Vormittagssitzung.

[158] [Der Zeuge Dr. Best im Zeugenstand.]


DR. HANS GAWLIK, VERTEIDIGER FÜR DEN SD: Herr Vorsitzender! Ich bitte, drei Fragen an den Zeugen Best stellen zu dürfen.

VORSITZENDER: Aus welchem besonderen Grunde wollen Sie Fragen an ihn stellen?


DR. GAWLIK: Ich wollte diese Fragen dem Zeugen Dr. Spengler stellen, den ich angefordert habe. Dieser Zeuge ist bisher nicht eingetroffen. Aus diesem Grunde bitte ich, diese drei Fragen dem Zeugen Dr. Best stellen zu dürfen.


VORSITZENDER: Nun, aus diesem besonderen Grunde erlauben wir Ihnen, die Fragen zu stellen, doch darf das nicht als allgemeine Regel angesehen werden.


DR. GAWLIK: Herr Zeuge! Ich lege Ihnen eine Abschrift des Erlasses vom 11. November 1938 vor.

Ich darf Bezug nehmen auf Seite 4 des deutschen Trial-Briefes gegen die Gestapo und den SD.

In diesem Erlaß heißt es:

»Der Sicherheitsdienst des RF SS (SD) hat als Nachrichtenorganisation für Partei und Staat, insbesondere zur Unterstützung der Sicherheitspolizei, wichtige Aufgaben zu erfüllen.«

Ich frage Sie, haben Sie an dem Zustandekommen dieses Erlasses mitgewirkt?

BEST: Ja.

DR. GAWLIK: Gibt dieser Erlaß das tatsächliche Verhältnis zwischen Sicherheitspolizei und SD richtig wieder?


BEST: Mit dem SD ist in jenen Jahren ständig experimentiert worden, so daß sich die Aufgabenstellung des SD öfter änderte. In jenem Zeitpunkt, als der erwähnte Erlaß herausgegeben wurde, hatte der gemeinsame Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Heydrich, das Interesse, dem SD Einblick in die Tätigkeit der staatlichen Behörden zu verschaffen. Um diesen Zweck ausreichend zu begründen, wurde die Formulierung dieses Erlasses gewählt. In Wahrheit entwickelte sich die Aufgabenstellung des SD, dessen Vorbild die großen ausländischen Nachrichtendienste sein sollten, vor allem der englische Intelligence Service, weiter dahin, daß [158] der SD nicht ein Hilfsorgan der Polizei, sondern ein reines politisches Nachrichtenorgan der Staatsführung zur Selbstkontrolle ihrer politischen Auswirkungen sein sollte.


DR. GAWLIK: Ich habe keine weiteren Fragen.


VORSITZENDER: Wünscht die Anklagebehörde ein Kreuzverhör?


KORVETTENKAPITÄN WHITNEY R. HARRIS, HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Zeuge! Sie sind sich doch dessen bewußt, daß Sie einer der beiden Zeugen sind, die aus einer Zahl von möglicherweise vielen Hundert vorgeladen wurden, um die Gestapo vor diesem Gerichtshof zu vertreten?


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und Sie sind sich doch dessen bewußt, daß Ihre Glaubwürdigkeit höchst wichtig ist, nicht wahr?


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Als erfahrener Jurist verstehen Sie doch die Bedeutung Ihres Eides?


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Sie haben gestern, glaube ich, festgestellt, daß Ihre Veröffentlichung »Die deutsche Polizei« eine rein private Studie war und keinen offiziellen Charakter hatte. Stimmt das?


BEST: Ich habe gesagt, daß es sich um eine reine Privatarbeit handelt, die ohne jede Fühlungnahme mit meinen Vorgesetzten und ohne Kenntnis meiner Vorgesetzten entstanden ist. Meine Vorgesetzten, damals Heydrich und Himmler, haben von dieser Arbeit erst durch die Vorlage des fertigen Buches Kenntnis erhalten.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Die Frage ist, ob dieses Buch von Ihnen in irgendeiner Hinsicht eine offizielle Veröffentlichung war oder nicht?


BEST: Nein, sie war keine offizielle Veröffentlichung.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Bitte geben Sie dem Zeugen das Ministerialblatt von 1941, Seite 119.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Sie werden bemerken, daß im Ministerialblatt von 1941 ein Rundschreiben des Reichsinnenministers enthalten ist, das auf Ihr Buch aufmerksam macht, und Sie sehen, daß es dort heißt:

»Für die Behörden und Behördenangehörigen der polizeilichen, staatlichen, parteilichen und kommunalen Verwaltung [159] stellt das Buch ein Nachschlage werk dar, das sich auch zur Verwendung als Auszeichnung für verdiente Behördenangehörige eignet. Das Buch wird zur Anschaffung, insbesondere auch für die Büchereien, empfohlen.«

Und ferner soll die Verteilung auch an höhere Reichsbehörden vorgenommen werden. Das sehen Sie doch dort, Dr. Best, nicht wahr?

BEST: Jawohl. Ich kann dazu sagen, daß diese Empfehlung längere Zeit nach dem Erscheinen des Buches veröffentlicht wurde, übrigens ohne daß ich dies vorher wußte, und es ist diese Empfehlung nicht anders zu bewerten als die Empfehlung anderer Bücher, die bereits erschienen sind und die man nachträglich als gut und brauchbar anerkannte. Ich betone aber nochmals, daß ich vor der Veröffentlichung des Buches weder mit meinen Vorgesetzten noch mit der Stelle, die diese Empfehlung später veröffentlicht hat, irgendwie darüber gesprochen habe.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Dann möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf Ihr Buch, insbesondere auf Seite 99 lenken. Sie haben gestern über die Entwicklung der Gestapo aus der vorher existierenden politischen Polizei ausgesagt. In Ihrem Buch sagen Sie das Folgende, ich zitiere:

»Zum Aufbau einer selbständigen und schlagkräftigen politischen Polizei, die es bis dahin in Deutschland nicht gegeben hatte, wurden einer seits Fachbeamte der bisherigen Polizei und anderseits Angehörige der SS herangezogen. Die Neueinrichtungen nahmen mit dem kompromißlosen Kampfgeist der SS die Bekämpfung der Volks- und Staatsfeinde zur Sicherung der nationalsozialistischen Führung und Ordnung auf.«

Das ist doch die richtige Darstellung der Entstehung der Gestapo, Dr. Best, nicht wahr?

BEST: Ich habe dazu zu sagen, daß der Anteil der neu in die SS... in die politischen Polizeien aufgenommenen Kräfte zunächst sehr gering war. Ich habe gestern gesagt, daß eine gewisse Zahl von Angestellten neu eingestellt wurde. Es kamen dann später unter den Anwärtern, die sich für die reguläre Beamtenlaufbahn der Geheimen Staatspolizei meldeten, weitere Angehörige der SS hinzu, so daß die Darstellung meines Buches durchaus richtig ist. Es ist aber nichts über das zahlenmäßige Verhältnis gesagt, und ich kann heute noch einmal sagen, daß die Zahl der normalen Beamten, sowohl der von früher her übernommenen alten Beamten wie der aus der Schutzpolizei hervorgegangenen Beamtenanwärter die größere war, gegenüber den aus der SS eingestellten Kräften.

[160] KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut, Sie sagten gestern, daß Sie gegen die Anwendung der Folter bei Gestapo-Verhören waren und daß Sie Heydrich deswegen zur Rede stellten. Stimmt das?

BEST: Jawohl.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und Sie stellten Heydrich zur Rede, obwohl er Ihr Vorgesetzter war? Stimmt das?


BEST: Jawohl.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Aber Sie verboten Heydrich nicht, weiterhin Foltern bei Verhören anzuwenden, oder taten Sie das?


BEST: Ich war nicht in der Lage, meinen Vorgesetzten an Maßnahmen, die er befohlen hat beziehungsweise er durchführen wollte, zu hindern. Dazu kam, daß ich mit der Exekutive innerhalb der Geheimen Staatspolizei nichts zu tun hatte, da ich ja Verwaltungsbeamter war und infolgedessen nicht dazwischengeschaltet war, wenn Heydrich solche Maßnahmen anordnete oder genehmigte. Ich kann nur sagen, daß ich in der kleinen Sparte der Abwehrpolizei, die ich kommissarisch eine gewisse Zeit geleitet habe, die Anwendung dieser Methode verhindert habe.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ich möchte nun kurz zu Ihren Erfahrungen in Dänemark übergehen, Dr. Best, und will vorher Ihr Gedächtnis über Ihre Aussage vor der Kommission am 8. Juli 1946 auffrischen:

»Frage: Haben Sie Naujocks kennengelernt?

Antwort: Naujocks war einmal in Kopenhagen.

Frage: Was waren seine Aufgaben in Dänemark?

Antwort: Das hat er mir im einzelnen nicht gesagt. Ich weiß nur, daß er mich bat, mit der Dienststelle des ›Forschungsamtes‹ in Kopenhagen eine Verbindung herzustellen...

Frage: Jedenfalls hatten Sie keine Ahnung, warum Naujocks in Kopenhagen war?

Antwort: Ich nehme an, daß er mit nachrichtendienstlichen Aufgaben in Dänemark war.

Frage: Und selbst wenn Naujocks aussagen würde, er habe die Angelegenheit mit Ihnen besprochen, würden Sie dann sagen, das wäre nur eine Lüge?

Antwort: Ich würde sagen, daß ich mich nicht erinnern kann und daß er in meiner Erinnerung als Mann des Nachrichtendienstes festgehalten wird.«

Man hat Ihnen doch diese Fragen gestellt und Sie gaben diese Antworten vor der Kommission, nicht wahr, Dr. Best?

BEST: Ja.

[161] KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja. Und wußten Sie, als Sie diese Antworten gaben, daß Sie unter Eid vorsätzlich die Unwahrheit sagten? Stimmt das, Dr. Best? Sie können diese Frage mit Ja oder Nein beantworten, und dann können Sie Erklärungen dazu abgeben, wenn Sie wollen.


BEST: Ich habe inzwischen von dänischen Beamten das Protokoll...


VORSITZENDER: Einen Augenblick. Warten Sie! Antworten Sie auf die Frage: Wissen Sie oder wissen Sie nicht, ob Sie damals die Wahrheit gesagt haben?


BEST: Die Aussage war nicht richtig. Ich habe inzwischen das Protokoll Naujocks vorgelegt bekommen und habe dadurch mich wieder genau erinnern können, daß er mir allgemein seinen Auftrag genannt hat. An Details erinnere ich mich auch heute nicht.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Damit Sie sich an die Befragung durch Dr. Kalki von der Dänischen Delegation zwei Tage später, am 10. Juli 1946, erinnern, möchte ich Sie bitten, sich die schriftliche Aussage anzusehen, die Sie eigenhändig korrigiert und unterzeichnet haben.


[Dem Zeugen wird das Dokument überreicht.]


Nun darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Absatz lenken, Dr. Best, wo Sie folgendes feststellen:

»Nun, da ich weiß, daß Naujocks ausgesagt hat, was er mit den Terrorakten in Dänemark zu tun hatte, bin ich bereit, darüber weiter auszusagen: Wenn ich früher nichts über diese Sache ausgesagt habe, so deshalb, weil ich nicht wußte, ob Naujocks festgenommen war und über diese Dinge ein Geständnis abgelegt hat. Es ging gegen mein Ge fühl, ihn in diese Sache hineinzuziehen, bevor mir die Tatsachen bekannt waren.«

Das haben Sie ausgesagt, und das ist Ihre Unterschrift, nicht wahr, Dr. Best?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, als Naujocks im Januar 1944 zu Ihnen kam, wußten Sie sehr wohl, daß Terrormaßnahmen der Gestapo gegen das dänische Volk geplant waren, denn Sie wohnten der Sitzung im Hauptquartier Hitlers am 30. Dezember 1943 bei, wo der Plan ausgearbeitet worden war. Stimmt das?


