Vormittagssitzung.

[428] VORSITZENDER: Herr Dodd! Wollten Sie diese Fragen behandeln?

MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich habe alles fertig. Soll ich damit beginnen, die Dokumente zuerst vorzunehmen, die uns Schwierigkeiten bereitet haben?


VORSITZENDER: Ja, wenn Sie wollen.


MR. DODD: Insgesamt sind ungefähr 118 Dokumente für den Angeklagten von Schirach vorgelegt worden.

Als Ergebnis unserer Besprechungen haben wir uns über alle, mit Ausnahme von – ich glaube – zwölf, geeinigt.

Die erste Gruppe, die Nummern 30, 31, 45, 68, 73, 101, 109, 124 und 133 sind alles Auszüge aus einem Buch mit dem Titel: »Sieh! Das Herz von Europa«, von einem gewissen Stanley Mc Clatchie. Das sind Auszüge, die sich auf die Hitler-Jugend beziehen, und wir erheben Einspruch gegen diese mit der Begründung, daß sie alle unerheblich und unwesentlich sind. Sie beschreiben Hitler-Jugendheimabende, den Gesundheitsdienst der Hitler-Jugend, den Reichsjugendwettkampf, den Landdienst der Hitler-Jugend und dergleichen. Da gibt es allgemeine Beschreibungen des Herrn Mc Clatchie über einige Tätigkeitsgebiete der Hitler-Jugend. Sie sind alle diesem Buch entnommen – keine stammt vom Angeklagten selbst. Sie wurden 1937 veröffentlicht.

Dokument Nummer 118 ist ein Brief. Er ist mit Schreibmaschine geschrieben und ist nicht unterschrieben. Er stammt von Colin Roß und seiner Frau; es scheint ein Abschiedsbrief zu sein, der die Gründe angibt, warum Roß und seine Frau beabsichtigten, Selbstmord zu begehen. Wir konnten nicht feststellen, welchen Beweiswert dieser Brief haben soll; wir glauben, daß er für die Sache dieses Angeklagten keinen Beweiswert hat. Roß war anscheinend mit dem Angeklagten von Schirach bekannt, und der Brief soll, wie ich annehme, nach der Behauptung des Verteidigers des Angeklagten, Licht auf Schirachs Haltung werfen. Aber es ist nicht klar.

Das dritte Dokument, Nummer 121, ist ein Zitat aus den »Stars and Stripes«, der Zeitung der Armee der Vereinigten Staaten vom 21. Februar 1946 über die gegenwärtige Jugenderziehung in Jugoslawien. Dieses Dokument halten wir ebenfalls für unwichtig und unerheblich und behaupten, daß es nichts mit den Dingen zu tun hat, die die Anklageschrift dem Angeklagten vorwirft.

[428] Diese drei, die erste Gruppe und die beiden Nummern 118 und 121, sind die einzigen Dokumente, bezüglich deren eine Meinungsverschiedenheit herrscht.


VORSITZENDER: Elf?


MR. DODD: Verzeihung, ich sagte zwölf.


DR. FRITZ SAUTER, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN FUNK UND VON SCHIRACH: Herr Präsident! Die eiste Gruppe von Dokumenten, die die Anklagevertretung beanstanden will, stammt aus dem Buch eines Amerikaners Mc Clatchie.

Dieser Amerikaner, wie er selbst im Buche schreibt, ist schottischer Herkunft und hat im Jahre 1936, also im Jahr der Olympischen Spiele, Deutschland besucht, hat sich selbst ein Bild von den Verhältnissen in Deutschland und von der Entwicklung des deutschen Volkes während der ersten Jahre der Herrschaft Hitlers gemacht und schildert hier seine Eindrücke.

Nun würde ich auf dieses Buch normalerweise keinen besonderen Wert legen, wenn nicht schon aus der Einleitung des Buches sich ergeben würde, daß der Veranlasser dieses Buches der Angeklagte Baldur von Schirach gewesen ist.

Der Angeklagte hat, wie er bei seiner Vernehmung Ihnen noch darlegen wird, schon in sehr früher Zeit begonnen ein erfreuliches und freundschaftliches Verhältnis insbesondere auch zu den Vereinigten Staaten herzustellen, und dieses Buch von Mc Clatchie ist eines von den vielen Mitteln, die der Angeklagte von Schirach hierzu benützt hat. Der Verfasser erkennt in seinem Buche selber in der Vorrede an, daß er das Material zu diesem Buch zum großen Teil von dem Angeklagten von Schirach bekommen hat. Diese Tatsache gibt also im Rahmen des gegenwärtigen Prozesses hinsichtlich der Bedeutung für die Beweisführung zugunsten des Angeklagten von Schirach dem Buch eine ganz andere Bedeutung, als wenn das Buch ganz unabhängig von Schirach entstanden wäre. Wir müssen also die Darlegungen, Erörterungen und Schilderungen dieses Buches mehr oder minder als die eigenen Darlegungen des Angeklagten von Schirach bewerten, und das ist der Hauptgrund, warum ich dieses Buch Ihnen vorgelegt habe mit der Bitte, mir zu gestatten, daß ich einzelne, insbesondere auf die Jugendführung bezügliche kleine Abschnitte daraus bei der Beweisführung verlesen darf. Die anderen Sachen, die in dem Buche stehen, die zwar an sich auch interessant sind, die aber mit der Jugendführung des Angeklagten von Schirach nicht unmittelbar zusammenhängen, habe ich ja ohnehin nicht angeführt, sondern nur einige kurze Auszüge, die eben ausschließlich die Tätigkeit und Ziele des Angeklagten von Schirach beleuchten und die außerdem Ihnen, meine Herren Richter, zeigen sollen, welchen Eindruck selbst ein Ausländer von dieser Tätigkeit [429] gewonnen hat, obwohl er natürlich mit einem gewissen Vorurteil nach Deutschland gekommen ist, und dieses Vorurteil erst durch seine eigene Anschauung überwunden werden mußte.

Das darf ich, Herr Präsident, zu der ersten Gruppe bemerken, die der Herr Anklagevertreter von Nummer 30 bis 133 im einzelnen aufgeführt hat.

Die zweite Gruppe umfaßt dann die Nummer 118a des Dokumentenbuches Schirach. Es ist das der Abschiedsbrief, den der Weltreisende Dr. Colin Roß hinterlassen hat.

Wenn der Herr Anklagevertreter beanstandet, daß dieser Abschiedsbrief keine Unterschrift trägt, so hat das meines Erachtens keine besondere Bedeutung. Was wir vorgelegt haben, ist der Originaldurchschlag dieses Abschiedsbriefes, und den Originaldurchschlag hat man in den nachgelassenen Papieren des Dr. Colin Roß gefunden.

Nun fragt die Anklage: Was geht denn eigentlich die Anklage gegen Schirach dieser Abschiedsbrief des Dr. Colin Roß an? Ich bitte nun, sich daran zu erinnern, daß schon öfters von diesem Dr. Colin Roß hier die Rede war. Es ist das der Weltreisende; ich glaube, er ist Amerikaner von Haus aus, ich weiß das aber momentan nicht bestimmt. Es ist das also der Weltreisende, der nicht nur seit langen Jahren mit Schirach eng befreundet war, sondern den der Angeklagte von Schirach immer wieder benützt hat, um den Ausbruch eines Krieges mit den Vereinigten Staaten zu verhindern und später, um diesen Krieg zu beenden und einen Frieden mit den Vereinigten Staaten herbeizuführen. Bei der Beweisaufnahme werden diese Punkte noch im einzelnen, denke ich, ihre Klärung finden. Ich lege nun auch diesen Abschiedsbrief des Dr. Colin Roß...


VORSITZENDER: Welches Datum trägt er?


DR. SAUTER: Einen Augenblick, bitte – das Datum vom 30. April 1945.

Ich lege auf den Brief, er ist nur eine Seite lang, deshalb Wert, weil hier ein Mann in dem Augenblick, bevor er mit seiner Frau Selbstmord verübte, weil er an der Zukunft Deutschlands verzweifelte, ich sage, weil der Mann in dem Augenblick, also im Angesicht des Todes, auch wieder bestätigt hat, daß er, zusammen mit dem Angeklagten von Schirach, sich andauernd um den Frieden, insbesondere mit Amerika, bemüht hat und weil ich glaube, meine Herren, daß Sie das, was ein solcher Mann...


VORSITZENDER: Wo war er, als er, wie Sie sagten, Selbstmord beging?

DR. SAUTER: Der Angeklagte von Schirach...


[430] VORSITZENDER: Nein, der Mann, der den Brief geschrieben hat.


DR. SAUTER: Einen Augenblick bitte, der Angeklagte von Schirach hatte damals ein kleines Haus in Oberbayern, in Urfeld am Walchensee; und in diesem Haus hat damals Colin Roß mit seiner Frau gewohnt, und in dem Haus von Schirachs hat er damals Selbstmord begangen.

Der Brief umfaßt nur eine Seite, eine besondere Verzögerung des Verfahrens wird also seine Verlesung nicht herbeiführen.

Und dann, meine Herren, die dritte Gruppe, die die Anklagevertretung bekämpft, umfaßt auch wieder nur eine einzige Nummer, einen verhältnismäßig kleinen Zeitungsartikel aus »Stars and Stripes«, Nummer 121. Diese Nummer, die ich Ihnen im Original bei der Beweiserhebung vorlegen werde, vom 21. Februar 1946, also aus dem heurigen Jahre, legt im einzelnen dar, wie die Jugenderziehung jetzt in Jugoslawien durch Marschall Tito neu geregelt wurde, und der Angeklagte von Schirach legt auf dieses Dokument deshalb Wert, weil es beweist, daß in Jugoslawien eine ausgesprochen militärische Erziehung der Jugend heuer erst beschlossen worden ist. Der Angeklagte von Schirach wünscht infolgedessen einen Vergleich zu ziehen zwischen der Art seiner Jugenderziehung und dieser jugoslawischen Jugenderziehung, wie sie im heurigen Jahre erst beschlossen wurde und die viel, viel weiter geht, als jemals das Programm des Angeklagten Schirach gegangen ist. Das ist alles.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Darf ich nur ein oder zwei kurze Bemerkungen machen? Ich weiß wohl, daß der Gerichtshof im allgemeinen nicht wünscht, einen Vertreter zweimal zu hören, aber hier sind zwei Dinge, die ich wohl aufklären sollte.

Erstens das Buch »Sieh! Das Herz von Europa« mag von diesem Mc Clatchie geschrieben sein, der, wie der Verteidiger sagt, ein Amerikaner schottischer Abkunft ist. Ich halte es für wichtig, daß der Gerichtshof weiß, daß es in Deutschland verlegt wurde. Ich weiß ganz bestimmt, daß die Verteidigung nicht den Eindruck erwecken wollte, daß es eine amerikanische Veröffentlichung war, denn abgesehen davon, daß es von diesem Manne geschrieben wurde, wurde es hier verlegt, nachdem er den Olympischen Spielen 1936 beigewohnt hatte.


VORSITZENDER: Und auf deutsch, vermute ich?


MR. DODD: Ja, und der deutsche Titel ist »Sieh! Das Herz von Europa«.

Und dann bezüglich des Briefes von Colin Roß, glaube ich, ist es wichtig zu bemerken, daß niemand weiß, ob Roß Selbstmord begangen hat oder nicht, jedenfalls soweit die alliierten Länder in [431] Frage kommen. Seine Leiche wurde niemals gefunden, nur die Notiz, die, wie der Anwalt sagt, in seinem Nachlaß gefunden wurde.


DR. SAUTER: Herr Präsident! Darf ich zu der ersten Gruppe noch etwas bemerken? Dieses Buch von Mc Clatchie ist in einem deutschen Verlag erschienen, und zwar hat der Angeklagte von Schirach sich darum bemüht, daß dieses Buch überhaupt erschien. Das spricht also auch wieder dafür, daß tatsächlich der Angeklagte von Schirach mit diesem Buch ein bestimmtes Ziel verfolgte, und das Ziel war eben das, eine gewisse Aufklärung zwischen Amerika und Deutschland herbeizuführen und die Gegensätze auszugleichen, von denen er befürchtete, daß sie eines Tages zum Kriege führen könnten. Das Buch von Mc Clatchie ist nicht bloß in deutsch erschienen, sondern auch in englischer Sprache und wurde in starker Auflage in England und Amerika abgesetzt; in deutscher Sprache ist es natürlich auch erschienen und wurde in deutsch eben in Deutschland abgesetzt. Das ist, glaube ich, alles, was ich momentan zu sagen habe.


VORSITZENDER: Wollen Sie bitte dem Gerichtshof mitteilen, was diese anderen Dokumente sind, gegen die Herr Dodd keinen Einspruch erhoben hat. Denn wir hören, es sind 160 Dokumente, gegen die er nichts einwendet. Wovon handeln diese, und wie lang sind sie?


DR. SAUTER: Sie sind kurz. Ich habe nur ein Dokumentenbuch vorgelegt, habe mich also ohnehin auf das unbedingt Notwendige beschränkt, meine Herren.


VORSITZENDER: Wieviele Seiten?


DR. SAUTER: Im ganzen 134 Seiten, wobei allerdings manche Seite nur halb oder nur zu einem Drittel ausgefüllt ist, weil es sich in der Hauptsache um verhältnismäßig kurze Zitate handelt. Ich mußte diese Auszüge deshalb bringen, weil ich die Beweisrührung hinsichtlich der Tätigkeit des Angeklagten von Schirach als Reichsjugendführer nur damit erledigen kann, daß ich dem Gericht zeige, was der Angeklagte von Schirach zu der Jugend des deutschen Volkes gesagt, welche Lehren er der Jugend gegeben, welche Weisungen er an seine Unterführer im einzelnen gerichtet hat, und da muß ich natürlich – und das erkennt ja auch, denke ich, die Staatsanwaltschaft an – Ihnen einen kleinen Bericht liefern über die gesamte Zeit, während der Schirach Reichsjugendführer war, damit Sie sehen, daß die Theorien und die Anschauungen des Angeklagten von Schirach im letzten Jahre seiner Tätigkeit als Reichsjugendführer ganz die gleichen gewesen sind wie im ersten Jahre. Er ist also einer von den wenigen in der Partei, die sich nicht im Laufe der Jahre haben scharf machen lassen; er ist im Laufe der Jahre nicht ins Extrem verfallen wie die meisten anderen, und das will ich [432] durch diese verhältnismäßig kurzen Auszüge Ihnen dartun. Ich glaube, das ist jetzt alles.


