Vormittagssitzung.

[7] [Der Angeklagte Schacht betritt den Zeugenstand.]


DER VORSITZENDE LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Der Gerichtshof wird morgen um 10.00 Uhr in offener Sitzung tagen und wird dann um 12.00 Uhr mittags zu einer nichtöffentlichen Sitzung zusammentreten.

Herr Justice Jackson und Angeklagter Schacht, Sie werden im Namen der Dolmetscher gebeten, wenn möglich nach jeder Frage eine Pause zu machen; und wenn Sie es für nötig erachten, die Dokumente, die Sie behandeln, in englischer Sprache vorzulesen oder zu besprechen, so werden Sie gebeten, eine entsprechende Pause einzuschalten, damit die Dolmetscher, die aus dem Englischen in andere Sprachen übersetzen, Zeit haben, die Übersetzung zu geben. Ist das klar?


JUSTICE ROBERT H. JACKSON, HAUPTANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Ich muß die Dolmetscher ständig um Entschuldigung bitten. Es ist schwer, die Gewohnheiten eines ganzen Lebens abzulegen.


VORSITZENDER: Ja, es ist sehr schwer.


JUSTICE JACKSON: [zum Zeugen gewandt] Dr. Schacht! Nebenbei bemerkt, die Photographie Nummer 10, die Ihnen gestern gezeigt wurde, das war doch eine der Gelegenheiten, bei denen Sie das Parteiabzeichen getragen haben, nicht wahr?


HJALMAR SCHACHT: Das kann sein.


JUSTICE JACKSON: Sie sind dessen doch ganz sicher, nicht wahr?


SCHACHT: Ich kann es nicht genau unterscheiden, aber es kann sein und dann beweist es, daß das Bild nach 1937, nach dem Januar 1937 aufgenommen sein muß.


JUSTICE JACKSON: Das wollte ich beweisen. Und tatsächlich wurde es nach 1941 aufgenommen, nicht wahr? Bormann ist doch in keiner wichtigen amtlichen Stellung vor 1941 gewesen, nicht wahr?


SCHACHT: Bormann?


JUSTICE JACKSON: Bormann, ja.


SCHACHT: Weiß ich nicht.


JUSTICE JACKSON: Nun, wenn wir uns wieder dem Vierjahresplan zuwenden, der im Jahre 1936 begann, so habe ich Sie [7] dahin verstanden, daß Sie gegen die Ernennung Görings als Leiter des Vierjahresplans opponiert haben, und zwar aus zwei Gründen: Erstens, weil Sie dachten, daß dieser neue Plan Ihre Funktionen beeinträchtigen könne, und zweitens waren Sie der Meinung, daß, auch wenn es einen Vierjahresplan geben sollte, Göring diesen zu leiten nicht geeignet wäre.


SCHACHT: Ich weiß nicht, was Sie unter »opponieren« verstehen. Ich war nicht zufrieden damit und hielt die Wahl Görings nicht für geeignet, um irgendwelche Wirtschaftspolitik leitend in die Hand zu nehmen.


JUSTICE JACKSON: In der Tat haben Sie Göring als einen sehr törichten Wirtschaftler bezeichnet, nicht wahr?


SCHACHT: Ja. Wie man in einer lebhaften Unterhaltung so etwas sagt.


JUSTICE JACKSON: Oder im Verhör?


SCHACHT: Auch »interrogations« sind manchmal lebhaft.


JUSTICE JACKSON: Nun, Göring begann sehr bald sich in Ihre Funktionen einzumischen, nicht wahr?

SCHACHT: Er hat es wiederholt versucht, glaube ich.


JUSTICE JACKSON: Aber es gelang ihm auch, nicht wahr?


SCHACHT: Ich verstehe nicht, was Sie damit meinen: »he got away with it«.


JUSTICE JACKSON: Nun, ich gebe zu, daß dieser amerikanische Dialekt schwer zu verstehen ist, ich meine, es ist ihm gelungen.


SCHACHT: Ja, im Juli 1937 hat er mich völlig an die Wand gedrückt.


JUSTICE JACKSON: Das begann damit, daß er im Zusammenhang mit dem Bergbau einen Vorschlag machte oder eine Maßnahme traf?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Er hat auch eine Rede an einige Industrielle gehalten, nicht wahr?


SCHACHT: Ich nehme an, daß er verschiedene Reden an Industrielle gehalten hat. Ich weiß nicht, auf welche Rede Sie anspielen; ich vermute, auf die Rede im Dezember 1936 oder so.


JUSTICE JACKSON: Ich beziehe mich auf die Ansprache, in der, wie Sie uns bei der Vernehmung sagten, Göring Industrielle bei sich versammelt hatte und eine Reihe von törichten Dingen über die Wirtschaft sagte, die Sie widerlegen mußten.


SCHACHT: Das ist eine Versammlung am 17. Dezember 1936 gewesen.


[8] JUSTICE JACKSON: Und dann schrieben Sie an Göring und beschwerten sich über seine Bergbaumaßnahmen?


SCHACHT: Ich nehme an, daß Sie den Brief vom 5. August meinen.


JUSTICE JACKSON: Ganz richtig. Das ist Dokument EC-497, US-775. Und im Brief vom August 1937 haben Sie, wenn ich Sie richtig zitiere, folgendes geschrieben:

»Ich habe indessen immer und immer wieder auf die Notwendigkeit eines gesteigerten Exportes hingewiesen und hingewirkt. Gerade die Notwendigkeit, unsere Rüstung möglichst schnell auf eine gewisse Höhe zu bringen, mußte den Gedanken eines möglichst großen Devisenanfalls und damit einer möglichst großen Rohstoffsicherung durch Export in den Vordergrund rücken.«

Ist das richtig?

SCHACHT: Das nehme ich an.

JUSTICE JACKSON: Ich glaube, Sie haben auch folgendes gesagt:

»Die in dem Vorgesagten zum Ausdruck gebrachte Beurteilung der Wirtschaftslage ist bei mir vom ersten Augenblick meiner Mitwirkung an vorhanden gewesen.«

Das war doch auch richtig, nicht wahr?

SCHACHT: Sicherlich.

JUSTICE JACKSON: Nun, beides war richtig, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und dann haben Sie den Brief an Göring geschlossen:

»Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, mir zu glauben, daß es mir völlig fern liegt, Ihre Politik in irgendeiner Weise behindern zu wollen. Ich lasse auch dahingestellt, ob meine von Ihrer Wirtschaftspolitik abweichende Ansicht richtig ist oder nicht. Ich habe für Ihre Aktivität volles Verständnis. Ich glaube indessen, daß es in einem totalitären Staat völlig unmöglich ist, eine in sich aufgespaltene Wirtschaftspolitik zu führen.«

Und das war auch richtig, nicht wahr?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Und das war der Grund, weshalb Sie und Göring sich uneinig waren, soweit es die Politik betraf?


SCHACHT: Soweit es was betraf? Politik? Ich verstehe nicht, »policy«? Was meinen Sie damit? Ich meine die Art und Weise der Geschäftsführung.


[9] JUSTICE JACKSON: Jawohl.


SCHACHT: Ganz abgesehen von anderen Differenzen, die wir miteinander hatten.


JUSTICE JACKSON: Die anderen Meinungsverschiedenheiten waren doch persönlicher Natur, da Sie und Göring nicht gut miteinander auskamen.


SCHACHT: Im Gegenteil, bis dahin waren wir immer sehr nett miteinander.


JUSTICE JACKSON: Wirklich?


SCHACHT: O ja.


JUSTICE JACKSON: Also begannen Ihre Meinungsverschiedenheiten mit Göring bei dem Kampf, wer von Ihnen beiden die Kriegsvorbereitungen führend behandeln sollte?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Nun...


SCHACHT: Da muß ich absolut widersprechen. Die Differenzen...


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie noch etwas mehr darüber sagen?


SCHACHT: Die Differenzen, die zu dem Rücktritt von mir führten, waren darüber, daß Göring das Kommando über die Wirtschaftspolitik führen wollte, und daß ich die Verantwortung übernehmen sollte. Und ich war der Meinung, daß, wer die Verantwortung übernimmt, auch das Kommando haben muß, und wenn einer das Kommando hat, dann muß er auch die Verantwortung übernehmen. Das ist der formelle Grund, warum ich um meine Entlassung nachgesucht habe.


JUSTICE JACKSON: Nun, ich wende mich wieder Ihrer Vernehmung vom 16. Oktober 1945 zu, es ist Beweisstück US-636, und frage Sie, ob Sie damals nicht folgende Aussage gemacht haben? Ich zitiere:

»Nachdem Göring den Vierjahresplan übernommen hatte, und ich muß sagen, daß er die Devisenkontrolle schon seit April 1936 übernommen hatte, aber noch mehr nach dem Vierjahresplan im September 1936 hat er immer versucht, die Kontrolle über die ganze Wirtschaftspolitik zu erhalten. Eines der Ziele war natürlich, Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft im Falle des Krieges zu werden, und er versuchte, mir dies wegzunehmen, da er nur zu gern jedermann unter seine Kontrolle gebracht hätte.

Solange ich Wirtschaftsminister war, habe ich natürlich dagegen Einspruch erhoben...«

[10] Haben Sie diese Erklärung abgegeben?

SCHACHT: Ich glaube, daß es so ist.

JUSTICE JACKSON: Und dann beschreiben Sie Ihren letzten Besuch bei Göring, nachdem sich Luther zwei Monate lang bemüht hatte, Sie und Göring zusammenzubringen.


SCHACHT: Ein Irrtum, das ist Hitler, nicht Luther.


JUSTICE JACKSON: Sehr gut, Sie beschrieben es folgenderweise:

»Dann hatte ich noch eine letzte Unterredung mit Göring und zu Ende dieser Unterhaltung sagte Göring: ›Aber ich muß das Recht haben, Ihnen Befehle zu geben.‹ Da sagte ich: ›Nicht mir, aber meinem Nachfolger.‹ Ich habe niemals Befehle von Göring entgegengenommen und würde es niemals getan haben, weil er ein Narr in Wirtschaftsfragen war, und ich wenigstens etwas darüber Bescheid wußte.

Frage: Gut. Ich schließe daraus, daß das eine ansteigende, fortschreitende und persönliche Angelegenheit zwischen Ihnen und Göring war. Das ist doch ganz klar.

Antwort: Gewiß.«

Ist das richtig?

SCHACHT: Ja, gewiß.

JUSTICE JACKSON: Und dann setzte der Sie vernehmende Beamte fort:

»Frage: Lassen Sie uns für einen Augenblick auf die Pflichten dieses Postens eingehen und sehen, was er Ihnen wegnehmen wollte. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, so wie mir erklärt worden ist. Wenn ich unrecht habe, so verbessern Sie mich. Das eine wäre die Vorbereitung für die Mobilmachung, und die andere die tatsächliche Übernahme dieser Mobilisierung im Kriegsfalle. Eine andere Bedeutung hatte diese Stellung nicht. So bestanden also die Dinge, von denen Sie nicht wollten, daß er sie Ihnen wegnahm, wie ich es sehe, in dem Recht, die Vorbereitungen für die Mobilmachung zu leiten, und zweitens in dem Recht der Kontrolle im Kriegsfalle.

Antwort: Richtig.«

Haben Sie diese Aussagen gemacht?

SCHACHT: Mr. Justice! Sie werfen hier zeitlich verschiedene Dinge durcheinander. Die Differenzen mit Göring über den sogenannten Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft fallen in den Winter 1936/37; und die Unterhaltung, die sogenannte letzte Unterhaltung mit Göring, die Sie eben erwähnt haben, hat im November 1937 stattgefunden. Ich erklärte mich, ich glaube im [11] Januar 1937, sofort bereit, das Amt und die Tätigkeit als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft an Göring abzutreten. Das geht ja aus der Notiz vom Tagebuch Jodls hervor, die hier schon wiederholt erwähnt worden ist.

Damals hat das Kriegsministerium, und insbesondere Blomberg, gebeten, mich in der Stellung als Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft zu erhalten, weil ich doch nun einmal Wirtschaftsminister sei und ich so lange Wirtschaftsminister sei. Darüber liegt ein Briefwechsel vor, der hier auch von Ihnen, glaube ich, dem Gericht eingereicht worden ist.


JUSTICE JACKSON: Gut, ganz richtig, ich glaube, die Daten sind in Ihrer Aussage angeführt. Ich bin im Augenblick an der Reihenfolge der Ereignisse nicht interessiert. Ich bin an den Funktionen, um die Sie gestritten und die Sie in Ihrem Verhör beschrieben haben, interessiert. Die Fragen und Antworten, die ich Ihnen vorgelesen habe, sind doch richtig? Es sind die Antworten, die Sie seinerzeit erteilten, nicht wahr?


SCHACHT: Ja, ich kann aber nur folgendes sagen: Wenn Sie mich nach diesen einzelnen Abschnitten hier fragen, dann gibt das ja ein ganz anderes Bild, wenn Sie nicht die Zeitfolge auseinanderhalten. Mr. Justice, Sie können doch nicht Dinge vom Januar und November hier in dieselbe Linie rücken und mich fragen, ob das korrekt ist. Das ist nicht korrekt.


JUSTICE JACKSON: Schön, sehen wir uns einmal an, was da nicht stimmt, sofern überhaupt etwas nicht stimmen sollte. Wann fand Ihre letzte Besprechung mit Göring statt, bei der Sie ihm sagten, daß er Ihrem Nachfolger und nicht Ihnen Befehle geben sollte?


SCHACHT: Im November 1937.


JUSTICE JACKSON: Nun, die Fragen über die Pflichten des Amtes haben doch nichts mit der Zeit zu tun, nicht wahr; das heißt, der Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft, die Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und Göring. Um es ganz klar zu machen, lese ich Ihnen noch einmal diese Frage und Antwort vor. Die Zeitfrage interessiert mich gar nicht, ich befasse mich mit Ihrer Beschreibung der Tätigkeit.

»Frage: Lassen Sie uns für einen Augenblick auf die Pflichten dieses Postens eingehen und sehen, was er Ihnen wegnehmen wollte. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, so wie mir erklärt worden ist. Wenn ich unrecht habe, so verbessern Sie mich. Die eine wäre die Vorbereitung für die Mobilmachung und die andere die tatsächliche Übernahme dieser Mobilisierung im Kriegsfalle. Eine andere Bedeutung hatte diese Stellung nicht. So bestanden also die Dinge, von [12] denen Sie nicht wollten, daß er sie Ihnen wegnahm, wie ich es sehe, in dem Recht, die Vorbereitungen für die Mobilmachung zu leiten, und zweitens in dem Recht der Kontrolle im Kriegsfalle.«

Und Sie antworteten: »Richtig«. Nicht wahr?