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und bei dieser Sitzung waren außer Ihnen anwesend: Pancke, der Höhere SS- und [162] Polizeiführer für Dänemark; General von Hannecken, der Wehrmachtsbefehlshaber von Dänemark; sowie Hitler, Himmler, der Angeklagte Kaltenbrunner, der Angeklagte Keitel, der Angeklagte Jodl und Schmundt. Sie zeichneten diese Namen selbst in Ihrem Tagebuch auf, nicht wahr?


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und Sie wußten doch, daß bei dieser Konferenz Übereinkunft über Gegenmaßnahmen gegen Mord und Sabotageakte an deutschen Interessen in Dänemark erzielt worden war und daß die Gestapo nach Dänemark gehen und dort unbarmherzig morden und Wohnstätten und Bauten als Gegenmaßnahmen in die Luft sprengen sollte, nicht wahr?


BEST: Es ist nicht richtig, daß eine Übereinkunft hergestellt worden sei, sondern Hitler hat Befehle erteilt gegen den Widerspruch, den ich und auch Pancke gegen diese Pläne erhoben haben.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja. Hitler gab den Befehl an Himmler, der ihn an Kaltenbrunner weitergab, der ihn wiederum an Müller weitergab, der die Gestapo in Bewegung setzte, und Sie wußten doch, daß daraufhin diese Morde und diese willkürliche Zerstörung von Privateigentum in Dänemark einsetzten, nicht wahr?


BEST: Diese allgemeine Tatsache ist mir bekannt.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, und Sie wußten, daß man diese Taten verübt hat, denn Sie haben ja gegen einige protestiert. Sie erinnern sich zum Beispiel doch, daß diese Gewalttäter in Odense einen Straßenbahnwagen sprengten, wobei Fahrgäste getötet und verletzt wurden. Erinnern Sie sich daran?


BEST: Ich habe in der Folgezeit immer wieder aus verschiedenen Anlässen gegen die Anwendung dieser Methode protestiert, indem ich entsprechende Berichte oder Telegramme...


VORSITZENDER: Sie haben die Frage nicht beantwortet. Die Frage lautete: Wußten Sie, daß der Straßenbahnwagen in die Luft gesprengt worden war?


BEST: Ich erinnere mich an die einzelnen Fälle nicht mehr genau und weiß deshalb nicht mehr, aus welchen einzelnen Anlässen ich meine Proteste erhoben habe. Ich weiß aber, daß ich es in sehr vielen Fällen tat.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, ich weiß, daß Sie ein sehr kurzes Gedächtnis haben, aber ich hätte doch geglaubt, daß Sie sich an die Dinge erinnern können, die Sie am 10. Juli 1946 erzählt haben. Sehen Sie doch Ihre Erklärung an, die Sie Dr. Kalki gegeben haben. Da sagten Sie:

»Ich benutze bei einer solchen Gelegenheit das Indieluftsprengen einer Straßenbahn in Odense z.B.«

[163] Sehen Sie das dort nicht, Dr. Best? Die Erklärung, die Sie am 10....

BEST: Verzeihen Sie, wo steht das?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Sie finden das ungefähr in der Mitte des Dokuments.


BEST: Halt, das ist eine falsche Übersetzung. Ich habe gesagt... die Sprengung eines Straßenzuges in Odense, das bedeutet, daß in dieser Straße mehrere Häuser gleichzeitig gesprengt wurden. Es handelt sich nicht um einen Wagen, sondern um einen Zug von Häusern.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, Sie erinnern sich auch der Ermordung von vier Ärzten in Odense, gegen die Sie protestiert haben, weil diese Ärzte Ihnen von nationalsozialistischen Kreisen als deutschfreundlich bezeichnet worden waren.


BEST: Ja. Im übrigen war das nicht der einzige Grund, ich habe nur auf die verstärkte Sinnlosigkeit dieser Maßnahmen hingewiesen, indem ich einen Teil dieser Ärzte als deutschfreundlich festgestellt hatte.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, das war doch schrecklich, daß die Gestapo Deutschenfreunde in Dänemark umbringen sollte. Es gab doch so wenige. An wen haben Sie denn Ihre Proteste gegen die Mordumtriebe der Gestapo gerichtet?


BEST: Meine Proteste sind regelmäßig an das Auswärtige Amt, das ja das mir vorgesetzte Ministerium war, gerichtet worden.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja. Ihre Proteste gingen doch an den Angeklagten Ribbentrop, nicht wahr?


VORSITZENDER: Haben wir eine Bezugnummer zu einem Dokument, das die Zusammenkunft vom 30. Dezember 1943 festhält, Korvettenkapitän Harris?


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, das liegt im offiziellen Regierungsbericht der Dänischen Delegation vor, RF-901.


VORSITZENDER: Danke.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gestern, Dr. Best, sagten Sie aus, daß das Einsatzkommando der Sicherheitspolizei und des SD in Dänemark gegen den »Kugel«-Erlaß gewesen sei, nicht wahr?


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Wer in Dänemark hat Ihnen gesagt, daß das Einsatzkommando gegen den »Kugel«-Erlaß war?


BEST: Das sagte mir der Leiter der Exekutive, Dr. Hoffmann.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, Dr. Hoffmann. Er war doch Chef der Gestapo in Dänemark, nicht wahr?


[164] BEST: Der Gestapo-Abteilung bei dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und wann ungefähr sagte Ihnen das Dr. Hoffmann?


BEST: Ich kann mich nicht genau daran erinnern, ob ich jetzt erst durch das Zusammensein mit Dr. Hoffmann an diese Tatsache wieder gemahnt worden bin oder ob die einzelnen Maßnahmen, die damals abgelehnt worden sind, mir jemals gemeldet wurden. Es kann sein, daß es eine neue Kenntnis von mir ist, die mir bestätigt hat, daß man den Erlaß niemals angewendet hat. Es ist kein Fall dieser Art vorgekommen.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, Dr. Best, Sie sagten eben in Ihrer letzten Antwort, daß Dr. Hoffmann Ihnen in Dänemark mitgeteilt hätte, die Gestapo sei gegen den »Kugel«-Erlaß in Dänemark gewesen. Ist das wahr nun oder nicht?


BEST: Ich habe nicht gesagt, wann und wo ich das erfahren habe, sondern ich habe nur gesagt, daß der Erlaß nicht angewendet worden ist auf eigene Veranlassung der Polizei. Ich habe nicht gesagt, wann und wo man mir das gesagt hat.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Was war denn der »Kugel«-Erlaß?


BEST: Ich weiß heute dadurch, daß ich einige Akten und Protokolle gelesen habe, daß es sich um Maßnahmen hinsichtlich, ich glaube, entflohener Kriegsgefangener handelte.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Nun, als Sie vor der Kommission über Ihre Kenntnis des »Kugel«-Erlasses befragt wurden, haben Sie doch nichts über eine Unterhaltung mit Dr. Hoffmann gesagt, nicht wahr?


BEST: Ich bin, nach meiner Erinnerung, nur befragt worden, ob ich damals während meiner Amtsführung den »Kugel«-Erlaß schon gekannt hätte. Ich habe ihn damals nicht zu sehen bekommen und habe ihn – ich glaube, daß ich das erwähnt habe – erst jetzt hier gelesen.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Wenn der Gerichtshof gestattet, möchte ich hier zwei Dokumente als Beweisstücke vorlegen. Diese Dokumente kamen erst vor zwei Tagen zu unserer Kenntnis und waren uns daher früher nicht zugänglich. Deswegen war es uns unmöglich, sie irgend jemandem vorzulegen, der vor der Kommission für die Gestapo ausgesagt hat. Ich glaube, dieser Zeuge könnte uns helfen, einige Namen zu identifizieren. Ich möchte den Gerichtshof bitten, diese Dokumente dem Zeugen lediglich zeigen zu dürfen. Sie sind ziemlich lang. Ich werde jedoch versuchen, sie möglichst kurz zusammenzufassen und so rasch wie möglich aus ihnen alles Notwendige zu erfragen, vielleicht in 15 Minuten für beide Dokumente.

[165] VORSITZENDER: Ja, fahren Sie fort, Korvettenkapitän Harris.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Dann lege ich das Dokument R-178 vor, das US-910 wird, und ich bitte, dieses Dokument dem Zeugen vorzulegen. Dieses Dokument wurde von einer kombinierten britisch-amerikanischen Dokumentenauswertungsgruppe erbeutet und wurde der Anklagevertretung vom »Air Documents Research Center« in London zugeleitet. Es enthält einen ins einzelne gehenden Schriftwechsel mit Bezug auf eine Beschwerde eines gewissen Major Meinel über Gestapo-Beamte in München, Regensburg, Nürnberg und Fürth, die die Überprüfung und Ermordung russischer Kriegsgefangener zum Gegenstand hat.

Ich bitte den Zeugen, Dokument »F« anzusehen, Seite 7 der englischen Übersetzung.

Sie werden sehen, daß das ein Bericht der Staatspolizeileitstelle München ist mit der Aufzählung von 18 Lagern, in denen die Gestapo 3088 russische Kriegsgefangene überprüft hatte, von denen 410 als untragbar ausgesondert wurden.

Nach Seite 8 der englischen Übersetzung werden Sie finden, daß die 410 ausgesonderten russischen Kriegsgefangenen zu folgenden Kategorien gehörten: Offiziere und Beamte, Juden, Intelligenzler, fanatische Kommunisten, Hetzer und ähnliche, Flüchtlinge, unheilbare Kranke.

Auf Seite 9 der englischen Übersetzung finden Sie, daß von den 410 auf diese Weise ausgesonderten Russen 301 am Berichtstage im Konzentrationslager Dachau hingerichtet wurden.

Auf Seite 10 der englischen Übersetzung sehen Sie ferner, Zeuge, daß diese 410 in München ausgesonderten Russen einen Prozentsatz von 13 Prozent darstellen, während die Staatspolizeileitstellen in Nürnberg, Regensburg und Fürth durchschnittlich 15 bis 17 Prozent ausgesondert haben. Dieser Bericht, der von Schermer unterzeichnet ist, stellt an derselben Stelle fest:

»Der Vorwurf des OKW, daß die Überprüfung der Russen oberflächlich vorgenommen wurde, muß auf das entschiedenste zurückgewiesen werden.«

Kennen Sie Schermer, Zeuge?

BEST: Nein. Der Name ist mir nicht bekannt.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut. Dann sehen Sie sich Dokument »G« an, einen Bericht der Staatspolizeileitstelle München, in dem über die Haltung des Majors Meinel Beschwerde geführt wird; und auf Seite 13 der englischen Übersetzung werden Sie eine Aussage sehen, nach der Meinel sich beim Oberkommando der Wehrmacht beschwert haben soll, daß die Russen oberflächlich überprüft würden.

[166] Sie können feststellen, daß in einem Bericht des SD über Major Meinel diesem vorgeworfen wurde, er hätte sich in gewissem Maße ablehnend gegen den Nationalsozialismus verhalten. Er habe zum Beispiel in einem Tagesbefehl Gott, aber nicht den Führer erwähnt.


VORSITZENDER: Wo ist das zu finden?


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Auf Seite 13 der englischen Übersetzung, ungefähr in der Mitte der Seite, Herr Vorsitzender.


[Zum Zeugen gewandt:]


Das war doch das Kennzeichen eines schlechten Nationalsozialisten, Dr. Best, nicht wahr... wenn jemand Gott höher als Hitler gestellt hat.

BEST: Ich weiß nicht, welche Frage ich beantworten soll. Ich darf zu dem ganzen Komplex betonen, daß ich Ende Mai 1940 aus meiner Stellung im Hauptamt Sicherheitspolizei im Reichsministerium des Innern ausgeschieden bin und infolgedessen über diese Dinge, die sich im Jahre 1941 abspielten, in keiner Weise Bescheid weiß.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut, dann lege ich Dokument »G«, Seite 15 der englischen Übersetzung, vor.