VORSITZENDER: Sie haben auch noch die zwei Ergänzungsanträge für Zeugen, nicht wahr?


DR. SAUTER: Jawohl.


VORSITZENDER: Wollen Sie nicht lieber diese behandeln?


DR. SAUTER: Jawohl.


VORSITZENDER: Einer von ihnen hatte, glaube ich, eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die von der Anklagevertretung vorgelegt wurde.


DR. SAUTER: Ich glaube, das ist der Zeuge Uiberreither.


VORSITZENDER: Nein, ich denke, es ist der andere. Wer sind die beiden?


DR. SAUTER: Der eine heißt, glaube ich...


VORSITZENDER: Marsalek.


DR. SAUTER: Nein, nein, nicht Marsalek, sondern Uiberreither. Der Marsalek, Herr Präsident...


VORSITZENDER: Ich habe einen Antrag vor mir für Marsalek. Sie wünschen Marsalek nicht?


DR. SAUTER: Nein, das muß ein Irrtum sein.


VORSITZENDER: Das Datum ist vom 15. April 1946; jedenfalls, Sie wünschen ihn nicht?


DR. SAUTER: Nein.


VORSITZENDER: Also, dann wünschen Sie nur einen, nicht wahr?


DR. SAUTER: Jawohl.


VORSITZENDER: Und das ist Uiberreither?


DR. SAUTER: Jawohl.


VORSITZENDER: Hat die Anklagevertretung etwas dagegen einzuwenden?


JUSTICE JACKSON: Nein, Herr Vorsitzender, diese eidesstattliche Erklärung wurde von uns, glaube ich, schon im Zusammenhang mit dem Falle Kaltenbrunner vorgelegt, eine eidesstattliche Erklärung von Uiberreither.


VORSITZENDER: Also kein Einspruch?


JUSTICE JACKSON: Kein Einspruch.

VORSITZENDER: Gut. Ich danke, Dr. Sauter. Wir werden Ihre Anträge, die vorgelegten Dokumente und den Zeugen in Betracht [433] ziehen. Wir werden Ihren Antrag erwägen und jetzt mit dem Falle Streicher fortfahren.


JUSTICE JACKSON: Herr Vorsitzender! Zum Falle Streicher wünsche ich einen Antrag zu stellen. Ich beantrage Streichers Aussagen, die auf Seite 8433 des Originalprotokolls vom 26. April zu finden sind und auch seine gestrige Aussage auf Seite 8483 aus dem Protokoll zu streichen.


VORSITZENDER: Dr. Marx! Wünschen Sie etwas dazu zu sagen?


DR. MARX: Verzeihung, Herr Präsident, ich habe leider die Anträge des Herrn Hauptanklägers Justice Jackson nicht im vollen Umfange aufnehmen können, weil ich in diesem Augenblick gerade anderweitig beschäftigt war. Soweit ich verstanden habe, handelt es sich um die Streichung...


VORSITZENDER: Ich kann Ihnen sagen, wie der Antrag lautete. Es wird beantragt, daß Stellen auf den Seiten 8433 und 8483 des Originalprotokolls gestrichen werden.


DR. MARX: Ich verstehe. Hierzu möchte ich vom Standpunkt der Verteidigung erklären: Ich bin damit einverstanden, daß diese Stellen gestrichen werden, weil ich der Meinung bin, daß sie für die Verteidigung des Angeklagten in keiner Weise erheblich sind.


VORSITZENDER: Die Stellen, auf die Herr Justice Jackson unsere Aufmerksamkeit gelenkt hat, sind nach Meinung des Gerichtshofs höchst unangebrachte Erklärungen des Angeklagten Streicher; sie sind nach Ansicht des Gerichtshofs vollkommen unerheblich, auch von dem Verteidiger des Angeklagten Streicher als vollkommen unerheblich angesehen worden und sind deshalb aus dem Protokoll zu streichen. Bitte sehr, Herr Dr. Marx.


DR. MARX: Ich darf nunmehr mit Erlaubnis des Gerichtshofs in der Vernehmung von Zeugen fortfahren und rufe jetzt den Zeugen Friedrich Strobel auf den Zeugenstand.


[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Bitte, geben Sie Ihren vollen Namen an!

ZEUGE FRIEDRICH STROBEL: Friedrich Strobel.


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach: Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


DR. MARX: Herr Zeuge! Waren Sie am 3. Dezember 1938 in einer Versammlung des Rechtswahrerbundes in Nürnberg anwesend?

STROBEL: Ja.


DR. MARX: In dieser Versammlung soll der Angeklagte Streicher gesprochen haben, ist das richtig?


[434] STROBEL: Ja.


DR. MARX: Wollen Sie nun bitte angeben, was der Angeklagte Streicher damals erklärt hat in Bezug auf die Demonstrationen vom 9. November 1938?


STROBEL: Er hat erklärt: »Ich hätte diese Aktion nicht so gemacht, auf eine solche Weise kann man eine Macht, wie das Weltjudentum, nicht bekämpfen.« Dann hat er noch hinzugefügt: »Aber geschehen ist geschehen« und sonst noch einige Redensarten darüber fallen lassen.


DR. MARX: Ist es richtig, daß Sie sich damals darüber wunderten daß Streicher in aller Öffentlichkeit gegen diese Aktion Stellung nahm, die doch von oben befohlen war?

STROBEL: Ja. Streicher hat öfters gegen Maßnahmen und Anordnungen der Regierung Stellung genommen, wenn er anderer Meinung war. So auch bei dieser Gelegenheit. Ich hatte damals den Eindruck, daß er offensichtlich übergangen worden war; denn in seiner Rede schwang ein gewisser hämischer Unterton mit, daß die Sache ungünstige Auswirkungen hätte. Ich machte mir damals Gedanken darüber; ich wußte nicht recht, hatte Streicher wirklich einmal einen lichten Augenblick und erkannte daher die Schädlichkeit dieser Judenaktion, oder sprach er bloß aus verletzter Eitelkeit, oder fühlte er vielleicht, daß mit der zu raschen und radikalen Erledigung des Judentums auch seine Bedeutung erlosch.


DR. MARX: Ja, also Herr Zeuge, das sind Ansichten, die Sie da äußern, aber keine Tatsachen. Darüber habe ich Sie auch nicht gefragt.


STROBEL: Das war mein Eindruck damals.


DR. MARX: Ja, ich frage Sie nun, waren Sie am 9. und 10. November 1938 in Nürnberg anwesend?


STROBEL: Ja, ich glaube... ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, es war vom 8. auf den 9. November 1938, wo diese Aktion stattfand. Am 7. November 1938 wurde doch der Herr vom Rath angeschossen, und am 8. ist er gestorben; die Nacht darauf fand doch diese Handlungsweise statt.


VORSITZENDER: Wir brauchen nicht darüber zu streiten, ob es der 8. oder 9. war. Es macht doch weiter nichts aus, nicht wahr?


DR. MARX: Meine Frage, die ich jetzt stelle, lautet: Welche Beobachtungen machten Sie nach jener Nacht, in welcher die Demonstrationen gegen die jüdische Bevölkerung stattfanden, am darauffolgenden Morgen und anschließend über die Einstellung der Bevölkerung in Nürnberg zu diesen Demonstrationen?


STROBEL: Ich erfuhr von dieser Aktion erst durch mein Kanzleipersonal, ging daraufhin in die Stadt, schaute mir die Straßen an. [435] An den einzelnen beschädigten Geschäften standen Leute. Ich hatte den Eindruck, daß der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung sozusagen starr und stumm war. Die Leute schüttelten den Kopf, schauten sich gegenseitig an, murmelten etwas und gingen dann wieder weg. Aber man hatte allgemein den Eindruck, daß man nicht laut reden durfte. Ich habe später auch erfahren, daß Leute, die dagegen Stellung nahmen, dann, wenn es Denunzianten hörten, eben übel behandelt wurden.


DR. MARX: Aber der allgemeine Eindruck war doch so, daß die Bevölkerung von dieser Aktion ganz entschieden abrückte und daß allgemeine Entrüstung, wenn auch nicht laut, zu erkennen war?


STROBEL: Ja, der russische Sender hat seinerzeit den Nagel auf den Kopf getroffen. Er hat damals gesagt: »Zur Ehre des deutschen Volkes sei es gesagt, daß es an diesen Vorgängen unbeteiligt war und daß es geschlafen hat.« Die Leute erfuhren tatsächlich – die allermeisten – erst am Morgen nach dieser Nacht von diesen Vorgängen.


VORSITZENDER: Was hat das mit dem Angeklagten Streicher zu tun?


DR. MARX: Ja, dem Angeklagten Streicher wird ja vorgeworfen, daß er zu erkennen gegeben hätte, daß er durch seine Ansprache am 10. November diese Aktion gebilligt habe. Und der Angeklagte Streicher hat sich ja auch darauf berufen, daß es sich hier um eine von oben befohlene Aktion gehandelt habe und nicht um eine spontane aus dem Volk heraus.


VORSITZENDER: Die Tatsache, daß eine Anzahl von Leuten in Nürnberg oder selbst die ganze Bevölkerung von Nürnberg die Sache mißbilligt hat, würde doch nicht beweisen, daß auch Streicher sie nicht gebilligt hat.


DR. MARX: Ja, aber er hat sich auch darauf berufen, es könnte sich nicht um eine Aufreizung gehandelt haben, weil diese Aktion von oben herbefohlen war, gelenkt war, während bei einer Aufreizung die Sache aus dem Volke heraus entstanden gewesen sein müsse. So hat er doch deduziert.


STROBEL: Darf ich hierzu Stellung nehmen? Aus dem Volk heraus ist die Sache bestimmt nicht entstanden; denn selbst die SA-Männer, die bei der Handlung mitgewirkt haben, haben es größtenteils nur widerwillig getan. Das war ein Befehl von oben, das war eine organisierte Sache. Die Behauptung des Dr. Goebbels, das deutsche Volk habe sich spontan erhoben, war eine bewußte Verdächtigung des deutschen Volkes.


DR. MARX: Herr Präsident! Ich habe keine Fragen mehr an diesen Zeugen.


[436] VORSITZENDER: Wünscht ein anderer Verteidiger Fragen an den Zeugen zu stellen? Wünscht die Anklagevertretung ein Kreuzverhör? Der Zeuge kann abtreten.


[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


DR. MARX: Mit Erlaubnis des Hohen Gerichtshofs rufe ich nunmehr den Zeugen Ernst Hiemer.

GERICHTSMARSCHALL: Es ist kein Zeuge hier.

VORSITZENDER: Ist er nicht hier?


GERICHTSMARSCHALL: Nein, wir haben keinen Zeugen hier.


VORSITZENDER: Er sagt, Herr Dr. Marx, daß keine Zeugen da sind.


DR. MARX: Verzeihung, Herr Präsident, der Zeuge Hiemer ist doch hier im Gefängnis, ich habe doch selbst mit ihm gesprochen.


VORSITZENDER: Haben Sie die Gefängnisbehörde gestern unterrichtet, daß Sie ihn aufrufen werden?


DR. MARX: Ich sprach mit dem Gerichtsmarschall am Montag, daß Hiemer für Dienstag bestellt werden sollte nach meiner Erinnerung. Es muß also ein Irrtum vorliegen.


VORSITZENDER: Gut, haben Sie andere Zeugen außer Hiemer?


DR. MARX: Den Zeugen Wurzbacher.


VORSITZENDER: Wo ist er? Wo ist Wurzbacher?


DR. MARX: Wurzbacher befindet sich ebenfalls hier im Gefängnis.


VORSITZENDER: Können Sie in der Zwischenzeit die Dokumente behandeln, während man ihn holt?

DR. MARX: Jawohl, das kann ich auch machen.


GERICHTSMARSCHALL: Die Genannten werden in ungefähr fünf Minuten hier sein.


VORSITZENDER: Sehr gut, fahren Sie fort, Herr Dr. Marx!


DR. MARX: Herr Präsident! Bevor ich zu der Frage der Dokumente Stellung nehme, möchte ich auf folgendes hinweisen: In der gestrigen Verhandlung nachmittags wurden von seiten der Anklagebehörde verschiedene Dokumente vorgelegt, die mir neu waren, und ich war noch nicht in der Lage, dazu Stellung zu nehmen. Auch konnte ich mit dem Angeklagten Streicher darüber noch nicht sprechen. Ich halte es vom Standpunkte der Verteidigung für erforderlich, zu diesen außerordentlich wichtigen Dokumenten Stellung zu nehmen, und zwar muß das nach meiner Ansicht dadurch geschehen, daß ich nun die sämtlichen Artikel der Wochenschrift »Stürmer« darauf nachprüfe, ob daraus zu erkennen ist, daß [437] Streicher diese einzelnen Mitteilungen aus dem »Israelitischen Wochenblatt« irgendwie verwertet hat; denn seine Verteidigung geht doch dahin: »Ich habe das nicht geglaubt, was da drin gestanden ist.« Wenn er nun in keinem Artikel diese Mitteilungen verwertet hat, dann erhält seine Einlassung eine gewisse Stütze. Ich muß daher die Sache nachprüfen...