SCHACHT: Diese Differenz hat...

JUSTICE JACKSON: Könnten Sie mir zuerst antworten, ob Sie tatsächlich diese Antwort auf die Frage gegeben haben, daß es korrekt ist?


SCHACHT: Das Protokoll ist korrekt. Und jetzt wünsche ich zu sagen...


JUSTICE JACKSON: Gut.


SCHACHT: Aber nun bitte, lassen Sie mich aussprechen.


JUSTICE JACKSON: Gut, fahren Sie mit Ihren Ausführungen fort!


SCHACHT: Jawohl. Jetzt wünsche ich zu sagen, daß diese Differenz zwischen Göring und mir mit der Unterhaltung vom November gar nichts zu tun hat, und daß es auch gar keine Differenz zwischen Göring und mir war. Diese Differenz, von der Sie eben das Protokoll verlesen haben, fällt in den Januar 1937, und es war gar keine Differenz zwischen Göring und mir, denn ich habe ja sofort gesagt: »Nehmen Sie mir das Amt des Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft ab, übertragen Sie es Göring.« Und das Kriegsministerium, Herr von Blomberg, hat protestiert, nicht ich. Ich habe dieses Amt mit Wonne an Herrn Göring abgeben wollen.

JUSTICE. JACKSON: Gibt es etwas Schriftliches darüber, Dr. Schacht?


SCHACHT: Die Dokumente, die Sie hier eingereicht haben. Ich bitte meinen Anwalt, die Dokumente hervorzusuchen und der »reexamination« sie hier vorzubringen. Sie sind von der Anklagebehörde hier eingereicht.


JUSTICE JACKSON: Nun, ist es nicht Tatsache, daß Ihre Meinungsverschiedenheit mit Göring ein Streit persönlichen Charakters zwischen Ihnen und ihm über die Frage der Kontrolle war, und nicht ein Streit über die Rüstungstrage? Sie beide wollten so schnell wie möglich aufrüsten.


SCHACHT: Dieses Spiel mit Worten, ob es persönlich oder sonst etwas gewesen ist, möchte ich nicht mitmachen, Mr. Justice. Ich habe Differenzen mit Göring über die Sache gehabt, und wenn Sie sagen, ob es »armament«, »speed« oder Ausmaß war, so habe ich hierüber mit Göring die größten Differenzen in der Meinung gehabt.

[13] Ich habe niemals bestritten, daß ich aufrüsten wollte für eine gleichberechtigte Stellung Deutschlands. Ich wollte niemals weiter aufrüsten. Göring wollte weiter aufrüsten, und hier liegt eine Differenz, die hier nicht aus der Welt geschafft werden kann.


JUSTICE JACKSON: Nun, ich will nicht mit Worten spielen. Und wenn Sie behaupten, daß meine Bezeichnung dieser Differenz als eine »persönliche« ein Wortspiel sei, dann zwingen Sie mich, in das hineinzusteigen, was Sie über Göring gesagt haben.

Ist es nicht Tatsache, daß Sie folgendes zu Major Tilley gesagt haben?

»Ich habe Hitler als einen amoralischen Typ bezeichnet, aber ich kann Göring nur als unmoralisch und verbrecherisch ansehen. Von Haus aus mit einer gewissen Bonhomie begabt, die er für seine Popularität wohl auszunutzen verstand, war er das egozentrischste Wesen, das man sich denken kann. Die Erringung politischer Macht war für ihn nur ein Mittel zu seiner persönlichen Bereicherung und für sein persönliches Wohlleben. Jeder Erfolg anderer erfüllte ihn mit Neid. Seine Habsucht kannte keine Grenzen. Seine Vorliebe für Edelsteine, Gold und Geschmeide war unvorstellbar. Kameradschaftlichkeit kannte er nicht. Nur solange ihm jemand nützlich war, zeigte er sich freundlich, aber nur äußerlich.

Görings Kenntnisse waren auf allen Gebieten, die ein Regierungsmitglied beherrschen muß, gleich Null, am meisten aber auf wirtschaftlichem Gebiet. Er hatte von all den wirtschaftlichen Dingen, die Hitler ihm im Herbst 1936 anvertraute, nicht den leisesten Schimmer, obwohl er einen ungeheueren Beamtenapparat aufbaute und seine Macht als Wirtschaftsherrscher nach allen Regeln der Kunst mißbrauchte.

In seinem persönlichen Auftreten war Göring so theatralisch, daß man ihn nur mit Nero vergleichen könnte. Eine Dame, die bei seiner zweiten Frau zum Tee war, berichtete, daß er zu diesem Tee in einer Art römischer Toga erschien mit Sandalen, die mit Edelsteinen besetzt waren, an seinen Fingern zahllose Edelsteinringe und auch sonst mit Schmuck behangen, sein Gesicht war geschminkt und seine Lippen waren mit Rouge behandelt.«

Haben Sie diese Erklärung Major Tilley gegenüber abgegeben?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Jawohl. Und Sie behaupten, keine persönlichen Differenzen mit Göring gehabt zu haben?


SCHACHT: Mr. Justice! Ich bitte, doch hier wiederum nicht den Zeitpunkt durcheinanderzuwerfen. Ich habe doch diese Dinge [14] alle erst später erfahren und kennengelernt, und nicht zu der Zeit, von der Sie sprechen, aus dem Jahre 1936.


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie die Aussage von Gisevius bestreiten, daß er Ihnen 1935 von Görings Mitschuld bei der Gründung der gesamten Gestapo Mitteilung machte?


SCHACHT: Ich habe hier ja bezeugt, daß ich von den Gestapolagern, die Göring eingerichtet hat, wußte. Ich habe ja gesagt, daß ich mich dagegen gewandt habe. Ich bestreite das ja nicht.


JUSTICE JACKSON: Aber, obgleich Sie das wußten, hat Ihre Freundschaft mit ihm weiterbestanden?


SCHACHT: Ich habe niemals eine Freundschaft mit Göring gehabt.


JUSTICE JACKSON: Gut....


SCHACHT: Ich kann doch nicht ablehnen, mit ihm zusammenzuarbeiten, insbesondere, solange ich nicht weiß, was für ein Mensch er ist.


JUSTICE JACKSON: Schön. Befassen wir uns nun mit den auswärtigen Beziehungen, über die Sie hier viele Beschwerden vorgebracht haben. Ich glaube, Sie haben ausgesagt, daß Sie im Jahre 1937, als Sie diese ganze Aufrüstung ausführten, überhaupt mit keinem Krieg rechneten? Ist das richtig?


SCHACHT: Nein, das ist nicht richtig, was Sie da sagen, Mr. Justice. Ich habe im Jahre 1937 nicht alles getan, um zu rüsten, sondern ich habe von 1935 an, Ende 1935 an, Herbst 1935 an, alles getan, um die Rüstung zu bremsen.


JUSTICE JACKSON: Gut. Ich beziehe mich auf Ihr Verhör vom 16. Oktober 1945 und frage Sie, ob Sie folgende Antworten auf die Ihnen gestellten Fragen gegeben haben:

»Frage: Lassen Sie mich nunmehr fragen: Welche Art von Krieg haben Sie im Jahr 1937 vorausgesehen?

Antwort: Ich habe niemals einen Krieg vorausgesehen. Wir konnten vielleicht von jemandem angegriffen werden, aber selbst das habe ich nicht erwartet.

Frage: Das erwarteten Sie nicht. Rechneten Sie mit der Möglichkeit einer Mobilisierung und Zusammenfassung der wirtschaftlichen Kräfte im Falle eines Krieges?

Antwort: Im Falle eines Angriffs auf Deutschland, sicherlich.

Frage: Nun denken Sie einen Augenblick an das Jahr 1937 zurück, können Sie sagen, mit welcher Art von Angriff Sie sich befaßten?

Antwort: Ich weiß es nicht.

[15] Frage: Haben Sie sich zu der Zeit Gedanken darüber gemacht?

Antwort: Nein, niemals.

Frage: Waren Sie denn der Meinung, daß die Möglichkeit des Krieges im Jahre 1937 so weit ablag, daß diese vernachlässigt werden konnte?

Antwort: Ja.

Frage: Tatsächlich?

Antwort: Ja.« (Dokument Nummer 3728-PS.)

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Ich habe genau das gleiche, was in dieser Interrogation mitgeteilt ist, hier vor Gericht ausgesagt.

JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben ausgesagt, daß Sie versuchten, Hitlers Expansionspläne nach dem Osten hin abzulenken und statt dessen seine Aufmerksamkeit auf die Kolonien zu lenken.


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Welche Kolonien? Sie haben niemals spezifiziert, welche?


SCHACHT: Unsere Kolonien.


JUSTICE JACKSON: Und wo waren diese Kolonien?


SCHACHT: Ich nehme an, daß Sie das genau so wissen wie ich.


JUSTICE JACKSON: Sie sind der Zeuge, Dr. Schacht. Ich will wissen, was Sie Hitler gesagt haben, nicht was ich weiß.


SCHACHT: Oh, was ich Hitler gesagt habe? Ich habe Hitler gesagt, wir wollen versuchen, einen Teil der uns gehörenden Kolonien, deren Verwaltung man uns fortgenommen hat, wieder zu bekommen, damit wir dort arbeiten können.

JUSTICE JACKSON: Welche Kolonien?


SCHACHT: Ich habe speziell an die afrikanischen Kolonien gedacht.


JUSTICE JACKSON: Und diese afrikanischen Kolonien haben Sie für Ihre Zukunftspläne, für Deutschland, als unentbehrlich betrachtet?


SCHACHT: Nicht diese, sondern überhaupt irgendeine koloniale Betätigung; und ich habe natürlich zunächst meine Kolonialwünsche nur auf unser eigenes Eigentum richten können.


JUSTICE JACKSON: Und Ihr Eigentum, wie Sie es nennen, waren die afrikanischen Kolonien?


SCHACHT: Nicht ich nenne sie so, sondern der Vertrag von Versailles nennt sie so: unser »property«.


[16] JUSTICE JACKSON: Sie können es nennen wie Sie wollen! Sie wünschten also die Kolonien, von denen Sie sprechen?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Sie waren der Ansicht, daß der Besitz und die Ausbeutung von Kolonien für das Deutschland, das Sie schaffen wollten, notwendig war?


SCHACHT: Wenn Sie das Wort »exploitation« viel leicht besser durch »development« ersetzen wollen, so glaube ich, ist jedes Mißverständnis ausgeschlossen, und insofern stimme ich mit Ihnen ganz überein.


JUSTICE JACKSON: Gut, mit »development« meinen Sie Handel, und ich nehme an, Sie wollten aus dem Handel Gewinne erzielen?


SCHACHT: Nicht nur »trade«, sondern »developing the natural resources«, beziehungsweise die Wirtschaftsmöglichkeiten der Kolonien zu entwickeln.


JUSTICE JACKSON: Und Ihr Vorschlag war, daß Deutschland sich auf diese Kolonien verlassen sollte, statt sich auf eine Expansion nach dem Osten einzulassen?


SCHACHT: Ich habe jede Ausdehnung innerhalb des europäischen Kontinents für einen kompletten Wahnsinn gehalten.


JUSTICE JACKSON: Aber Sie waren mit Hitler darin einig, daß eine Ausdehnung, ob nun eine koloniale oder eine nach dem Osten gerichtete, eine notwendige Voraussetzung für das von Ihnen zu schaffende Deutschland war?


SCHACHT: Nein, das habe ich niemals gesagt. Ich habe ihm gesagt, es ist ein Wahnsinn, nach dem Osten irgend etwas zu unternehmen. Es kommt nur eine koloniale Entwicklung in Frage.


JUSTICE JACKSON: Und Sie schlugen als politische Richtlinie vor, daß die Entwicklung Deutschlands von Kolonien abhängig gemacht werden müsse, die durch keine Überland-Handelsstraße mit Deutschland in Verbindung standen, und zu deren Schutz, wie Sie wissen, eine Seemacht erforderlich gewesen wäre?


SCHACHT: Ich denke gar nicht daran! Wie kommen Sie auf diese Idee?


JUSTICE JACKSON: Sie können doch Afrika nicht auf dem Landwege erreichen, Sie müssen doch an irgendeiner Stelle auf dem Wasserwege dorthin gelangen, nicht wahr?


SCHACHT: Sie können durch die Luft gehen.


JUSTICE JACKSON: Welche war Ihre Handelsstraße? Haben Sie nur an die Entwicklung der Luftfahrt gedacht?


SCHACHT: Nein, nein. Ich dachte auch an Schiffe.


[17] JUSTICE JACKSON: Ja, und Deutschland war damals keine Seemacht?


SCHACHT: Ich glaube, wir hatten eine Handelsflotte, die sehr beträchtlich war.


JUSTICE JACKSON: Und sah Ihr Kolonialplan eine Aufrüstung vor, um Deutschland zu einer großen Seemacht zu machen, damit der Weg nach den Kolonien, die Sie vorschlugen, geschützt werden konnte?


SCHACHT: Nicht im geringsten.


JUSTICE JACKSON: Dann war es Ihr Plan, die Handelsstraßen ungeschützt zu lassen?


SCHACHT: O nein, ich habe geglaubt, daß das internationale Recht einen ausreichenden Schutz bieten würde.


JUSTICE JACKSON: Gut, darüber sind Sie also mit Hitler verschiedener Meinung gewesen?


SCHACHT: Darüber haben wir nie gesprochen.


JUSTICE JACKSON: Auf jeden Fall hat er Ihren Plan über die Entwicklung der Kolonien abgelehnt?


SCHACHT: O nein, ich habe ja hier ausgeführt, daß er mir im Sommer 1936 auf mein Drängen hin Auftrag gab, diese kolonialen Fragen aufzunehmen.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie nicht folgende Antworten in Ihrem Verhör gegeben, Dr. Schacht?:

»Frage: Mit anderen Worten, zu der Zeit Ihrer Besprechung über die Kolonialpolitik mit Hitler im Jahre 1931 und 1932 ist er, sagen wir, über die Möglichkeit nicht sehr begeistert gewesen?

Antwort: Nein, nicht begeistert und nicht sehr in teressiert.

Frage: Aber er hat Ihnen gegenüber seine Ansichten über die Möglichkeit, Kolonien zu erlangen, zum Ausdruck gebracht?

Antwort: Nein, wir haben keine anderen Möglichkeiten erwogen.«

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Sicher.

JUSTICE JACKSON: Nun, nach der Fritsch-Affäre wußten Sie doch zumindest, daß Hitler nicht die Absicht hatte, den Frieden Europas auf jegliche Weise zu erhalten?