Da finden Sie folgenden Satz:

»Die Erfahrungen haben aber gezeigt, daß die Russen nur durch äußerste Strenge unter Anwendung der Prügelstrafe zur Arbeit gezwungen werden konnten.«

Nun zu Dokument »H«, Dr. Best. Auf Seite 17 der englischen Übersetzung erscheint folgende Feststellung:

»Ferner wies ich Major Meinel darauf hin, daß die Tätigkeit der Einsatzkommandos der Staatspolizei im Einvernehmen mit dem OKW und nach bestimmten Richtlinien erfolge, die mit dem OKW, Abteilung Kriegsgefangene, ausgearbeitet worden seien.«

Dieses Dokument ist von Schimmel unterzeichnet. Kannten Sie Schimmel?

BEST: Schimmel... ich sehe den Namen Schimmel nicht, aber ich erinnere mich, daß es einen Regierungsrat, glaube ich, dieses Namens in der Geheimen Staatspolizei gegeben hat.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut, dann haben wir hier Dokument »I«. Gegen Ende der Seite 21 der englischen Übersetzung werden Sie sehen, daß Meinel in der Antwort auf die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen folgendes festgestellt hat:

»Auf meine Erklärung, daß die Herausgabe sowjetischer Kriegsgefangener für die Offiziere eine starke seelische Belastung bedeute, teilte mir Regierungsrat Schimmel mit, daß [167] die mit der Exekution beauftragten SS-Männer teilweise vor dem seelischen Zusammenbruch stünden.«

Dann komme ich zu Dokument »M«, Zeuge. Sie werden auf Seite 26 die Feststellung finden, daß der Reichskommissar für die Landesverteidigung von diesen Morden unterrichtet war und daß er sie billigte. Das war im Wehrkreis VII. Wissen Sie, wer der Reichskommissar für Landesverteidigung im Wehrkreis VII war, der diese Morde gebilligt hat?

BEST: Ein Reichskommissar? Ach, es ist gemeint der Reichsverteidigungskommissar.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, der Reichsverteidigungskommissar.


BEST: Der Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis VII ist mir nicht erinnerlich, da ich in jener Zeit aus dem Reich fort war und außerhalb der Reichsgrenzen Dienst tat.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut. Dann wollen wir fortfahren. Es kommen nun viele andere Fälle der Überprüfung von Kriegsgefangenen, die von der Gestapo hingerichtet werden sollten. Diese Überprüfung erfolgte also durch die örtlichen Staatspolizeileitstellen in Deutschland selbst. Ich möchte keine Zeit damit verlieren, aber ich möchte, daß Sie sich Dokument »T« ansehen, Zeuge, da ich Beweismaterial über den Ausgang der Auseinandersetzung mit Major Meinel haben möchte. Dokument »T« ist ein Fernschreiben der Gestapo in Berlin.


VORSITZENDER: Wo ist das?


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Seite 37, Herr Vorsitzender. Ich zitiere:

»Die ausgesuchten Kriegsgefangenen werden auf Grund einer mit dem OKW geführten Besprechung in das KZ Buchenwald überstellt. Ich bitte, den Höheren SS- und Polizeiführer hiervon noch heute zu verständigen, sowie, daß Meinel eine andere Verwendung erhält.«

Nun, dieses Fernschreiben ging vom RSHA, Abteilung IV a aus. Das war doch die Gestapo, nicht wahr, Dr. Best?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und Sie sehen, daß es von SS-Obersturmbannführer Panzinger unterzeichnet war. Sie wissen doch, wer Panzinger war, nicht wahr?


BEST: Ja. Das war der Vertreter Müllers.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Und er war Chef dieser Abteilung IV a, deren Aufgabe die Behandlung von Feinden und Saboteuren, Mordanschlägen, Schutzhaft und ähnlichem war.


[168] BEST: Er war der Abteilungsleiter von IV a. Was in dieser Abteilung alles bearbeitet wurde, ist mir nicht erinnerlich.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gut. Sie dürfen mir schon glauben.

Zur Kenntnisnahme des Gerichtshofs: Das erscheint im Dokument L-219 und ist bereits als Beweismittel vorgelegt.

Ich möchte nun die anderen Dokumente vorlegen. Es sind fünf Dokumente, die zusammengehören, Herr Vorsitzender, und ich lege sie der Reihe nach vor: 4050-PS wird US-911, 4049-PS wird US-912, 4052-PS wird US-913, 4048-PS wird US-914, 4051-PS wird US-915.

Diese Dokumente kamen eben aus der Dokumentenzentrale in Berlin, und wir konnten die Originale noch nicht bekommen. Man sandte uns nur die Photokopien. Wir haben die Originale angefordert, und man versicherte uns, daß sie in ein paar Tagen hier sein werden. Sobald wir die Originale bekommen, werden wir mit Erlaubnis des Gerichtshofs und Zustimmung des Anwalts die Photokopien durch die Originale ersetzen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wenn Sie nun als erstes Dokument 4050-PS zur Hand nehmen, Dr. Best, so werden Sie sehen, daß es denselben SS-Oberführer Panzinger erwähnt. Es ist anscheinend eine Mitteilung des Auswärtigen Amtes, in der gesagt wird, Panzinger habe in der besprochenen Angelegenheit von verschiedentlich abgeänderten Vorbereitungen berichtet, und er habe einen Plan über die Ausgestaltung des Vorhabens zugesagt.

Wenn Sie nun die Anlage dieses Dokuments – das ist Dokument 4049-PS – ansehen, dann werden Sie herausfinden, um welchen Plan es sich handelt. Sie werden sehen, daß der Plan bestand, 75 französische Generale von Lager Königstein abzutransportieren, und man wollte während des Transportes einen französischen General mit Namen Deboisse liquidieren. Sein Wagen sollte eine Panne haben, um ihn von den anderen abzusondern. Bei dieser Gelegenheit sollte der General durch Rückenschuß auf der Flucht erschossen werden.

Sie werden sehen, daß dieses Dokument in der Folge alle Einzelheiten der Durchführung des Mordes anführt, einschließlich der interessanten Bemerkung:

»Entschieden müßte noch werden, ob die Beisetzung dieser Urne mit militärischen Ehren erfolgen soll oder nicht.«

Es wird hinzugesetzt, der SD werde die Frage noch einmal überprüfen.

Das ist der grundlegende Bericht vom November 1944.

Wollen Sie bitte das nächste Dokument, 4052-PS...

[169] VORSITZENDER: Sollten Sie nicht den letzten Absatz auf Seite 2 verlesen?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, ich werde ihn lesen:

»Schutzmachtuntersuchung: Durch die Auswahl der beteiligten Personen und die Anfertigung aller aktenmäßigen Unterlagen ist sichergestellt, daß bei einem Untersuchungsbegehren der Schutzmacht die zur Abweisung der Beschwerde notwendigen Unterlagen vorhanden sind.«

Im nächsten Dokument, Zeuge, das ist 4052-PS, werden Sie wieder den Hinweis auf den berüchtigten SS-Oberführer Panzinger finden. Sie sehen, Zeuge, Panzinger ist inzwischen befördert worden. Er stellt fest, daß die Vorbereitungen in Bezug auf die französischen Generale soweit gediehen seien, daß dem Reichsführer-SS ein Bericht über den beabsichtigten Vorgang unterbreitet werden könne. Sie werden sehen, daß er wieder die Mordmethode auseinandersetzt und sagt, einer von zwei Vorgängen werde angewendet werden, entweder Erschießung auf der Flucht oder in zweiter Linie Vergiftung mit Kohlenoxydgas.

Sie werden aus dem Schluß des Dokuments ersehen haben, daß es zur Vorlage bei dem Reichsaußenmini ster von Ribbentrop bestimmt war.

Das nächste Dokument ist besonders interessant. Es ist Dokument 4048-PS. Dieses Dokument hat das Datum vom 30. Dezember 1944.

VORSITZENDER: War Ritter der Botschafter in Paris?

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Zeuge! War Ritter der Botschafter in Paris?


BEST: Ich weiß es nicht mehr. Das muß vor längerer Zeit gewesen sein, als ich die Besetzung der diplomatischen Posten noch nicht kannte.


VORSITZENDER: Das macht nichts.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Man sagt mir, er war Verbindungsoffizier zwischen dem Auswärtigen Amt und der Wehrmacht. Allerdings bin ich dessen nicht sicher.

Dann kommen wir zu Dokument 4048-PS. Hier wird der ganze Plan zusammenfassend geschildert, und ich möchte ihn kurz verlesen. Das Dokument ist an den Reichsführer-SS adressiert und lautet:

»In der Angelegenheit haben mit dem Chef des Kriegsgefangenenwesens und dem Auswärtigen Amt die befohlenen Besprechungen stattgefunden, die zu folgendem Vorschlag führen:

1) Im Zuge einer Verlegung von fünf Leuten in drei Kraftwagen mit Wehrmachtkennzeichen tritt der Fluchtfall ein, als der letzte Wagen eine Panne hat, oder

[170] 2) tritt Kohlenoxyd durch Bedienung vom Führersitz aus in den abgeschlossenen Fond des Wagens. Die Apparatur kann mit einfachsten Mitteln angebracht und sofort wieder entfernt werden. Ein entsprechender Wagen konnte nach erheblichen Schwierigkeiten jetzt beschafft werden.

3) Andere Möglichkeiten der Vergiftung durch Speise oder Trank sind geprüft, aber nach mehreren Versuchen als zu unsicher wieder verworfen worden.

Für ordnungsmäßige Erledigung der Nacharbeiten, wie Meldung, Obduktion, Beurkundung, Beisetzung ist vorgesorgt.

Transportführer und Fahrer werden vom RSHA gestellt und treten in Wehrmachtsuniform mit zugeteiltem Soldbuch auf.

Wegen der Pressenotiz ist mit dem Geheimrat Wagner vom Auswärtigen Amt Verbindung aufgenommen. Wagner teilte dabei mit, daß der Reichsaußenminister mit Reichsführer über den Fall noch sprechen möchte.

Die Auffassung des Reichsaußenministers ist, daß gleichartig, und zwar in jeder Richtung, vorzugehen sei.

Inzwischen ist noch bekannt geworden, daß der Name des Betreffenden im Laufe verschiedener Ferngespräche zwischen Führerhauptquartier und Chef Kriegsgefangenenwesen genannt worden war, so daß Chef Kriegsgefangenenwesen vorschlägt, einen anderen, aber gleich beurteilten zu verwenden. Ich pflichte dem bei und bitte, die Auswahl Chef Kriegsgefangenenwesen zu überlassen.«

Wer hat diesen Brief unterzeichnet, Dr. Best?

BEST: Es steht darunter mit Schreibmaschine geschrieben: gezeichnet Dr. Kaltenbrunner.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Gezeichnet Dr. Kaltenbrunner.

Nun zum letzten Dokument 4051-PS. Es ist ein Bericht über eine telephonische Besprechung, die uns zum 12. Januar 1945 bringt und in der wiederum folgendes ausgesprochen wird:

»Ein französischer kriegsgefangener General wird eines unnatürlichen Todes durch Erschießung auf der Flucht oder Vergiftung sterben. Für die ordnungsgemäße Erledigung der Nacharbeiten, wie Meldung, Obduktion, Beurkundung, Beisetzung ist vorgesorgt.«

Es heißt dann weiter.

»Die Weisung des Herrn RAM lautet, die ›Angelegenheit mit Gesandten Albrecht zu besprechen, um genau festzustellen, welche Rechte der Schutzmacht in dieser Angelegenheit zustehen würden, um das Vorhaben damit abstimmen zu können‹.«

[171] Wer ist denn der Gesandte Albrecht?

BEST: Das war der Leiter der juristischen Abteilung im Auswärtigen Amt.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Wußten Sie, Dr. Best, daß der General Mesny, ein Franzose, ungefähr zur selben Zeit auf dieser Straße getötet wurde?


BEST: Ich weiß gar nichts von dieser Sache; denn ich war in jener Zeit in Dänemark tätig und habe nichts von solchen Ereignissen erfahren.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Hiermit schließt mein Kreuzverhör, Hoher Gerichtshof, aber ich habe noch zwei Dokumente, um deren Vorlage die Französische Delegation ersucht. Beides sind Dokumente, die von oder für diesen Angeklagten, Dr. Best, unterzeichnet sind, und mit Ihrer Erlaubnis, Herr Vorsitzender, möchte ich diese Dokumente im Namen der Französischen Delegation als Beweismittel vorlegen.