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Aus einem bestimmten Artikel wurde gestern im Kreuzverhör gezeigt, so wie ich verstand, daß er tatsächlich einen Artikel aus der jüdischen Zeitung verwertet hat.


DR. MARX: Jawohl, dieser Artikel ist mir bekannt, das ist der vom 4. November 1943.


VORSITZENDER: Ja, Dr. Marx, was beantragen Sie jetzt eigentlich? Was ist Ihr Antrag?


DR. MARX: Mein Antrag geht dahin, daß mir der Hohe Gerichtshof erlauben möge, mein Dokumentenbuch dahin zu ergänzen, daß ich zu dem gestrigen Vorbringen und den gestrigen Vorlagen der Anklagebehörde Stellung nehmen kann durch Vorlage von Gegendokumenten. Meine Vorlage wäre unvollständig, wenn ich zu diesen, mir neuen Vorlagen der Staatsanwaltschaft nicht Stellung nehmen könnte.


VORSITZENDER: Dr. Marx! Der Gerichtshof gibt Ihrem Antrag statt, vorausgesetzt daß Sie ihn in der üblichen Weise schriftlich vorbringen und daß Sie auf alle Stellen hinweisen, die nach Ihrer Ansicht die von der Anklagebehörde vorgelegten Zitate aufklären.


DR. MARX: Jawohl. Darf ich nun mit der Besprechung der einzelnen Dokumente beginnen?


VORSITZENDER: Ja.

DR. MARX: In dem Exhibit Nummer 1 ist dargelegt, daß es sich bei der Zeitung »Stürmer« gemäß Entscheidung des Führers nicht um ein offizielles Parteiorgan handelte und daß diese Zeitung nicht einmal berechtigt war, das Hoheitszeichen zu führen, während sämtliche anderen Presseorgane dieses Hoheitszeichen an sichtbarer Stelle trugen. Damit soll der Beweis geführt werden, daß es sich hier um ein Privatpresseorgan des Angeklagten Streicher handelte.


VORSITZENDER: Dr. Marx! Sie werden doch diese Dokumente als Beweismaterial vorlegen und ihnen Beweisstück-Nummern geben, nicht wahr?


DR. MARX: Diese Dokumente betrachte ich als vorgelegt, und ich habe ja mit der Staatsanwaltschaft darüber gesprochen, und insoweit hat die Staatsanwaltschaft keinen Einwand dagegen.


[438] VORSITZENDER: Es wird ein schriftliches Protokoll aufgenommen, und wenn Sie nicht jedes Dokument als Beweisstück vorlegen und sagen, daß es die oder die Beweisstück-Nummer haben wird, kommt es nicht ins Protokoll. Wenn Sie wünschen, können Sie sie als eine Gruppe vorlegen und sagen: Ich lege die und die Dokumente vor als Beweisstück 1 bis 100, oder was für Nummer Sie wünschen.


DR. MARX: Jawohl.

VORSITZENDER: Das Buch, das ich vor mir habe, enthält Beweisstück-Nummern; zum Beispiel Seite 1 bis 4 erscheint als Beweisstück Nummer 1 Seite 5 ist Beweisstück Nummer 5 und 6 ist Beweisstück Nummer 6; Seite 7 ist Beweisstück Nummer 7.


DR. MARX: Jawohl.


VORSITZENDER: Man sagt mir, Seite 4 ist Beweisstück Nummer 1; stimmt das?


DR. MARX: Die Einteilung, die hier getroffen war, ist eben eine ganz andere, als ich sie getroffen habe, und infolgedessen ist jetzt die Anordnung eine wesentlich andere geworden.


VORSITZENDER: Gut, setzen wir fort! Sie brauchen uns nur zu sagen, welche Dokumente Sie vorlegen und unter welchen Beweisstück-Nummern – Sie können das später machen, Dr. Marx, wenn Sie wollen.


DR. MARX: Ich lege weiter vor: Exhibit Nummer 5, Auszug aus einem Leitartikel des »Stürmer« vom Juli 1938, Nummer 28. Dieser Artikel, der nicht von dem Angeklagten Streicher, sondern von Karl Holz verfaßt ist, zeigt eine besonders scharfe Tonart, und es wird davon gesprochen, daß die Rache eines Tages losbrechen und Alljuda vertilgen wird. Dieser Artikel soll ausgelöst sein durch einen Brief, der aus Nürnberg nach Neuyork gerichtet worden ist und der seinerseits darauf abgestellt war, daß Deutschland im Falle eines Krieges aus der Luft zerstört werden würde. Es ist also wieder die Tendenz zum Ausdruck gebracht, die der Angeklagte gestern wahr haben wollte, daß eine scharfe Tonart jeweils durch eine vorausgegangene Handlung von anderer Seite ausgelöst worden sei. Das ist Exhibit Nummer 5, und ich bitte, es unter dieser Nummer als Beweisstück vorlegen zu dürfen.

Weiter lege ich als Exhibit Nummer 6 einen Auszug aus der Nummer 40 des »Stürmer« vom Oktober 1938 vor. Ich kann mir wohl, ersparen, dazu Stellung zu nehmen, da sich meine Stellungnahme ja aus dem Dokument ergibt, oder ist es erforderlich, dazu Stellung zu nehmen?


VORSITZENDER: Nein, Sie brauchen nicht darüber zu sprechen; legen Sie es nur vor.


[439] DR. MARX: Ich lege weiter vor als Exhibit Nummer 7, Auszug aus dem »Völkischen Beobachter« vom 25. Februar 1942, zu Dokument Nummer 31 des Trialbriefs. Weiter lege ich vor Exhibit Nummer 8, Auszug aus dem »Völkischen Beobachter« vom 8. Februar 1939, Seite 2, dann als Exhibit Nummer 9 einen Auszug aus dem politischen Testament Adolf Hitlers vom 29. April 1945 als Exhibit Nummer 10, Auszug aus dem »Stürmer« Nummer vom Februar 1935, Blatt 4; als Exhibit Nummer 11, Auszug aus dem »Stürmer« vom September 1935, Nummer 38. Dann gebe ich der nächsten Seite die Exhibit-Nummer 12; das ist ein Auszug aus dem »Stürmer« vom September 1935, Nummer 38, Seite 9; Exhibit Nummer 13 ist ein Auszug aus dem »Stürmer« vom Januar 1938 Nummer 1; Exhibit Nummer 14 ist ein Auszug aus den »Stürmer« vom Mai 1938, Nummer 20. Als Exhibit Nummer 15 folgt ein Auszug aus dem »Stürmer« vom 5. November 1943 Nummer 45; Exhibit Nummer 16 ist ein Dokument der Anklagebehörde, 759-PS; als Exhibit Nummer 17 folgen Reden Himmlers vom April 1943, 4. Oktober 1943 und 28. September 1943 in Posen und Charkow; als Exhibit Nummer 18 eine Photokopie der Sondernummer des »Stürmer« vom Mai 1939, Nummer 20.

Ich bitte, diese Vorlagen genehmigen zu wollen. Ich habe mich dabei auf das äußerste beschränkt.


VORSITZENDER: Ist das alles? Sind alle Zeugen da? Vielleicht können wir uns auf zehn Minuten vertagen.


[Pause von 10 Minuten.]

[Der Zeuge Hiemer betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE ERNST HIEMER: Ernst Hiemer.

DR. MARX: Darf ich noch einen Augenblick unterbrechen, Her Präsident?

Ich möchte zunächst erklären, daß ich nicht etwa den Marschall für den Irrtum verantwortlich machen möchte. Es war die Sache so: den Irrtum wegen der Bestellung des Zeugen...


VORSITZENDER: Es geht in Ordnung, Dr. Marx.


DR. MARX: Ich halte es für meine Pflicht, hier zu erklären, daß nicht etwa der Marschall für den Irrtum mit dem Zeugen verantwortlich ist. Eine Angestellte von mir sprach gestern mit einem Herrn...


VORSITZENDER: Danke schön, wir verstehen schon, Dr. Marx.


DR. MARX: Dann, Herr Präsident, möchte ich mir gestatten, nun die Exhibits zu übergeben, und zwar mit den Nummern 1, 5, 6, 7, 8, 9 bis 18. Ich weiß nicht, ob das jetzt klar ist; die Nummern 1, 5, und von 6 mit 18. Es fehlen also die Nummern 2, 3, 4, [440] weil sie gestrichen wurden. Alle anderen Exhibitnummern sind hierin enthalten, also Nummer 1, und von 5 ab mit 18.


VORSITZENDER: Nehmen Sie nicht auch 19 dazu?


DR. MARX: Nein, 19 und 20 sind nicht notwendig.

VORSITZENDER: Entschuldigen Sie bitte, ich muß mich geirrt haben; ich habe 19 niedergeschrieben. Aber Sie haben 19 nicht oder doch?


DR. MARX: Nummer 18 ist mein letztes. Ich bitte, diese als Anlage zum Protokoll übernehmen zu wollen.


VORSITZENDER: Und jetzt sind Sie bereit, mit dem Zeugen fortzufahren?


DR. MARX: Jawohl.


VORSITZENDER: Wie heißen Sie?


HIEMER: Ernst Hiemer.


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach.

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. MARX: Seit wann kennen Sie Herrn Streicher? Wie kamen Sie in Verbindung mit ihm, und welche Stellung bekleideten Sie im »Stürmer«?

HIEMER: Ich wurde Ende 1934 dem damaligen Gauleiter Julius Streicher im »Deutschen Hof« in Nürnberg vorgestellt. Streicher beauftragte mich, an seiner volksgesundheitlichen Zeitschrift »Die deutsche Volksgesundheit« mitzuarbeiten. Im Jahre 1935 schrieb ich dann auch Berichte für den »Stürmer«. Streicher überwies mich daraufhin in den Innendienst der Schriftleitung des »Stürmer« als Mitarbeiter.

Schließlich hatte ich unter Streichers Anleitung und unter der Anleitung anderer Mitarbeiter des »Stürmer« auch redaktionelle Arbeiten als Schriftleiter zu verrichten. Der verantwortliche Schriftleiter des »Stürmer« war der Stellvertreter Streichers, Karl Holz. Der Gestalter des »Stürmer« aber war Streicher selbst. Im Jahre 1938 kam nun aus Berlin die Anweisung, daß Holz wohl weiter für den »Stürmer« arbeiten könne, daß er aber in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger – Holz war stellvertretender Gauleiter – nicht mehr im Impressum des »Stürmer« genannt werden dürfe. Daraufhin erfolgte nun auf Anweisung Streichers die Eintragung meines Namens in das Impressum des »Stürmer« als verantwortlich. Die gesamte Leitung der Schriftleitung und sämtliche [441] Vollmachten der Schriftleitung behielt Streicher wie bisher bei, und er behielt sie bis zum Zusammenbruch.


DR. MARX: Welches war der Hauptgedanke bei der Arbeit im »Stürmer«? Was war der Leitgedanke?

HIEMER: Streicher wollte im »Stürmer« in möglichst einfacher, volkstümlicher Sprache jedem Manne und jeder Frau des deutschen Volkes das Wissen vom Juden vermitteln. Streicher wollte daß das ganze deutsche Volk erkennen sollte, daß der Jude ein Fremdling im Volk sei.


DR. MARX: Herr Hiemer! Das will ich nicht wissen, sondern Sie sollen sich darüber äußern, ob der Herr Streicher, sagen wir mal, die Emigration propagieren wollte, oder ob er irgendeinen anderen Gedankengang hatte. Es sollen hier keine langen Ausführungen über die Judenfrage gemacht werden.


HIEMER: Streicher vertrat den Gedanken in Deutschland die Judenfrage durch die Emigration der Juden zu lösen. Er übte wiederholt Kritik an der Führung des Reiches; sie würde die Emigration der Juden nicht so entschlossen durchführen, wie Streicher es sich gedacht hatte. Und als der Krieg kam, da erklärte Streicher, die Judenfrage würde nun für das kriegführende Deutschland keine Bedeutung mehr haben, wenn man sie, so wie Streicher es sich gedacht hatte, schon im Frieden durch eine völlige Emigration der Juden gelöst hätte.


DR. MARX: Ist es richtig, daß in dem Blatt das Palästina- und Madagaskar-Problem erörtert wurde?


HIEMER: Ja, Streicher hat sich sowohl mündlich als auch schriftlich dahingehend geäußert, daß Palästina und Madagaskar geeignet seien, die in Deutschland wohnenden Juden aufzunehmen. Er hat allerdings den Gedanken weiter nicht mehr vertreten; denn über Palästina und Madagaskar, da konnte ja Deutschland nicht verfügen, sondern nur England und Frankreich.


DR. MARX: Wie beurteilen Sie den Einfluß, den Streicher und der »Stürmer« seit 1933 hatten? War es nicht so, daß seit 1933 ein starker Rückgang dieses Einflusses im deutschen Volk bemerkbar war?


HIEMER: Ja, das stimmt. Es ist in vielen Kreisen bekannt gewesen, daß der Einfluß Streichers auf die Bewegung und der Einfluß seines Blattes auf die Bewegung von 1933 ab zurückgegangen sind. Streicher hatte viel Streit mit anderen Parteiführern, und er schuf sich viele Feinde. Vor allem vom Jahre 1937 an wurde Streicher immer mehr in den Hintergrund gestellt. Die theoretische Betreuung des Judenproblems durch die Partei hatte das »Institut zum Studium der Judenfrage«, Alfred Rosenberg, inne, und Vollmachten gegenüber dem Judentum besaß bekanntlich ja nur Himmler.

[442] Als dann schließlich im Jahre 1940 Streicher seines Postens als Gauleiter enthoben wurde, war er vollständig isoliert. Er lebte dann nur noch auf seinem Hofe und arbeitete dort als Bauer und arbeitete vor allem schriftlich nur für den »Stürmer«.


DR. MARX: Wie gestaltete sich die Auflage des »Stürmer« seit 1933? Können Sie darüber Angaben machen? Seit der Zeit, wo Sie eingetreten sind, natürlich.