SCHACHT: Ja, ich bekam Zweifel.


JUSTICE JACKSON: Und nach dem österreichischen Anschluß wußten Sie, daß die Wehrmacht ein wichtiger Faktor für seine Ost-Politik war?


[18] SCHACHT: Ja, das können Sie so ausdrücken. Ich weiß nicht genau, was Sie damit meinen.


JUSTICE JACKSON: Sie sollten nicht etwas beantworten, wenn Sie nicht wissen, was ich meine, da wir die Dinge im Laufe der Vernehmung klarstellen wollen. Sie haben außer dem Kolonialvorschlag keine andere Alternative vorgeschlagen, um Hitler von seinem Expansionsplan nach dem Osten abzubringen?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Niemals, weder bei einer Kabinettssitzung noch bei anderer Gelegenheit haben Sie einen anderen Ausweg vorgeschlagen?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Nun, bezüglich des Einmarsches nach Österreich haben Sie, glaube ich, folgende Antworten gegeben:

»Frage: Tatsächlich hat Hitler nicht die genauen Methoden angewandt, die Sie, wie Sie sagten, bevorzugten?

Antwort: Nein, überhaupt nicht.

Frage: Waren Sie für die Methoden, die er anwandte?

Antwort: Nein, keineswegs, mein Herr.

Frage: Was gefiel Ihnen an seiner Methode nicht?

Antwort: Es war einfach überrannt. Die Österreicher wurden einfach überrumpelt – oder wie nennen Sie es? Es war Gewalt, und ich war nie mit derartigen Gewalttaten einverstanden.«

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Ja.

JUSTICE JACKSON: Sie haben sich hier vielfach darüber beschwert, daß Sie in Ihren wiederholten Bemühungen, Hitler aufzuhalten, nicht die geringste Unterstützung vom Ausland bekamen. Stimmt das?

SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Sie kannten zur Zeit des österreichischen Anschlusses aus den Äußerungen des Präsidenten Roosevelt die Haltung der Vereinigten Staaten den Nationalsozialisten gegenüber, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Sie wußten, daß er in seiner Rede erklärte, die Nazi-Bedrohung müsse isoliert werden, um ihre weitere Ausdehnung zu verhindern?


SCHACHT: Ich erinnere mich nicht, aber ich habe sie damals gelesen, wenn sie in Deutschland veröffentlicht wurde, was ich annehme.


[19] JUSTICE JACKSON: Die Folge dieser Rede war, daß Goebbels einen Angriffsfeldzug gegen den Präsidenten unternahm, nicht wahr?


SCHACHT: Ich nehme an, daß ich dieses gelesen habe.


JUSTICE JACKSON: Tatsächlich haben Sie sich den Angriffen gegen die Ausländer, die diese Methoden kritisierten, angeschlossen, nicht wahr?


SCHACHT: Wann und wo? Welche Attacken?


JUSTICE JACKSON: Gut. Nach dem gewaltsamen Anschluß Österreichs, dem Sie nicht zustimmten, sind Sie sofort hingefahren, um die Österreichische Nationalbank zu übernehmen, stimmt das?


SCHACHT: Das war ja meine Pflicht.


JUSTICE JACKSON: Schön. Jedenfalls haben Sie es getan.


SCHACHT: Selbstverständlich.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben diese zugunsten des Reiches sofort liquidiert?


SCHACHT: Nie liquidiert, sondern fusioniert, amalgamiert.


JUSTICE JACKSON: Wie bitte?


SCHACHT: Amalgamiert.


JUSTICE JACKSON: Amalgamiert und das Personal übernommen?


SCHACHT: Alles.


JUSTICE JACKSON: So. Und der entsprechende Erlaß war von Ihnen unterzeichnet?


SCHACHT: Gewiß.


JUSTICE JACKSON: Und Sie riefen die Angestellten am 21. März 1938 zusammen?


SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Und Sie hielten ihnen eine Ansprache?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und sagten unter anderem folgendes:...


SCHACHT: Gewiß.


JUSTICE JACKSON: Sie haben ja noch nicht gehört, was ich sagen will.


SCHACHT: Das habe ich schon gehört bei der Anklage.


JUSTICE JACKSON: Gut. Ich möchte Ihnen etwas daraus verlesen, um Sie wieder daran zu erinnern. Ich zitiere:

[20] »Ich glaube, es ist ganz nützlich, daß man sich diese Dinge einmal in das Gedächtnis zurückruft, um all die heuchlerische Scheinheiligkeit herauszustellen, die heute aus der ausländischen Presse zu uns dringt. Gott sei Dank, diese Dinge haben letzten Endes den Weg des großen deutschen Volkes nicht hindern können, denn Adolf Hitler schuf eine Gemeinschaft des deutschen Wollens und Denkens, er stützte sie durch eine wiedererstarkte Wehrmacht und damit brachte er schließlich die innere Vereinigung zwischen Österreich und Deutschland auch in ihre äußere Form.

Ich bin bekannt dafür, daß ich manchmal Dinge ausspreche, die hie und da Anstoß erregen. Ich möchte auch heute von dieser Gewohnheit nicht abgehen.«

»Heiterkeit« ist bei diesem Punkt in Ihrer Rede vermerkt.

»Ich weiß, daß es auch hier in diesem Lande noch Leute gibt – ich glaube, sie sind nicht sehr zahlreich –, die an den Geschehnissen der letzten Tage etwas auszusetzen haben. Aber das Ziel, glaube ich, bezweifelt niemand, und die Meckerer an den Methoden müssen sich gesagt sein lassen, daß man es nicht allen Menschen recht machen kann. Der eine sagt, das hätte er so gemacht oder vielleicht so, aber das Merkwürdige ist, sie haben es nicht gemacht...«

und wieder erscheint in Klammern das Wort »Heiterkeit«. Ich fahre fort mit Ihrer Rede:

»...sondern gemacht hat es eben unser Adolf Hitler! (Starker, anhaltender Beifall.) Und wenn es noch etwas zu verbessern gibt, dann sollen es diese Nörgler des Deutschen Reiches und innerhalb der deutschen Gemeinschaft zu verbessern versuchen, aber nicht von außen her stören.« (Dokument EC- 297.)

Haben Sie auf diese Weise gesprochen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Mit anderen Worten, Sie machten öffentlich alle diejenigen lächerlich, die sich über die angewandten Methoden beschwerten, nicht wahr?


SCHACHT: Wenn Sie es so auffassen.


JUSTICE JACKSON: Dann sagten Sie in Ihrer Ansprache an das Personal der Österreichischen Nationalbank bei Ihrer Übernahme folgendes:

»Ich halte es für ausgeschlossen, daß auch nur ein einziger bei uns seine Zukunft finden wird, der nicht mit vollem Herzen zu Adolf Hitler steht. (Starker, anhaltender Beifall; Siegheilrufe.)«

– Ich fahre fort mit der Rede –

[21] »Wer das nicht tut, der soll sich von selbst aus unserem Kreise entfernen. (Stürmischer Beifall.)«

Ist es so gewesen?

SCHACHT: Ja, die waren alle damit einverstanden, merkwürdigerweise.

JUSTICE JACKSON: Nun, war die Reichsbank vor 1933 und 1934 eine politische Einrichtung?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Waren politische Umtriebe in der Reichsbank?


SCHACHT: Niemals.


JUSTICE JACKSON: Nun, an diesem Tage, als Sie zum Personal der Österreichischen Nationalbank sprachen, erklärten Sie:

»Die Reichsbank wird immer nur nationalsozialistisch sein oder ich will nicht mehr ihr Leiter sein. (Starker, anhaltender Beifall.)«

Ist das so gewesen?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Nun, mein Herr, Sie haben erklärt, daß Sie Hitler niemals einen Eid geleistet hätten?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Ich frage Sie nun, ob Sie als Leiter der Reichsbank folgendes von Ihren Angestellten, die Sie in Österreich übernahmen, verlangten. Ich zitiere:

»Nun bitte ich Sie, sich zu erheben. (Die Versammelten erheben sich.) Wir wollen heute das Bekenntnis ablegen zur großen Familie der Reichsbank, wir wollen das Bekenntnis ablegen zur großen deutschen Volksgemeinschaft, wir wollen das Bekenntnis ablegen zu unserem neuerstandenen machtvollen Großdeutschen Reich, und wir wollen alle diese Empfindungen zusammenfassen in dem Bekenntnis zu dem Mann, der diese Wandlung herbeigeführt hat. Ich bitte Sie, die Hand zu erheben und mir folgendes nachzusprechen: ›Ich gelobe; Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein und meine Dienstobliegenheiten gewissenhaft und uneigennützig erfüllen.‹ (Die Versammelten leisten mit erhobener Hand das Gelöbnis.)

Sie haben dieses Gelöbnis ausgesprochen. Ein schlechter Kerl, der's bricht. Unserem Führer ein dreifaches Siegheil!«

Ist das eine richtige Wiedergabe der Ereignisse?

SCHACHT: Der Eid ist der vorgeschriebene Beamteneid, und es entspricht völlig dem, was ich gestern an dieser Stelle gesagt [22] habe, daß der Eid dem Oberhaupt des Staates gilt. Wie es ja auch vorher genau von mir ausgeführt ist:

»Wir stehen zum deutschen Volke...« oder ich weiß nicht, wie der deutsche Ausdruck da lautet, ich höre Ihre englische Aussprache hier. Genau dasselbe sagt dieser Eid.


JUSTICE JACKSON: Ich habe mich soeben auf das Dokument EC-297, US-632, bezogen. Dies ist das Beweisstück, dessen ich mich bedient habe.

Sie behaupten also, daß dieser Eid auf ein unpersönliches Staatsoberhaupt geleistet wurde und nicht auf Adolf Hitler?


SCHACHT: Ja, man kann ja nicht einer Idee einen sichtbaren Eidausdruck geben und infolgedessen kann man ja nur auf eine Person zuschneiden. Aber ich habe ja gestern bereits gesagt, daß ich ja auch keinen Eid auf Herrn Ebert oder auf Herrn Hindenburg oder auf den Kaiser geleistet habe, sondern auf das Staatsoberhaupt als Repräsentant des Volkes.


JUSTICE JACKSON: Sie sagten doch Ihren Angestellten, daß alle Empfindungen dieses Eides in der Ergebenheit zu dem einen Mann zusammengefaßt seien. Stimmt das nicht?


SCHACHT: Nein.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie das nicht gesagt?


SCHACHT: Nein, stimmt nicht. Wenn Sie es nochmals lesen wollen, es steht nicht da zu dem Mann, sondern zum Führer, als dem Staatsoberhaupt.


JUSTICE JACKSON: Nun gut. Es spielt ja auch keine Rolle, wem Sie den Eid geleistet haben...


SCHACHT: Nein, entschuldigen Sie mal, das ist ein sehr großer Unterschied.


JUSTICE JACKSON: Gut, wir werden später darüber sprechen. Wem Sie auch immer Eid leisteten, haben Sie ihn zur gleichen Zeit gebrochen, nicht wahr?


SCHACHT: Nein, ich habe niemals diesem Manne als Vertreter des deutschen Volkes den Eid gebrochen, sondern ich habe meinen Eid gebrochen, als ich fand, daß dieser Mann ein Verbrecher war.


JUSTICE JACKSON: Als Sie sich vornahmen, seinen Tod herbeizuführen?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Wollen Sie dem Gerichtshof erklären, wie Sie den Tod von Adolf Hitler herbeiführen wollten, ohne gleichzeitig der Tod des Reichsoberhauptes zu verursachen?


[23] SCHACHT: Das ist kein Unterschied, weil der Mann leider das Oberhaupt des deutschen Volkes war.


JUSTICE JACKSON: Behaupten Sie, daß Sie den Eid niemals gebrochen haben?


SCHACHT: Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen. Ich habe selbstverständlich den Eid, den ich Hitler geschworen habe, Hitler nicht gehalten, weil Hitler leider Gottes selber ein Verbrecher, ein Meineidiger, war und kein anderes Oberhaupt des Volkes da war. Ich weiß nicht, was Sie mit »Eidbruch« sagen wollen, aber ich habe ihm meinen Eid nicht gehalten und bin stolz darauf.


JUSTICE JACKSON: Sie veranlaßten also Ihre Angestellten, einen Eid zu leisten, den Sie selbst im gleichen Augenblick brachen oder zu brechen beabsichtigten?

SCHACHT: Sie werfen wieder die Zeiten durcheinander, Mr. Justice. Es war dies in einer Zeit, im März 1938, als ich, wie Sie von mir vorhin gehört haben, noch zweifelhaft war und mir infolgedessen noch nicht klar war, was für ein Mann Hitler war. Erst, als ich im Laufe des Jahres 1938 merkte, daß Hitler eventuell in einen Krieg hineingehen würde, habe ich den Eid gebrochen.


JUSTICE JACKSON: Wann fanden Sie heraus, daß er auf den Krieg zusteuerte?


SCHACHT: Als ich im Laufe des Jahres 1938 nach und nach aus den Ereignissen entnahm, daß Hitler eventuell in einen Krieg hineinsteuern würde, und zwar absichtlich, erst da habe ich meinen Eid gebrochen.


JUSTICE JACKSON: Nun haben Sie aber gestern erklärt, daß Sie mit der Sabotage der Regierung in den Jahren 1936/37 begonnen haben.


SCHACHT: Jawohl, weil ich keine übermäßigen Rüstungen wollte.


JUSTICE JACKSON: Trotzdem sehen wir, daß Sie Ihrem Personal den Eid abnahmen, treu und gehorsam zu sein.

Nun frage ich Sie, ob Sie bei Ihrer Vernehmung nicht folgende Erklärung abgegeben haben:

»Frage: Aber Sie gaben doch am Schluß des Eides folgende Erklärung ab, nachdem jeder seine Hand zum Eid erhoben und diesen abgelegt hatte: ›Sie haben dieses Gelöbnis ausgesprochen. Ein schlechter Kerl, der's bricht‹?

Antwort: Ja, ich stimme mit dem überein, ich muß sagen, daß ich ihn selbst gebrochen habe.

Frage: Behaupten Sie auch, daß zur Zeit, wo Sie diesen Eid von Ihren Zuhörern verlangten, Sie den Ihren selber bereits gebrochen hatten?

[24] Antwort: Ich muß leider sagen, daß ich in meiner Treue innerlich zu der Zeit bereits erschüttert war, aber ich hoffte, daß am Ende alles gut ausgehen würde.«


SCHACHT: Ich freue mich, daß Sie das zitiert haben, denn ich bestätigte ja genau, was ich eben gesagt habe, daß ich mich in Zweifel befand und daß ich noch Hoffnung hatte, daß die Dinge gut ausgehen würden, das heißt, daß Hitler sich nach der guten Seite entwickeln würde. Es bestätigt also genau das, was ich eben gesagt habe.