Das erste Dokument ist F-967. Das bezieht sich auf die Deportation von Juden und Kommunisten aus Frankreich und stellt fest, daß man diese Deportationen wegen Mangel an Transportmitteln zeitweilig einstellen müsse.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wollen Sie bitte, Dr. Best, Ihre Unterschrift auf diesem Dokument identifizieren?

BEST: Ja.

KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Das wird US-916.

Das nächste Dokument ist F-972. Auch ein Dokument, das sich auf den Kampf gegen die Kommunisten in Frankreich bezieht, und ich bitte, daß der Zeuge es ebenfalls von ihm stammend und in seinem Namen unterzeichnet, identifiziert.


BEST: Ja.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Das wird Dokument US-917.

Hoher Gerichtshof! Man teilt mir mit, wir hätten soeben ein neues Dokument entdeckt, das besonders wichtig ist, das aber noch in keiner Weise bearbeitet worden ist, und wir möchten den Gerichtshof bitten, dieses Dokument im späteren Verlaufe der Verhandlung vorlegen zu dürfen, sobald es zur Vorlage fertig ist.


VORSITZENDER: Kann das heute noch gemacht werden?


MR. DODD: Ich glaube schon, Herr Vorsitzender. Man hat es mir eben in handschriftlicher Übersetzung überreicht. Es wurde gerade in der Berliner Dokumentenzentrale entdeckt, und ich glaube, es ist seiner Natur nach so wichtig, daß der Gerichtshof davon wissen [172] sollte. Ich versuche, es noch vor Ende der heutigen Sitzung übersetzen zu lassen. Ich denke, es gehört zu den Dingen, die der Aufmerksamkeit des Gerichtshofs nicht entgehen sollten.


VORSITZENDER: Gut, vielleicht stellen Sie einen weiteren Antrag, sobald Sie das Dokument bereit haben.


KORVETTENKAPITÄN HARRIS: Ja, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Wünschen Sie ein Rückverhör?


DR. MERKEL: Zunächst zwei kurze Fragen in Bezug auf die Fragestellung des Verteidigers des SD.


[Zum Zeugen gewandt:]


Wer hatte den Nachrichtendienst in Händen nach Abberufung von Canaris?

BEST: Ich habe als Außenstehender erfahren, daß in jener Zeit der Nachrichtendienst der Wehrmacht, der vorher als Ganzes von Canaris geleitet war, an verschiedene Ämter des Chefs der Sicherheitspolizei übergegangen ist, und zwar der defensive Teil an das Amt IV, also das sogenannte Gestapo-Amt, ein weiterer Teil an das Amt VI, Auslandsnachrichtendienst, und schließlich wurde ein Amt Mil. neu gegründet.

DR. MERKEL: Hatte Himmler die gesamte Exekutive, insbesondere nach Heydrichs Tod?


BEST: Auch hier kann ich nur als Außenstehender sagen, daß ich erfahren habe, daß Himmler nach Heydrichs Tod die Leitung der Sicherheitspolizei selbst in die Hand genommen hat.


DR. MERKEL: Eine Frage bezüglich Dänemarks. Worin bestand allgemein der organisatorische Unterschied zwischen der Gestapo im Reich und den außerhalb der Reichsgrenzen eingesetzten sicherheitspolizeilichen Einheiten?


BEST: Im Reich bestanden feste staatliche Behörden der Geheimen Staatspolizei mit einem durch Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Dienstanweisungen geregelten Aufgabenkreis. In den besetzten Gebieten waren Einsatzkommandos eingesetzt, die gemischt waren aus Angehörigen der Geheimen Staatspolizei, der Kriminalpolizei, des SD und zahlreichen weiteren Hilfskräften und deren Aufgabenkreis nicht ständig gleich und fest umrissen war, sondern sich teils nach Instruktionen der zentralen Berliner Stellen und teils nach den Weisungen von Höheren SS- und Polizei führern, Reichskommissaren und dergleichen richtete.


DR. MERKEL: Seit wann kennen Sie den Zeugen Naujocks?


BEST: Ich glaube, daß ich ihn irgendwann schon vor meinem Ausscheiden aus dem Geschäftsbereich der Sicherheitspolizei kennengelernt habe. Ich habe ihn aber sehr selten gesehen und keinerlei persönliche Beziehungen zu ihm gehabt.


[173] DR. MERKEL: Wissen Sie, daß Naujocks sechs Monate vor Kriegsende zu den Amerikanern desertierte?


BEST: Das ist mir jetzt hier erzählt worden.


DR. MERKEL: Waren die von Naujocks geschilderten Morde Morde der Gestapo?


BEST: Nein, die eigentliche Gestapo, das heißt die Vollzugsabteilung des Befehlshabers der Sicherheitspolizei, hat diese Taten nicht ausgeführt, sondern es waren besondere Kräfte, die dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und dem Höheren SS- und Polizeiführer unmittelbar unterstanden.


DR. MERKEL: Waren die Exekutionen von russischen Kriegsgefangenen in deutschen Konzentrationslagern in der Öffentlichkeit allgemein bekannt?


BEST: Nein, ich kann jedenfalls sagen, daß ich trotz meiner hervorgehobenen Stellung erst jetzt hier im Zuge des Prozesses von diesen Dingen erfahren habe.


DR. MERKEL: Bedeutet die Empfehlung Ihres Buches durch den Reichsminister des Innern, daß nach dieser Empfehlung das Buch einen amtlichen Charakter bekam?


BEST: Ich glaube das nicht; denn es sind zweifellos an der gleichen Stelle und in der gleichen Weise zahlreiche Bücher empfohlen worden, die keineswegs von einer Behörde oder im Auftrag einer Behörde herausgegeben worden sind.


DR. MERKEL: Ich habe keine weiteren Fragen.


DR. HANS LATERNSER, VERTEIDIGER FÜR GENERALSTAB UND OBERKOMMANDO: Herr Präsident! Ich möchte nur eine während des Kreuzverhörs aufgetauchte Frage klären.


VORSITZENDER: Ja, Dr. Laternser.


DR. LATERNSER: Herr Zeuge! Es wurde Ihnen das Dokument R-178 vorgelegt. Auf 27, nein, auf Seite 26 dieses Dokuments finden Sie in der Mitte, daß der Reichskommissar für die Verteidigung in den Wehrkreisen mit der Auswahl der russischen Kriegsgefangenen und deren Ermordung einverstanden gewesen sei. Ich möchte... – Sie wurden dann von dem Herrn Ankläger gefragt, wer dieser Kommissar für die Reichsverteidigung gewesen sei, und Sie sagten, daß Sie das nicht wüßten. Ich möchte Sie nun fragen: Wer war denn gewöhnlich Kommissar für die Reichsverteidigung? Waren das nicht die Gauleiter?


BEST: Es waren zum Teil Gauleiter, zum Teil, wenn ich mich richtig erinnere, höhere Beamte, Oberpräsidenten und dergleichen, die Minister der einzelnen Länder.


[174] DR. LATERNSER: Diese Kommissare für die Reichsverteidigung waren also keine militärische Dienststelle oder rein militärische Dienststelle, die dem OKH unterstanden hat?


BEST: Nein, soweit ich die Konstruktion jener Zeit in Erinnerung habe, nicht.


DR. LATERNSER: Danke schön, ich habe keine weiteren Fragen.


VORSITZENDER: Der Zeuge kann sich zurückziehen.


DR. MERKEL: Ich habe noch einen weiteren Zeugen. Um die Einheitlichkeit der Einvernahme zu gewährleisten, würde es vielleicht besser sein, jetzt eine Pause einzulegen.


VORSITZENDER: Gut.

[Pause von 10 Minuten.]


DR. MERKEL: Mit Genehmigung des Gerichts rufe ich den Zeugen Karl Heinz Hoffmann.


[Der Zeuge betritt den Zeugenstand.]


VORSITZENDER: Bitte geben Sie Ihren vollen Namen an.

ZEUGE KARL HEINZ HOFFMANN: Karl Heinz Hoffmann.


VORSITZENDER: Sprechen Sie mir folgenden Eid nach: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich die reine Wahrheit sagen, nichts verschweigen und nichts hinzusetzen werde.«


[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]


VORSITZENDER: Sie können sich setzen.

DR. MERKEL: Wann und wie kamen Sie zur Geheimen Staatspolizei?


HOFFMANN: Nach Ablegung der großen juristischen Staatsprüfung im Jahre 1937 bewarb ich mich bei drei Verwaltungsbehörden um Anstellung. Ich er hielt als erstes eine Anstellung bei der Staatspolizei und nahm diese an. Nach einem Jahr Probezeit bei der Staatspolizeistelle Koblenz wurde ich dort zum Vertreter des Leiters und zum politischen Referenten der Regierung ernannt. Nach einem Jahr wurde ich 1939 in derselben Eigenschaft nach Düsseldorf versetzt. Dort bekam ich dann weiterhin noch die Stellung eines Referenten für Reichsverteidigung beim Inspekteur. Beim Einsatz der Sicherheitspolizei in Holland habe ich diesen Einsatz als leitender Verwaltungsbeamter mitgemacht. Im September 1940 wurde ich zum Reichsinnenministerium, Geheimen Staatspolizeiamt, versetzt und übernahm dort die Leitung des Referates »Besetzte West-Europäische Gebiete«. Im September des Jahres 1943 wurde ich zum BDS Dänemark als Leiter der Abteilung IV versetzt.


[175] DR. MERKEL: Sie waren also bei zwei Staatspolizeistellen, nämlich Koblenz und Düsseldorf tätig, und zwar als stellvertretender Leiter?


HOFFMANN: Jawohl.


DR. MERKEL: In welchem Verhältnis standen diese Gestapo-Stellen zur Inneren Verwaltung?


HOFFMANN: Der Leiter war politischer Dezernent des Regierungspräsidenten, der Leitstellenleiter des Oberpräsidenten. In Städten und Kreisen, wo keine Außenstelle der Stapo war, waren der Unterbau die Kreis- und Ortspolizeibehörden und die Gendarmerie. Schätzungsweise 80 Prozent der Eingänge kamen von diesen Polizeibehörden.


DR. MERKEL: Konnte die NSDAP der Staatspolizei Anweisungen geben?


HOFFMANN: Nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht. Nur dann, wenn der Gauleiter auch gleichzeitig ein Staatsamt als Oberpräsident oder Reichsstatthalter hatte.


DR. MERKEL: Wie war es in der Praxis?


HOFFMANN: In der Praxis wurde zwar teilweise von mittleren und unteren Stellen versucht, in die Arbeit einzugreifen. Dies wurde jedoch von der Polizei abgelehnt und war meistens nur dann der Fall, wenn Parteigenossen in Verfahren verwickelt waren.


DR. MERKEL: Gehörte es zu den Aufgaben der Geheimen Staatspolizei, die ideologischen Ziele der Partei vorwärts zu treiben?


HOFFMANN: Nein. Die Aufgabenstellung der Staatspolizei war eine reine Abwehraufgabe der Angriffe, die gegen den Staat gerichtet waren, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen.

DR. MERKEL: Die Grundtendenz der Arbeit der Gestapo war also eine aggressive oder defensive?


HOFFMANN: War defensiv und nicht aggressiv. Dies ergibt sich vor allen Dingen noch aus folgender Tatsache. Als 1944 die Aufgabestellung der Abwehrstellen auf die Polizei und den SD übertragen wurde, erhielt die Staatspolizei nur die reinen Abwehraufgaben, während aktive Spionage und Sabotage dem Amt Mil. beziehungsweise Amt VI übertragen wurde.


DR. MERKEL: Hatten Gestapo-Beamte im allgemeinen besondere Vergünstigungen, zum Beispiel dadurch, daß sie Gegenstände, die von der Gestapo beschlagnahmt waren, bei Versteigerungen erwerben konnten?