HIEMER: Diese Frage könnte natürlich am besten der Verlagsleiter beantworten, der mit diesen Dingen zu tun hatte. Aber ungefähre Zahlen sind mir schon in Erinnerung. Der »Stürmer« war noch 1933 sehr klein gewesen, stieg aber im Jahre 1935 ungefähr auf 800000 an, um allerdings dann wieder stark zurückzugehen.

Der »Stürmer« hatte im Krieg natürlich eine geringere Auflage. Ich kann hier keine genauen Zahlen nennen, und die letzten Monate war die Auflage des »Stürmer« natürlich äußerst gering. Durchschnittlich kann man also sagen, daß der »Stürmer« eine Auflage von um eine halbe Million Exemplaren hatte. Es gab allerdings Sondernummern, die eine entschieden höhere Auflage hatten.

Doch, wie gesagt, diese Angaben können nur vom Verlagsleiter authentisch gemacht werden.


DR. MARX: Worauf ist denn dieses Ansteigen im Jahre 1935 zurückzuführen?


HIEMER: Diese Frage kann ich schwer beantworten.


DR. MARX: War es nicht so, daß durch Parteiorgane gewissermaßen Zwangsabonnements bei Betrieben und allen möglichen Stellen eingeführt wurden?


HIEMER: Herr Rechtsanwalt! Sie stellen Fragen an mich, die eigentlich nur ein Verlagsmann beantworten kann. Ich kann diese Frage nicht mit Sicherheit beantworten; infolgedessen muß ich mich darüber ausschweigen. Meine Angaben sind dann nicht sicher.


DR. MARX: Wenn Sie es nicht wissen, können Sie selbstverständlich sagen, »darüber habe ich keine ausreichende Kenntnis«.

Wie verhält es sich mit der Kenntnis des Herrn Streicher von den Vorgängen im Osten, insbesondere in den Konzentrationslagern, und was sagte er Ihnen darüber persönlich?


HIEMER: Ich habe aus dem Munde Streichers nie gehört, daß er von den Vorgängen, die sich in den Konzentrationslagern abspielten, in Kenntnis gesetzt worden sei. Streicher sagte vielmehr, er hätte von diesen Vorkommnissen erst im Jahre 1944 durch die Schweizer Presse Kenntnis bekommen. Streicher wurde regelmäßig die Schweizer Presse zugestellt, darunter vor allem das »Israelitische Wochenblatt« der Schweiz. Und dieses Blatt brachte im Jahre 1944[443] ziemlich ausführliche Darstellungen über die Vorkommnisse in den Konzentrationslagern.

Streicher hat anfänglich die Meldungen, die in der Schweizer Presse zu lesen waren, entschieden abgelehnt und als Zwecklügen bezeichnet. Er erklärte, diese Meldungen würden nur deshalb gegeben, um das Ansehen des deutschen Volkes im Ausland zu untergraben. Allerdings änderte Streicher hier sehr bald seine Meinung. Er wurde in seiner Meinung unsicher, und er glaubte schließlich, daß diese Vorkommnisse, die in der Schweizer Presse über die Vorgänge in den Konzentrationslagern gemeldet wurden, doch den Tatsachen entsprachen.

Streicher bezeichnete Himmler als denjenigen, der allein die Ausübung der Verbrechen angeordnet haben konnte.


DR. MARX: Sie sagten, er änderte seine Meinung sehr bald. Was heißt das?


HIEMER: Er hat anfänglich entschieden erklärt, diese Meldungen könnten nicht stimmen. Dann wurde er unsicher, und er sagte, sie könnten doch stimmen; und ich habe den Eindruck gehabt, als ob entweder die Ausführlichkeit der Meldungen der Schweizer Presse Streicher davon überzeugt haben, daß die Vorkommnisse stimmten, oder daß Streicher vielleicht von irgendwelcher Seite, sei es persönlich oder brieflich, doch erfahren hat, daß diese Vorkommnisse in den Konzentrationslagern Tatsache sind.

Darauf führe ich seine Sinnesänderung zurück.


DR. MARX: Und wann war das etwa?


HIEMER: Ich kann keinen genauen Zeitpunkt nennen, ich glaube aber, Mitte des Jahres 1944.


DR. MARX: Welche Stellung nahm er nun dazu ein, wie er sich endgültig überzeugt glaubte? Hat er nun seine Befriedigung darüber zum Ausdruck gebracht, daß man so viele Menschen umgebracht hat?


HIEMER: Nein. Streicher hat die Vorgänge in den Konzentrationslagern entschieden abgelehnt. Es ist vorgekommen, daß Streicher im Zorne, wenn er einmal sich über Vorkommnisse der Politik besonders geärgert hat, daß er oft oder manchmal erklärte der Jude, als der Feind des deutschen Volkes, gehörte ausgerottet Aber Streicher sprach so nur in der ersten Erregung. Wenn er sich beruhigt hatte, dann sprach er sich gegen eine Ausrottung der Juden aus.


DR. MARX: Es ist aber doch wiederholt in Artikeln des »Stürmer« von Ausrottung und Vernichtung die Rede?


HIEMER: Ja, das ist Tatsache, daß in Berichten des »Stürmer« von Vernichtung der Judenheit die Rede ist. Dem steht aber gegenüber, daß Streicher immer wieder sich gegen eine Ermordung der [444] Juden ausgesprochen hat, und nach meiner bestimmten Überzeugung hat Streicher und hat sein »Stürmer« unter keinen Umständen mit den Vorkommnissen in den Konzentrationslagern etwas zu tun. Das glaube ich nicht. Denn man weiß es ja heute, daß diese Verbrechen in den Konzentrationslagern auf Befehl von einzelnen führenden Männern ausgeführt wurden, auf dienstlichen Befehl hin, und hiermit haben nach meiner bestimmten Überzeugung weder Streicher noch sein »Stürmer« etwas zu tun.


DR. MARX: Wie sind denn die Artikel zustandegekommen, die Sie geschrieben haben? Haben Sie da jeweils die Richtlinien von Herrn Streicher erhalten, und haben Sie, das nur redigiert oder selbst verfaßt?


HIEMER: Streicher war der Gründer, der Herausgeber des »Stürmer«. Er war aber tatsächlich auch der Hauptschriftleiter; denn sämtliche Mitarbeiter, ganz gleich, ob dies sein Stellvertreter Holz war oder ob es andere waren, sämtliche Mitarbeiter mußten Streicher ihre Arbeiten vorher, bevor sie in Druck gegeben wurden, vorlegen. Streicher ordnete dann von Fall zu Fall Änderungen an; er gab auch den Mitarbeitern Artikel in Auftrag, das heißt, er gab ihnen an, wie sie diese oder jene Beweisführung zu gestalten hätten; und von sämtlichen Artikeln, die im Stürmer erschienen sind, hat Streicher Kenntnis genommen, so daß man mit Überzeugung sagen kann, daß Streicher der Verantwortliche, der Schriftleiter des »Stürmer« gewesen ist. Die anderen waren seine Mitarbeiter. Er selbst war, wie er sich oft mit Stolz bekannte, ein und dasselbe mit dem »Stürmer«; »Streicher und Stürmer sind ein und dasselbe«. Das war seine Losung.


DR. MARX: Das gibt er ja auch zu. Er sagt ja, daß er die Verantwortung übernimmt. Wie verhält es sich mit der sogenannten pornographischen Bibliothek?


HIEMER: Der »Stürmer« war im Besitz eines großen Archivs. Dieses Archiv bestand aus vielen Tausenden von deutschen, fremdsprachigen Büchern, aus Dokumenten, Edikten und so weiter. Diese Bücher waren entweder durch »Stürmer«-Freunde dem »Stürmer«-Archiv zur Verfügung gestellt worden oder sie stammten aus Judenwohnungen. Die Polizei stellte Bücher, die in den Judenwohnungen gefunden worden waren, dem »Institut zum Studium der Judenfrage« von Rosenberg zu Forschungszwecken zur Verfügung. Was dann in den Nürnberger Judenwohnungen übrigblieb, wurde dem »Stürmer«-Archiv übergeben. Unter diesen Büchern befanden sich nun auch zahlreiche Bücher sogenannten sexual-wissenschaftlichen Inhalts, also Bücher eines Magnus Hirschfeld, Bloch und rein pornographische Bücher; also Bücher, die sowohl von den »Stürmer«-Freunden eingesandt wurden, als auch Bücher, [445] die in den Judenwohnungen gefunden worden waren, waren dieser Art.

Nun wurden im »Stürmer«-Archiv diese Bücher in einer kleinen Sonderabteilung unter Verschluß gehalten und aufbewahrt. Die Öffentlichkeit hatte hierzu keinen Zutritt. Es handelte sich also bei diesen pornographischen Büchern nicht um eine persönliche pornographische Bibliothek Streichers, sondern um einen Bestandteil des »Stürmer«-Archivs. Streicher hat diese Bücher nie gelesen. Diese Bücher sollten nach dem Kriege im Zuge des Neuaufbaues noch einmal durchgesehen werden. Es sollten alle jene entfernt werden, die nicht rein jüdischen Ursprungs waren. Aber Streicher hat, wie gesagt, diese Bücher nicht gelesen.


DR. MARX: Wo wurden denn diese Bücher aufbewahrt? Waren sie im Verlagshaus, oder wie erklärt es sich, daß ein Teil...


VORSITZENDER: Dr. Marx! Bezüglich dieser bestimmten Art von Büchern liegt keine Beschuldigung vor.


DR. MARX: Also, ich habe nach der Richtung keine Fragen mehr. Ich habe mir nur erlaubt, diese Sache klarzustellen, weil das in der Öffentlichkeit eine sehr große Rolle gespielt hat. Ich habe dann an den Zeugen keine weiteren Fragen mehr.


VORSITZENDER: Wollen noch andere Verteidiger Fragen stellen?


DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Ich habe nur eine Frage.

Hatte Rosenberg irgendwelche Beziehungen zur Schriftleitung des »Stürmer«?


HIEMER: Meines Wissens waren die Beziehungen fast Null. Ich kannte nur persönlich Dr. Ballensiefen, der bei Rosenberg tätig war, Persönlich kannte ich auch Dr. Pohl. Aber Beziehungen insofern, daß eine Zusammenarbeit zwischen »Stürmer« und dem »Institut zum Studium der Judenfrage« bestanden hat, gab es nicht.


DR. THOMA: Hatte denn Ballensiefen Beziehungen zum »Stürmer«?


HIEMER: Pohl hat persönliche Beziehungen zu mir gehabt. Pohl war ein Hebräist und hatte Talmudübersetzungen vorgenommen; er hatte auch den »Talmudgeist« herausgegeben. So kam es, daß ich Dr. Pohl kennenlernte. Ballensiefen hatte mit dem »Stürmer« keine Verbindung.


DR. THOMA: Ja, hatte Pohl persönliche Beziehung...?


HIEMER: Nur zu mir, aber zum »Stürmer« nicht.


DR. THOMA: Oder war er ein Abgesandter Rosenbergs in dieser Sache?


[446] HIEMER: Nein.


DR. THOMA: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich habe Sie nur eines zu fragen. Wenn ich richtig verstehe, so sagten Sie, daß Streicher Mitte 1944 überzeugt war, daß die Berichte in der Schweizer Zeitschrift »Israelitisches Wochenblatt« der Wahrheit entsprechen?


HIEMER: Ich habe Sie nicht verstanden. Ich bitte, die Frage zu wiederholen.


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wenn ich richtig verstehe, so sagen Sie, daß Streicher Mitte 1944 überzeugt war, daß die Berichte der Schweizer Zeitschrift »Israelitisches Wochenblatt« über die Konzentrationslager der Wahrheit entsprechen?


HIEMER: Ja, ich hatte den Eindruck, daß Streicher Mitte 1944...


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich möchte nur die Antwort ja oder nein. Das genügt voll kommen.

Ich möchte Ihnen nur drei Zeilen eines Artikels vorlesen, der im »Stürmer« am 14. September 1944 erschienen ist.


HIEMER: Jawohl.


OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES:

»Der Bolschewismus kann nicht besiegt werden, er muß vernichtet werden. Und ebensowenig kann das Judentum besiegt, entwaffnet oder wehrlos gemacht werden; es muß ausgerottet werden.«

Das ist auf Seite 2 zu lesen. Nun das Wort, das Sie anwenden – oder das angewandt wird – für »exterminate« ist »ausgerottet« was, soviel ich weiß, »vollkommen vernichtet« heißt.

Warum erschien dieser Artikel im September 1944 im »Stürmer« wenn der Eigentümer des »Stürmer« wußte, was sich in den Konzentrationslagern des Ostens zutrug? Was war der Zweck dieses Artikels?

HIEMER: Ich selbst habe diesen Artikel nicht geschrieben. Ich glaube, dieser Artikel ist von Streicher geschrieben worden. Ich kann also von mir aus die Absicht des Artikels nicht feststellen. Ich stelle aber fest, daß Streicher gegen die Ermordungen in den Konzentrationslagern sich geäußert hat und daß er die Ermordung der Judenheit nicht wünschte.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Gut, lassen wir das!

Hoher Gerichtshof! Aus Gründen der Zeitersparnis beabsichtige ich nicht, diesen Zeugen weiter einem Kreuzverhör zu unterziehen. Vielleicht darf ich mir gestatten, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die im Dokumentenbündel »A« enthaltenen Artikel zu lenken, Artikel, die von diesem Zeugen selbst verfaßt wurden. Es [447] sind ungefähr sieben: Seite 3a, 35a, 38a, 40a, 49a, 50a und 51a. Sie erstrecken sich über einen Zeitraum von Januar 1939 bis August 1944.

Außerdem möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs darauf lenken, daß der Zeuge der Verfasser des ekelerregenden Kinderbuches war, das ich dem Gerichtshof bei der Behandlung der Einzelanklage gegen Streicher vorgelegt habe.


