei in beiden Ländern zu einer Lösung zu kommen, aber ich sehe keinen Widerspruch, Sir David. Sie sagen, wieso ich mein Ziel erreichen könnte durch Zentralismus. Wenn Sie das Ende meines Berichtes gütigst sehen wollen, [413] dann werden Sie finden, daß ich Hitler ja einen Dezentralismus vorschlage.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich im Augenblick von Ihnen hören will, ist eine Erklärung Ihres Ausdruckes »dynamische Folge des innerdeutschen Geschehens«. Kurz gesagt, Angeklagter, Sie sollen sich darüber klar werden – es ist nicht meine Sache, darüber mit Ihnen zu streiten –, daß der erste Punkt der Erklärung des Herrn Messersmith die Frage dieser Aktion in Südosteuropa aufwirft. Seine zweite Behauptung war, daß Sie sich zuerst mit der österreichischen Frage befassen wollten.
Wollen Sie freundlichst im selben Dokumentenbuch Seite 102 aufschlagen. Sie finden dort Ihren eigenen Bericht vom 18. Oktober 1935. Ich möchte nämlich, daß Sie auf den dritten Vorwurf, den Herr Messersmith gegen Sie erhoben hat, antworten, nämlich, daß Sie in Österreich auf eine Schwächung des Regimes hinzuarbeiten beabsichtigten, was Sie bestritten haben.
Ich will nur den ersten Satz vorlesen, damit Ihnen die Sache ins Gedächtnis zurückgerufen wird. Der Bericht, von dem ich spreche, ist vom 18. Oktober 1935. Sie sprechen darin über die Umbildung des österreichischen Kabinetts – es ist ein neues Dokument, GB-502, Euer Lordschaft –, Dokumentenbuch 11a, Seite 106 und beginnt wie folgt:
»Die gestrige Kabinettsumbildung gleicht einem kalten, von Starhemberg und der Heimwehr durchgeführten Putsch. Es stellt sich heraus, daß der Minister Fey von seiner beabsichtigten Ausbootung frühzeitig Kenntnis erhalten hatte und bereits gestern nachmittag die öffentlichen Gebäude Wiens durch die ihm ergebene Wiener Heimwehr besetzen ließ. Die Regierung parierte diese Maßregel, indem sie gleichzeitig die Besetzung durch Polizei verstärkte.«
Sie fahren dann mit der Besprechung dieser Angelegenheit fort. Das ist zu Beginn des Berichtes. Sodann, ungefähr in der Mitte der nächsten Seite, sagen Sie folgendes:
»Trotz des offenbaren Sieges des Vizekanzlers und des heißen Bemühens der österreichischen Presse, die Kabinettsumbildung mit Gründen innerer Konsolidierung plausibel zu machen, herrscht in der österreichischen Öffentlichkeit – auch in Heimwehrkreisen – das Gefühl, einer völlig unsicheren Entwicklung entgegenzugehen.
Von unserem Gesichtspunkte aus ist die Änderung der Dinge nur zu begrüßen. Jede neue Auflockerung des Systems ist von Vorteil, auch wenn sie sich im Effekt zunächst gegen uns zu richten scheint. Die Fronten geraten in Bewegung, und es wird unsere Sorge sein müssen, sie in Bewegung zu halten.«
[414] Geht daraus nicht ganz klar hervor, Angeklagter, daß Sie der Ansicht waren, daß es, solange es politische Ungewißheit oder politische Störungen im Österreichischen Staat gab, nicht darauf ankam, ob es eine anti-deutsche Bewegung war, solange der Kampf sich verstärkte und Mißtrauen weiter um sich griff? Denn das gereichte Deutschland zum Nutzen und war, was Sie wollten. Bringen diese Zeilen das nicht zum Ausdruck?
VON PAPEN: Nein, nicht ganz.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nicht ganz?
VON PAPEN: Ich darf folgendes zu Ihrer Erklärung sagen, Sir David. Es handelt sich hier bei diesem Bericht um eine Regierungsänderung unter Einschluß des Fürsten Starhemberg und der Heimwehr. Es ist Ihnen bekannt, daß Starhemberg und die Heimwehr sich mit Mussolini verbündet hatten gegen das Deutsche Reich. Eine Auflösung dieser innerpolitischen Front, die gegen die Interessen eines Zusammenschlusses gerichtet war, konnte nur von Vorteil im Sinne meiner Politik liegen.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Was ich aber nicht verstehe, ist folgendes: Sie haben gesagt: »Trotz des offenbaren Sieges des Vizekanzlers und des heißen Bemühens der österreichischen Presse...« und fahren fort: »Jede neue Auflockerung des Systems ist von Vorteil.« Prinz Starhemberg und die italienische Partei hatten, Ihrer Meinung nach, gewonnen, da Sie sagen: »Trotz des offenbaren Sieges«.
Dann sprachen Sie von »jeder neuen Auflockerung des Systems«. Das konnte doch nicht das Bündnis Starhembergs betreffen, weil es ja erfolgreich gewesen war. Mit »System« meinen Sie die Österreichische Regierung, nicht wahr? Etwas anderes können Sie gar nicht damit meinen.
Euer Lordschaft! Vielleicht sollte ich mit diesem Argument nicht fortfahren, aber es ist ein recht komplizierter Gegenstand.
VON PAPEN: Ja, das ist er.
VORSITZENDER: Ich glaube, Sie sollten seine Aufmerksamkeit noch auf die paar übrigen Sätze lenken.
SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Euer Lordschaft, ich werde weiterlesen:
»Die Weiterführung von Ausgleichsverhandlungen, auf die ich schon seit der Genfer Erklärung verzichtet habe, scheint vorläufig ganz überflüssig. Man wird gut tun, die wachsend erregte Stimmung im Volke gegen den italienischen Kurs durch kluge und taktvolle pressemäßige Behandlung weiterzutreiben, ohne jedoch der Regierung irgendeinen begründeten Anlaß zu geben, zu dem Verlegenheitsmittel einer neuen [415] Hetze gegen uns schreiten zu können. Ich wäre dankbar, wenn der Herr Reichsminister für Propaganda einige erprobte Journalisten in diesem Sinne ansetzen wollte.
Im übrigen können wir die weitere Entwicklung getrost der nahen Zukunft überlassen. Ich bin überzeugt, daß die Kräfteverschiebung auf dem europäischen Schachbrett uns in nicht ferner Zeit erlauben wird, die Frage unserer Einflußnahme auf den Südostraum aktiv anzufassen.«
Ungewöhnlich – wenn ich so sagen darf – wie Herr Messersmith Ihre Gedanken hat erraten können, wenn Sie niemals ein Gespräch mit ihm darüber gehabt haben?
Euer Lordschaft, wäre es Ihnen recht, abzubrechen?
VORSITZENDER: Wir vertagen die Verhandlung.
VON PAPEN: Darf ich aber morgen noch einmal auf die Frage zurückkommen?
VORSITZENDER: Gewiß.
[Das Gericht vertagt sich bis
19. Juni 1946, 10.00 Uhr.]
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