HOFFMANN: Es war durch... – es war durch einen Erlaß verboten, daß Staatspolizeibeamte Gegenstände erwerben durften, [176] die beschlagnahmt waren und öffentlich versteigert wurden. Ebenfalls hatten die Beamten keine Möglichkeit, sich bei Arisierung von Geschäften in irgendeiner Form zu beteiligen, und auch der unmittelbare Erwerb jüdischen Vermögens war ihnen verboten.


DR. MERKEL: Sie haben an dem Einsatz der Sipo in Holland als leitender Verwaltungsbeamter teilgenommen. Hat eine Schulung der Beamten für diesen Einsatz vorher stattgefunden?


HOFFMANN: Nein. Es waren überhaupt keine Mob-Maßnahmen getroffen, wie zum Beispiel die Beschaffung von Dolmetschern oder die Verstärkung des Beamtenkörpers durch irgendwelche zusätzlichen Kräfte. Auch die Bestimmungen über Besoldung und sonstige Wirtschaftsbestimmungen waren unklar und nicht für solche Aufgaben vorbereitet.


DR. MERKEL: Hat die Gestapo an einer Verschwörung teilgenommen, die die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen zum Ziele hatte?


HOFFMANN: Ich muß diese Frage verneinen. Als Referent für Reichsverteidigung beim Inspekteur im Wehrkreis VI, dem sechs Stapo-Stellen unterstanden, ist mir nichts vorher bekanntgeworden, daß ein Angriffskrieg vorbereitet war. Als Norwegen und Dänemark besetzt wurden, habe ich das aus der Zeitung erfahren. Als stellvertretender Leiter der Gestapo-Stelle Düsseldorf ist mir vorher nichts bekanntgeworden, wann der Termin der Westoffensive war. Ich habe ihn am Morgen aus der Zeitung beziehungsweise dem Radio erfahren. Als der Feldzug gegen Rußland eröffnet wurde, war ich Referent im Geheimen Staatspolizeiamt. Einige Tage – es mögen drei oder vier gewesen sein – wurde uns der Beginn der Offensive erst mitgeteilt. Vorher hatten wir keine Ahnung über derartige Planungen, das heißt nicht mehr, als jeder Deutsche aus der politischen Spannung entnehmen konnte.


DR. MERKEL: Wie setzte sich grundsätzlich das Personal einer Stapo-Stelle in Deutschland zusammen?


HOFFMANN: Die Staatspolizeistelle Koblenz, deren Personalbestand ich mir rekonstruiert habe, bestand schätzungsweise aus 45 bis 50 Kriminalbeamten, die überwiegend aus der Schutzpolizei und Kriminalpolizei beziehungsweise aus der alten IA übernommen waren, plus 15 bis 20 Verwaltungs- und technische Beamte, im übrigen Schreibkräfte und Hilfspersonal, schätzungsweise die ganze Dienststelle 100 Personen.


DR. MERKEL: War die Zugehörigkeit für alle diese Angehörigen im allgemeinen eine freiwillige oder nicht?


[177] HOFFMANN: Überwiegend handelte es sich um Beamte, die bereits vor 1933 in die Polizei eingetreten waren und zur Staatspolizei kommandiert oder versetzt waren; nach meiner Rekonstruktion waren höchstens 10 bis 15 Prozent freiwillig nach 1933 in die Behörde eingetreten.


DR. MERKEL: Was waren die Hauptaufgaben einer Stapo-Stelle in Deutschland?


HOFFMANN: Die Hauptsachgebiete, die bearbeitet wurden, waren: Die Bekämpfung des Hoch- und Landesverrates; die Bearbeitung von Kirchenfragen; Fragen, die sich aus Behandlung der Juden ergaben; die sogenannten Verfahren wegen Verstoß gegen das Heimtückegesetz; die Kriminalität innerhalb der NSDAP; und wichtige politische Fragen aus dem Komplex der Presse und der Wirtschaft.


DR. MERKEL: Wie wurde während Ihrer Tätigkeit bei der Stapo die Schutzhaftfrage behandelt?


HOFFMANN: Die überwiegende Zahl der anfallenden Fälle wurde erledigt durch eine staatspolizeiliche Verwarnung beziehungsweise das Ermittlungsergebnis war negativ. Bei der... bei den Verfahren, die eine Haft notwendig machten, wurde darauf gesehen, daß die Täter dem Gericht vorgeführt wurden. Schutzhaft wurde nur kurzfristig in den Fällen verhängt, wo eine Sache noch nicht gerichtsreif war. Schutzhaft mit Einweisung in ein Konzentrationslager wurde nur dann beantragt beim Geheimen Staatspolizeiamt, wenn die Person des Täters auf Grund seines früheren Verhaltens erwarten ließ, daß er weiterhin laufend gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen würde. Meines Wissens gab es bei Beginn des Krieges in den KZs 20000 Häftlinge, von denen schätzungsweise höchstens die Hälfte aus politischen Gründen einsaß.


DR. MERKEL: Aus welchen Gründen saß die andere Hälfte?


HOFFMANN: Bei den anderen handelte es sich überwiegend um kriminelle Verbrecher.


DR. MERKEL: Hat die Stapo Maßnahmen hinsichtlich der Betreuung der Familienmitglieder von politischen Häftlingen durchgeführt?


HOFFMANN: Nach einem Erlaß des Geheimen Staatspolizeiamtes mußte die Staatspolizeistelle, wenn sie Schutzhaft verhängte, nicht nur die Wohlfahrtsorganisationen um die Betreuung der Familie ersuchen, sondern der Sachbearbeiter mußte sich laufend davon überzeugen, daß diese Betreuung durchgeführt wurde.


DR. MERKEL: Waren entlassenen Konzentrationslager-Schutzhäftlingen bestimmte Berufe versagt?


HOFFMANN: Nein, er konnte jeden Beruf ergreifen.


[178] DR. MERKEL: Das gleiche bezieht sich auf die Zeit, während der Sie Leiter der Staatspolizeistelle waren? Das ist also bis zum Jahre...?


HOFFMANN: Während ich stellvertretender Leiter war, bis 1940, im Mai.

DR. MERKEL: Es wird von der Anklage behauptet, die Gestapo hätte einen Kampf gegen die Kirchen geführt. Was wissen Sie hierüber aus der Zeit Ihrer Tätigkeit in Koblenz und Düsseldorf?


HOFFMANN: Die Behandlung der Kirchenfragen wurde zu meiner Zeit im Rahmen einer Trennung von Kirche und Staat durchgeführt, das heißt, es wurde eingeschritten, wenn ein Priester gegen den sogenannten Kanzelparagraphen verstieß, der noch im kaiserlichen Deutschland in das Strafgesetzbuch eingeführt worden war, gegen das Heimtückegesetz, oder wenn sich kirchliche Vereinigungen auf weltlichem Gebiet betätigten, was durch eine Verordnung verboten war.


DR. MERKEL: Was verstand man in der Zeit bis 1938 unter der Judenfrage?


HOFFMANN: Eine Auswanderung der Juden.


DR. MERKEL: Wie groß war die Zahl der Referenten für Judenangelegenheiten bei den beiden Ihnen bekannten Gestapo-Stellen?


HOFFMANN: Bei der Stapo-Stelle Koblenz: ein Kriminaloberassistent, der daneben dann noch Freimaurerfragen bearbeitete.

Bei der Staatspolizeistelle Düsseldorf: ein Oberinspektor mit schätzungsweise noch zwei oder drei Hilfskräften.

DR. MERKEL: Änderte sich hieran etwas durch den Befehl Heydrichs vom 10. November 1938, eine unbeschränkte Anzahl arbeitsfähiger Juden zu verhaften?


HOFFMANN: Diese Anordnung war für uns eine vollkommen überraschende Maßnahme, die sich in keiner Weise aus den bisher angeordneten Maßnahmen schließen ließ. Da meines Wissens später die größte Anzahl dieser Juden freigelassen wurde, konnte man nicht auf eine grundsätzliche Änderung des von der Staatsführung verfolgten Kurses schließen.


DR. MERKEL: Hatten Sie oder die Beamten Ihrer Dienststelle davon Kenntnis, daß mit der etwa 1942 begonnenen Deportation der Juden nach dem Osten deren biologische Vernichtung gemeint war?


HOFFMANN: Nein. Ich war damals Referent im Geheimen Staatspolizeiamt. In den Besprechungen beim Amtschef IV ist hierüber nie die Rede gewesen. Die Behandlung der Judenfrage [179] lag damals in den Händen von Eichmann, der nicht aus der Staatspolizei hervorgegangen ist, sondern vom SD zur Stapo versetzt war. Er wohnte mit seiner Dienststelle in einem besonderen Hause und hatte mit den übrigen Referenten kaum Kontakt. Insbesondere beteiligte er die übrigen Referate nicht durch Mitzeichnung, wenn er beispielsweise Judendeportierungen anordnete. Auf unsere Vorwürfe in dieser Richtung antwortete er immer, daß er Sonderaufträge durchführe, die von höchster Stelle befohlen seien und deshalb die Mitzeichnung der anderen Referate, wodurch ihnen die Möglichkeit gegeben werden sollte, ihre Meinung geltend zu machen, nicht notwendig sei.


DR. MERKEL: Wurden die Geheimhaltungsvorschriften auch innerhalb der einzelnen Behörden der Staatspolizei angewendet?


HOFFMANN: Jawohl. Selbst innerhalb der Behörde als solcher. Dies war ein alter Grundsatz der Polizei schon vor 1933, daß die einzelnen Fälle nicht besprochen wurden. Die Geheimhaltung wurde durch den bekannten Führerbefehl noch verschärft, und die SS-und Polizeigerichte sprachen gegen die Verstöße schärfste Strafen aus, die den Beamten laufend bekanntgegeben wurden.


DR. MERKEL: Seit 1941 leiteten Sie das Amt IV D 4 im Reichssicherheitshauptamt. Was war die Aufgabe dieses Referats?


HOFFMANN: Die Aufgabe des Referats war, die sich aus den besetzten Westgebieten ergebenden politisch-polizeilichen Probleme einheitlich zusammenzufassen und insbesondere in Berichten an höhere und andere Dienststellen durchzuführen. Später ergab sich dann zusätzlich die Betreuung der internierten Politiker und sonstigen Persönlichkeiten aus diesem Gebiet.


DR. MERKEL: Welches war die grundsätzliche Auffassung Ihres Referates und damit des Gestapo-Hauptamtes über die Entstehung der nationalen Widerstandsbewegung in den besetzten Ländern?


HOFFMANN: Nach der Besetzung dieser Gebiete begannen auch die Alliierten durch das Aufziehen militärischer Organisationen das Kräftepotential dieser Gebiete für sich einzusetzen. Dies erfolgte zunächst freiwillig, indem der Betreffende, der sich der Militärorganisation anschließen wollte, aus patriotischen oder politischen Gründen den politischen Willensentschluß faßte, in die Organisation einzutreten.

War er der Organisation beigetreten, unterstand er dem militärischen Befehl mit all seinen Konsequenzen.

Die Maßnahmen, die er dann durchzuführen hatte, erfolgten im Rahmen der alliierten Gesamtstrategie und nicht im Interesse oder nach den Interessen seines eigenen Landes. Hieraus ergab sich, daß alle Handlungen der Widerstandsbewegungen militärische [180] Aktionen waren, die nicht von der Bevölkerung spontan durchgeführt wurden. Aus dieser Auffassung ergab sich, daß alle Maßnahmen allgemeiner Art gegen die Bevölkerung als Reaktion auf Handlungen der militärischen Organisationen nicht nur nutzlos, sondern auch im deutschen Sinne schädlich waren; denn die Angehörigen der Militärorganisationen ließen sich durch derartige Maßnahmen nicht in der Durchführung ihrer Befehle hindern. Hieraus ergab sich die Konsequenz, daß eine Bekämpfung nur in zwei Richtungen möglich war, einmal durch Berichterstattung eine Politik von deutscher Seite herbeizuführen, die Personen von der Fassung der politischen Willensentschlüsse, gegen Deutschland zu kämpfen, abhielt, und zweitens die Gruppen, die sich betätigten, durch Festnahme zu neutralisieren.