VORSITZENDER: Wünscht noch jemand den Zeugen ins Kreuzverhör zu nehmen?


[Keine Antwort.]


Dr. Marx! Wollen Sie den Zeugen wiederverhören? Sie hörten, was der Ankläger über die verschiedenen, von diesem Zeugen geschriebenen Artikel sagte. Wollen Sie nochmals verhören? Haben Sie noch irgendwelche Fragen an den Zeugen zu stellen?

DR. MARX: Ich bitte.

Herr Hiemer! Sie haben die Frage vorhin wohl nicht ganz verstanden. Sie sollen also sich noch einmal darüber äußern, wann Herr Streicher Kenntnis erlangt hat, wann er Ihnen zu erkennen gegeben hat, daß er von diesen Massentötungen nun überzeugt ist oder wenigstens daran geglaubt hat.


HIEMER: Nach meiner Meinung und Überzeugung wäre dies Mitte 1944 gewesen.


DR. MARX: Es ist aber doch in dem »Israelitischen Wochenblatt« schon eine ganze Reihe von Jahren vorher die Rede davon gewesen.


HIEMER: Ja, da hatte es Streicher nicht geglaubt. Seine Sinnesänderung trat erst im Jahre 1944, und ich habe in Erinnerung, erst Mitte 1944, ein.


DR. MARX: Ich habe keine weiteren Fragen an den Zeugen mehr.


VORSITZENDER: Der Zeuge kann abtreten.


[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


DR. MARX: Mit Erlaubnis des Gerichts rufe ich nunmehr den Zeugen Philipp Wurzbacher.

VORSITZENDER: Jawohl.


[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

ZEUGE PHILIPP WURZBACHER: Philipp Wurzbacher.


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir folgenden Eid nach:

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


[448] VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. MARX: Herr Zeuge! Sie waren SA-Führer in Nürnberg?


WURZBACHER: Jawohl.


DR. MARX: Seit wann?


WURZBACHER: Seit 1928.


DR. MARX: Und welche Stellung bekleideten Sie?


WURZBACHER: Ich habe damals die Stellung eines SA-Standartenführers bekleidet, aus den kleinsten Anfängen heraus.


VORSITZENDER: Wenn das gelbe Licht aufleuchtet, bedeutet das, daß Sie zu rasch sprechen. Haben Sie mich verstanden?


WURZBACHER: Ich rede zu schnell?


DR. MARX: Sprechen Sie langsamer; machen Sie möglichst viele Pausen, weil Ihre Aussage in mehrere Sprachen übersetzt werden muß.

Seit wann kennen Sie den Angeklagten Streicher?


WURZBACHER: Aus den Versammlungen seit dem Jahre 1923; persönlich aus der Zeit meiner Tätigkeit als SA-Führer im Jahr 1928.


DR. MARX: Waren Sie in den Versammlungen, in denen er sprach, regelmäßig anwesend?


WURZBACHER: Ich kann nicht sagen, daß ich regelmäßig anwesend war, wohl aber war ich sehr häufig anwesend.


DR. MARX: Forderte Streicher in seinen Reden zu Gewalttätigkeiten gegen die jüdische Bevölkerung auf oder kündete er solche an?


WURZBACHER: Ich habe nie in Versammlungen davon gehört, daß zu Gewalttätigkeiten gegen die jüdische Bevölkerung aufgefordert worden ist. Auch nie habe ich gehört, daß er aufforderte oder ankündigte, etwas Derartiges vorzuhaben.


DR. MARX: Und ist in Nürnberg oder im Gau Franken in der Zeit von 1920 bis 1933 jemals eine Gewalthandlung gegen die jüdische Bevölkerung vorgefallen, die aus dem Volke heraus vorgenommen wurde und entstanden war?


WURZBACHER: Nein, ich kann mich an einen derartigen Vorfall nicht erinnern.


DR. MARX: Oder hat die SA eine solche unternommen oder wurde eine solche befohlen?


WURZBACHER: Die SA hatte etwas Derartiges nie unternommen. Im Gegenteil, die SA hatte Weisung, und zwar einwandfreie Weisung, derartige Gewaltakte zu unterlassen. Es wäre für den einzelnen, wenn er es getan hätte oder wenn ein SA-Führer [449] Befehl gegeben hätte, zu schweren Strafen gekommen. Im übrigen hat, wie ich schon vorher betonte, niemals eine Aufforderung oder ein Befehl dazu vorgelegen.


DR. MARX: Was sagen Sie dann zu den Vorgängen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938?


WURZBACHER: Ich habe diese Vorgänge in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 persönlich nicht in Nürnberg erlebt. Ich war zu dieser Zeit wegen eines chronischen Hals- und Kehlkopfkatarrhs in Bad Ems. Ich kann darüber nur aus Erzählungen, die mir nachher gegeben worden sind, etwas sagen.


DR. MARX: Sprachen Sie mit dem Obergruppenführer Obernitz?


WURZBACHER: Jawohl.


DR. MARX: Über diese Vorgänge?


WURZBACHER: Jawohl, ich habe mit Obergruppenführer Obernitz damals in einer kurzen Unterredung, als ich mich zurückmeldete, gesprochen. Es waren an und für sich wenige Worte, da Obergruppenführer Obernitz abgerufen wurde, so daß ich dann nicht einmal im Verlaufe einer Unterhaltung darauf zu sprechen kommen konnte. Ich erinnere mich daran, daß damals Obergruppenführer Obernitz aussagte, so ungefähr sinngemäß, die Sache sei von seiner Seite aus in Ordnung gebracht worden.


DR. MARX: War innerhalb der SA eine einheitliche Stimmung vorhanden oder war es so, daß sogar in den Kreisen der SA diese unglaublichen Vorgänge mißbilligt wurden?


WURZBACHER: Die Stimmung war, soviel ich dann feststellen konnte, als ich zurückkam – es war wohl der 23. oder 24. November – eine sehr geteilte. Es war so, daß ein Teil der SA dafür, der andere dagegen war; jedenfalls aber war es so, daß allgemein, was geschehen war, zu einem überwiegenden Teil für nicht richtig befunden und verurteilt wurde.


DR. MARX: War eine Verschärfung, ich möchte sagen, eine gewisse Verrohung in diesen Kreisen nach 1933 festzustellen durch die Zunahme der SA?


WURZBACHER: Es ist ganz selbstverständlich gewesen, daß mit der Machtübernahme, mit der damaligen Hereinnahme vieler neuer unübersichtlicher Menschen, die Lage eine vollkommen andere wurde, als wie sie vorher war. Vorher hatte man als verantwortlicher Führer fast jeden einzelnen gekannt. Mit dem nun gewaltigen Zustrom neuer Menschen war es so, daß die Übersicht mehr oder minder erst einmal geschaffen werden mußte. Es war aber – ich glaube, wohl sagen zu dürfen – eine Verrohung insofern nicht eingetreten. Es waren vielleicht die einen oder anderen Elemente [450] untergeschlüpft, die im Namen der SA das eine oder andere taten. Im allgemeinen kann ich aber nicht sagen, daß, in der Gesamtheit gesehen, eine Verrohung eingetreten gewesen wäre.


DR. MARX: Haben Sie die Wahrnehmung gemacht, daß der »Stürmer« in der SA einen Einfluß ausübte und daß dadurch eine antisemitische Strömung in der Ihnen unterstellten Truppe erkennbar war, oder wurde nicht bei Ihnen ein anderes Blatt, »Der SA-Mann«, gelesen?


WURZBACHER: Dazu kann ich nur sagen, daß der »Stürmer« gerade in den Nürnberger Bevölkerungskreisen, im besonderen aber in der SA, eine, ich möchte sagen, geteilte Aufnahme gefunden hat. Es gab starke Teile in der SA, die den »Stürmer« – ich möchte sagen – nicht abgelehnt, aber die eben ohne Interesse waren, und zwar deswegen, weil sich der Inhalt immer wiederholte und aus diesem Grunde mehr oder minder für sie uninteressant wurde. Im übrigen wurde natürlich von den Angehörigen der SA »Der SA-Mann« als ihre Zeitung zunächst gelesen.


DR. MARX: Wenn Sie an einer Versammlung teilnahmen, in der Streicher sprach, welchen Eindruck gewannen Sie von den Zielen, die er hinsichtlich der Lösung der jüdischen Frage mit seiner Rede verfolgte?


WURZBACHER: Ja, die Ziele, die hier von ihm bekanntgegeben worden sind, waren – ich möchte sagen – eindeutig und klar. Er verfolgte die Politik, daß die starken Kräfte, die seitens des jüdischen Volkes in der deutschen Wirtschaft und vor allen Dingen im öffentlichen Leben, in den öffentlichen Ämtern waren, beiseite geräumt werden sollten und daß dann zwangsläufig damit auch der Vollzug einer Ausweisung, beziehungsweise eben einer Auswanderung in Frage kommen sollte.


DR. MARX: Waren Sie am 1. April 1933 an dieser Boykottsache irgendwie beteiligt?


WURZBACHER: Jawohl, ich war an dieser Boykottsache beteiligt. Ich habe damals den Auftrag von meinem Gruppenführer bekommen, dafür zu sorgen, daß diese Boykottbewegung in einem Rahmen verlaufe, der geordnet und richtig sei, damit auch ein gewisser Erfolg dieser Boykottbewegung gewährleistet werden könne. Ich habe damals die verschiedenen Kaufhäuser und so weiter nach Anweisung meiner mir untergebenen Sturmführer durch Posten besetzen lassen mit je zwei Mann, die dafür zu sorgen hatten, daß nichts passiere und daß alles in einem klaren und einwandfreien Sinne verlaufen möge.


DR. MARX: Sind da nicht auch Anweisungen von Streicher vorgelegen?


[451] WURZBACHER: Ja, die Anweisungen, die ich von meinem Gruppenführer gehabt habe, waren ja vom Gauleiter Streicher herausgegeben.


DR. MARX: Sollten nicht Tätlichkeiten gegen die Juden unter allen Umständen hintangehalten werden?


WURZBACHER: Es war nicht nur in dem einen Fall so, sondern in allen Fällen. Es wurde wiederholt darauf hingewiesen, daß Tätlichkeiten oder selbständige Gewalthandlungen oder allgemeine Handlungen gegen das jüdische Volk oder gegen den jüdischen Menschen, im besonderen in Nürnberg, zu unterlassen seien, und daß es strengstens verboten war...


DR. MARX: Wie hat sich dann Streicher verhalten, wenn er erfuhr, daß doch solche Gewalttaten einzelner vorgekommen waren?


WURZBACHER: Ich kenne ein Beispiel, wo es dazu kam. Ich glaube wohl, es war eine kleine Schlägerei; jedenfalls aber, es war etwas vorgekommen. Ich kann es jetzt nicht mehr sagen, um welchen Fall es sich handelte. Jedenfalls gab es einen furchtbaren Krach von ihm, und wir SA-Führer wurden entsprechend belehrt und zusammengestaucht, wenn ich das Wort gebrauchen kann.


DR. MARX: Ja, wie äußerte er sich dann dazu; hat er da eine allgemeine Erklärung gegeben, oder?


WURZBACHER: Er sagte – vielleicht darf ich das sinngemäß sagen –, er sagte, daß er in seinem Gau es nicht dulden würde, daß man Menschen schlage oder sonst irgendwie quälen würde, und es fielen dabei auch drastische Ausdrücke gegen den SA-Führer, die meinetwegen in »Lümmel« oder sonst irgendwie – ich kann es nicht mehr sagen – endeten.


DR. MARX: Er wurde aber doch der »blutige Zar von Franken« genannt? Wie ist das zu erklären?


WURZBACHER: Vielleicht ist es seine Art gewesen, wie er sich manchmal gegeben hat. Er konnte manchmal sehr hart und sehr deutlich werden. Jedenfalls kann ich nur sagen, daß ich von einem blutigen Zaren während meiner Tätigkeit nichts erlebt und nichts erfahren habe.


DR. MARX: Wissen Sie etwas, wie er sich den KZ-Lagern gegenüber verhalten hat; hat er Dachau besucht und wie oft, und was hat er dann gemacht?


WURZBACHER: Ich kann darüber keine Auskunft geben; ich weiß nur eines, daß er versucht hat und daß er das auch wiederholt geäußert hat, daß die Menschen, die nun nach Dachau gekommen sind, baldmöglichst herauskommen, wenn nicht irgendeine kriminelle oder sonstige Belastung vorliege. Ich kenne auch einige Fälle, die [452] kurz nach der Inhaftierung oder nach der Verschickung in Konzentrationslager schnell wieder gelöst wurden, so zum Beispiel sein alter Gegner im Rathaus zu Nürnberg, Lehrer Matt, der nach ganz kurzer Zeit wieder entlassen wurde. Ich glaube, es waren wohl drei oder vier Monate gewesen. Ein anderer, ein gewisser Lefender, der in den Gewerkschaften vor allen Dingen tätig war, kam auch nach kurzer Zeit heraus und, wenn ich mich recht entsinne, dann war es wohl das Jahr 1935 oder anfangs 1936 – ich weiß es nicht mehr genau –, wo die letzten aus dem Lager Dachau herauskamen und mit Musik empfangen worden sind.


DR. MARX: Wurde es ihm nicht sehr verübelt, daß er so viele Mitglieder der Linksparteien aus Dachau herausgeholt hat?


WURZBACHER: Es wurde das eine und das andere Mal in den Reihen der SA laut, daß es doch eine nicht zu verantwortende Handlung des Gauleiters sei, nun heute das zu tun, so leicht darüber hinwegzugehen und so weiter, und so weiter; aber es wurde auch darauf hingewiesen von unserer Seite, daß ja letzten Endes der Gauleiter die Verantwortung habe und daß er wissen müsse, was er in diesem oder jenem Falle zu tun habe.