JUSTICE JACKSON: Nun, ich bin sicher, daß wir uns gegenseitig behilflich sein wollen, Dr. Schacht.


SCHACHT: Ich bin überzeugt, daß wir beide die Wahrheit finden wollen, Mr. Justice.


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie sind natürlich auch nach dem Anschluß in der Reichsbank geblieben?

SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Und Sie verblieben dort bis zum Januar 1939? Ist das das richtige Datum?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Nun, nach diesem Anschluß wurden MEFO-Wechsel, die herausgegeben waren, nach und nach fällig, nämlich im Jahre 1938 und 1939, nicht wahr?


SCHACHT: Nein, die Fälligkeit der ersten MEFO-Wechsel mußte frühestens gefallen sein in das Frühjahr 1939. Die waren alle auf fünf Jahre ausgestellt, und ich nehme an, daß die ersten MEFO-Wechsel im Frühjahr 1934 ausgestellt worden sind, so daß die ersten MEFO-Wechsel im Frühjahr 1939 fällig wurden.


JUSTICE JACKSON: Nun, hier ist eine Frage und eine Antwort. Verbessern Sie mich, wenn ich mich irren sollte:

»Frage: Haben Sie in der Reichsbank irgendwelche Fonds, die zur Verfügung standen, verwendet, oder besser gesagt, als alle diese MEFO-Wechsel fällig wurden, was haben sie damit gemacht?

Antwort: Ich fragte den Finanzminister, ob er sie zurückbezahlen könnte; denn nach fünf Jahren mußten sie von ihm zurückgezahlt werden, und zwar, ich glaube, im Jahre 1938 oder 1939. Die ersten MEFO-Wechsel würden zu dieser Zeit fällig geworden sein, und er sagte selbstverständlich: ›Ich kann nicht‹.«

Sie haben doch diese Unterredung mit dem Finanzminister gehabt zu der Zeit, als Sie noch Reichsbankpräsident waren?

[25] SCHACHT: Mr. Justice! Ich sagte, daß wir in der gesamten Finanzgebarung etwas besorgt wurden, ob wir unsere Wechsel zurückbezahlt bekämen oder nicht, und ich habe hier bereits dem Gericht erzählt, daß in der zweiten Hälfte des Jahres 1938 der Finanzminister in Schwierigkeiten kam, und er kam ja auch zu mir, um neues Geld zu leihen. Daraufhin habe ich ihm gesagt: »Hören Sie mal, in welcher Situation sind Sie denn, Sie müssen uns doch demnächst die ersten MEFO-Wechsel wieder zurückzahlen, sind Sie nicht darauf vorbereitet?« Und nun stellte sich heraus, das ist also im Herbst 1938 gewesen, daß der Herr Reichsfinanzminister keinerlei Vorbereitungen getroffen hatte, um sein Versprechen einzulösen, nämlich die MEFO-Wechsel zurückzuzahlen, und das machte natürlich im Herbst 1938 die ganze Beziehung zum Reichsfinanzminister, also zwischen Reichsbank und dem Reichsfinanzminister, außerordentlich schwierig.

JUSTICE JACKSON: Und die Einkünfte aus den Steuern reichten nicht aus, um diese Wechsel zu bezahlen?


SCHACHT: Jawohl, ich habe ja bereits gestern gesagt, daß das Risiko, das in den MEFO-Wechseln lag, und was ich von vornherein zugegeben habe, kein Risiko war, wenn man eine vernünftige Finanzpolitik trieb, das heißt, wenn man vom Jahre 1938 an nicht weiter zugerüstet hätte und weiter unsinnige Ausgaben gemacht hätte, sondern wenn man das aus Steuern und Anleihen aufkommende Geld zur Rückzahlung der MEFO-Wechsel benützt hätte.


JUSTICE JACKSON: Alles, was ich Sie jetzt frage, Dr. Schacht, ist, ob diese Wechsel nicht durch die Steuereinnahmen hätten bezahlt werden können.


SCHACHT: Selbstverständlich, ja.


JUSTICE JACKSON: Sie konnten bezahlt werden?


SCHACHT: Selbstverständlich, aber das ist ja das Merkwürdige, sie sind nicht zurückbezahlt worden, sondern das Geld ist dazu verwandt worden, um weiterzurüsten.

Darf ich noch einiges zu Ihrer eigenen Erläuterung, Unterrichtung, sagen?


JUSTICE JACKSON: Nein, die Finanzierung interessiert mich nicht. Mich interessiert nur, wie verzwickt Ihre Lage zur Zeit des Rücktrittes war.


SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Diese MEFO-Wechsel waren fällig und konnten nicht bezahlt werden?


SCHACHT: In kurzer Zeit.


JUSTICE JACKSON: Die waren in kurzer Zeit fällig?


[26] SCHACHT: Jawohl, aber die konnten bezahlt werden. Das ist ein Irrtum, wenn Sie meinen, sie konnten nicht bezahlt werden.


JUSTICE JACKSON: Gut, aber Sie konnten aus den Steuereinnahmen des laufenden Jahres nicht bezahlt werden, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl, ganz bestimmt. Sie sind nicht daran interessiert und Sie wollen das nicht von mir hören, aber ich bin gern bereit, es aufzuklären.


JUSTICE JACKSON: Nun, Sie haben es uns sehr gut erklärt.


SCHACHT: Sie haben ja eben gesagt, Sie wären nicht interessiert.


JUSTICE JACKSON: Die Zeichnungen für die vierte Reichsanleihe 1938 hatten kein befriedigendes Ergebnis, nicht wahr?


SCHACHT: Wenig erfreulich, der Kapitalmarkt war nicht gut.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben über diese Anleihe berichtet, daß die öffentlichen Zeichnungen nur gering gewesen waren und daß das Ergebnis nicht befriedigend war?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Nun, haben Sie nicht dem Sie vernehmenden Beamten folgendes geantwortet:

»Frage: Aber ich frage Sie, ob Sie nicht während dieser Periode vom 1. April 1938 bis Januar 1939 die Rüstungen weiterhin finanziert haben?

Antwort: Mein Herr, andernfalls mußten diese MEFO-Wechsel vom Reich bezahlt werden, und das Reich konnte es nicht tun, da es kein Geld hatte, und ich konnte kein Geld für die Rückzahlung besorgen, weil dieses aus den Steuern oder Anleihen hätte genommen werden müssen. So mußte ich diese MEFO-Wechsel weiter prolongieren, und das habe ich natürlich getan.«

Haben Sie diese Antwort gegeben?

SCHACHT: Ja, das war völlig in Ordnung – lassen Sie, mich bitte aussprechen, nicht wahr –, weil der Finanzminister seine Mittel für die Rückzahlung der MEFO-Wechsel nicht zur Verfügung stellt, sondern sie für die Aufrüstung zur Verfügung stellte. Hätte er die Mittel benutzt, um die MEFO-Wechsel zu bezahlen, so wäre alles in Ordnung gewesen.

JUSTICE JACKSON: Und Sie haben die MEFO-Wechsel prolongiert, was ihm ermöglichte, die laufenden Einnahmen für die Rüstung auch nach 1938 zu verwenden?


SCHACHT: Mr. Justice! Die Dinge liegen so: Ein großer Teil der MEFO-Wechsel war im Geld- und Kapitalmarkt untergebracht. Wenn nun der Geld- und Kapitalmarkt von der Reichsseite her zu stark in Anspruch genommen wurde, so brachten die Leute die[27] MEFO-Wechsel zur Reichsbank, und die Reichsbank hatte ja versprochen sie aufzunehmen. Das war ja die große Kontrahierung meiner Politik durch die Politik des Reichsfinanzministers, die davon herkam, daß der Reichsfinanzminister die Rüstung finanzierte, anstatt, wie er versprochen hatte, die MEFO-Wechsel einzulösen.


JUSTICE JACKSON: Unter diesen Umständen nahmen Sie eine Haltung an, die zu Ihrem Rücktritt von der Reichsbank führen mußte?


SCHACHT: Ja.


JUSTICE JACKSON: Nun, wir kommen jetzt zur Tschechoslowakei.

Haben Sie die Methode, sich das Sudetenland mit Hilfe von Drohungen oder Waffengewalt anzueignen, gebilligt?

SCHACHT: Gar nicht.


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, daß Sie die Art, wie das Sudetenland genommen wurde, als unrecht und tadelnswert charakterisierten.


SCHACHT: Ich wüßte nicht, wann ich das getan hätte. Ich habe gesagt, die alliierte Politik schenkte Hitler das Sudetenland, während ich immer nur erwartet hatte, daß man den Sudetendeutschen eine Autonomie geben würde.


JUSTICE JACKSON: Dann haben Sie Hitlers Politik in Bezug auf das Sudetenland gebilligt. Wollen Sie das damit sagen?


SCHACHT: Ich habe nie gewußt, was Hitler über die Autonomie, oder daß Hitler über die Autonomie hinaus irgend etwas verlangt hätte.


JUSTICE JACKSON: Soweit ich Sie verstehe, ist Ihre einzige Kritik an der tschechoslowakischen Frage gegen die Alliierten gerichtet?


SCHACHT: Das heißt, das geht auch auf die Tschechen, vielleicht auch auf die Deutschen selber, ich meine, ich will um Gotteswillen hier keinen Richter spielen.


JUSTICE JACKSON: Nun möchte ich Sie tragen, ob Sie folgende Antworten auf folgende Fragen erteilt haben? Es ist Beweisstück US-636, 3728-PS:

»Frage: Nun komme ich auf den Einmarsch in die Tschechoslowakei zurück, der zur Verständigungspolitik in München und zur Abtretung des Sudetenlandes an das Reich führte.

Antwort: Ja.

Frage: Haben Sie sich damals für die Politik der Einverleibung des Sudetenlandes eingesetzt?

Antwort: Nein.

[28] Frage: Haben Sie damals die Politik, die Tschechen mit Waffengewalt zu bedrohen, um dadurch das Sudetenland zu bekommen, unterstützt?

Antwort: Nein, sicherlich nicht.

Frage: Dann frage ich Sie, ist Ihnen damals nicht aufgefallen oder zum Bewußtsein gekommen, daß die Mittel, die Hitler zur Bedrohung der Tschechoslowakei anwandte, die Wehrmacht und die Rüstungsindustrie waren?

Antwort: Er hätte dies nicht ohne die Wehrmacht machen können.«

Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Jawohl.

JUSTICE JACKSON: Ich setze fort:

»Frage: Haben Sie die Art und Weise, in der die Sudetenfrage behandelt wurde, als unrecht und tadelnswert betrachtet?

Antwort: Ja.

Frage: Taten Sie es wirklich?

Antwort: Ja, mein Herr.

Frage: Und ist Ihnen damals, als Sie auf die voraufgegangenen Geschehnisse und auf Ihre persönliche Beteiligung an diesen zurückblickten, nicht aufgefallen, daß diese Armee, die er als Drohung gegen die Tschechoslowakei verwandte, wenigstens zum Teil Ihre Schöpfung war? Hat Sie das jemals berührt?

Antwort: Ich kann es nicht leugnen, mein Herr.«


SCHACHT: Sicherlich nicht.

JUSTICE JACKSON: Aber auch hier haben Sie Hitler, nachdem er einmal erfolgreich gewesen ist, wieder geholfen, nicht wahr?


SCHACHT: Wie können Sie so etwas sagen! Ich habe doch nicht gewußt, daß Herr Hitler die Armee brauchen wird, um irgendwelche Bedrohungen von fremden Nationen auszuführen.


JUSTICE JACKSON: Nachdem er es getan hat, sind Sie hingefahren und haben die Tschechoslowakische Bank übernommen, nicht wahr?


SCHACHT: Selbstverständlich.


JUSTICE JACKSON: Sie sind ihm gefolgt, um das Land, soweit es von Hitler besetzt, war, wirtschaftlich zu bereinigen, nicht wahr?


SCHACHT: Aber verzeihen Sie, bitte, er hat es ja gar nicht mit Gewalt, genommen. Die Alliierten haben ihm ja das Land geschenkt. Es war ja alles friedlich erledigt.


JUSTICE JACKSON: Gut. Wir haben Ihre Aussage über die Rolle, die die Wehrmacht gespielt hat, und über die Rolle, die Sie in der Wehrmacht gespielt haben.


[29] SCHACHT: Ja, ich habe das nie geleugnet.


JUSTICE JACKSON: Nein, was ich meine, ist folgendes: Ich beziehe mich auf Ihre Vernehmung vom 17. Oktober 1945 (US-616):

»Frage: Haben Sie, als das Sudetenland nach dem Münchener Abkommen übernommen wurde, als Reichsbankpräsident etwas wegen des Sudetengebietes unternommen?

Antwort: Ich glaube, wir haben die Filialen der Tschechischen Notenbank übernommen.«

Und Sie haben auch das Umtauschverhältnis der Währungen reguliert, nicht wahr?

SCHACHT: Ja, das habe ich auch getan.

JUSTICE JACKSON: Das haben Sie getan, nachdem Hitler die unrechte und tadelnswerte Handlung begangen hatte, nicht wahr?


SCHACHT: Es ist kein »wrong« und »reprehensible act« von Hitler »committed« worden, sondern Hitler hat im Vertragswege das Gebiet der Sudetendeutschen erhalten, und selbstverständlich mußte die Währung und das Institut, welches die Finanzierung leitete, in diesem Teile mit Deutschland amalgamiert werden. Da ist von Unrecht gar keine Rede. Ich kann mir nicht denken, daß die Alliierten ihre Unterschrift unter ein Unrecht gesetzt haben.


JUSTICE JACKSON: Also Sie glauben, daß alles, was bis zum Münchener Abkommen geschah, rechtmäßig war?


SCHACHT: Nein, da bin ich durchaus anderer Ansicht. Es ist sehr vieles unrecht gewesen.


JUSTICE JACKSON: Waren Sie in diesem Gerichtssaal, als Göring aussagte über seine Drohung, Prag, »die schöne Stadt Prag« zu bombardieren?


SCHACHT: Dank Ihrer Einladung habe ich mich hier befunden.


JUSTICE JACKSON: Ich nehme an, daß Sie auch die Anwendung der Macht, die Sie in der Wehrmacht geschaffen hatten, billigten?


SCHACHT: Mißbilligte, unter allen Umständen.


JUSTICE JACKSON: Haben Sie also nicht gedacht, daß diese Handlungsweise richtig war?