DR. MERKEL: Warum wurde nun seitens der Staatsführung nicht nach dieser grundsätzlichen Auffassung der Gestapo gehandelt?


HOFFMANN: Dies lag einmal darin, daß Himmler nicht aus der Polizei hervorgegangen war und seine Entschlüsse nicht laufend nach den Berichten der Polizei faßte, sondern überwiegend aus Einzelangaben, die ihm auf anderem Wege, vor allen Dingen auch über die Höheren SS- und Polizeiführer, zugegangen waren. Es war darüber hinaus der Polizei nicht möglich, laufend die Dinge zu berichten, gleichzeitig mit einer Würdigung der Situation.

Auf der anderen Seite wurde nach unten von den Höheren SS- und Polizeiführern und den örtlichen Stellen, die die höchste deutsche Spitze in dem Gebiet darstellten, immer wieder in die Arbeit der Polizei hineinregiert.


DR. MERKEL: Sie erwähnten eben das Wort »hineinregieren«. Hatte denn die Gestapo keinen straff organisierten Befehlsweg?


HOFFMANN: Nein, die in den besetzten Gebieten eingesetzten Dienststellen unterstanden nicht nur zentral dem Geheimen Staatspolizeiamt, sondern eine Menge anderer Behörden und militärischer Dienststellen hatten Einfluß beziehungsweise Anweisungsmöglichkeit, vor allem die Höheren SS- und Polizeiführer und Reichskommissare und teilweise auch Militärbefehlshaber.


DR. MERKEL: Können Sie dafür zwei besonders markante Beispiele erwähnen?


HOFFMANN: Einmal die Politik des Reichskommissars Terboven, Geiselerschießungen durchzuführen und sonstige allgemeine Maßnahmen gegen die Bevölkerung durchzuführen. Wir haben drei Jahre lang gekämpft, um seine Maßnahmen zu eliminieren. Wir haben durch Berichte an Himmler immer wieder versucht, seine Abberufung zu erreichen.

Wir haben beispielsweise Häftlinge aus Norwegen nach Deutschland überführt, um seine Unzuständigkeit herbeizuführen, und [181] haben sie dann in Deutschland entlassen können. Als die Schiffsabotage in Dänemark im Herbst 1944 ihren Höhepunkt erreichte, kam eine Anweisung des OKW an den Militärbefehlshaber, beim Reichsbevollmächtigten eine Verordnung zu erwirken, daß Werftarbeiter und ihre Angehörigen festgenommen werden könnten, wenn auf der Werft Sabotageakte vorkämen. Wir haben nach harten Kämpfen diese Maßnahmen eliminiert, weil auf Grund unserer Erfahrungen offenkundig war, daß die Werftarbeiter mit den Sabotageakten nicht das geringste zu tun hatten.


DR. MERKEL: Wie war die Organisation der Sipo und des SD in den besetzten Westgebieten?


HOFFMANN: Die Organisation war nicht einheitlich durchgeführt. In Norwegen und später in Belgien gab es Kommandeure unter dem Befehlshaber, in Dänemark und in Holland Außenstellen, in Frankreich Kommandeure unter dem Befehlshaber. In allen Fällen unterstand der BDS nicht nur Berlin, sondern auch dem Höheren SS- und Polizeiführer, der unmittelbar Himmler unterstand und somit Entscheidungen herbeiführen konnte, die nicht durch das Reichssicherheitshauptamt gelaufen waren.


DR. MERKEL: Wie war die personelle Zusammensetzung dieser Dienststellen?


HOFFMANN: Bei dem kolossalen Mangel an ausgebildeten Kriminalbeamten bildeten die Staatspolizeibeamten bei diesen Dienststellen nur ein Gerippe, das ergänzt wurde durch Beamte der Kriminalpolizei, aber überwiegend durch nur Dienstverpflichtete, die insbesondere bei der Überführung von Einheiten der Geheimen Feldpolizei in die Sicherheitspolizei überführt wurden. Dies machte weit über 50 Prozent des Beamtenstandes aus.


DR. MERKEL: War die Zugehörigkeit zur Sipo in den besetzten Westgebieten freiwillig oder nicht?


HOFFMANN: Nein, man wurde versetzt oder kommandiert. Freiwillig waren nur die landeseigenen Dolmetscher zur Staatspolizei gekommen.


DR. MERKEL: Wer hat die Deportation der Juden aus Dänemark angeordnet?


HOFFMANN: Dieser Befehl kam von Adolf Hitler über den Reichsführer-SS. Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei hat vergeblich versucht, sie auszusetzen. Es ist ihm aber nicht gelungen, meines Wissens, da es mit einer der Gründe war für seine Abberufung.


DR. MERKEL: Was wurde seitens der Staatspolizei unternommen, um die Maßnahmen nach Möglichkeit zu mildern?


[182] HOFFMANN: Es wurde den Kräften der Ordnungspolizei, die im wesentlichen die Maßnahme durchführten, die Weisung gegeben, daß Türen nicht mit Gewalt aufgebrochen werden durften. Zweitens wurde zusammen mit dem Reichsbevollmächtigten erreicht, daß keine Beschlagnahme des Vermögens durchgeführt wurde, die Schlüssel der Wohnungen wurden dem dänischen Sozialministerium übergeben.


DR. MERKEL: War diese Deportation der Juden schon vorher bekannt in Dänemark?


HOFFMANN: Es war in der dänischen Öffentlichkeit schon lange vorher bekannt und Tagesgespräch.


DR. MERKEL: Warum wurde die dänische Polizei aufgelöst und teilweise nach Deutschland deportiert?


HOFFMANN: Weil die dänische Polizei in ihrer Gesamtheit im engsten Kontakt mit der Widerstandsbewegung und dem englischen Nachrichtendienst stand. Beispielsweise war der Chef der dänischen Ordnungspolizei auf Jütland und Fünen in die Durchführung der Sabotage beim Invasionsfalle eingespannt, und er hatte die Aufstellung der deutschen Truppen auf Jütland und Fünen dem englischen Nachrichtendienst zugeleitet. Weitere leitende Beamte hatten sich in ähnlichem Sinne beteiligt. Unter diesen Umständen fürchtete vor allen Dingen die Wehrmacht einen Einsatz dänischer Polizei in ihrem Rücken.


DR. MERKEL: Hat die Staatspolizei die Deportation angeregt und durchgeführt?


HOFFMANN: Die Deportation wurde von der Staatspolizei nicht angeregt, sondern der Höhere SS- und Polizeiführer hatte bereits die Genehmigung dieser Maßnahme im Führerhauptquartier bei Himmler angefordert, als er der Staatspolizei seine Absichten eröffnete.


DR. MERKEL: Bestand ein einheitlicher Befehl, körperliche Mißhandlungen oder Folterungen bei Vernehmungen vorzunehmen?


HOFFMANN: Folterungen und Mißhandlungen waren streng verboten und wurden durch die Gerichte abgeurteilt.


DR. MERKEL: Wissen Sie von Fällen, in denen Vernehmungsbeamte durch Gerichte abgeurteilt wurden?


HOFFMANN: Ich entsinne mich an zwei Beamte der Stapo Düsseldorf, die wegen Gefangenenmißhandlungen vom ordentlichen Gericht abgeurteilt wurden.


DR. MERKEL: Wurden verschärfte Vernehmungen in Dänemark während Ihrer Tätigkeit angewendet und warum?

[183] HOFFMANN: Verschärfte Vernehmungen wurden angewandt. Zur Erklärung muß ich darauf hinweisen, daß die Widerstandsorganisationen für sich folgendes in Anspruch nehmen: Erstens: Attentate auf deutsche Soldaten; zweitens: Attentate auf Züge, Verkehrsmittel und Wehrmachtseinrichtungen, bei denen ebenfalls Soldaten ums Leben kamen; drittens: Ausmerzung aller sogenannten Spitzel und Leute, die mit der deutschen Polizei beziehungsweise auch mit anderen deutschen Behörden zusammenarbeiteten.

Zur Abwehr dieser Gefahren und zur Rettung deutscher Menschenleben wurde die verschärfte Vernehmung eingesetzt und durchgerührt, und nur in diesen Fällen. Diese Einschränkung wurde in der Praxis noch gegenüber dem Rahmen des Erlasses durchgeführt.


DR. MERKEL: Was wurde bei einer Sachbearbeiterbesprechung in Brüssel im Jahre 1943 über die Anordnung der verschärften Vernehmung festgelegt?


HOFFMANN: In einer Sachbearbeiterbesprechung wurde auf Grund der vorhandenen Erfahrungsergebnisse damals schon festgestellt, daß aus den eben genannten Gründen eine Einschränkung der verschärften Vernehmung im vorher skizzierten Umfang tunlich sei.


DR. MERKEL: Wer hat die Geiselerschießungen in Frankreich angeregt, und auf wessen Veranlassung wurden Geiseln in Frankreich erschossen?


HOFFMANN: Soweit mir bekannt ist, war es eine Weisung von Adolf Hitler. Wir haben laufend vom Geheimen Staatspolizeiamt durch Berichte gegen diese Maßnahmen Stellung genommen, in gleichem Umfange wie in den übrigen besetzten Gebieten, aus den Gründen, die ich vorhin angeführt habe.


DR. MERKEL: Warum lehnte die Gestapo insbesondere die Erschießung von Geiseln als Sühnemaßnahmen gegenüber der Erschießung deutscher Soldaten in Paris ab?


HOFFMANN: Weil wir der Auffassung waren, daß diese Maßnahmen von einer relativ kleinen Gruppe durchgeführt wurden, und daß allgemeine Maßnahmen deshalb nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich waren mit Rücksicht auf die vorhin dargelegten Erkenntnisse. Die Tatsachen haben dann auch erwiesen, daß diese Maßnahmen gerade in Paris durch eine Gruppe durchgeführt wurden, die sich noch nicht einmal aus 100 Personen zusammensetzte.


DR. MERKEL: Wer hatte die Deportation von Arbeitern aus Frankreich in das Reichsgebiet angeordnet und durchgeführt?


[184] HOFFMANN: Das war eine Maßnahme der Arbeits einsatz-Verwaltung. Mir ist nicht bekannt, daß die Staatspolizei Arbeiterdeportationen durchgeführt hat. Ich muß nur eine Einschränkung hinsichtlich Frankreichs machen, wo auf Weisung des Reichsführers, meiner Erinnerung nach, die sogenannte Aktion »Meerschaum« lief, in der französische Staatsangehörige, ich glaube, es waren 5000, zwangsweise zum Arbeitseinsatz nach Deutschland überführt wurden, die sich kleinere Verfehlungen in politischem Sinne hatten zuschulden kommen lassen.


DR. MERKEL: Wer war für die Judenevakuierung aus Frankreich zuständig?


HOFFMANN: Die Judenevakuierungen waren vom Referat Eichmann durchgeführt worden und, wie ich bereits vorhin darlegte, ohne die Möglichkeit, daß die alten Referate der Staatspolizei hierzu hatten Stellung nehmen können.


DR. MERKEL: Auf wessen Weisung erfolgte die Schleifung des Hafenviertels in Marseille?


HOFFMANN: Dies war eine Weisung des Reichsführers unmittelbar an den Höheren SS- und Polizeiführer, da speziell gerade in Frankreich sich eine enge Zusammenarbeit unter Umgehung der Gestapo herausgebildet hatte. In Berlin haben wir erst nachträglich von diesem Befehl des Reichsführers Kenntnis bekommen.


DR. MERKEL: Ordnete Himmler öfters derartige Maßnahmen an, ohne die Polizei vorher zu beteiligen?


HOFFMANN: Solange ich in Berlin war, kam dies öfter vor, und zwar auf Grund von Berichten, die er von irgendeiner anderen Stelle bekommen hatte oder als spontane Reaktion auf irgendeinen Sabotage- oder Attentatsfall.


DR. MERKEL: Sind Ihnen aus Ihrer Tätigkeit in Berlin Fälle von Übergriffen bei Vernehmungen in den besetzten Westgebieten bekanntgeworden?