DR. MARX: Ist Ihnen davon etwas bekannt, daß Himmler Streicher gegenüber sein Mißfallen über diese Entschließungen aussprach und ihm ankündigte, daß er mit Maßregelung zu rechnen habe, wenn er damit fortfahre? Wenn Ihnen hierüber nichts bekannt ist, sagen Sie ruhig nein.


WURZBACHER: Nein.

DR. MARX: Ich bin dann mit der Vernehmung dieses Zeugen zu Ende.


VORSITZENDER: Wünscht ein weiterer Verteidiger Fragen zu stellen?

Möchte die Anklagevertretung irgendwelche Fragen stellen?


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, keine Frage.


VORSITZENDER: Dann kann der Zeuge abtreten.


[Der Zeuge verläßt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Ist damit Ihr Fall abgeschlossen, Herr Dr. Marx?

DR. MARX: Jawohl.


VORSITZENDER: Wir werden jetzt mit dem Fall Schacht fortfahren.


DR. DIX: Ich beginne mit meiner Beweisführung, mit der Zeugenschaft Dr. Schacht und bitte Euer Lordschaft anzuordnen, daß Dr. Schacht den Zeugenstand betreten kann.


[Der Angeklagte Schacht betritt den Zeugenstand.]


[453] VORSITZENDER: Wie heißen Sie?

HJALMAR SCHACHT: Hjalmar Schacht.


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir diesen Eid nach!

Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


DR. DIX: Bitte erzählen Sie dem Gericht kurz Ihre Herkunft!

SCHACHT: Die Familien meiner beiden Eltern sind seit Jahrhunderten in Schleswig-Holstein, welches bis 1864 zu Dänemark gehörte. Meine beiden Eltern sind noch als dänische Staatsangehörige geboren. Nach der Übernahme durch Deutschland wanderte mein Vater nach Amerika aus, wohin schon drei seiner älteren Brüder ausgewandert waren. Mein Vater wurde amerikanischer Staatsbürger, meine beiden älteren Brüder sind drüben geboren. Er mußte dann nach Deutschland zurückkehren aus gesundheitlichen Rücksichten für meine Mutter.

Ich bin in Hamburg erzogen. Habe an deutschen Universitäten und in Paris studiert. Bin, nachdem ich meinen Doktorgrad erreicht hatte, zwei Jahre lang in wirtschaftlichen Organisationen tätig gewesen. Trat dann in die Banklaufbahn ein. Bin 13 Jahre in der Dresdner Bank gewesen, einer der großen sogenannten »D«-Banken. Habe dann die Leitung einer eigenen Bank übernommen, die später mit einer der »D«-Banken fusionierte. Bin im Jahre 1923 aus dem Privatleben ausgeschieden und in den öffentlichen Dienst gegangen als Reichswährungskommissar und wurde bald darauf Reichsbankpräsident und habe bis 1930 das Amt des Reichsbankpräsidenten versehen, worauf ich meinen Rücktritt erklärte.


DR. DIX: Warum haben Sie Ihr Amt als Reichsbankpräsident damals niedergelegt?


SCHACHT: Ich befand mich mit der Regierung auf zwei wesentlichen Gebieten in Meinungsverschiedenheit. Das eine war die innere Finanzpolitik der Regierung. Nachdem die entsetzliche Katastrophe des verlorenen Krieges und des Versailler Diktates hinter uns war, war es nach meiner Auffassung notwendig, daß die deutsche Politik sich einer sehr sparsamen und bescheidenen Methode bediente. Die demokratischen Regierungen und die sozialistischen Regierungen jener Zeit konnten sich dazu nicht verstehen, sondern haben eine sehr leichtfertige Finanzpolitik betrieben, die sich namentlich darin äußerte, daß sie eine Schul denpolitik einschlugen, die insbesondere sich auch an das Ausland in außerordentlich großem Umfange richtete. Nun war es ganz klar, daß Deutschland, welches ohnehin schon mit Reparationszahlungen außerordentlich belastet war, unter [454] keinen Umständen in der Lage war, diejenigen ausländischen Geldmittel aufzubringen, die ausländischen Valuten aufzubringen, die für die Bezahlung dieser Schulden notwendig waren. Wir konnten ja nicht einmal die Reparationen aus der eigenen Wirtschaft bezahlen.

Ich habe infolgedessen gegen diese Schulden, zu der die Regierungen jener Zeit alle griffen und zu der sie wohl auch die Industrien und Privatgesellschaften ermunterten, ich habe mich gegen diese Finanzpolitik gewandt und dauernd Ausland und Inland gewarnt, eine solche ausländische Schuldenpolitik zu betreiben. Die ausländischen Bankiers hörten nicht, und die Deutsche Regierung hörte nicht. Es war das jene Zeit, wo man, wenn man in Berlin am Hotel Adlon, Unter den Linden, vorbeiging, nicht sicher war, daß nicht ein Finanzagent herauskam und fragte, ob man nicht eine Anleihe kaufen wolle.

Diese Leute haben mich dann sehr bekämpft, als der Schuldendienst Deutschlands eingestellt werden mußte, – ich betone aber, daß ich auf das entschiedenste zu allen Zeiten gegen eine solche Schuldenpolitik gewesen bin.

Das war der eine Grund; der andere Grund lag auf außenpolitischem Gebiet. Ich hatte nicht nur am Zustandekommen des Young-Planes, sondern auch im Jahre 1929 am Zustandekommen des Young-Komitees mitgearbeitet; der sogenannte Young-Plan hatte eine Reihe von Verbesserungen für Deutschland gebracht, die nun von der Deutschen Regierung in den nachfolgenden Verhandlungen in Den Haag Schritt für Schritt preisgegeben wurden; dadurch wurde die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Landes wieder verschlechtert. Ich habe infolgedessen hiergegen revoltiert und aus diesen beiden Gründen im März 1930 mein Amt als Reichsbankpräsident aus Protest niedergelegt.


DR. DIX: Meine Herren Richter! Ich möchte in diesem Zusammenhang schon aufmerksam machen auf das Exhibit Nummer 6 meines Dokumentenbuches. Wenn das Gericht damit einverstanden ist, werde ich, um den Dokumentenbeweis zu verkürzen, schon während der Vernehmung des Zeugen auf diejenigen Dokumente hinweisen, die in sachlichem Zusammenhang mit den Fragen stehen, die jetzt von dem Zeugen behandelt werden. Ich glaube, daß dies dem Gericht angenehm sein wird; denn es wird ja auch den Urkundenbeweis abkürzen. Also es ist Exhibit Nummer 6; es ist auf Seite 12 der deutschen Ausgabe meines Dokumentenbuches und auf Seite 8 der englischen Ausgabe, Exhibit Nummer 6. Das ist eine Wiedergabe der Ausführungen von Dr. Schacht in einer Sitzung des Unterausschusses für Geld- und Kreditwesen am 21. Oktober 1926. Ich glaube, es ist nicht notwendig, daß ich diese Ausführungen vorlese; sie beziehen sich auf die Auslandsbesprechungen, die [455] Dr. Schacht eben erwähnt hat, enthalten dieselben Gedankengänge, die Dr. Schacht eben hier vor dem Gericht entwickelt hat und sind ein Beweis dafür, daß diese Gedankengänge nicht eine Konstruktion ex post facto sind. Ich bitte also, ohne daß ich es verlese, von dieser Urkunde im ganzen amtlich Kenntnis zu nehmen.

Und nun zurück zur Vernehmung.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie waren also zurückgetreten von Ihrem Amt als Reichsbankpräsident. Was taten Sie denn nun?

SCHACHT: Ich ging auf meinen kleinen landwirtschaftlichen Besitz, den ich besaß, und habe als Privatmann gelebt. Habe aber dann eine Reise nach Amerika gemacht, die in das Jahr 1930 fällt, und zwar bin ich kurz nach den Reichstagswahlen oder unmittelbar nach den Reichstagswahlen von September 1930 abgereist und über London nach Neuyork gefahren. Ich habe dort etwa zwei Monate Vorträge gehalten über Fragen, die mir von amerikanischen Freunden vorgelegt worden waren.

DR. DIX: Wann erfolgte denn nun Ihre erste Berührung mit dem nationalsozialistischen Gedankengut, mit der Partei und mit Hitler persönlich, und wann haben Sie insbesondere das Parteiprogramm und Hitlers Buch »Mein Kampf« gelesen?


SCHACHT: Ich habe mich mit Ausnahme eines einzigen Males in meinem Leben um Parteipolitik nie gekümmert. Mir wurde schon in meinem 26. Lebensjahre ein sicherer Wahlkreis im Reichstag angeboten, den ich nicht angenommen habe, weil ich für Parteipolitik niemals Interesse gehabt habe. Mein Interesse galt immer der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Richtung; aber ich habe selbstverständlich für die öffentlichen Dinge stets Allgemeininteresse gehabt, aus einer Anteilnahme an dem Geschick meines Landes und meines Volkes heraus.

Infolgedessen habe ich mich im Jahre 1919 an der Gründung der Demokratischen Partei beteiligt.

Ich darf hier vielleicht ein paar Worte einschalten über meine ganze geistige und charakterliche Erziehung. Mein Vater ist sein ganzes Leben hindurch ein Anhänger demokratischer Überzeugung gewesen. Er ist Freimaurer gewesen. Er ist ein Kosmopolit gewesen. Ich hatte und habe zahlreiche Verwandte in Dänemark von mütterlicher Seite her, in Amerika von väterlicher Seite her, und stehe mit ihnen bis heute in freundschaftlichem Verkehr. In dieser Einstellung bin auch ich aufgewachsen und habe mich von diesen Grundsätzen einer freimaurerischen, demokratischen, humanitären, kosmopolitischen Einstellung nie entfernt. Ich bin auch weiterhin stets in außerordentlich engem Kontakt mit dem Ausland geblieben. [456] Ich bin sehr viel gereist. Es gibt in Europa, außer Irland und Finnland, keinen Staat, kein Land, das ich nicht besucht habe. Ich kenne Vorderasien bis herunter nach Indien, Ceylon und Burma. Ich habe Nordamerika wiederholt besucht und wollte vor dem Krieg gerade eine Südamerikareise antreten, als der zweite Weltkrieg ausbrach. Ich möchte das hervorheben, um zu sagen, daß ich niemals parteipolitisch interessiert gewesen bin. Dennoch habe ich natürlich, nachdem in den Septemberwahlen 1930 die Hitler-Partei plötzlich und völlig überraschend auf 108 Mandate gekommen war, mich für dieses Phänomen interessiert und auf dem Dampfer auf der Fahrt nach Amerika »Mein Kampf« gelesen und dabei natürlich auch das Parteiprogramm. Als ich drüben ankam, war die erste Frage die, was ich über Hitler und die Partei meinte, weil natürlich alles von diesem Ereignis in Deutschland voll war. Ich habe damals in meiner allerersten Veröffentlichung, einem Interview, auf das deutlichste gewarnt und gesagt: »Wenn ihr Ausländer eure Politik gegenüber Deutschland nicht ändert, so werdet ihr bald noch sehr viel mehr Hitler-Anhänger in Deutschland haben, als wie es jetzt der Fall ist.« Ich habe dann auch die ganze Zeit über, zwei Monate hindurch, ungefähr fünfzigmal, in öffentlichen Versammlungen gesprochen, durchaus immer wieder das Verständnis für die Reparationsfragen und Schäden des Versailler Vertrages, für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands, gefunden und kam zurück mit dem Eindruck, daß die ganze amerikanische Einstellung, die Einstellung des amerikanischen Volkes uns gegenüber doch eine verhältnismäßig freundliche sei. Ich habe rein, nicht von mir aus, sondern zufällig dann die Berührung mit nationalsozialistischen Anhängern bekommen in der Form, daß mich ein befreundeter Bankdirektor anfangs Dezember 1930 einlud, einmal bei ihm in seinem Hause zu Abend zu essen und mit Hermann Göring zusammenzutreffen. Das habe ich getan und hatte von den Ausführungen und von dem Auftreten Görings keinen übermäßig entscheidenden Eindruck. Er war durchaus zurückhaltend, bescheiden und ordentlich und lud mich ein, nun auch einmal bei ihm Hitler kennenzulernen. Ich habe anfangs Januar dann einen Abend mit meiner Frau zusammen bei Göring und seiner Frau zugebracht beim Abendbrot, wo auch Fritz Thyssen eingeladen war, und es bestand die Absicht, daß Hitler an diesem Abend auch kom men sollte und mit uns sprechen wollte. Ich bemerke auch hier, daß der ganze Zuschnitt der Göringschen Wohnung außerordentlich bescheiden und einfach war. Es gab eine einfache Erbsensuppe mit Speck zum Essen, und insbesondere machte die erste Frau Görings einen ganz hervorragenden Eindruck. Nach dem Abendbrot erschien Hitler, und es entspann sich eine Unterhaltung, die sich in der Weise abspielte, daß, sagen wir, 5 Prozent des Sprechens auf uns entfiel und 95 Prozent des Sprechens auf Hitler. Der Inhalt seiner Ausführungen betraf nationale Fragen, [457] in denen er völlig mit uns d'accord ging. Es wurden keine extravaganten Forderungen gestellt, auf der anderen Seite aber die nationalen Notwendigkeiten Deutschlands durchaus betont. In sozialer Hinsicht hatte Hitler eine Reihe von guten Gedanken, die insbesondere darauf hinausgingen, den Klassenkampf zu vermeiden, Streiks, Aussperrungen, Lohnstreitigkeiten zu beseitigen durch einen führenden Eingriff des Staates in das Arbeitsverhältnis und in die Führung der Wirtschaft. Nicht Beseitigung, aber Einflußnahme auf die Art und Weise der Lenkung der Privatwirtschaft wurde gefordert, und es schien uns, als ob diese Gedanken durchaus vernünftig und annehmbar waren. Im übrigen zeigte er auf wirtschaftlichem und finanzpolitischem Gebiet so gut wie gar keine Kenntnisse, beanspruchte auch an diesem Abend nicht, etwas nach dieser Richtung hin zu wissen. Er bat nur darum, daß wir in der Wirtschaft doch Verständnis für seine Ideen haben möchten und daß wir ihm sachberatend gegenüberstehen müßten. Das war der Zweck des Abends.