SCHACHT: Nein, nein, das war eine scheußliche Sache.


JUSTICE JACKSON: Nun, da haben wir etwas gefunden, worüber wir uns einig sind, Doktor. Sie wußten von dem Einfall in Polen?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Sie haben dies als eine unberechtigte Angriffsaktion von seiten Hitlers angesehen, nicht wahr?


SCHACHT: Absolut.


[30] JUSTICE JACKSON: Dasselbe galt für den Einfall in Luxemburg?


SCHACHT: Absolut.


JUSTICE JACKSON: Und in Holland?


SCHACHT: Absolut.


JUSTICE JACKSON: Und in Dänemark?


SCHACHT: Absolut.


JUSTICE JACKSON: Und in Norwegen?


SCHACHT: Absolut.


JUSTICE JACKSON: Und in Jugoslawien?


SCHACHT: Absolut.

JUSTICE JACKSON: Und in Rußland?


SCHACHT: Absolut, mein Herr, und Norwegen und Belgien haben Sie vergessen.


JUSTICE JACKSON: Jawohl, ich komme jetzt zum Ende. Der ganze Verlauf war eine Folge von Angriffen?


SCHACHT: Absolut zu verurteilen.


JUSTICE JACKSON: Und jeden Schritt dieser Angriffserfolge verdankte man der Wehrmacht, mit deren Schaffung Sie so viel zu tun hatten?


SCHACHT: Leider.


JUSTICE JACKSON: Ich möchte mich jetzt einem anderen Gegenstand zuwenden. Und vielleicht wäre es... es ist beinahe Zeit für die Pause.


VORSITZENDER: Wir werden jetzt vertagen.


[Pause von 10 Minuten.]


OBERST CHARLES W. MAYS, GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Der Angeklagte von Neurath wird der Sitzung nicht beiwohnen.

JUSTICE JACKSON: Dr. Schacht! In Ihrer Aussage beim direkten Verhör haben Sie auf einen Film Bezug genommen, der in Deutschland aus Propagandagründen aufgenommen und gezeigt wurde. Dieser Streiten zeigt Ihr Benehmen bei Hitlers Rückkehr, nachdem Frankreich gefallen war.


SCHACHT: Darf ich nur richtigstellen? Ich habe nicht von dem Film gesprochen, sondern mein Anwalt, und daß er für Propagandazwecke gebraucht wurde, ist hier auch nicht zum Ausdruck gekommen, sondern mein Anwalt hat gesagt, er sei in der Wochenschau gezeigt worden; ist also wahrscheinlich eine Woche gelaufen.


[31] JUSTICE JACKSON: Ich bitte, daß dieser Film dem Gerichtshof gezeigt wird. Es ist ein sehr kurzer Film und die Bewegungen in ihm gehen sehr schnell vor sich. Es ist sehr wenig darin zu übersetzen, aber die Geschwindigkeit ist so groß, daß ich ihn selbst zweimal ansehen mußte, um festzustellen, worum es sich eigentlich handelte.


VORSITZENDER: Wollen Sie ihn jetzt zeigen?


JUSTICE JACKSON: Ja, ich würde ihn gern jetzt zeigen. Es wird nur einen Augenblick dauern, und Dr. Schacht sollte so gesetzt werden, daß er ihn sehen kann, denn ich will ihm einige Fragen stellen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Besonders möchte ich Sie bitten, die Personen dieses Films zu identifizieren.


[Zum Gerichtshof gewandt:]


Wenn der Gerichtshof gestattet, werde ich den Film zweimal zeigen lassen, damit, wenn wir alles gesehen haben, Sie ihn noch einmal sehen könnten.

VORSITZENDER: Ja, natürlich.


[Der Film, auf den sich Justice Jackson bezogen hat, wird vorgeführt.]


JUSTICE JACKSON: Ich glaube, daß ich, als ich diesen Film, den ich als Beweismaterial vorlegen will, erwähnte, ihn als »Propagandafilm« bezeichnete. Herr Dr. Dix hat diesen Ausdruck nicht gebraucht. Er nannte ihn »Wochenschau« und »Wochenfilm«.


[Zum Zeugen gewandt:]


Solange unsere Erinnerung noch frisch ist, wollen Sie, bitte, dem Gerichtshof sagen, wen von den Angeklagten Sie in dem Film erkannt haben?

SCHACHT: Ich habe bei dem schnellen Überblick nicht gesehen, wer alles da war, aber ich möchte annehmen, daß beinahe alle dagewesen sind – aus meiner Erinnerung, nicht aus dem Film –, entweder im Gefolge von Hitler oder unter den Empfangenden.

JUSTICE JACKSON: Zu der Zeit, als Sie noch Reichsbankpräsident waren, da haben Sie nach der Übernahme der Tschechoslowakischen Bank eine Rede gehalten, und zwar am 29. November 1938?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Es ist Dokument EC-611, US-622. Mir wird soeben mitgeteilt, daß der Film die Beweisstücknummer US-835 erhalten hat. Bevor ich zu etwas anderem übergehe, möchte ich die Erklärung über die Persönlichkeit des Angeklagten Hermann Göring unter der Nummer 3936-PS, US-836 vorlegen.


[32] [Zum Zeugen gewandt:]


In dieser Rede vom 29. November 1938, Dr. Schacht, wenn ich richtig unterrichtet bin – nebenbei bemerkt, war es nicht eine öffentliche Rede?...

SCHACHT: Insofern, als es vor der Deutschen Akademie war. Es war absolut öffentlich und sicherlich auch, falls es die Zensur passiert hat, in den Zeitungen erwähnt. Es war öffentlich, es konnte jeder hören.

JUSTICE JACKSON: Haben Sie nun nicht folgendes gesagt?:

»Es ist möglich, daß noch keine Notenbank in Friedenszeiten eine so wagemutige Kreditpolitik getrieben hat wie die Reichsbank seit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus. Mit Hilfe dieser Kreditpolitik aber hat sich Deutschland eine Rüstung geschaffen, die der keines anderen Staates nachsteht, und diese Rüstung wiederum hat die Erfolge unserer Politik ermöglicht (EC-611).«

Ist das richtig?

SCHACHT: Das ist sehr korrekt und... Lassen Sie mich bitte in Zukunft sprechen. Das ist richtig, und ich habe mich sehr gewundert, daß es einer solchen bedurft hat, um Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen.

JUSTICE JACKSON: Die Einverleibung der Tschechoslowakei, das war Ihre Idee der Gerechtigkeit?


SCHACHT: Ich habe Ihnen ja bereits gesagt, daß Deutschland ja nicht »Czechoslovakia taken over« hat, sondern daß es ihm ja von den Alliierten auf dem Präsentierteller geschenkt worden ist.


JUSTICE JACKSON: Behaupten Sie jetzt, daß es ein Akt der Gerechtigkeit war, oder verurteilen Sie es? Ich kann Sie nicht begreifen, Doktor. Sagen Sie uns einfach, ob Sie dafür waren! Ob Sie heute dafür sind, oder dagegen.


SCHACHT: Wogegen? Wollen Sie mir bitte sagen, wogegen und wofür?


JUSTICE JACKSON: Gegen die Übernahme des Sudetenlandes und die Methode, wie sie durchgeführt worden ist.


SCHACHT: Ich kann Ihre Frage deshalb nicht beantworten, weil ich gesagt habe, es ist kein »taking over«, sondern es ist ein Geschenk gewesen. Wenn mir ein Geschenk gemacht wird wie dieses, so akzeptiere ich es dankend.


JUSTICE JACKSON: Selbst wenn es den Gebern nicht gehört?


SCHACHT: Ja. Das muß ich natürlich den Geschenkgebern zu beurteilen überlassen.


[33] JUSTICE JACKSON: Und obwohl es mit gezücktem Revolver genommen wurde, würden Sie das Geschenk doch annehmen?


SCHACHT: Nein. Es ist nicht »at the point of the gun« genommen worden.


JUSTICE JACKSON: Nun gut. Wir werden uns jetzt Ihrer Rede zuwenden. Haben Sie auch folgendes gesagt:

»Statt einer schwachen und schwankenden Staatsleitung regiert heute eine einzige zielbewußte, tatkräftige Persönlichkeit. Das ist das Wunder, das sich in Deutschland tatsächlich ereignet hat und das auf allen Gebieten des Lebens, nicht zuletzt auch auf dem der Wirtschaft und Finanzen, seine Auswirkungen gehabt hat. Es gibt kein deutsches Finanzwunder; es gibt nur das Wunder der Wiedererweckung deutschen Nationalbewußtseins und deutscher Disziplin, und dieses Wunder danken wir unserem Führer Adolf Hitler (EC-611).«

Haben Sie das gesagt?

SCHACHT: Sicherlich. Das war ja mein großes Erstaunen.

JUSTICE JACKSON: Woraus bestand Ihr Ministerium als Sie Minister ohne Portefeuille waren?


SCHACHT: Nichts.


JUSTICE JACKSON: Was für Angestellte haben Sie gehabt?


SCHACHT: Eine Sekretärin.


JUSTICE JACKSON: Was für Büroräume hatten Sie?


SCHACHT: Zwei oder drei Räume in meiner eigenen Wohnung, die ich als Büroräume eingerichtet hatte.


JUSTICE JACKSON: Die Regierung hat Ihnen nicht einmal ein Büro eingerichtet?


SCHACHT: Ja. Sie haben mir dafür eine Miete bezahlt.


JUSTICE JACKSON: Wen haben Sie getroffen als Minister ohne Geschäftsbereich?


SCHACHT: Ich verstehe nicht, wen getroffen?


JUSTICE JACKSON: Haben Sie irgendwelche Zusammenkünfte gehabt? Haben Sie offiziellen Sitzungen beigewohnt?


SCHACHT: Ich habe hier wiederholt ausgesagt, daß ich nach meinem Austritt aus der Reichsbank nicht eine einzige Besprechung oder irgendeine Konferenz gehabt habe, dienstlicher oder amtlicher Natur.


JUSTICE JACKSON: Hat Ihnen jemand Bericht erstattet, oder erstatteten Sie jemandem Bericht?


[34] SCHACHT: Nein, weder ist mir berichtet worden noch habe ich irgend jemandem berichtet.


JUSTICE JACKSON: Dann nehme ich an, daß Sie in dieser Stellung keine Aufgaben hatten?


SCHACHT: Völlig richtig.


JUSTICE JACKSON: Sie waren doch Minister ohne Geschäftsbereich zu der Zeit, als Hitler aus Frankreich zurückkam, und Sie haben dem Empfang am Bahnhof beigewohnt und sind zum Reichstag gegangen, um seine Rede anzuhören?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Trotz Ihres Rücktritts als Reichsbankpräsident hat die Regierung Ihnen Ihr volles Gehalt bis 1942 ausbezahlt, nicht wahr?


SCHACHT: Ich habe bereits gestern hier ausgesagt, daß das unrichtig ist. Ich habe mein Gehalt von der Reichsbank bezogen, welches vertraglich mir zustand, und ein Ministergehalt habe ich nicht bezogen. Ich glaube, ich habe als Minister gewisse Aufwandsentschädigungen bekommen, das kann ich im Moment nicht sagen. Gehalt habe ich als Minister nicht bezogen.


JUSTICE JACKSON: Gut. Ich wende mich wieder Ihrem Verhör vom 9. Oktober 1945 zu und frage Sie, ob Sie folgende Antworten auf folgende Fragen gegeben haben:

»Frage: Welches Gehalt haben Sie als Minister ohne Geschäftsbereich gehabt?

Antwort: Ich könnte es Ihnen nicht genau sagen. Ich glaube, es waren 24.000 Mark, vielleicht 20.000 Mark, genau kann ich es nicht sagen. Aber es wurde auf das Gehalt angerechnet und später auf die Pension, die ich von der Reichsbank erhielt. So wurde ich nicht zweimal bezahlt.

Frage: Mit anderen Worten: Das Gehalt, das Sie als Minister ohne Portefeuille zu der Zeit, als Sie noch Reichsbankpräsident waren, bezogen, wurde von Ihrem Gehalt bei der Reichsbank abgezogen?

Antwort: Ja.

Frage: Dennoch haben Sie, nachdem Sie im Januar 1939 Ihre Verbindung mit der Reichsbank gelöst hatten, das volle Gehalt erhalten?

Antwort: Ich erhielt das volle Gehalt, weil mein Kontrakt bis Ende 1942 weiterlief.

Frage: Sie haben also das volle Gehalt bis Ende 1942 erhalten?

Antwort: Das volle Gehalt, aber kein Extragehalt. Aber vom 1. Januar 1942 an erhielt ich meine Pension von der [35] Reichsbank, und das Ministergehalt wurde wieder davon abgezogen, oder umgekehrt. Welches Gehalt höher war, weiß ich nicht. Ich erhielt ungefähr 30.000 Mark Pension von der Reichsbank.«

Und am 11. Juli 1945 wurden Sie in Ruskin verhört und gaben folgende Antworten:

»Frage: Welches war das Datum Ihres Kontrakts?

Antwort: 1937. Vom 8. März 1939, 1940, 1941 und 1942. Vier Jahre, ein Kontrakt auf vier Jahre.

Frage: Also wurden Sie tatsächlich für vier Jahre verpflichtet?

Antwort: Das ist, was ich Ihnen sagte. Nach 1942 erhielt ich eine Pension von der Reichsbank.

Frage: Wie hoch war Ihr Gehalt und alle anderen Einkommen von der Reichsbank?

Antwort: Das gesamte Einkommen von der Reichsbank, einschließlich meiner Repräsentationsgelder, hat 60.000 Mark betragen, und die Pension betrug 24.000 Mark Sie verstehen, ich hatte einen kurzen Kontrakt, aber eine hohe Pension. Als Reichsminister ohne Geschäftsbereich hatte ich noch ein weiteres Gehalt, ich glaube 20.000 oder 24.000 Mark.«

Nun, ist das richtig?

SCHACHT: Die Gehälter standen auf dem Papier und sind korrekt wiedergegeben, und ich habe ja gesagt, daß ich nur aus einer Quelle bezahlt wurde. Ich bin gefragt worden: Was für ein Gehalt hatten Sie als Reichsminister? Das habe ich angegeben, aber ich habe es ja nicht ausbezahlt bekommen, sondern es ist von meinem Reichsbankgehalt abgesetzt worden. Und die Pension ist, wie ich hier sehe, hier in einem Falle falsch angegeben. Ich glaube, ich habe nur 24.000 Mark Pension bekommen, während einmal hier gesagt ist 30.000 Mark. Ich bin in meinen eigenen Geldsachen etwas weniger genau als wie in meinen dienstlichen Geldsachen. Ich bin jedenfalls nur einmal bezahlt worden, und zwar in der Hauptsache aus der Reichsbank, bis zum... und auch das ist nicht genau hier gesagt. Das ist nicht Ende 1942, sondern Ende Juni 1942, daß mein Kontrakt geendet hat. Von da an setzt die Pension ein, und die ist auch wieder nur einmal bezahlt worden. Wie sich die beiden, Ministerium und Reichsbank, untereinander verrechnet haben, ist mir nicht bekannt.

JUSTICE JACKSON: Sie hatten das Recht, ein Gehalt und eine Pension zu beziehen, und eines wurde gegen das andere verrechnet; das meinen Sie doch?

Diese Abmachung bestand, solange Sie noch dem Regime angehörten?


[36] SCHACHT: Das ist heute noch in Geltung, das hat mit dem Regime gar nichts zu tun. Ich hoffe, daß ich meine Pension noch bekommen werde, wovon soll ich sonst leben?


JUSTICE JACKSON: Nun, vielleicht werden Ihre Unterhaltskosten nicht sehr hoch sein, Doktor.

Als General Beck zurückgetreten ist, bat er Sie, dasselbe zu tun, nicht wahr?


VORSITZENDER: Einen Augenblick! Es ist völlig unnötig, daß einer der im Gerichtssaal Anwesenden seinem Vergnügen durch Gelächter Ausdruck verleiht.


JUSTICE JACKSON: Wurden Sie aufgefordert zurückzutreten, als General Beck zurücktrat?


SCHACHT: Nein, er hat es nicht gesagt.


JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich der Aussage, die Gisevius hier abgegeben hat?


SCHACHT: Jawohl, das war ein Irrtum von Gisevius.


JUSTICE JACKSON: Nun gut. Auf jeden Fall wurden Sie aber, als General Beck zurücktrat, recht eindeutig darauf aufmerksam gemacht, nicht wahr?


SCHACHT: Er besuchte mich und teilte es mir wenige Tage vor seinem Rücktritt mit. Ich nehme an, daß das Ende August oder Anfang September 1938 gewesen ist.


JUSTICE JACKSON: Und Sie behaupten, daß Ihnen damals nicht vorgeschlagen wurde, gleichzeitig mit, Beck zurückzutreten?


SCHACHT: Nein, da ist nicht davon gesprochen worden. Beck war bei mir in meinem Zimmer, er hat etwas Derartiges nicht ausgesprochen und ist auch zwischen uns nicht debattiert worden.


JUSTICE JACKSON: Ist es Ihnen niemals eingefallen, daß ein Rücktritt der beste Weg sein könnte, um Ihren Protest gegen die Dinge, die Sie, wie Sie heute sagen, mißbilligten, zum Ausdruck zu bringen?


SCHACHT: Nein, ich glaube, daß eine Resignation gar kein Mittel war, um das, was geschehen mußte, durchzusetzen, und ich habe es auch sehr bedauert, daß Beck zurücktrat. Das, was geschah, Mr. Justice, war eine ganz falsche Politik, sie wurde teils uns aufgezwungen und teils haben wir sie selbst leider nicht richtig gehandhabt, leider. Im Februar wurde Neurath entlassen, im Herbst trat Beck zurück, im Januar 1939 wurde ich entlassen. Es ist immer einer nach dem anderen abgesagt worden. Wenn es möglich gewesen wäre, daß unsere Gruppe – wenn ich jetzt auch von einer Gruppe sprechen darf –, wie wir es erhofft und erwartet hatten, einmal eine gemeinschaftliche Aktion hätte machen können, dann wäre das ausgezeichnet gewesen. Aber diese einzelnen Rücktritte hatten gar keinen Zweck, jedenfalls keinen Erfolg.


[37] JUSTICE JACKSON: Sie hätten es für besser gehalten, wenn Beck auf seinem Posten verblieben wäre und sich dem Staatsoberhaupt gegenüber unloyal verhalten hätte?


SCHACHT: Absolut.


JUSTICE JACKSON: Jedenfalls haben Sie während der ganzen Zeit bis zum Fall Frankreichs nie aufgehört, sich ganz öffentlich als Teil der Regierung und als Teil des Regimes zu betrachten, nicht wahr?


SCHACHT: Ja. Ich habe mich niemals als ein Teil des Regimes in dem Sinne betrachtet, denn ich war ja dagegen, aber ich habe selbstverständlich auch vom Herbst 1938 an auf meinen eigenen Rücktritt hingearbeitet, sobald ich sah, daß Hitler die Aufrüstung nicht abstoppte, sondern weitertrieb, und meine eigene Ohnmacht sah, dagegen anzugehen.


JUSTICE JACKSON: Wann fingen Sie an, auf Ihren eigenen Rücktritt hinzuarbeiten?


SCHACHT: Verzeihen Sie, ich habe nicht gehört, – zu arbeiten wofür?


JUSTICE JACKSON: Wann haben Sie begonnen, auf Ihren eigenen Rücktritt von allen Ämtern hinzuarbeiten?


SCHACHT: Also nach München, und nachdem wir sahen, daß eine Abrüstung oder ein Aufhören der Rüstung durch Hitler nicht von uns mehr erwartet werden könnte, daß wir nicht die weitere Aufrüstung verhindern konnten; da haben wir angefangen, innerhalb der Kreise des Reichsbankdirektoriums, uns darüber zu unterhalten und uns darüber klar zu werden, daß wir einen Kurs der weiteren Aufrüstung nicht mitmachen könnten. Das ist also das letzte Quartal 1938.


JUSTICE JACKSON: Und keines der Ereignisse, die Sie selbst nicht billigten, war Ihnen schwerwiegend genug, um Sie zum Rücktritt zu bewegen und einen weiteren Gebrauch Ihres Namens in diesem Regime zu verhindern?

SCHACHT: Ich habe bis dahin immer noch gehofft, daß ich die Dinge zum Guten wenden könnte und habe infolgedessen alle die Nachteile auf mich genommen, die mit meinem Verbleiben verbunden waren, auf die Gefahr, daß ich einst so beurteilt werden würde, wie es heute geschieht.


JUSTICE JACKSON: Obgleich Sie, wie Sie sagen, den Einfall in Polen mißbilligten, haben Sie dennoch zugelassen, daß man sich im In- und Ausland Ihres Namens bediente?


SCHACHT: Ich bin nie um meine Erlaubnis gefragt worden und habe diese Erlaubnis auch nie gegeben.


[38] JUSTICE JACKSON: Sie wußten doch ganz genau, daß Ihr Name damals sehr viel für diese Gruppe bedeutete und daß Sie einer der wenigen waren, der Ansehen im Auslande hatte?


SCHACHT: Das erste habe ich bereits gestern von Ihnen als Kompliment entgegengenommen, das zweite, glaube ich, ist unrichtig. Ich glaube, daß verschiedene andere Mitglieder des Regimes auch ein »standing« hatten im Auslande, darunter auch einige, die heute mit mir hier auf der Anklagebank sitzen.


JUSTICE JACKSON: Jeder auswärtige Beobachter, der die Angelegenheiten in Deutschland durchschaute, mußte doch zur Überzeugung kommen, daß Sie bis zum Verlust Ihres Amtes als Minister ohne Geschäftsbereich das Regime ständig unterstützten, nicht wahr?


SCHACHT: Das ist völlig unrichtig. Ich bin, wie ich bereits gestern wiederholt und auch im Verlauf des Verhörs gesagt habe, ständig durch die ausländischen Radiosender mit meinem Namen herangezogen worden als ein Gegner dieses Systems, und meine sämtlichen Freunde und Bekannten im Auslande, und es waren ihrer sehr viele, haben gewußt, daß ich gegen dieses System war und arbeitete, und wenn ein Presseberichterstatter mir heute genannt werden kann, der das nicht wußte, dann hat er sein Geschäft nicht verstanden.


JUSTICE JACKSON: Berufen Sie sich auf den Brief, den Sie an den Neuyorker Bankier Leon...?


SCHACHT: Leon Fraser.


JUSTICE JACKSON: Damals, als Sie diesen Brief in die Schweiz schickten, gab es doch einen diplomatischen Vertreter der Vereinigten Staaten in Berlin, nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl.


JUSTICE JACKSON: Und Sie wußten, daß er mindestens einmal pro Woche, gewöhnlich aber täglich, Kurierverbindungen mit Washington hatte?

SCHACHT: Ja, ich habe das nicht gewußt, aber angenommen.


JUSTICE JACKSON: Und daß, wenn Sie sich mit der Amerikanischen Regierung oder mit einem Beamten der Vereinigten Staaten in Verbindung setzen wollten, Sie diese Verbindung auf regulärem Wege herstellen konnten?


SCHACHT: Ich habe gar nicht gewünscht, mit der Amerikanischen Regierung oder mit einem amerikanischen Beamten in Verbindung zu treten, sondern ich habe gewünscht, die Verbindung wiederaufzunehmen mit einem Freund, der mich im Januar eingeladen hatte, nach Amerika zu kommen, und auf diese frühere Korrespondenz zwischen ihm und mir im Januar bin ich zurückgekommen.


[39] JUSTICE JACKSON: Somit ist ja die Fraser-Angelegenheit erledigt.

Nun, Dr. Schacht, während Sie Minister ohne Geschäftsbereich waren, wurden, wie Sie selbst aussagen, gegen Polen, Dänemark und Norwegen im April 1940, gegen Holland und Belgien im Mai 1940 Angriffskriege geführt; im Juni waren der Waffenstillstand und die Übergabe von Frankreich; im September 1940 wurde der Dreimächte-Pakt zwischen Deutschland, Japan und Italien geschlossen; im April 1941 fand der Angriff auf Jugoslawien und Griechen land statt, der, wie Sie selbst sagten, aggressiv war; im Juni 1941 wurde die Sowjetunion überfallen. Wie Sie sagten, war dieser Einmarsch ebenfalls eine Aggression; am 7. Dezember 1941 griff Japan Pearl Harbor an; nach diesem Angriff hat Japan den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt; am 8. Dezember 1941 erklärten die Vereinigten Staaten Japan den Krieg – aber nicht Deutschland; und am 11. Dezember 1941 haben Deutschland und Italien den Vereinigten Staaten den Krieg erklärt.

Alles das geschah auf außenpolitischem Gebiet, und Sie blieben weiter Minister ohne Geschäftsbereich in der Hitler-Regierung, nicht wahr?


SCHACHT: Mr. Justice...


JUSTICE JACKSON: Blieben Sie nicht, und ist das nicht Tatsache?


SCHACHT: Ja, und ich wünsche jetzt etwas hinzuzufügen. Von Dutzenden von Zeugen, die hier aufgetreten sind, und von mir selbst haben Sie immer wieder gehört, daß es eine Unmöglichkeit war, einseitig aus diesem Amt zurückzutreten; denn wenn ich von einem Staatsoberhaupt eingesetzt bin als Minister, muß ich ja auch mit seiner Unterschrift wieder abgesetzt werden. Es ist Ihnen ferner erzählt worden, daß ich zu den verschiedensten Zeiten versucht habe, dieses Ministeramt loszuwerden. Ich kann Ihnen außer den Zeugenaussagen zahllose, auch amerikanische Zeugnisse beibringen, daß es bekannt war, daß Hitler niemandem erlaubte, ohne seine Genehmigung irgendwie aus dem Amt auszuscheiden. Und jetzt werfen Sie mir hier vor, daß ich geblieben bin. Ich bin nicht aus Vergnügen geblieben, sondern ich bin geblieben, weil nur keine andere Möglichkeit war, außer mit einem Krach aus dem Ministerium auszuscheiden. Und diesen Krach habe ich alle Augenblicke beinahe versucht herbeizuführen, bis es mir schließlich im Januar 1943 gelungen ist, diesen Krach herbeizuführen, und dann mit einiger Lebensgefahr aus dem Amt zu verschwinden.


JUSTICE JACKSON: Ich werde mich mit Ihrer Erklärung später befassen, augenblicklich spreche ich nur von Tatsachen. Sie haben es zu einem offenen Bruch mit Hitler nicht kommen lassen, so daß [40] Sie noch nicht völlig aus Ihrem Amt ausgeschieden waren, bis dann die deutsche Offensive in Rußland zusammenbrach und die deutschen Truppen auf dem Rückzug waren und die Alliierten in Nordafrika gelandet waren, nicht wahr?


SCHACHT: Der Brief, durch den ich den letzten erfolgreichen Krach herbeiführte, datiert vom 30. November 1942; der Krach und seine Erfüllung datieren vom 21. Januar 1943, weil Hitler und Göring, und wer sonst dazu mitgesprochen hat, sieben Wochen gebraucht haben, um sich über die Konsequenz meines Briefes klar zu werden.


JUSTICE JACKSON: Nun, Ihr Brief bringt eindeutig einen Ausdruck, daß Sie fanden, daß das Schiff im Sinken begriffen, oder anders ausgedrückt, daß der Krieg verloren war?


SCHACHT: Das haben bereits meine mündlichen und schriftlichen Darstellungen aus viel früherer Zeit gezeigt. Ich habe davon hier ebenfalls berichtet. Ich habe von dem Brief an Ribbentrop und Funk berichtet, ich habe eine ganze Reihe von Darstellungen hier gegeben, die beweisen, daß ich niemals an die Möglichkeit eines deutschen Sieges geglaubt habe; und mein Verschwinden aus dem Amt hat mit all diesen Dingen gar nichts zu tun.


JUSTICE JACKSON: Zu der Zeit nun, als Sie noch Minister ohne Geschäftsbereich waren und glaubten, Ihr Rücktritt könnte Ihnen gefährlich werden, da stifteten Sie die Generale der Wehrmacht zum Hochverrat gegen das Staatsoberhaupt an. Nicht wahr?


SCHACHT: Jawohl, und ich möchte jetzt wieder eine Bemerkung machen. Ich habe nicht wegen drohender Lebensgefahr eher resignieren können, ich habe mich auch vor einer drohenden Lebensgefahr ja nicht gefürchtet, denn ich bin ja von 1937 an in ständiger Lebensgefahr gewesen und war der Willkür der Partei und des Parteiobersten ausgeliefert. Ihre Frage, daß ich eine Masse Generale versucht habe, zum Hochverrat zu veranlassen, bejahe ich.


JUSTICE JACKSON: Sie versuchten auch, Mörder ausfindig zu machen, die Hitler ermorden sollten?


SCHACHT: Ich habe im Jahre 1938, als der erste Versuch bei mir gemacht wurde, noch nicht an eine Ermordung Hitlers gedacht. Ich muß allerdings gestehen, daß ich später gesagt habe, wenn es nicht anders geht, müssen wir den Mann umbringen, wenn es möglich ist.


JUSTICE JACKSON: Sagten Sie, »wir müssen ihn töten«, oder sagten Sie »irgendein anderer muß ihn töten«, Dr. Schacht?


SCHACHT: Wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte, hätte ich ihn umgebracht, ich. Ich bitte, mich aber deswegen nicht wegen Mordversuches vor ein deutsches Gericht zu bringen, denn ich bin selbstverständlich in diesem Sinne schuldig.


[41] JUSTICE JACKSON: Gut. Wie auch immer Ihre Tätigkeit gewesen sein mag, sie muß so geheim gewesen sein, daß in den Auslandsakten in Frankreich, die, wie Sie sagten, von der Gestapo durchsucht wurden, auch nicht das geringste enthalten war.


SCHACHT: Ja, ich konnte diese Sache nicht vorher in der Zeitung annoncieren.


JUSTICE JACKSON: Und die Gestapo war, trotz all ihrer Nachforschungen über Ihre Tätigkeit, nie in der Lage, Sie vor dem Attentat vom 20. Juli zu verhaften?


SCHACHT: Sie hätte mich längst unter Arrest bringen können, wenn sie etwas klüger gewesen wäre; aber das scheint eine Sondereigenschaft jeder Polizei zu sein.


JUSTICE JACKSON: Und erst 1943 wurden Sie von der Hitler-Regierung entlassen? Bis dahin war sie anscheinend der Meinung, daß Sie ihr mehr genützt als geschadet hätten?


SCHACHT: Was sie für Gedanken dabei hatte, weiß ich nicht, da bitte ich mich nicht darüber zu befragen, da müssen Sie jemanden aus dem Regime tragen, und Sie haben ja noch Leute hier.


JUSTICE JACKSON: Sie haben hier behauptet, über das Attentat auf Hitler vom 20. Juli Bescheid gewußt zu haben?


SCHACHT: Ich wußte davon.


JUSTICE JACKSON: Sie haben gehört, daß Gisevius aussagte, Sie hätten nichts davon gewußt.


SCHACHT: Ich habe bereits gestern gesagt, daß ich nicht nur über die Bemühungen Goerdelers unterrichtet war, sondern daß ich durch General Lindemann ganz genau informiert war, und es ist das Zeugnis des Obersten Gronau hier ja verlesen worden, und ich habe ferner gesagt, daß ich meinen Freunden davon keine Nachricht gegeben hatte, weil ich niemandem, und das war eine gegenseitige Abrede, daß wir niemandem etwas mitteilten, was ihn bei einer eventuellen Folterung durch die Gestapo in Verlegenheit bringen konnte.


JUSTICE JACKSON: Erinnern Sie sich, daß nach Aussage von Gisevius nur drei Zivilpersonen von der Verschwörung, die von den Militärkreisen streng geheimgehalten wurde, etwas wußten?


SCHACHT: Sie sehen, daß auch Gisevius nicht über jede Einzelheit unterrichtet war. Er kann natürlich nicht mehr aussagen, als was er wußte.


JUSTICE JACKSON: Daher, Dr. Schacht, müssen wir Ihre Aussage angesichts der Tatsachen beurteilen, daß Sie es vorzogen, lange Zeit hindurch die Politik Ihrer eigenen Regierung zu sabotieren und Hochverrat am Staatsoberhaupt zu verüben, anstatt öffentlich aus seiner Regierung zurückzutreten?

[42] SCHACHT: Sie kommen immer wieder mit der Resignation. Ich habe Ihnen gesagt und bewiesen, daß es keine »resignation« gab. Infolgedessen ist Ihre Schlußfolgerung irrig.


JUSTICE JACKSON: Gut, gehen wir weiter. In Ihrer Vernehmung vom 16. Oktober 1945, Beweisstück US-636, wurden Ihnen ein paar Fragen über die Generale des Heeres gestellt, und nun frage ich Sie, ob Sie folgendes gefragt wurden und ob Sie wie folgt darauf geantwortet haben:

»Frage: Nehmen Sie an; Sie wären Chef des Generalstabs, und Hitler hätte den Entschluß gefaßt, Österreich anzugreifen. Würden Sie behaupten, daß Sie das Recht hätten zurückzutreten?

Antwort: Ich würde gesagt haben, ›schicken Sie mich weg‹.

Frage: Sie würden das gesagt haben?

Antwort: Jawohl.

Frage: Also, Sie sind der Ansicht, daß ein Beamter zu jeder Zeit zurücktreten könne, wenn er glaubt, aus Gewissensgründen nicht mehr mitmachen zu können?

Antwort: Jawohl, vollkommen.

Frage: Mit anderen Worten, Sie sind der Meinung, daß die Mitglieder des Generalstabs der Wehrmacht, die für die Durchführung der Hitler-Pläne verantwortlich waren, ebenso schuldig sind, wie er selbst?

Antwort: Die Frage, die Sie mir stellen, mein Herr, ist sehr schwierig, aber ich beantworte sie mit Ja.«


JUSTICE JACKSON: Haben Sie diese Antworten gegeben?

SCHACHT: Ja, ich wünsche jetzt noch eine Bemerkung dazu zu machen, wenn es mir das Gericht erlaubt. Wenn mir jemals Hitler einen unmoralischen Auftrag gegeben hätte, würde ich seine Ausführung abgelehnt haben. Das ist das, was ich auch von den Generalen gesagt habe, und ich stehe zu der Aussage, die Sie eben vorgelesen haben.


JUSTICE JACKSON: Ich bin fertig, Herr Vorsitzender. Ich möchte nur noch die Nummer der Beweisstücke angeben: Das Gesuch an Hindenburg, auf das ich mich gestern bezogen habe, ist 3901-PS und wird Beweisstück US-837.

Das Verhör von Blomberg vom Oktober 1945 wird Beweisstück US-838.


DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Präsident! Ich beantrage diese Aussage des Angeklagten Dr. Schacht insoweit zu streichen, als sie ihm vorgehalten wurde, und damit auch Gegenstand des Protokolls geworden ist. Die Frage, soweit ich sie verstanden habe, lautete, [43] ob er den Generalstab für genau so schuldig halte, wie Hitler. Diese Frage wurde in diesem Verhör von dem Angeklagten Dr. Schacht bejaht. Die Frage und die Antwort sind keine... die Frage zunächst ist unzulässig, ebenso die Antwort, weil ein Zeuge dieses Urteil nicht abzugeben vermag. Das ist in diesem Falle Sache des Gerichts. Und aus diesem Grunde beantrage ich, die Aussage insoweit vom Protokoll zu streichen.


JUSTICE JACKSON: Hoher Gerichtshof! Ich lege diese Meinung von Dr. Schacht selbstverständlich nicht als Beweismittel gegen den Generalstab oder gegen irgendeinen einzelnen angeklagten Soldaten vor. Das Beweismaterial wurde doch nur vorgelegt, um Schacht auf seine Glaubwürdigkeit und seine Stellungnahme zu prüfen. Ich finde nicht, daß seine Meinung über die Schuld eines anderen als Beweismittel gegen diese andere Person dienen kann. Meines Erachtens ist seine Meinung in dieser Sache ein Beweismittel gegen ihn selbst, und zwar im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit.


VORSITZENDER: Ja, Dr. Dix?


DR. RUDOLF DIX, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SCHACHT: Die Frage von Justice Jackson lautete nicht, ob Schacht die Generale für schuldig erachte, sondern die Frage lautete, ob es richtig wäre, daß Schacht in einem Protokoll, in einem Verhör in der Voruntersuchung auf die und die Frage die und die Antwort gegeben habe. Es war also eine Frage über einen tatsächlichen Vorgang, der in der Vergangenheit war, und keine Frage über eine Meinung und ein Urteil die er hier abgeben soll. Ich habe an der Nichtstreichung dieses Passus nur insofern als Verteidiger von Schacht ein Interesse, daß die Worte: »Ich, Schacht, hätte einen unmoralischen Befehl und eine unmoralische Zumutung Hitlers jederzeit abgelehnt« stehenbleiben. Hinsichtlich des übrigen Teiles der diesbezüglichen Antwort Schachts erkläre ich als Verteidiger für Dr. Schacht mein Desinteressement.


DR. LATERNSER: Herr Präsident! Nach der Erklärung des Herrn Justice Jackson ziehe ich meinen Einspruch hiermit zurück.


GENERALMAJOR G. A. ALEXANDROW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Herr Präsident! Gestatten Sie, das Kreuzverhör zu beginnen?


VORSITZENDER: Ja, bitte sehr.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Angeklagter Schacht! In Beantwortung der Frage Ihres Verteidigers haben Sie uns mitgeteilt, unter welchen Umständen Ihre erste Bekanntschaft mit Hitler und Göring stattgefunden hat. Sie haben sich dabei sogar an eine solche Einzelheit, wie die Erbsensuppe, erinnert, die zum Abendessen in Görings Hause serviert wurde. Mich interessieren jetzt einige für die Sache wichtigere Einzelheiten über Ihre Beziehungen zu Hitler[44] und Göring. Sagen Sie, auf wessen Initiative ist Ihre erste Zusammenkunft mit Hitler und Göring zurückzuführen?


SCHACHT: Ich habe hier erzählt bereits, daß der mir befreundete Bankdirektor von Stauß mich zu einem Abend bei sich einlud, um bei ihm im Hause Göring zu treffen. Die Zusammenkunft mit Hitler hat dann stattgefunden, indem Göring mich bat, einmal in seinem Hause, Görings Haus, mit Hitler zusammenzukommen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aus welchen Gründen hatten Sie damals die Einladung angenommen, um Hitler und Göring zu treffen?


SCHACHT: Die Nationalsozialistische Partei war damals nun eine der stärksten Parteien im Reichstag mit 108 Sitzen, und die nationalsozialistische Bewegung im Lande war außerordentlich lebhaft. Ich hatte infolgedessen ein allgemeines Interesse, einmal die führenden Männer dieser Bewegung kennenzulernen, die ich bis dahin überhaupt nicht kannte.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber Sie haben hier erklärt, daß Sie von Göring selbst eingeladen wurden. Warum hat Göring gerade Sie zu dieser Zusammenkunft eingeladen?


SCHACHT: Ich bitte Sie, Herrn Göring danach zu fragen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und Sie selbst, haben Sie ihn nicht danach gefragt?


SCHACHT: Herr Göring hatte den Wunsch, daß ich Hitler kennenlernte, oder daß Hitler mich kennenlernte.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und zu welchem Zweck, mit welchem Ziel?


SCHACHT: Das müssen Sie Herrn Göring fragen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Glauben Sie nicht, daß Hitler und Göring die Absicht hatten, und zwar nicht ohne Erfolg, Sie zur Mitarbeit in die faschistische Bewegung heranzuziehen, da sie wußten, daß Sie ein angesehener Wirtschaftler und Finanzmann in Deutschland waren und ein Mensch, der ihre Ansichten teilte?


SCHACHT: Ich bin über die Absichten der beiden Herren damals nicht unterrichtet gewesen, kann mir aber denken, daß es ebenso interessant für die Herren war, Herrn Schacht kennenzulernen, wie es für mich interessant war, Herrn Hitler und Herrn Göring kennenzulernen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: War es nur einfaches persönliches Interesse oder handelte es sich dabei um andere Gründe politischer Natur? Sie begriffen natürlich, daß Ihre Teilnahme an der faschistischen Bewegung für Hitler ein Vorteil gewesen wäre da Sie ein bekannter Mann in Ihrem Lande waren?


[45] SCHACHT: Bei mir lag lediglich das Interesse vor, mal zu sehen, was für Leute das waren; welches Interesse bei den beiden Herren vorlag, habe ich bereits gesagt, kann ich nicht wissen. Eine Mitarbeit in der faschistischen Bewegung kam überhaupt gar nicht in Frage und ist ja auch nicht geleistet worden...


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie...


SCHACHT: Lassen Sie mich, bitte, aussprechen, ist ja auch nicht geleistet worden vor den Juliwahlen 1932, wie ich hier ausgeführt habe, während die Bekanntwerdung ja im Januar 1931 war, also vor eineinhalb Jahren. In diesen ganzen eineinhalb Jahren ist ja eine Mitwirkung gar nicht erfolgt.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie, waren es die einzigen Zusammenkünfte, auf die sich Ihre Bekanntschaft mit Hitler und Göring beschränkte oder sind Sie mit ihnen noch öfter zusammengekommen, bevor Hitler zur Macht kam?

SCHACHT: Bis zum Juli 1932 habe ich Hitler und Göring, jeden von ihnen vielleicht ein-, zwei- oder dreimal gesehen – das kann ich nicht sagen – in diesen eineinhalb Jahren. Aber jedenfalls von irgendeinem häufigeren Sehen war nicht die Rede.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wie können Sie Ihren Brief an Hitler vom 29. August 1932, in dem Sie ihm Ihre Dienste anboten, erklären? Erinnern Sie sich an diesen Brief?


SCHACHT: Ja.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wie erklären Sie diesen Brief?


SCHACHT: Ich habe hierüber wiederholt ausgesagt. Bitte freundlichst, das nachzulesen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wollen Sie, bitte, das nochmals wiederholen, und zwar ganz kurz?


VORSITZENDER: Wenn er es schon einmal besprochen hat, so genügt das.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wann und von wem wurde Ihnen zum erstenmal der Vorschlag gemacht, an der zukünftigen Hitler-Regierung teilzunehmen, und wann und von wem wurde Ihnen der Posten des Reichsbankpräsidenten versprochen?


SCHACHT: Der Reichsbankpräsident war niemals ein Platz in der Regierung, sondern war ein hoher Beamter außerhalb der Regierung. Das erstemal, daß hiervon mir gegenüber die Rede gewesen ist, war am 30. Januar 1933, als ich zufällig Göring traf in der Halle des Kaiserhofes und er mir sagte: »Aha, da kommt unser künftiger Reichsbankpräsident.«


[46] GENERALMAJOR ALEXANDROW: Als Sie Ihrem Verteidiger antworteten, haben Sie erklärt, daß die faschistische Rassentheorie nichts als Geschwätz wäre, daß die faschistische Weltanschauung überhaupt keine Weltanschauung sei, daß Sie gegen die sogenannte Lösung des Lebensraumproblems durch Eroberung neuer Gebiete wären, daß Sie gegen das Führerprinzip in der faschistischen Partei wären und diesbezüglich eine Rede in der Akademie für Deutsches Recht gehalten haben, und daß Sie gegen die faschistische Methode der Judenvernichtung waren. Ist das richtig, haben Sie das als Antwort auf die Fragen Ihres Anwalts erklärt?


SCHACHT: Ja, das haben wir ja beide hier erlebt.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie, was hat Sie denn dann zum Faschismus und zur Zusammenarbeit mit Hitler gebracht?


SCHACHT: Mich hat gar nichts zum Faschismus gebracht, ich bin nie Faschist gewesen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und was hat Sie zur Zusammenarbeit mit Hitler gebracht, wo Sie doch eine ablehnende Haltung gegen seine Theorien und die Theorien des deutschen Faschismus hatten?


VORSITZENDER: General Alexandrow! Er hat uns schon gesagt, warum er mit Hitler zusammenarbeitete, das müssen Sie doch gehört haben.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber in Wirklichkeit hat es doch stattgefunden.


[Zum Zeugen gewandt:]


Als Antwort auf eine Frage Ihres Anwalts, warum Sie nicht emigrierten, haben Sie erklärt, daß Sie nicht ein einfacher Märtyrer sein wollten. Sagen Sie, kennen Sie das Schicksal der führenden Persönlichkeiten Deutschlands, die demokratisch und liberal gesinnt waren, wissen Sie, welches Schicksal sie nach Hitlers Machtergreifung getroffen hat? Wissen Sie, daß sie alle verbannt oder in Konzentrationslager geschickt wurden?

SCHACHT: Sie verwechseln das. Ich habe nicht geantwortet, daß ich kein Märtyrer werden wollte, auf die Frage, ob ich emigrieren wollte, sondern ich habe gesagt: »Emigranten, das heißt, freiwillige Emigranten haben ihrem Lande noch niemals gedient«, und ich wollte nicht mein eigenes Schicksal in Sicherheit bringen, sondern ich wollte für das Schicksal meines Landes weiterarbeiten. Die Märtyrergeschichte ist dann anschließend daran gefragt worden, ob ich mir etwas im Interesse meines Landes davon erwartet hätte, wenn ich als Märtyrer gestorben wäre. Ich habe daraufhin gesagt: »Märtyrer nützen ihrem Lande nur, wenn es bekannt wird.«

[47] GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie hatten es etwas anders gesagt. Trotzdem werde ich meine Frage wiederholen.


VORSITZENDER: Ich wäre dankbar, wenn Sie die Frage noch einmal wiederholen würden.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ist Ihnen das Schicksal, das die besten demokratisch und liberal gesinnten Menschen in Deutschland seit Hitlers Machtergreifung erlitten hatten, bekannt? Ist Ihnen bekannt, daß alle diese Menschen entweder aus dem Lande gejagt oder in Konzentrationslager gebracht wurden?


SCHACHT: Ich habe hier ausdrücklich, wenn ich von den Emigranten sprach – es sind also die, die im Exil waren –, gesagt, nicht diejenigen, die zwangsweise emigriert sind, sondern die, die freiwillig emigriert sind, von denen habe ich gesprochen. Das Schicksal der anderen ist mir nicht im einzelnen bekannt. Wenn Sie mich nach einzelnen Personenfragen wollen, werde ich Ihnen bei jeder einzelnen Person antworten, ob mir das Schicksal bekannt war oder nicht.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Das Schicksal dieser großen Leute ist ja im allgemeinen bekannt. Sie waren einer der wenigen angesehenen deutschen Staatsmänner, die mit Hitler zusammenarbeiteten, geben Sie das zu?


SCHACHT: Nein.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie haben ausgesagt – ich bin gezwungen, auf diese Frage zurückzukommen –, daß die Eintragung im Tagebuch von Goebbels vom 21. November 1932 falsch sei. Ich werde Sie nochmals an diese Eintragung erinnern; Goebbels schrieb, ich zitiere:

»In einer Unterredung mit Dr. Schacht stellte ich fest, daß er absolut unseren Standpunkt vertritt. Er ist einer der wenigen, die ganz konsequent zum Führer stehen.«

Behaupten Sie weiter, daß diese Eintragung der Wahrheit nicht entspricht? Dieses ist die Frage, die ich Ihnen stelle.

SCHACHT: Ich habe niemals behauptet, daß diese Eintragung nicht richtig wäre. Ich habe gesagt, Goebbels hat unter diesem Eindruck gestanden, und er hat sich dabei geirrt.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie behaupten, daß diese Eintragung, mit Bezug auf Ihre Einstellung zu Hitler, falsch sei. Ist das richtig oder nicht?


SCHACHT: In der Generalität, in der Goebbels sie dort wiedergibt, ist sie unrichtig, ist sie nicht richtig.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Warum haben Sie denn nicht dagegen protestiert? Das Tagebuch Goebbels wurde doch mit dieser Eintragung veröffentlicht?


[48] SCHACHT: Wenn ich gegen alle unrichtigen Meldungen in der gedruckten Literatur protestieren würde, die über mich umlaufen, dann käme ich überhaupt nicht mehr zur Besinnung.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nun, es ist doch keine gewöhnliche Mitteilung. Es handelt sich um das Tagebuch Goebbels, der eine sehr bekannte Persönlichkeit des faschistischen Deutschlands war, und der in seinem Tagebuch über Ihre politischen Ansichten Mitteilung macht. Wenn Sie also mit ihm nicht einig waren, so wäre es doch für Sie angebracht gewesen, auf irgendwelche Weise dagegen Stellung zu nehmen.


SCHACHT: Also, erlauben Sie meine Bemerkung hierzu. Entweder fragen Sie mich... Jedenfalls wünsche ich hier nicht eine gegenseitige Argumentation, wenn sie nur einseitig ist. Ich erkläre Ihnen, daß das Tagebuch von Goebbels eine ungewöhnlich gewöhnliche Sache ist.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Der Zeuge Dr. Franz Reuter, ein Biograph und Ihr enger Freund, hat in seinen schriftlichen Erklärungen vom 6. Februar 1946, welche dem Gerichtshof durch Ihren Anwalt als Nummer 35 vorgelegt wurden, wie folgt ausgesagt:

»Schacht hat sich zu Beginn der dreißiger Jahre Hitler angeschlossen und ihm geholfen, zur Herrschaft zu kommen...«

Halten Sie diese Aussagen des Zeugen Franz Reuter für unwahr, oder bestätigen Sie diese?

SCHACHT: Ich halte sie für nicht richtig.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: In welcher Weise haben Sie persönlich dazu beigetragen, daß Hitler zur Macht kam? Ich frage weiter: Unter welchen Bedingungen und zu welchem Zweck haben Sie im Februar 1933 ein Zusammentreffen Hitlers mit den Industriellen herbeigeführt? Dieses Zusammentreffen ist hier bereits erwähnt worden.


SCHACHT: Ich habe Hitler überhaupt nicht zur Macht verholfen, worüber hier des langen und breiten gesprochen worden ist. Im Februar 1933 befand sich Hitler längst in der Macht. Über die Geldsammlung und Industriellenversammlung vom Februar 1933 ist hier des langen und breiten gesprochen worden.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Welche besondere Rolle haben Sie bei dieser Konferenz gespielt?


SCHACHT: Das ist hier des langen und breiten besprochen worden. Lesen Sie das bitte im Protokoll nach.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich habe mich mit diesen Berichten vertraut gemacht, aber Sie stellen die Ereignisse ungenau dar. Um diese Frage zu klären, verweise ich auf die Aussage des [49] Angeklagten Funk vom 4. Juni 1945. Es ist das Dokument 2828-PS, ich zitiere die Aussage Funks:

»Ich war bei dieser Konferenz zugegen, und Geld wurde gefordert, nicht durch Göring, sondern durch Schacht. Hitler hat den Saal verlassen und Schacht hielt eine Rede, mit welcher er Geld für den Wahlkampf forderte. Ich war anwesend. Ich war als unparteiischer Zeuge anwesend, da ich mit den Industriellen gut befreundet war.«

Entspricht diese Aussage des Angeklagten Funk den Tatsachen oder nicht?

SCHACHT: Herr Funk irrt sich. Es ist hier das Dokument D-203 dem Gericht von der Anklagevertretung...

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber...


SCHACHT: Erlauben Sie, unterbrechen Sie mich nicht!... von der Anklagevertretung vorgelegt worden, und aus diesem Dokument geht hervor, daß Göring die Bitte um Finanzhilfe ausgesprochen hat und nicht ich.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Der Angeklagte Funk weist darauf hin, daß diese Rede nicht von Göring, sondern von Ihnen gehalten wurde. Ich frage Sie nun, was die Wahrheit ist.


SCHACHT: Ich habe Ihnen eben bereits gesagt, daß Herr Funk sich irrt und daß das Beweisstück der Anklage richtig ist.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Welche besondere Rolle haben Sie denn bei dieser Konferenz gespielt?


SCHACHT: Auch das habe ich hier ganz ausführlich mitgeteilt. Ich bin...


VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat bereits ein langes Kreuzverhör gehört und wünscht nicht, daß die gleichen Tatsachen oder Punkte wieder behandelt werden. Wollen Sie bitte dem Gerichtshof sagen, ob Sie irgendwelche Fragen vorzubringen haben, die die Sowjetunion besonders interessieren und die im Kreuzverhör noch nicht behandelt worden sind?


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Herr Vorsitzender! Der Angeklagte Schacht hat während seines Verhörs die Fragen nicht ausführlich und nicht ganz deutlich beantwortet. Ich bin deshalb gezwungen, auf einige dieser Fragen zurückzukommen. Insbesondere ist es unklar geblieben, welche Rolle der Angeklagte Schacht in der Industriellenversammlung gespielt hat. Diese Frage wurde meines Erachtens von ihm nicht klar und deutlich genug beleuchtet.

Was die anderen Fragen betrifft, so habe ich nur wenige zu stellen, und ich glaube, daß ich nach der Pause in 30 bis 40 Minuten mein Kreuzverhör zu Ende führen kann. Alle diese Fragen interessieren uns, um die Schuld des Angeklagten Schacht festzustellen.


[50] VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof hat nicht die Absicht, Fragen anzuhören, die bereits vorgelegt worden sind.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Vielleicht wünschen Sie jetzt die Mittagspause eintreten zu lassen, damit das Kreuzverhör nach der Pause fortgesetzt werden kann.


VORSITZENDER: Nein, General Alexandrow, das Kreuzverhör wird bis zur Pause fortgesetzt.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: [zum Zeugen gewandt] Geben Sie zu, daß Sie als Präsident der Reichsbank, als Reichswirtschaftsminister und als Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft eine bedeutende Rolle in der Aufrüstung Deutschlands spielten und damit Deutschland für die Angriffskriege vorbereiteten?


SCHACHT: Nein, ich bestreite das auf das entschiedenste.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie waren doch Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft?


SCHACHT: Das ist hier ja schon zehnmal vorgekommen.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich habe es kein einziges Mal aus Ihrem Munde gehört.


VORSITZENDER: Er hat das immer zugegeben, und es ist natürlich ganz augenscheinlich, daß er Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft war. Die Frage, die Sie ihm stellten, war, ob er als Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft an der Wiederaufrüstung für den Angriffskrieg teilgenommen hat, und er hat immer wieder erklärt, daß dies nicht sein Ziel gewesen ist, sondern daß sein Ziel war, Gleichberechtigung für Deutschland zu erreichen. Das hat er gesagt, und wir müssen erwägen, ob es wahr ist. Aber daß er es gesagt hat, ist völlig klar.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aus meinen folgenden Fragen wird ganz klar hervorgehen, warum ich gerade diese Frage gestellt habe.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wie lange waren Sie Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft?

SCHACHT: Ich habe das ja eben gesagt. Ich verstehe nicht die Frage: für welche Zeit? Das ist ja alles hier schon vorgekommen.

VORSITZENDER: Wir haben das Datum, wann er Bevollmächtigter für die Kriegswirtschaft wurde, wie auch das Datum, wann er aufhörte diese Stellung zu bekleiden.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich möchte Sie an die Probleme erinnern, die man Sie als Generalbevollmächtigter zu lösen beauftragt hatte. Sie wurden durch das Reichsverteidigungsgesetz vom 21. Mai 1935 ernannt. Ich will einige Auszüge aus Teil II dieses Gesetzes zitieren, der die Überschrift »Mobilmachung« trägt!

  • [51] »(1) Zur Leitung der gesamten Kriegswirtschaft ernennt der Führer und Reichskanzler einen Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft.

  • (2) Aufgabe des Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft ist es, alle wirtschaftlichen Kräfte in den Dienst der Kriegsführung zu stellen und das Leben des deutschen Volkes wirtschaftlich zu sichern.

  • (3) Ihm unterstehen: Der Reichswirtschaftsminister, der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, der Reichsarbeitsminister, der Reichsforstmeister und alle dem Führer und Reichskanzler unmittelbar unterstellten Reichsbehörden. Ferner wird von ihm verantwortlich die Finanzierung der Kriegsführung (im Bereich des Reichsfinanzministeriums und der Reichsbank) geleitet.

  • (4) Der Generalbevollmächtigte für die Kriegswirtschaft ist berechtigt, innerhalb seines Aufgabengebietes Rechtsverordnungen zu erlassen, die von den bestehenden Gesetzen abweichen dürfen.«

Geben Sie zu, daß Sie durch dieses Gesetz außergewöhnliche Machtbefugnisse in der Kriegswirtschaft erhalten haben?

SCHACHT: Dieses Dokument liegt dem Gericht vor und ich nehme an, daß Sie es richtig vorgelesen haben.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich fragte Sie nicht, ob ich das Dokument richtig zitiert habe, sondern ob Sie zugeben, daß Ihnen durch dieses Gesetz außergewöhnliche Machtbefugnisse in der Kriegswirtschaft übertragen wurden? Geben Sie das zu?


SCHACHT: Genau die Vollmachten, die im Gesetz umschrieben sind.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Geben Sie zu, daß es keine gewöhnlichen, sondern außergewöhnliche, besondere Machtbefugnisse waren?


SCHACHT: Das gebe ich gar nicht zu.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Mit anderen Worten, Sie betrachten das Reichsverteidigungsgesetz vom 21. Mai 1935 als ein ganz gewöhnliches Gesetz, dessen Funktionen...


SCHACHT: Für ein absolut gewöhnliches Gesetz.


GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und die Ihnen als Generalbevollmächtigtem durch dieses Gesetz übertragenen Funktionen betrachten Sie ebenso als gewöhnliche Funktionen?


SCHACHT: Für ganz gewöhnliche Vorschriften, wie sie bei jedem Generalstab üblich sind.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich nunmehr vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 13, S. 7-53.
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