HOFFMANN: Uns ist amtlich nur im wesentlichen seinerzeit das norwegische Weißbuch bekanntgeworden, das Anlaß zu einer Untersuchung in Oslo wurde und dann die Grundlage für unsere Berichterstattung an den Reichsführer war, um eine Abberufung des Reichskommissars Terboven zu erreichen.


DR. MERKEL: Was wissen Sie über die Deportierung französischer Minister und Generale nach Deutschland?


HOFFMANN: Diese Deportierung war vom Reichsführer offenbar nach Abstimmung nur mit dem Höheren SS- und Polizeiführer in Frankreich angeordnet worden. Das Geheime Staatspolizeiamt wußte jedenfalls vorher nichts und fand die Weisung [185] vor, daß Minister Reynaud... Ministerpräsident Reynaud und Minister Mandel in Gefängniszellen unterzubringen waren. Das Geheime Staatspolizeiamt hat dann nach langen Berichten erreicht, daß den französischen Politikern eine andere Unterbringung gewährt wurde und daß dann für die später nach Deutschland Überführten von Anfang an eine andere Unterbringung angeordnet wurde.


DR. MERKEL: Ist Ihnen etwas darüber bekannt, daß einer der in Königstein einsitzenden französischen Generale im November 1944 auf Anordnung Panzingers exekutiert werden sollte?


HOFFMANN: Nein.


DR. MERKEL: Und zwar dadurch, daß der betreffende General während des Abtransportes von Königstein in dem Kraftwagen wegen angeblichen Fluchtversuchs erschossen werden sollte?

Ich lege Ihnen zur Orientierung die eben von der Amerikanischen Anklage neu eingeführten Dokumente 4048-PS bis 4052-PS vor und bitte Sie, sich dazu zu äußern.


[Die Dokumente werden dem Zeugen überreicht.]


Ich habe nur eine englische Kopie; der Zeuge versteht aber sehr gut englisch.

VORSITZENDER: Ist es in Ihrem Dokumentenbuch?

DR. MERKEL: Nein, es ist nicht im Dokumentenbuch. Ich konnte es auch nicht in das Dokumentenbuch aufnehmen, weil die Urkunden eben von dem Herrn amerikanischen Anklagevertreter erst in die Sitzung eingeführt wurden, Herr Präsident. Es sind die Dokumentennummern 4048-PS bis 4052-PS. Sie wurden eben im Kreuzverhör Dr. Bests eingeführt.

Herr Zeuge! Ich glaube, es ist nicht nötig, daß Sie die ganzen Dokumente durchlesen. Ich bitte Sie nur, sich kurz aus den Dokumenten zu orientieren und meine Frage zu beantworten, das heißt, ob Ihnen über diesen Vorfall irgend etwas bekannt ist.


HOFFMANN: Die Daten der Dokumente tragen Januar 1945 beziehungsweise Dezember 1944. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in Dänemark und war nicht beim Geheimen Staatspolizeiamt.


DR. MERKEL: Wurde allgemein die Deportation von ausländischen Arbeitskräften nach Deutschland durch die Gestapo durchgeführt?


HOFFMANN: Nein. Ich entsinne mich aus meiner Tätigkeit im Amt, daß sogar die Festnahme von flüchtigen Arbeitern in den besetzten Westgebieten nicht durchgeführt wurde. Ich entsinne mich insbesondere, daß 1940 Reichskommissar Seyß-Inquart besonderen Wert darauf legte, daß etwas Derartiges nicht durchgeführt wurde.


[186] DR. MERKEL: Wurde Ihnen der sogenannte »Nacht-und-Nebel«-Erlaß vom OKW zwecks Bekanntgabe an die Stapo-Stellen und Befehlshaber zugeleitet?


HOFFMANN: Jawohl.


DR. MERKEL: Waren Sie mit dem Erlaß einverstanden?


HOFFMANN: Der »Nacht-und-Nebel«-Erlaß war vom OKW gemeinsam mit dem Reichsjustizministerium erlassen worden. Das Geheime Staatspolizeiamt war bei der Abfassung nicht beteiligt gewesen. Es ergaben sich polizeitechnisch zunächst große Schwierigkeiten, weil die Aufklärung eines Tatbestandes, der im Ausland begangen war, in Deutschland durchgeführt werden mußte. Aus diesen Gründen lehnten wir ihn schon als schwer durchführbar ab.

Weiterhin ergab sich seine negative Auswirkung, daß die Angehörigen von den Verhafteten nichts wußten, was, wie dargelegt, unserer grundsätzlichen Tendenz widersprach. Die Schwierigkeiten tauchten dann auch sofort bei den ersten Häftlingen auf, die den Staatspolizeistellen übermittelt wurden, die die Aufklärung der Verfahren durchführen sollten. Es ergab sich, daß auch Unschuldige mit nach Deutschland überführt worden waren. Wir haben damals durchgesetzt, daß trotz der Bestimmungen des Erlasses diese wieder in die Heimat entlassen wurden.


DR. MERKEL: Wurde der sogenannte »Kugel«-Erlaß, der »Kommandobefehl« und der »N.N.«-Erlaß in Dänemark während Ihrer Tätigkeit angewendet?


HOFFMANN: Nein.


DR. MERKEL: Was wissen Sie über die Anwendung dieser Erlasse in den übrigen besetzten Westgebieten?


HOFFMANN: Es sind alles Erlasse, die nach meinem Weggang von Berlin erlassen wurden, und ich kann deshalb nichts darüber aussagen.


DR. MERKEL: Wissen Sie, ob die Gestapo in den besetzten Westgebieten Sonderformationen in den Kriegsgefangenenlagern hatte, um rassisch und politisch Unerwünschte auszusondern und zu exekutieren?


HOFFMANN: Hierüber kann ich nichts sagen, da der Erlaß mir vor der Kapitulation nicht bekannt war.


DR. MERKEL: Waren diese erwähnten Erlasse Anordnungen staatspolizeilicher Art?


HOFFMANN: Diese Erlasse haben sich nicht aus der polizeifachlichen Arbeit ergeben, sondern wurden von oben befohlen. Der normale Staatspolizeibeamte konnte deshalb nicht damit rechnen, daß einmal derartige Bestimmungen kommen würden. Darüber hinaus[187] sind auf Grund der Geheimhaltungsbestimmungen der Inhalt dieser Erlasse auch den großen Massen der Staatspolizeibeamten nicht bekanntgeworden.


DR. MERKEL: Ich habe keine weiteren Fragen mehr.


VORSITZENDER: Wünscht die Anklagevertretung ein Kreuzverhör?


M. HENRI MONNERAY, HILFSANKLÄGER FÜR DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK: Dr. Hoffmann! Sie waren doch Mitglied der Nazi-Partei?


HOFFMANN: Jawohl.


M. MONNERAY: Seit wann?


HOFFMANN: Seit 1. Dezember 1932.


M. MONNERAY: Und als Sie Ihr Ansuchen um Aufnahme in den Staatsdienst, und zwar in die Polizei, stellten, haben Sie gleichfalls angegeben, daß Sie Parteimitglied waren?


HOFFMANN: Verzeihung, ich habe die Frage nicht ganz verstanden.

M. MONNERAY: Als Sie Ihr Ansuchen um Aufnahme in den Staatsdienst, und zwar in die Polizei, stellten, haben Sie da angegeben, daß Sie Parteimitglied waren?


HOFFMANN: Ja, selbstverständlich, ja.


M. MONNERAY: Sie haben uns soeben gesagt, daß zwischen der Gestapo und der Nazi-Partei kein Zusammenhang bestanden habe, nicht wahr?


HOFFMANN: Ja, das stimmt.


M. MONNERAY: Stimmt es auch, daß die Polizeibeamten einer politischen Beurteilung unterworfen waren?


HOFFMANN: Ich habe den Sinn der Frage nicht verstanden. Ich habe leider den Sinn der Frage nicht...


M. MONNERAY: Politische Beurteilung ist ein Ausdruck, den Sie zweifellos kennen; auf deutsch heißt er »Politische Beurteilung«.


HOFFMANN: Ja.


M. MONNERAY: Stimmt es nicht, daß hohe Polizeibeamte vor ihrer Ernennung dieser politischen Beurteilung seitens der Partei unterzogen wurden?


HOFFMANN: Ja.


M. MONNERAY: Kennen Sie das Rundschreiben der Parteikanzlei, wonach nationalsozialistische Parteistellen nicht verpflichtet waren, bei Ernennung neuer Polizeibeamter die USC-Karten in Anspruch zu nehmen oder wenn es sich um eine Beförderung handelte?


[188] HOFFMANN: Jeder Beamte, der eintrat, wurde politisch beurteilt, und jeder Beamte, der befördert wurde, wurde wiederum politisch beurteilt.


M. MONNERAY: Sie waren Mitglied der SS?


HOFFMANN: Ich wurde im Rahmen des Angleichungserlasses im November 1939 nach Ausbruch des Krieges Mitglied der SS.


M. MONNERAY: Sie mußten ein Gesuch stellen, nicht wahr?


HOFFMANN: Wir wurden von der Dienststelle angewiesen, einen formellen Antrag zu stellen.


M. MONNERAY: Und dieses Gesuch wurde ebenfalls der politischen Beurteilung unterzogen, nicht wahr?


HOFFMANN: Ich nehme an.


M. MONNERAY: Als Sie Vertreter des Leiters der Gestapo in Düsseldorf waren, hatten Sie doch einige Grenzpolizeistellen unter Ihrer Befehlsgewalt?


HOFFMANN: Jawohl.


M. MONNERAY: Stimmt es, daß diese Polizeistellen dieselben Aufgaben hatten wie die Außenstellen der Gestapo?


HOFFMANN: Nein, zunächst nicht; sie hatten nur die grenzpolizeilichen Aufgaben. Zu meiner Zeit wurden in dem Kreis die politisch-polizeilichen Aufgaben durch den Landrat wahrgenommen.


M. MONNERAY: Von welcher Zeit sprechen Sie?


HOFFMANN: Ich spreche von der Zeit 1939/1940, bis September 1940.


M. MONNERAY: Ich erinnere Sie an einen Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern vom 8. Mai 1937, der auf Seite 754 des Ministerialblattes von 1937 des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern veröffentlicht wurde. Dieser Erlaß bestimmt in Artikel III, daß die Polizeigewalt an der Reichsgrenze von Grenzpolizeikommissariaten und Grenzpolizeiposten wahrzunehmen sei; stimmt das nicht?


HOFFMANN: Ja, das ist richtig. Sie müssen unterscheiden zwischen innerpolitischen Aufgaben und Abwehraufgaben. Die Abwehraufgaben wurden selbstverständlich von der Grenzpolizei wahrgenommen, aber nicht innerpolitische Aufgaben; denn die Beamten, die in der Grenzpolizei waren, hatten gar nicht in ihrer Masse die nötige Vorbildung, um selbständig kriminalistische Ermittlungen zu machen.


M. MONNERAY: Derselbe Absatz fährt fort, daß die Grenzpolizeistellen der Gestapo zur Verfügung ständen und als Dienststellen der Gestapo zu betrachten seien und mit den »Außendienststellen« gleichgeschaltet würden.


[189] HOFFMANN: Auskunftstellen, ich habe das nicht... ach Außendienststellen, jawohl.

Die Grenzpolizei unterstand der Staatspolizeistelle, und zwar der Abteilung III, die die Abwehraufgaben erfüllte. Da die Abwehraufgaben eine Abwehr von Angriffen aus dem Ausland zum Gegenstand hat, ist es selbstverständlich, daß bei jeder Polizei an der Grenze die Grenzpolizei den ersten Abschnitt in dieser Aufgabenstelle durchführt. Ich habe nur vorhin dargelegt, daß die Grenzpolizei im wesentlichen nicht mit innerpolitisch-polizeilichen Aufgaben betraut wurde.


M. MONNERAY: Sie haben uns soeben gesagt, daß Einweisungen in die Konzentrationslager auf Ansuchen der örtlichen Gestapo-Stellen stattfanden; stimmt das?