DR. DIX: Ich komme auf diese erste Unterredung mit Adolf Hitler noch zurück, möchte aber nochmals zurückkehren zu meiner vorhin gestellten Frage bezüglich Ihrer Einstellung zum Parteiprogramm und der Ideologie, wie sie sich im Buch »Mein Kampf« entwickelte, und zwar deswegen: Sie haben ja auch hier gehört, daß die Herren der Anklagevertretung den Standpunkt vertreten, daß schon das Parteiprogramm als solches in gewissen Teilen, aber auch Teile des Buches »Mein Kampf«, verbrecherischen Charakter habe und daß dieser Charakter auch schon gleich zu Beginn des Erscheinens des Parteiprogrammes und des genannten Buches erkennbar gewesen ist. Ich möchte Sie deshalb bitten, doch noch unter diesem Gesichtspunkt Ihre damalige Einstellung, allenfalls auch Ihre heutige Einstellung zu diesem Parteiprogramm und zur Ideologie des Nationalsozialismus, soweit es sich aus dem Buch »Mein Kampf« ergibt, eingehend Stellung zu nehmen.


SCHACHT: Ich habe aus den bisherigen Verhandlungen in diesem Saal nicht den Eindruck gewonnen, daß die Einstellung der Anklagevertreter hinsichtlich des verbrecherischen Charakters des Parteiprogrammes eine einheitliche war. Ich vermerke, daß ich in dem Parteiprogramm als solchem keinerlei Anzeichen für irgendeine verbrecherische Absicht sehe.

Der Zusammenschluß aller Deutschen, der hier stets eine große Rolle spielte, wird immer nur auf Grund des Selbstbestimmungsrechtes gefordert. Die außenpolitische Stellung Deutschlands wird nur beordert als eine Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen; daß damit die Diskriminierungen, die dem deutschen Volk durch den Versailler Vertrag auferlegt wurden, selbstverständlich mit beseitigt werden mußten, ist ganz klar.

[458] Es wurde Land und Boden zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedelung unseres Bevölkerungsüberschusses gefordert. Ich kann darin kein Verbrechen sehen, weil ausdrücklich hinter Land und Boden eingefügt ist, in Klammern: Kolonien. Ich habe das immer als eine soziale Forderung aufgefaßt, die ich, lange bevor der Nazismus in Erscheinung getreten ist, auch meinerseits stets vertreten habe. Befremdend und nach meiner Auffassung über das Ziel hinausschießend waren die Bestimmungen hinsichtlich der Ausschließung der Juden von den Staatsbürgerrechten; aber beruhigend war wiederum, daß die Juden unter Fremdengesetzgebung stehen sollten, das heißt unter derselben Gesetzgebung, unter der in Deutsch land ein Ausländer stand. Ich hatte gewünscht und habe es immer gefordert, daß man diesen Rechtsschutz den Juden unter allen Umständen auch wirklich geben solle; man hat ihnen diesen Rechtsschutz leider nicht gegeben. Im übrigen war betont, daß alle Staatsbürger gleiche Rechte und Pflichten haben sollten.

Förderung des Volksbildungswesens wurde als nützlich hervorgehoben. Es wurden Turnen und Sport zur Hebung der Volksgesundheit gefordert. Es wurde der Kampf gegen die bewußte politische Lüge gefordert, den ja Dr. Goebbels dann nachher sehr kräftig geführt hat; und es wurde vor allem gefordert die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse und der Grundsatz eines positiven Christentums.

Das ist im wesentlichen der Inhalt des nationalsozialistischen Parteiprogramms, und ich kann nicht finden, daß darin irgend etwas Verbrecherisches liegt. Es wäre ja auch sehr merkwürdig, wenn die Welt zwei Jahrzehnte lang mit Deutschland und ein Jahrzehnt lang mit dem Nationalsozialismus dauernden politischen und kulturellen Kontakt gehalten hätte, wenn es sich hier um ein verbrecherisches Parteiprogramm gehandelt hätte.

Was das Buch »Mein Kampf« anbelangt, so ist mein Urteil von Anfang an immer das gleiche gewesen, wie es auch heute noch ist: ein in schlechtestem Deutsch geschriebenes Buch, die Propagandaschrift eines politisch stark interessierten, um nicht zu sagen eines fanatisierten, halbgebildeten Mannes, als der sich mir Hitler auch in der Folgezeit immer gezeigt hat. Es war in dem Buch »Mein Kampf« und zum Teil auch im Parteiprogramm ein Punkt enthalten, der mir sehr zu denken gab, das war die völlige Verständnislosigkeit allen Wirtschaftsproblemen gegenüber. Das Parteiprogramm hatte einige ganz wenige propagandistische Sätze wie »Gemeinnutz geht vor Eigennutz« und solche Sachen, dann »Brechung der Zinsknechtschaft« und solche Redensarten, unter denen, man sich natürlich absolut nichts Vernünftiges vorstellen konnte. Das kam auch in »Mein Kampf« wieder zum Ausdruck, der ja in wirtschaftspolitischer Beziehung völlig uninteressant ist und infolgedessen für mich auch ganz uninteressant war.

[459] Auf der anderen Seite war in außenpolitischer Hinsicht das Buch »Mein Kampf« für mich außerordentlich fehlerhaft, weil es immer mit dem Gedanken spielte, daß man in Europa den Lebensraum Deutschlands erweitern müsse. Wenn mich diese Ausführungen nicht abgeschreckt haben, nachher mit einem nationalsozialistischen Reichskanzler zusammenzuarbeiten, so aus dem sehr einfachen Grunde, weil die Ausweitung des deutschen Raumes nach Osten hin ausdrücklich in dem Buch »Mein Kampf« davon abhängig gemacht wurde, daß die Englische Regierung hierzu ihren Segen geben würde. Es war somit für mich, der ich die englische Politik sehr gut zu kennen glaubte, eine völlige Utopie und gefahrlos, diese theoretischen Ausschweifungen von Hitler etwa ernster einzuschätzen, als ich es getan habe.

Ich war mir darüber klar, daß jede gewaltsame Gebietsveränderung auf europäischem Boden für Deutschland eine Unmöglichkeit sein würde und von den anderen Nationen auch nicht gebilligt werden würde. Im übrigen hat »Mein Kampf« eine Reihe törichter, weitschweifiger Ausführungen gehabt, aber auch manchen ordentlichen Gedanken. Insbesondere, das möchte ich hervorheben, haben mir zwei Sachen gut gefallen. Die eine war die, daß, wenn jemand in politischen Dingen anderer Ansicht ist als die Regierung, er die Pflicht hat, seine Meinung der Regierung gegenüber zum Ausdruck zu bringen; und die andere war die, daß zwar an die Stelle einer demokratischen Regierung, oder sagen wir besser einer parlamentarischen Regierung, eine Führerregierung treten müsse, daß aber auch dieser Führer immer nur bestehen könne, wenn er der Zustimmung des gesamten Volkes gewiß sei, mit anderen Worten, daß auch ein Führer von Volkswahlen demokratischer Natur abhängig sei.


DR. DIX: Dr. Schacht! Sie haben ja nun den Eindruck geschildert, den Sie sowohl von Ihrer ersten Unterredung mit Adolf Hitler empfangen hatten als auch aus dem Studium des Parteiprogrammes und von »Mein Kampf«. Glaubten Sie nun, mit Adolf Hitler arbeiten zu können, und was haben Sie überhaupt aus dieser ersten Unterhaltung mit Hitler für Folgerungen gezogen?


SCHACHT: Ein Arbeiten mit Adolf Hitler kam für mich persönlich ja gar nicht in Betracht, da ich Privatmann war und mich für die Parteipolitik nicht interessierte; und infolgedessen habe ich auch nach dieser Unterredung für meine Person und für meine etwaigen Beziehungen zu den Hitler-Kreisen nicht das leiseste getan. Ich bin ruhig wieder auf meinen Landsitz gegangen und habe privatim gelebt. Für mich persönlich habe ich also gar keine Folgerung gezogen. Aber ich habe eine andere Folgerung gezogen. Ich habe schon gesagt, daß ich selbstverständlich am Schicksal meines Landes beteiligt war. Ich habe nach dieser Unterhaltung mich mit dem [460] Reichskanzler Brüning wiederholt auf das nachdrücklichste unterhalten und ihn beschworen, er möge doch bei seiner Kabinettsbildung und bei seiner Kabinettsweiterführung die Nationalsozialisten in das Reichskabinett hineinnehmen, weil ich glaubte, daß nur auf diesem Wege der ungeheuere Elan, die ungeheuere propagandistische Wucht, die ich bei Hitler bemerkt hatte, eingefangen und gebändigt werden könnte, dadurch, daß man sie an praktische Regierungsaufgaben heranführte. Man solle sie nicht in der Opposition lassen, wo sie immer gefährlich werden könnten, sondern man solle sie in die Regierung hineinnehmen und sehen, was sie innerhalb der Regierung leisten könnten und ob sie sich dort nicht abschleifen würden. Das war der Vorschlag und die dringende Bitte, die ich an Brüning machte. Ich bemerkte, daß Hitler damals durchaus bereit gewesen war, nach meinem Eindruck. Brüning war für eine solche Politik unter keinen Umständen zu haben und geriet nachher unter die Räder.


DR. DIX: Bleiben wir einmal einen Moment bei der Partei stehen. Die Anklageschrift bezeichnet Sie ja als Parteimitglied. Nun hat ja Göring bereits ausgesagt, daß Hitler die Verleihung des Goldenen Parteiabzeichens nur als eine Art Ordensverleihung angesehen hat. Haben Sie dieser Aussage Görings irgend etwas hinzuzufügen, etwas Neues?


SCHACHT: Ich weiß nicht, ob es hier erwähnt worden ist: das Goldene Parteiabzeichen wurde damals im Jahre 1937 allen Ministern gegeben und auch den im Kabinett vertretenen Militärs. Die Militärs konnten gar keine Parteimitglieder werden, infolgedessen war mit dieser Verleihung auch gar keine Mitgliedschaft verbunden. Das andere, glaube ich, hat der Mitangeklagte Göring hier als Zeuge ausgesagt. Viel leicht kann ich noch eines erwähnen: wenn ich Parteimitglied gewesen wäre, so wäre bei meinem Hinauswurf als Minister ohne Portefeuille im Januar 1943 ganz zweifellos das Parteigericht in Aktion getreten; denn es wäre ja eine Insubordination gegenüber Hitler zutage gekommen. Ich bin niemals vor das Parteigericht gefordert worden, und auch als mir bei diesem Hinauswurf das Goldene Parteiabzeichen abgefordert wurde, hat man nicht gesagt, »Sie werden aus der Partei entlassen«; denn ich war gar nicht in der Partei drin. Man hat mir nur gesagt, »geben Sie das Ihnen verliehene Goldene Ehrenzeichen der Partei zurück.« was ich auch prompt besorgt habe.

Ich glaube, sonst wüßte ich nichts zu den früheren Äußerungen hinzuzufügen.


DR. DIX: Also wäre die Anklageschrift in diesem Punkte unrichtig?


SCHACHT: Sie ist in diesem Punkt völlig unrichtig.


DR. DIX: Warum sind Sie nicht Parteimitglied geworden?


[461] SCHACHT: Verzeihung, ich habe mich zu einer ganzen Reihe von Punkten der nationalsozialistischen Ideologie in Widerspruch befunden. Ich glaube nicht, daß es mit meiner ganzen demokratischen Einstellung vereinbar gewesen wäre, wenn ich nun das Parteiprogramm gewechselt hätte, und zwar ein Programm, das mir zwar nicht in seinem Wortlaut, aber in der Ausführung durch die Partei im Laufe der Zeit ja doch nicht etwa sympathischer geworden ist.


DR. DIX: Also, Sie sind aus grundsätzlichen Erwägungen nicht Parteimitglied geworden?


SCHACHT: Ja, aus grundsätzlichen Erwägungen.


DR. DIX: Nun ist da von Ihnen eine Biographie von einem gewissen Dr. Reuther im Jahre 1937 erschienen. Dort wird auch der Wahrheit gemäß ausgeführt, daß Sie nicht Parteimitglied waren. Aber diese Biographie erklärt Ihren Nichteintritt in die Partei mit anderen, namentlich mit taktischen Gründen, mit der Möglichkeit, nach außen wirken zu können und so weiter. Vielleicht wäre es doch zweckmäßig, wenn Sie im Laufe der Verhandlung hierzu Stellung nehmen würden.


SCHACHT: Ich glaube, daß Hitler damals den Eindruck gehabt hat, daß ich ihm außerhalb der Partei nützen könne und daß davon vielleicht etwas bei Herrn Dr. Reuther durchgesickert ist. Im übrigen möchte ich doch bitten, mich natürlich nicht für die Auslassungen des Herrn Dr. Reuther verantwortlich zu machen; und insbesondere möchte ich mich dagegen verwahren, daß der Anklagevertreter, der hier die Anklage gegen mich mündlich vorgetragen hat, dieses Buch von Dr. Reuther als eine amtliche Darstellung bezeichnet Selbstverständlich ist dieses Buch eine reine Privatarbeit eines Journalisten, den ich durchaus schätze, der aber selbstverständlich seine eigenen Ansichten und Auffassungen hat.


DR. DIX: Haben Sie sich, Herr Dr. Schacht, vor den Juniwahlen 1932 öffentlich für Hitler betätigt?