HOFFMANN: Wenn eine Person in das Konzentrationslager eingewiesen werden sollte, mußte die Staatspolizeistelle in Berlin beim Geheimen Staatspolizeiamt einen entsprechenden Antrag stellen. Erst dann, wenn das Geheime Staatspolizeiamt beziehungsweise später der Chef der Sicherheitspolizei die Schutzhaft verhängte, wurde die... konnte die Einweisung in das Konzentrationslager durchgeführt werden. Der Transport erfolgte auf dem üblichen allgemeinen Transportweg der Polizeiverwaltung.


M. MONNERAY: Es stimmt also, Zeuge, daß die Einweisungen in die Konzentrationslager auf Initiative der örtlichen Gestapo-Stellen stattfanden?


HOFFMANN: Auf Antrag der lokalen Staatspolizeistelle.


M. MONNERAY: Und die lokalen Gestapo-Stellen, die den Antrag stellten, haben zugleich auch die betreffenden Leute verhaftet?


HOFFMANN: Jawohl.


M. MONNERAY: Hatten die Grenzdienststellen ebenfalls das Recht, Anträge auf Einweisung in ein Konzentrationslager zu stellen?


HOFFMANN: Die Grenzpolizei hatte nur die Aufgabe aufzugreifen an der Grenze. Sie führte keine selbständige Sachbearbeitung und Entscheidung durch. Wenn die Grenzpolizei eine Person festnahm, gab sie die mit einem Bericht an die Staatspolizeistelle weiter, die dann den Fall weiterbearbeitete. Bei den Beamten der Grenzpolizei handelte es sich im wesentlichen um Anfänger, die noch nicht in der Lage waren, kriminalistische Ermittlungen durchzuführen. Die Grenzpolizeistelle war noch keine selbständige Dienststelle, die derartige Anträge stellen konnte. Die Aufgaben der Grenzpolizei waren in keiner Weise andere wie vor

1933.

M. MONNERAY: Zeuge! Ich zeige Ihnen ein Dokument, das allerdings aus dem Jahre 1944 stammt, von der Düsseldorfer Gestapo-Stelle. Es ist 1063-PS. Stimmt es, daß dieses Schreiben auch an die [190] Grenzpolizeikommissariate geschickt wurde mit der Mitteilung, es sei nicht statthaft, verhaftete Ostarbeiter m das Konzentrationslager Buchenwald zu schicken?


HOFFMANN: Pardon, ich habe die Frage nicht ganz verstanden, weil ich gelesen habe.


M. MONNERAY: Stimmt es, daß dieses Schreiben, das an die Grenzdienststellen gerichtet ist, sagt...


HOFFMANN: Das ergibt sich aus dem Inhalt. Es ist natürlich klar, daß eine Staatspolizeistelle ihre grundsätzlichen Richtlinien auch an die Grenze gibt, denn der Inhalt dieses Schreibens befaßt sich ja mit der Behandlung von Personen, die aufgegriffen werden, und das erfolgte natürlich auch an der Grenze; und der Inhalt des Schreibens befaßt sich damit, daß eine Dienststelle dann, wenn sie eine solche Person aufgegriffen hat, alle Ermittlungen mitgeben muß, wenn sie den Fall an die Staatspolizeistelle selbst abgibt, also an die Hauptstelle.


M. MONNERAY: Stimmt es, daß dieses Dokument besagt, daß Anträge der Grenzkommissariate auf Einweisung in ein Konzentrationslager über Düsseldorf gehen mußten?


HOFFMANN: Ja, selbstverständlich. Nach meiner Kenntnis konnte das Grenzpolizeikommissariat nicht unmittelbar mit der Geheimen Staatspolizei verkehren.


M. MONNERAY: Es ist also richtig, daß das Grenzkommissariat selbst Anträge auf Einweisung in Konzentrationslager stellen konnte?


HOFFMANN: Höchstens an die Staatspolizeistelle Düsseldorf. Ich muß aber feststellen, daß das Dokument aus 1944 ist, und daß ich seit 1940 nicht mehr im Inland in der Stapo-Arbeit tätig war, und nicht sagen kann, ob sich in meiner Abwesenheit etwas in der Ausgabestelle der Grenzpolizeikommissariate geändert hat. Dieses Dokument bietet meines Erachtens keinen Anlaß, es anzunehmen, denn ich nehme an, daß dieser selbe Erlaß auch an die Landräte gegangen ist.


VORSITZENDER: Ganz allgemein ist der Gerichtshof der Ansicht, daß es keinem Zwecke dient, den Zeugen über Dokumente ins Kreuzverhör zu nehmen, die nicht seine eigenen Dokumente sind und von denen er nichts weiß.

Sie können die Dokumente vorlegen.


M. MONNERAY: Kennen Sie die Einrichtung der Geheimen Feldpolizei?


HOFFMANN: Auf dem Lande gab es nur die Gendarmerie und in kleineren Städten die sogenannte kommunale Kriminalpolizei.


M. MONNERAY: Ich glaube, es liegt hier ein Übersetzungsfehler vor. Es handelt sich um die »Geheime Feldpolizei«.


[191] HOFFMANN: Diese Institution ist mir bekannt. Ich habe die Frage mißverstanden.


M. MONNERAY: Stimmt es, daß die meisten Angehörigen der Feldpolizei aus der Polizei kamen?


HOFFMANN: Die Einheiten der Geheimen Feldpolizei setzten sich aus einigen Polizeibeamten zusammen, aber überwiegend aus Soldaten, die zu diesem Zweck abkommandiert waren. Bei den Gruppen der Geheimen Feldpolizei, die nach Dänemark überführt wurden, kann ich höchstens schätzen, daß bei einer Einheit 10 bis 15 Prozent Polizeibeamte waren und die übrigen Soldaten, die dazu abkommandiert waren und die früher nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt hatten.


M. MONNERAY: Ist es richtig, daß die meisten Offiziere der Feldpolizei aus der Polizei kamen?


HOFFMANN: Die Führer der Kommandos und der Stab setzten sich meist aus Polizeibeamten, soweit ich mich entsinnen kann überwiegend aus Beamten der Kriminalpolizei, zusammen.


M. MONNERAY: Mit Genehmigung des Gerichtshofs möchte ich zwei Dokumente vorlegen, zwei Affidavits, F-964 und F-965, die Beweisstücke RF-1535 und RF-1536 werden. Diese Dokumente nennen zwei Gebiete Frankreichs, wo die große Mehrzahl der Offiziere dieser Militärpolizei aus der Polizei kamen.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ist es richtig, daß Geiseln in den besetzten Gebieten der Sicherheitspolizei übergeben wurden?

HOFFMANN: Verzeihung...

M. MONNERAY: Ist es richtig, daß Geiseln in den besetzten Gebieten von der Wehrmacht der Sicherheitspolizei übergeben wurden?


HOFFMANN: Das war in den einzelnen Ländern verschieden. Soviel ich weiß, sind die Geiseln in Frankreich durch die Wehrmacht erschossen worden; in Norwegen auf Befehl des Reichskommissars Terboven, soviel ich weiß, durch die Sicherheitspolizei. Wie es in Belgien war, kann ich nicht sagen aus Kenntnis.


M. MONNERAY: Haben Sie Berichte über Verhöre dritten Grades erhalten, die die Schärfe dieser Verhöre angaben?


HOFFMAN: Meinen Sie Berichte während meiner Amtstätigkeit?


M. MONNERAY: Das war in Berlin.


HOFFMANN: Nein, ich habe gesagt, daß uns als amtliche Unterlagen nur das bekanntgeworden ist, was in dem norwegischen [192] Weißbuch gestanden hat. Sonst sind mir keinerlei Dinge in dieser Richtung bekanntgeworden.


M. MONNERAY: Ich möchte dem Gerichtshof einen Bericht des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD von Marseille vom 6. Juli 1944 vorlegen über die Verhaftung von Mitgliedern der französischen Widerstandsbewegung, über das Verhör dieser Mitglieder und der daraufhin eingetretenen Todesfälle. Es ist dies Dokument F-979, das Beweisstück RF-1537 wird. Mit Genehmigung des Gerichtshofs möchte ich einen Auszug aus diesem Dokument verlesen auf Seite 2 der französischen Übersetzung:

»Ziffer 1 bis 4, 6 bis 12 und die unter Ziffer 16 genannten 43 Häftlinge wurden bei einem großangelegten Fluchtversuch am 13. 6. 1944 erschossen.

Ziffer 13 bis 15 wurden am 15. Juni 1944 in der Nähe von Salon auf der Flucht erschossen.

Ziffer 17 wird vorläufig noch beim Sonderkommando AS benötigt.

Ziffer 21 verstarb am 9. 6. 1944 auf der hiesigen Dienststelle.«


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie sagten uns doch, daß die Gestapo-Stellen in Berlin gegen den »Nacht-und-Nebel«-Erlaß gewesen seien, nicht wahr?

HOFFMANN: Ja.

M. MONNERAY: Ich möchte Ihnen das Dokument 668-PS vorlegen, das bereits als US-504 eingereicht wurde.

HOFFMANN: Ich habe dargelegt, daß die Staatspolizei aus fachlichen Gründen gegen diesen Erlaß war. Da es sich aber um einen Erlaß handelte, der von der deutschen Staatsführung angeordnet war, mußte dieser Erlaß natürlich auch von der Staatspolizei wie von den anderen Stellen durchgeführt werden.


M. MONNERAY: Und Ihr Amt IV D 4, das dieses Dokument unterzeichnete, hat also die allerschärfste Lösung gewählt?


HOFFMANN: Die Lösung, die sich eben aus dem Rahmen des Erlasses ergab.


M. MONNERAY: Und die Wehrmacht hat von Ihrer Dienststelle einen Vorschlag für die Lösung erbeten, nicht wahr?


HOFFMANN: Meinen Sie die Lösung hier in dem Spezialfall oder den Erlaß allgemein?


M. MONNERAY: Ich frage Sie, Zeuge, ob es richtig ist, daß die Wehrmacht Sie ersucht hat, eine Antwort auf die Frage vorzuschlagen, ob die Angehörigen eines verstorbenen Franzosen von [193] seinem Tode benachrichtigt werden sollten oder nicht. Stimmt es, daß Sie die allerschärfste Lösung gewählt haben?


HOFFMANN: Ich kann hier aus dem Dokument nur ersehen, daß offenbar eine Anfrage des Oberkommandos der Wehrmacht vorliegt und daß seitens des Geheimen Staatspolizeiamtes geantwortet wurde, wie es nach den Grundsätzen dieses Erlasses erforderlich war.


M. MONNERAY: Ist es richtig, daß die Wehrmacht – auf Seite 2 – antwortet, sie sei mit Ihrem Vorschlag einverstanden?


HOFFMANN: Offenbar.


M. MONNERAY: Haben Sie nicht persönliche Weisungen über die Ausführung des »Nacht-und-Nebel«-Erlasses erteilt?


HOFFMANN: Das war ja nicht meine Aufgabe. Ich hatte ja als Ministerialinstanz lediglich den grundsätzlichen Erlaß an die Dienststellen herauszugeben, und das andere regelte sich ja bei den örtlichen Dienststellen.


M. MONNERAY: Standen Sie mit den Dienststellen der Konzentrationslager in Verbindung?


HOFFMANN: Ich hatte nur Beziehungen zu den Konzentrationslagern, seit ich die Betreuung der französischen Minister übernommen hatte, da erst Herr Ministerpräsident Reynaud und Herr Mandel in Oranienburg im Zellenbau wohnten und ich sie öfters dort aufsuchen mußte, um mich nach ihren Wünschen zu erkundigen. Das gleiche war später mit dem KZ Buchenwald der Fall, wo Herr Ministerpräsident Blum und der Herr Minister Mandel in einem Häuschen in der Führersiedlung wohnten, und bezüglich Schloß Gitter wurden die Wachmannschaften von den Truppen des KZs Dachau gestellt. Das waren die einzigen Fälle, wo ich mit der Verwaltung der Konzentrationslager indirekt zu tun hatte.


VORSITZENDER: Wir vertagen uns nunmehr.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 20, S. 158-195.
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