SCHACHT: Ich habe mich vor den Juniwahlen 1932, die ja Hitler den ungeheueren Erfolg brachten, weder öffentlich noch privatim für Hitler betätigt. Es sei denn, daß ein- oder zweimal – an einmal erinnere ich mich – Hitler mir einen Parteigenossen schickte, der wirtschaftspolitische oder finanzpolitische, währungspolitische Pläne hatte; und da hat ihm Hitler wohl gesagt, er möge sich mal mit mir unterhalten, ob diese währungspolitischen Pläne durchführbar seien oder nicht. Ich kann es ganz kurz erwähnen, dieser Mann war der Gauleiter Röwer von Oldenburg. Er war bereits vor 1932... In Oldenburg waren ja die Nazis vor 1932 zur Regierung gekommen, und er war der Ministerpräsident, und er wollte ein eigenes oldenburgisches Staatsgeld einführen, was zur [462] Folge gehabt hätte, daß auch Sachsen ein eigenes sächsisches, Württemberg ein eigenes württembergisches, Baden ein eigenes badisches – und so weiter – Staatsgeld eingeführt hätten. Ich habe mich damals über diese Sache sehr lustig gemacht und habe Hitler ein Telegramm geschickt, worin ich ihm sagte, mit solchen Wundern könne man die Wirtschaftsnöte des Deutschen Reiches nicht heilen. Wenn ich solche Fragen ausnehme, die ja eine gewisse private Verbindung darstellen könnten, so möchte ich sagen, daß ich mich weder privatim noch öffentlich in Rede oder Schrift irgendwie um Hitler oder seine Partei gekümmert habe und bin in keiner Weise für die Partei empfehlend eingetreten.


DR. DIX: Haben Sie denn nun im Juni 1932 nationalsozialistisch gewählt?


SCHACHT: Nein, ich denke gar nicht daran.


DR. DIX: Die Anklage stellt nun eine Reihe von Punkten auf, aus denen sie Ihre Anhängerschaft an die nationalsozialistische Ideologie beweisen will. Ich nenne sie Ihnen im einzelnen und bitte Sie dann, im einzelnen zu ihnen Stellung zu nehmen. Zunächst einmal: Sie wären ein Gegner des Vertrages von Versailles gewesen. Wollen Sie sich hierzu äußern?


SCHACHT: Es hat mich etwas in Erstaunen versetzt, diesen Vorwurf gerade aus dem Munde eines amerikanischen Anklagevertreters hier vorgetragen zu hören. Der Leutnant, der da gesprochen hat, ist viel leicht zu jung, um es noch selbst erlebt zu haben, aber er könnte es doch aus dem Unterricht wissen; jedenfalls für uns alle, die wir es damals erlebt haben, war es eines der größten Ereignisse, daß der Versailler Vertrag von Amerika abgelehnt wurde, und zwar, wenn ich mich nicht irre, mit einer überwältigenden Zustimmung des gesamten amerikanischen Volkes, und zwar aus genau den gleichen Gründen, aus denen ich den Vertrag ablehnte: nämlich, weil er im Widerspruch zu den feierlich vereinbarten vierzehn Punkten Wilsons stand und weil er auf wirtschaftspolitischem Gebiet Unsinnigkeiten enthielt, die sich zweifellos nicht zugunsten der Weltwirtschaft auswirken konnten. Ich würde deshalb aber nicht das amerikanische Volk der Anhängerschaft an die Nazi-Ideologie bezichtigen.


DR. DIX: Die Anklage behauptet ferner, daß Sie schon lange ein deutscher Nationalsozialist, also nicht nur ein deutscher Patriot, sondern ein deutscher Nationalist und Expansionist gewesen wären. Wollen Sie sich bitte dazu äußern?


SCHACHT: Sie haben selber durch die Hervorhebung des Wortes »Patriot« schon die Notwendigkeit anerkannt, sich darüber klarzuwerden, was ein Nationalist ist. Ich bin immer stolz darauf gewesen, einem Volke anzugehören, das seit mehr als tausend Jahren zu den [463] führenden Kulturnationen der Welt gehört. Ich bin stolz darauf gewesen, einem Volke anzugehören, das der Welt Männer geschenkt hat wie Luther, Kant, Goethe, Beethoven, um nur diese zu nennen. Ich habe unter Nationalismus immer verstanden das Bestreben eines Volkes, durch sittliche Haltung und durch geistige Leistung anderen Völkern Vorbild zu sein und eine Führerstellung auf geistigem und kulturellem Gebiet zu behaupten.


JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Ich glaube, wir kommen sehr weit von den eigentlichen Beschuldigungen in diesem Falle ab, was namentlich dann zu erkennen ist, wenn man den von der Anklagebehörde eingenommenen Standpunkt im Auge behält. Wir erheben keine Anklage gegen Dr. Schacht, weil er den Versailler Vertrag bekämpft hat. Wir räumen jedem deutschen Bürger das Recht ein, dies mit allen Mitteln außer Krieg zu tun. Wir wollen hier bloß herausfinden, was seine Einstellung war in Bezug auf die Beschuldigung, den Krieg vorbereitet und entfesselt zu haben.

Es scheint mir völlig falsch, hier philosophische Fragen getrennt von der Kriegsbeschuldigung zu behandeln. Ich versichere dem Gerichtshof, daß wir nicht beabsichtigen, Widerstand gegen den Vertrag von Versailles als ein Verbrechen anzusehen. Viele Amerikaner haben dies auch getan. Es ist auch kein Verbrechen, ein deutscher Patriot zu sein. Das Verbrechen ist das, das in der Anklageschrift beschrieben ist, und ich glaube, daß wir sehr weit davon abgekommen sind und nur Zeit vergeuden.


VORSITZENDER: Herr Dr. Dix! Was haben Sie dazu zu sagen?


DR. DIX: Ich habe sehr gern und sehr freudig gehört, was Justice Jackson jetzt gesagt; hat. Aber ich muß aus Wallenstein zitieren: »Vor Tische las man's anders«. Es war ganz zweifelsfrei – einmal habe ich sogar, weil ich glaube, mißverstanden zu haben, rückgefragt –, daß der verbrecherische Charakter des Parteiprogramms, der verbrecherische Charakter des Inhalts in »Mein Kampf«, die an sich schon zu beanstandende, zum mindesten aber für die später begangenen Verbrechen kennzeichnende Gegnerschaft gegen Versailles, des weiteren der Vorwurf, Expansionist und Nationalist gewesen zu sein, wiederholt in den bisherigen Verhandlungen Dr. Schacht vorgeworfen worden sind zur Untermauerung der gegen ihn erhobenen Anklage.

Wenn also jetzt Justice Jackson in dankenswerter Offenheit erklärt: Wir machen Dr. Schacht nicht nur keinen Vorwurf daraus, daß er den Vertrag von Versailles abgelehnt hat, wir behaupten nicht, daß er mehr als ein Patriot, nämlich ein Nationalist in dem beschriebenen Sinne gewesen ist, wir argumentieren auch nicht dahin, daß aus diesen unseren Behauptungen gefolgert werden kann, daß eine spätere Mitarbeit, finanzielle Mitarbeit am Rüstungsprogramm, ein indizielles Beweismittel für seinen Dolus, einen [464] Angriffskrieg führen zu helfen, ist, wenn das jetzt von der Anklage eindeutig zum Ausdruck gebracht wird, dann bin ich vielen Fragen, die ich an sich hier in meinen Fragenkomplex aufnehmen wollte, enthoben; ich verzichte dann gerne auf das Thema des Expansionisten und Nationalisten. Über Expansionisten haben wir zwar noch nicht gesprochen, hat auch Justice Jackson noch nicht gesprochen; ich glaube zwar nicht, daß die Anklage den Vorwurf des Expansionismus, welcher ja eine Erweiterung des deutschen Lebensraumes in Europa bedeutet, zurücknehmen wird; ich weiß es nicht, aber wir werden es ja hören; wie gesagt, wenn diese eben gemachten Vorwürfe zurückgenommen werden, dann kann ich auf die Fragen verzichten und mein Klient kann auf die Beantwortung verzichten.


JUSTICE JACKSON: Natürlich habe ich keine solche Erklärung abgegeben, wie Dr. Dix annimmt. Ich habe zu Beginn klar ausgeführt, und es ist auch jetzt klar, daß es Schachts gutes Recht war, gegen den Versailler Vertrag zu sein, ein deutscher Nationalist zu sein und diese Ziele mit allen Mitteln außer Krieg zu verfolgen. Ich will aber nicht, daß mir die sehr weitgehenden Erklärungen des Herrn Dr. Dix in den Mund gelegt werden. Ich habe am Anfang deutlich erklärt, daß diese Dinge: Versailler Vertrag, Nationalismus und Lebensraum, als politische und philosophische Angelegenheiten nicht durch diesen Gerichtshof zu entscheiden sind. Wir verlangen nicht, daß Sie uns sagen, ob der Versailler Vertrag ein gerechtes Dokument war oder nicht. Es war ein Dokument. Jedermann hatte das Recht, alles zu tun, um davon loszukommen, alle Mittel außer Krieg anzuwenden.

Dr. Schacht ist beschuldigt, die Erreichung dieses Zieles durch einen Angriffskrieg wissentlich vorbereitet zu haben. Das ist der Hauptanklagepunkt gegen ihn.


DR. DIX: Dann besteht also zu diesem Punkte...


VORSITZENDER: Ich glaube, die Stellung der Anklagebehörde war von Anfang an klar, nämlich, daß alle diese Dinge nur im Zusammenhang mit der Absicht, Krieg zu führen, zu betrachten sind.


DR. DIX: Sehr richtig. Aber als Indiz für den Kriegführungsdolus; wenn diese Dinge jetzt von der Anklage nicht mehr als Indiz, das heißt als indirektes Beweismittel für den Dolus eines aggressiven Krieges, verwendet werden – worüber sich Justice Jackson noch nicht geäußert hat –, dann kann ich auf diese Erörterung verzichten. Aber darüber scheint doch kein Zweifel zu sein – ich glaube nicht, daß ich darüber die Anklage mißverstehen konnte –, daß sie bei ihrer Beweisführung des bösen Trachtens Dr. Schachts auf einen Aggressivkrieg, auf diese Gegnerschaft gegen den Versailler Vertrag, auf den Nationalismus, auf den Expansionismus und die Erweiterung des Lebensraums Bezug genommen hat. Wir wollen hier keine[465] akademischen und theoretischen Ausführungen über die Begriffe Lebensraum und Nationalismus machen; aber solange die Anklage aus diesen Dingen, deren abstrakte Berechtigung in der Person meines Klienten sie anerkennt, schließt, daß sie mit ein Grund und ein Beweis für seinen Dolus waren, solange muß mein Mandant die Möglichkeit haben, dem Tribunal zu sagen, was er denn zum Beispiel unter Lebensraum verstanden hat, wenn er einmal von ihm gesprochen haben sollte, was ich aber noch nicht weiß. Aber ich glaube trotzdem, daß zwischen Justice Jackson und mir noch eine kleine Unklarheit besteht und ich auch nicht ganz dem folgen kann, was Euer Lordschaft gesagt haben...


VORSITZENDER: Sie haben ihn über seine Ansichten über Nationalismus befragt. Das, was Sie fragten, nämlich seine Ansichten über Nationalismus, scheint eine Zeitverschwendung zu sein.


DR. DIX: Ich habe ihm vorgehalten, daß die Anklage gesagt hat, er sei ein Nationalist und ein Expansionist gewesen und daß die Anklage daraus gefolgert hat, daß er einen Angriffskrieg geplant habe, als er die Rüstung finanziert habe; da muß er natürlich dartun, daß er wohl...


VORSITZENDER: Justice Jackson hat ausgeführt, daß die Anklagebehörde niemals behauptet hat, daß er einfach Ansichten eines Nationalisten und eines Expansionisten gehabt, sondern daß er diese Ansichten gehabt und beabsichtigt habe, Krieg zu führen, um die Verwirklichung dieser Ansichten durchzusetzen.


DR. DIX: Richtig, Euer Lordschaft! Aber es wird behauptet, daß diese Ansichten unter anderem ein Beweis dafür seien, daß er die Absicht gehabt habe, Krieg zu führen, also das, was wir Juristen als Indiz, ein Indiz für seinen Kriegführungsdolus nennen; solange nicht diese Argumentation – es ist kein Vorwurf, den Justice Jackson jetzt mehr erhebt, es ist eine Argumentation der Anklage –, solange die Anklage nicht diese Argumentation...


VORSITZENDER: Darüber besteht kein Streit. Er gibt zu, daß er diese Ansichten vertreten hat. Es ist deshalb völlig unnötig, darauf einzugehen. Die Anklagebehörde sagt, er habe diese Ansichten vertreten. Er selbst gibt zu, diese Ansichten vertreten zu haben. Die einzige Frage ist: Vertrat er sie mit der harmlosen Absicht, sie auf friedlichem Wege durchzusetzen, oder hatte er die behauptete verbrecherische Absicht, sie durch einen Krieg durchzusetzen?


DR. DIX: Ich möchte hierzu nichts mehr sagen; nur das eine – Expansionismus – ist noch nicht erörtert. Sollte Dr. Schacht expansionistische Bestrebungen gehabt haben, so würde Justice Jackson bestimmt nicht sagen, daß er diese nicht beanstandet. Deshalb...


VORSITZENDER: Dr. Dix! Ich glaube, Sie können ihn über Expansionisten befragen, über seine Gedanken, was Expansionisten [466] sind und was er unter Expansionismus verstanden hat. Im übrigen scheint es mir, daß Sie genau das beweisen, was die Anklagebehörde bewiesen hat.


DR. DIX: Entspricht durchaus meiner Meinung. Also Herr Dr. Schacht, waren Sie...


VORSITZENDER: Wir vertagen uns nunmehr.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 12, S. 428-468.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon