Nachmittagssitzung.

[325] DR. STAHMER: Hier ist wiederholt eine Bezeichnung aufgetaucht »Reichsforschungsrat«. Um welche Einrichtung handelte es sich dabei?

GÖRING: Ich glaube, es war im Jahre 1943, als ich den Auftrag erhielt, die gesamte deutsche Forschung, insonderheit, soweit sie für die Kriegsführung dringend notwendig war, zusammenzufassen. Leider geschah diese Zusammenfassung viel zu spät. Es sollten Parallelforschungen vermieden und ebenso unnötige Forschungen ausgeschaltet werden, Konzentration der gesamten Forschung auf die kriegswichtigsten Probleme. Ich selbst wurde Präsident des Reichsforschungsrates und stellte die Richtlinien für diese Forschung auf und faßte diese Forschung in dem eben angedeuteten Sinne zusammen.


DR. STAHMER: Hing damit im Zusammenhang das Forschungsamt der Luftwaffe?


GÖRING: Nein, das Forschungsamt der Luftwaffe war etwas absolut anderes, hatte mit Forschung einerseits und mit der Luftwaffe andererseits nicht das geringste zu tun. Der Ausdruck war eine Art Camouflage, denn, als wir an die Macht kamen, war ein ziemliches Durcheinander in dem technischen Teil der Überwachung wichtiger Nachrichten. Ich habe deshalb zunächst das Forschungsamt gegründet, das heißt eine Stelle, wo alle technischen Einrichtungen zur Überwachung des Funkbetriebes, der Telegraphie, der Telephonie und aller sonstigen technischen Einrichtungen möglich war. Da ich damals nur Reichsluftfahrtminister war, konnte ich diese Apparatur nur bei mir unterbringen und wählte diesen Camouflage-Ausdruck. Der Apparat diente dazu, vor allen Dingen die auswärtigen Missionen, die wichtigen Persönlichkeiten, die mit dem Ausland telephonierten, telegraphierten und funkten, wie das überall und in allen Staaten üblich ist, zu überwachen, zu dechiffrieren und den einzelnen Ressorts dann die Auswertung zuzustellen. Das Amt hatte keinen Agentendienst, keinen Nachrichtendienst, sondern war eine rein technische Stelle, erfaßte Funkspruch, erfaßte Telephongespräche, wo es befohlen war zu überwachen, erfaßte die Telegramme und gab die Auswertung an die interessierten Stellen.

In diesem Zusammenhang kann ich betonen, daß ich auch viel über die Meldungen des Herrn Messersmith, die hier eine Rolle spielten, gelesen habe. Er war zeitweise der Hauptlieferant für derartige Meldungen.


DR. STAHMER: Welchen Zweck, welche Bedeutung hatte der Geheime Kabinettsrat, der einige Zeit nach der Machtübernahme geschaffen wurde?


[325] GÖRING: Im Februar 1938 kam es zum Rücktritt des Kriegsministers Feldmarschall von Blomberg. Gleichzeitig, durch besondere Umstände, trat der Oberbefehlshaber des Heeres, Generaloberst von Fritsch, zurück oder, besser gesagt, verabschiedete ihn der Führer. Dieser Zusammenfall dieser beiden Ausscheidungen oder Verabschiedungen belasteten in den Augen des Führers nach außen hin etwas stark die Wehrmacht. Er wollte nun eine gewisse Ablenkung und von dieser Änderung in der Wehrmacht durch ein Gesamtrevirement nach außen hin von dem einzigen Punkt, der Wehrmacht, ablenken. Er sagte dabei, er wollte vor allem daran denken, das Außenministerium zu wechseln, da nur dieser Wechsel stark im Ausland notifiziert würde und das Augenmerk von den militärischen Dingen abzulenken geeignet sei. Ich habe damals dem Führer auf das lebhafteste widersprochen; in persönlichen, langwierigen, langstündigen Unterredungen habe ich ihn dringend gebeten, von einem Wechsel des Außenministeriums Abstand zu nehmen. Er glaubte aber, darauf bestehen zu müssen.

Nun tauchte die Frage auf, was nach dem Rücktritt, oder dem Wechsel besser gesagt, von Herrn von Neurath zu geschehen habe. Der Führer wollte Herrn von Neurath, den er persönlich sehr hoch schätzte, absolut im Kabinett behalten. Ich selbst habe immer meiner Verehrung für Herrn von Neurath Ausdruck gegeben. Um nun nach außen hin kein Absinken im Prestige des Herrn von Neurath herbeizuführen, kam ein Vorschlag, der ausschließlich von mir selber und allein ausging, an den Führer. Ich sagte ihm, um auch nach außen noch wenigstens erscheinen zu lassen, als ob Herr von Neurath nicht völlig von der Außenpolitik zurückgezogen sei, schlüge ich vor, ihn zum Vorsitzenden des Geheimen Kabinettsrates zu machen. Einen solchen Rat gäbe es zwar nicht, aber der Ausdruck wäre sehr schön, und es könnte sich jeder darunter irgend etwas vorstellen. Der Führer sagte, wir können ihn aber nicht zum Vorsitzenden machen, wenn wir keinen Rat haben. Daraufhin sagte ich, dann machen wir einen, und schrieb aus dem Handgelenk einige Personen auf. Wie wenig ich diesem Rat Wert beilegte, mag daraus hervorgehen, daß ich, glaube ich selbst als einer der Letzten drin erscheine.

Die äußere Form nun wurde noch gegeben: Beratung in der Außenpolitik. Als ich zurückkam, sagte ich zu meinen Freunden, ich glaube, die Sache ist ganz gut gegangen, aber der Führer läßt sich schon von einem Außenminister wenig beraten, von einem Kabinettsrat in der Außenpolitik schon gar nicht; zu tun werden wir damit nichts haben.

Ich erkläre unter Eid, daß dieser Kabinettsrat nie, zu keinem Zeitpunkt, auch nur für eine Minute zusammengetreten ist, nicht mal zu seiner Konstitution. Von einem Teil dieser Mitglieder weiß ich nicht, ob sie überhaupt Kenntnis hatten, daß sie dazu gehörten.


[326] DR. STAHMER: Wann hat das Reichskabinett zuletzt getagt?


GÖRING: Soweit ich mich erinnere, war die letzte Tagung des Reichskabinetts 1937 und, soweit ich mich erinnere, habe ich sogar den letzten Sitzungen bereits präsidiert, nachdem der Führer kurz nach Beginn weggegangen war. Der Führer hielt nichts von Kabinettssitzungen, es war ihm der Kreis zu groß, und es wurde ihm vielleicht auch zuviel dabei in seine Absichten gesprochen, und er wollte es da und dort anders haben. Von dann ab haben nurmehr Einzelbesprechungen, einzelne oder zusammengefaßte Besprechungen von interessierten Ressortministern stattgefunden; nachdem die Minister mit Recht dies als doch etwas für ihre Arbeit erschwert empfanden, wurde dadurch ein Ausgleich geschaffen, daß ich unter der Firma »Vierjahresplan« häufiger die Minister zusammenrief, um mit ihnen über die allgemeinen Dinge zu sprechen. Hingegen wurde niemals im Kabinett oder Ministerrat irgendeine politische Entscheidung von Tragweite, wie sie später im Anschluß Österreichs, Sudetenland, Tschechoslowakei, schließlich und endlich zum Kriege führte, im Kabinett besprochen oder erörtert.

Ich weiß, wie sehr der Führer Wert darauf legte, daß bei all diesen Dingen nur die Minister etwas ganz kurzfristig erfahren sollten, die unbedingt arbeitsmäßig einzuschalten waren. Ich kann daher auch hier unter meinem Eid bestätigen, daß eine Reihe von Ministern den Ausbruch des Krieges oder den Einmarsch in die Tschechoslowakei oder Sudetenland oder Österreich, genau so wie jeder andere deutsche Staatsbürger, erst am nächsten Morgen durch Radio oder Presse erfahren haben.


DR. STAHMER: Welchen Anteil hatten Sie an dem Zustandekommen des Münchener Abkommens im September 1938?


GÖRING: Der Anschluß der Sudetendeutschen, oder besser gesagt, die Lösung der sudetendeutschen Frage, war meinerseits stets und immer als notwendig betont worden. Ich habe auch dem Führer gegenüber nach dem Anschluß Österreichs gesagt, ich bedauere es, falls seine Auslassungen falsch verstanden würden, in der Richtung, als ob mit dem Anschluß Österreichs diese Frage abgeschlossen sei. Ich habe Lord Halifax November 1937 erklärt, der Anschluß Österreichs, die Lösung der sudetendeutschen Frage im Sinne der Rückkehr der Sudetendeutschen, und die Lösung der Danziger Frage und eines Korridors, seien integrierende Bestandteile der deutschen Politik; ob diese nun heute von Hitler, morgen von mir, oder von irgendeinem anderen geführt würde, sie blieben immer politische Ziele, die unter allen Umständen einmal erreicht werden müssen. Allerdings waren wir uns beide einig, daß dies... oder Versuche gemacht werden sollten, dies ohne Krieg zu erreichen.

[327] Ich habe weiter in meinen Besprechungen mit Herrn Bullit genau diesen gleichen Standpunkt innegenommen. Ich habe auch jedem anderen, öffentlich und persönlich, immer erklärt, daß diese drei Punkte erledigt werden müßten, daß nicht durch Erledigung des einen die anderen damit hinfällig würden.

Ich möchte weiter unterstreichen, daß, wenn in dieser Richtung und auch in manch anderer, uns in der Anklage Vorwürfe gemacht wurden, wir hätten dieses und jenes, was Deutschland seinerzeit versprochen hätte, auch das Deutschland vor unserer Machtergreifung, nicht nachher gehalten, so möchte ich darauf hinweisen auf viele Reden, die sowohl der Führer – an die erinnere ich mich nicht mehr so genau – meine, weiß ich genau, wo ich gesagt habe, ich warne, oder wir warnen das Ausland auf die Zusicherung der heutigen Regierung irgendwelche und für die Zukunft basierende Grundlagen aufzubauen, wir werden sie nicht anerkennen, wenn wir an die Macht kommen. So war auch hier eine vollkommene Klarheit.

Als nun die Sudetenfrage in die Krise kam und die Lösung vom Führer beabsichtigt war, habe ich als Soldat, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, pflichtgemäß die befohlenen Vorbereitungen für jeden Eventualfall getroffen. Als Politiker begrüßte ich außerordentlich die Versuche, die unternommen wurden, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Ich erkenne durchaus an, daß ich damals sehr glücklich war, als ich sah, daß der britische Premier hier alle Anstrengung unternahm. Trotzdem war die Situation an jenem Tage vor dem Münchener Abkommen doch wieder recht kritisch geworden.

Es war halb sieben Uhr morgens oder sieben Uhr morgens, da rief der italienische Botschafter Attolico bei mir an, er müsse mich im Auftrage Mussolinis sofort sprechen, es handle sich um Lösung der Sudetenfrage. Ich sagte, er solle zum Außenminister gehen; er sagte, er habe speziellen Auftrag von Mussolini, zuerst und allein mit mir zu sprechen. Ich traf ihn, soviel ich weiß, neun Uhr vormittags, und da schlug er vor, daß Mussolini bereit sei zu vermitteln, daß möglichst rasch eine Zusammenkunft zwischen Deutschland – Adolf Hitler –, England – Premierminister Chamberlain –, Frankreich – Ministerpräsident Daladier – und Italien – Mussolini – stattfinden möchte, um die Frage friedlich zu lösen. Er sähe darin eine Möglichkeit und würde sofort alles unternehmen, er bäte mich persönlich – er, Mussolini – meinen ganzen Einfluß in dieser Richtung geltend zu machen. Ich nahm ihn, den Botschafter, sofort mit in die Reichskanzlei und auch Herrn von Neurath, obwohl damals nicht Außenminister, trug dem Führer dieses vor, sprach auf ihn ein, legte ihm die Vorteile klar, die sich daraus ergeben würden, und daß dieses überhaupt die Grundlage zu einer allgemeinen Entspannung sein könnte. Ob die anderen laufenden, [328] politischen und diplomatischen Bestrebungen zum Ziele führten, könnte man nicht ohne weiteres übersehen, daß, wenn sich aber vier führende Männer der vier europäischen Großmächte des Westens in der Mitte treffen würden, so sei doch schon sehr viel gewonnen. Herr von Neurath unterstützte meine These und der Führer trat mir bei und sagte, man möge dem Duce telephonieren; draußen wartete Attolico, der dies sofort tat, worauf dann Mussolini offiziell beim Führer anrief und nun die Zusage und die Abmachung des Ortes München getroffen wurde. Gegen Spätnachmittag erfuhr ich dann von der Italienischen Botschaft, daß sowohl der Englische Premierminister, wie der Französische Ministerpräsident für den nächsten Tag München zugesagt haben. Ich habe darauf den Führer gefragt oder besser gesagt, ihm gesagt, ich würde unter allen Umständen mitfahren, er war einverstanden, und ich würde vorschlagen, daß ich in meinem Zuge auch Herrn von Neurath mitnehme. Er war auch damit einverstanden.

Ich habe dann zeitweise an den Besprechungen teilgenommen und habe, wenn notwendig, zum Ausgleich, manchmal zur Debatte beigetragen und vor allem mich bemüht, auf allen Seiten eine freundschaftliche Atmosphäre zu schaffen, hatte persönlich Unterredungen mit Herrn Daladier und Herrn Chamberlain, und ich freute mich nachher aufrichtig, wie die Sache gut gegangen war.

DR. STAHMER: Zeitlich voran ging ja der Anschluß Österreichs an das Reich. Welche Gründe veranlaßten Hitler zu diesem Entschluß, und inwiefern waren Sie an diesen Maßnahmen beteiligt?

GÖRING: Ich habe gestern bei den Stichworten zu meinem Lebenslauf dem Gerichtshof bereits vorgetragen, daß ich persönlich mit Österreich mich aufs engste verbunden fühlte, daß ich dort die Hauptzeit meiner Jugend auf einem österreichischen Schloß verlebt habe, daß mein Vater schon zur Zeit des alten Kaiserreichs für eine enge Verknüpfung in Zukunft der deutschen Stammlande Österreichs mit dem Reich schon immer sprach, da er der Überzeugung war, daß dieses Reich nicht mehr lange zusammenhalten würde. 1918 erlebte ich, während ich zwei Tage mit dem Flugzeug in Österreich war, die dortige Revolution und den Zusammenbruch des Habsburger Reiches. Die deutschen Erblande einschließlich Sudeten-Deutschlands traten damals in Wien im Parlament zusammen, erklärten sich ebenfalls als frei von dem aufgelösten Habsburger Staat und erklärten, einschließlich der Abgeordneten des sudetendeutschen Teils, Österreich als einen Bestandteil des Deutschen Reiches, und zwar unter, so viel ich weiß, dem damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Renner. Diese Erklärung der Vertreter des österreichischen deutschen Volkes, ein Bestandteil Deutschlands in Zukunft zu sein, wurde im Frieden von St. Germain abgeändert und auf Diktat der Siegerstaaten verboten. Dies war [329] weder für mich noch für einen anderen Deutschen irgendwie von Bedeutung.

Es war selbstverständlich, daß der Augenblick geschaffen werden mußte und die Voraussetzung, daß die Vereinigung der beiden Brudervölker rein deutschen Herkommens und Blutes stattfinden konnte. Als wir zur Macht kamen, war selbstverständlich dieses, wie ich vorhin ausführte, ein integrierender Bestandteil der deutschen Politik.

Die Versicherungen, die Hitler damals abgab bezüglich der Souveränität Österreichs, waren keine Täuschung, sondern ernst gemeint. Er sah wahrscheinlich zunächst keine Möglichkeit. Ich selbst war in dieser Richtung erheblich radikaler und bat ihn wiederholt, sich keinesfalls in der österreichischen Frage festzulegen. Er glaubte aber, eine weitgehende Rücksicht in Richtung Italien zunächst nehmen zu sollen.

Es war klar, daß, besonders nachdem die Nationalsozialistische Partei in Deutschland zur Macht kam, auch die Nationalsozialistische Partei Österreichs mehr und mehr zu wachsen begann. Sie war aber schon vorher, vor der Machtergreifung, auch schon in Österreich vorhanden, wie überhaupt der Ursprung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei auf das Sudeten-Deutschland zurückgeht. Die Partei in Österreich war somit keineswegs eine Fünfte Kolonne für den Anschluß; denn den Anschluß wollte ja ursprünglich und immer das österreichische Volk selbst.

Wenn nun der Anschlußgedanke bei der damaligen österreichischen Regierung nicht mehr in der Klarheit und Stärke vorhanden war, so nicht deshalb, weil sie sich nicht mit Deutschland zusammenschließen wollte, sondern weil die Regierungsform des Nationalsozialismus mit der Regierungsform der damaligen österreichischen Regierung nicht konform, in keiner Weise konform ging.

Daraus ergaben sich nun die Spannungen, in erster Linie in Österreich selbst, die von der Anklagebehörde hier wiederholt und mehrfach zum Vortrag, und belastenden Vortrag gebracht wurden. Sie mußten sich ergeben, diese Spannungen, zwangsläufig, denn die einen nahmen den Anschlußgedanken an Deutschland als Nationalsozialisten ernster auf, wie die Regierung. So entstand der gegenseitige politische Kampf. Daß wir mit unseren Sympathien auf seiten der Nationalsozialisten standen, ist selbstverständlich, zumal die Partei in Österreich außerordentlich schwer verfolgt wurde. Sie wurden auch zahlreich in Lager gesperrt, die genau dasselbe wie die Konzentrationslager waren, sie hießen nur anders.

Der Leiter, Landesleiter, in der österreichischen Partei, war zu einem gewissen Zeitpunkt ein Mann namens Habicht aus Wiesbaden. Ich kannte ihn vorher nicht, habe ihn dann einmal gesehen. Dieser täuschte beim Führer vor, dem sogenannten Dollfuß-Fall, daß[330] die österreichische Wehrmacht entschlossen sei, von sich aus etwas zu unternehmen, um die Regierung zum Anschluß zu bewegen oder zu stürzen. Wenn dies der Fall sei, ob sich die Partei in Österreich dem anschließen sollte? Wenn die Wehrmacht so etwas unternahm, so war die Auffassung des Führers, sollte sie in diesem Punkt politisch selbstverständlich von der Partei gestützt werden. Tatsächlich war das Ganze aber eine Irreführung insofern, als nicht die österreichische Wehrmacht gegen die österreichische Regierung vorzugehen beabsichtigte, sondern eine sogenannte Wehrmacht-Standarte, die aus ehemaligen Mitgliedern und ausgeschiedenen oder entlassenen Mitgliedern der österreichischen Wehrmacht bestand, und zur Partei über- oder bei der Partei eingetreten war.

Mit diesem Täuschungsversuch machte dann Herr Habicht dieses Unternehmen in Wien. Ich war damals mit dem Führer in Bayreuth. Er wurde sofort gerufen und der Führer machte ihm die allerschwersten Vorwürfe und sagte, daß er ihn falsch unterrichtet und hintergangen und betrogen hat.

Den Tod Dollfuß' bedauerte er sehr, weil das politisch für die Nationalsozialisten eine sehr schwer tragbare Angelegenheit war, besonders auch im Hinblick auf Italien. Italien ließ damals fünf Divisionen mobilisieren und an die Brennergrenze rücken. Der Führer wünschte eine rasche und möglichst durchgreifende Beruhigung. Das war der Grund, weshalb er Herrn von Papen gebeten hat, als außerordentlicher Botschafter nach Wien zu gehen und für eine möglichst rasche Beruhigung der Atmosphäre zu wirken.

Man darf nicht vergessen, daß folgende etwas absurde Lage sich schon im Laufe der Jahre ergeben hatte, nämlich, daß ein rein deutsches Land wie Österreich nicht etwa von der Seite des Deutschen Reiches am stärksten regierungsmäßig beeinflußt wurde, sondern von der Italienischen Regierung aus. Ich erinnere nur an den Ausspruch Mr. Churchills, daß Österreich praktisch eine Filiale Italiens wäre.

Nach dem Dollfuß-Unternehmen stand Italien in sehr starker und ablehnender Haltung gegenüber Deutschland und ließ durchblicken, daß gerade Italien das Land sein würde, das alles gegen diesen Anschluß tun würde. Der Führer hat deshalb neben der internen Beruhigung des Verhältnisses Deutschland zu Österreich durch Herrn von Papen seinerseits versucht, in der Einstellung Mussolinis zu dieser Frage eine Änderung herbeizuführen. Er ging aus diesem Grunde damals kurz darauf nach Venedig, kann auch sein, daß es vorher war; jedenfalls war er bemüht, hier eine andere Auffassung zu erreichen.

Ich hingegen stand auf dem Standpunkt, daß bei allem sonstigen Übereinstimmen auf – sagen wir mal – philosophischer Grundlage: Faschismus -Nationalsozialismus mir der Anschluß meines [331] Brudervolkes erheblich wichtiger sei wie diese Übereinstimmung. Und wenn sie nicht mit Mussolini ginge, müßte es gegen Mussolini gehen.

Es kam dann der italienisch-abessinische Krieg, die Sanktionen gegen Italien; hierbei wurde auch unter der Hand so, nicht gerade greifbar, aber doch sichtbar, Deutschland in Aussicht gestellt, bei Beteiligung an den Sanktionen ihm in der österreichischen Frage allgemein gesehen entgegenzukommen. Es war dies für den Führer ein sehr schwerer Entschluß, sich endgültig contra Italien zu stellen und so den Anschluß zu erreichen oder sich Italien durch seine Haltung, pro-italienische Haltung, oder korrekte Haltung zu verpflichten, und damit Italien als Anschlußgegner auszuschalten.

Ich schlug ihm damals vor, bei der etwas vagen Anerbietung bezüglich Österreichs von englisch-französischer Seite erst mal festzustellen, wer hinter dem Angebot steht und ob wirklich beide Regierungen in diesem Punkt dann mit sich reden lassen und klare Zusicherung geben, und zwar Zusicherungen in der Richtung, daß dies eine interne deutsche Angelegenheit sei und nicht vage Zusicherungen von allgemeinem Zusammengehen usw.

Es bestätigte sich mein Verdacht, daß wir keine ganz klipp und klare Zusicherung bekamen, und unter diesen Umständen war es zweckmäßiger, Italien als Hauptanschlußgegner klar und eindeutig dadurch auszuschalten, daß man sich nicht zu Maßnahmen gegen das faschistische Italien verleiten ließ, Sanktions-Maßnahmen, Lieferungs-Maßnahmen usw. Ich stand nun weiter auf dem Standpunkt, daß das große nationale Interesse an der Vereinigung dieser Deutschen über alle Bedenken der Differenzierung der beiden derzeitigen Regierungen hinweggehen müßte.

Nun konnte das nicht dadurch geschehen, daß die Regierung des großen Deutschen Reiches zurücktrat und vielleicht Deutschland an Österreich anschloß, sondern der Anschluß mußte früher oder später durchgeführt werden.

Es kam dann das Berchtesgadener Abkommen. Hier war ich nicht dabei; ich war auch nicht mit diesem Abkommen einverstanden, weil ich jede Festlegung, die wieder diesen Schwebezustand weiter hinausschiebt,... gegen jede derartige Festlegung bin ich gewesen; denn für mich war ja nur die volle und totale Vereinigung aller Deutschen die einzige denkbare Lösung.

Kurz nach Berchtesgaden kam dann die Wahl, die der damalige Bundeskanzler Schuschnigg ausschrieb. Diese Wahl war an sich eine Unmöglichkeit, ein Bruch des Berchtesgadener Abkommens. Darüber will ich hinwegsehen; aber wie diese Wahl gemacht werden sollte, das war einmalig in der Geschichte. Es konnte nur mit »Ja« gestimmt werden, jeder einzelne konnte stimmen, so oft er wollte, fünfmal, sechsmal, siebenmal. Zerriß er den Zettel, so galt der [332] Zettel als »Ja«-Stimme, usw.; ist nicht weiter interessant. Auf diese Weise stand von vornherein fest, daß, selbst wenn nur wenige Anhänger des Systems Schuschnigg genügend diese Möglichkeiten ausnutzten, es nur eine positive Mehrheit für Herrn Schuschnigg geben konnte. Es war eine Farce, das Ganze.

Dem wurde widersprochen, und zwar zunächst dadurch, daß ein Mitglied der Österreichischen Regierung, das in diesem Augenblick sich in Deutschland befand, der General von Glaise-Horstenau, nach Wien geflogen wurde, um sofort Schuschnigg beziehungsweise Seyß-Inquart, der seit Berchtesgaden ja im Kabinett Schuschnigg war, klarzumachen, daß Deutschland diese Provokation nicht hinnehmen würde. Gleichzeitig wurden die in der Nähe der österreichischen Grenze liegenden Truppen in Bereitschaft, Abtransportbereitschaft gelegt. Das war am Freitag, glaube ich, den 11. Ich war an diesem Tage in der Reichskanzlei mit dem Führer allein im Zimmer. Ich hörte telephonisch dann die Mitteilung, daß Glaise-Horstenau angekommen und diese Aufforderung klar und unmißverständlich übergeben hätte, und daß die Dinge nun beraten würden. Es kam dann, soviel ich mich erinnere, die Antwort, daß die Wahl abgesagt würde, daß Schuschnigg dem zustimmte.

In diesem Augenblick hatte ich ein intuitives Gefühl, daß jetzt die Situation ins Rutschen kam und nunmehr endlich die lang und heiß ersehnte Möglichkeit bestand, die ganze und klare Lösung durchzuführen. Und von diesem Augenblick ab muß ich die Verantwortung für das weitere, was geschah, hundertprozentig auf mich nehmen, denn es war weniger der Führer als ich selbst, der hier Tempo angegeben hat und sogar über Bedenken des Führers hinwegschreitend die Dinge zur Entwicklung gebracht hat.

Meine Telephongespräche sind ja hier verlesen worden. Ich verlangte, ohne mich mit dem Führer eigentlich noch darüber auszusprechen, spontan den sofortigen Rücktritt des Kanzlers Schuschnigg. Als auch dieser zugebilligt wurde, stellte ich die nächste Forderung, so daß nunmehr die ganze Angelegenheit zum Anschluß reif war und wie bekannt sich abspielte.

Das einzige – ich sage es nicht, weil das irgendeine Rolle für mich in der Verantwortung spielt – was ich nicht persönlich veranlaßt habe, und zwar deshalb, weil ich die Persönlichkeiten gar nicht kannte, aber es hat in den letzten Tagen seitens der Anklage eine Rolle gespielt, war folgendes:

Ich habe eine Ministerliste durchgegeben, das heißt, besser gesagt, die Mitglieder benannt, die zunächst in eine Österreichische Regierung als erwünscht von unserer Seite eintreten sollten. Ich kannte Seyß-Inquart. Es war klar von vornherein, er sollte die Bundeskanzlerschaft übernehmen. Ich habe dann Kaltenbrunner genannt für die Sicherheit. Ich kannte Kaltenbrunner nicht. Der [333] Name war, das ist das einzige oder eins von den zwei Sachen, wo der Führer eingegriffen hatte, indem er mir einige Namen gab. Auch Fischböck – nebensächlich – Wirtschaftsministerium, gab ich durch, ohne ihn zu kennen. Den einzigen, den ich persönlich in dieses Kabinett hineinbrachte, war mein Schwager Dr. Hüber als Justizminister, aber nicht weil er mein Schwager war, denn er war bereits österreichischer Justizminister in dem Kabinett des Prälaten Seipel, gehörte nicht der Partei an damals, sondern kam von seiten der Heimwehr, und ich wollte auch von diesem Teil, mit dem wir anfangs zusammen, dann wieder gegeneinander gestanden hatten, jemand im Kabinett haben und wollte auch meinen Einfluß über diese Person gesichert haben, daß die Dinge nun tatsächlich sich weiter im Sinne des totalen Anschlusses entwickeln würden.

Es tauchten nämlich schon wieder Pläne auf, daß der Führer nur als deutsches Staatsoberhaupt gleichzeitig Staatsoberhaupt Deutsch-Österreichs werden sollte, und sonst aber eine Trennung blieb. Das sah ich alles als untragbar an. Die Stunde war gekommen. Sie mußte ausgenutzt werden.

In dem Gespräch, das ich mit dem Reichsaußenminister von Ribbentrop gehabt habe, der damals in London war, betonte ich, daß das Ultimatum nicht von uns gestellt ist, sondern von Seyß-Inquart. Das war auch absolut richtig, de jure; de facto war es natürlich von mir gestellt. Aber dieses Telephongespräch wurde ja abgehört auf englischer Seite, und ich hatte ja ein diplomatisches Gespräch zu führen, und ich habe noch nie erlebt, daß die Diplomaten in solchen Fällen dann sagen, wie es de facto war, sondern sie sagen es immer, wie es de jure ist. Und warum sollte ich hier eine mögliche Ausnahme machen. Ich forderte in diesem Telephongespräch Herrn von Ribbentrop auf, die Englische Regierung zu bitten, sie möchte Persönlichkeiten benennen, zu denen sie vollstes Vertrauen hätte, englische. Ich würde alles zur Verfügung stellen, daß diese Personen frei und an allen Stellen in Österreich herumfahren könnten, um sich davon zu überzeugen, daß das österreichische Volk in seiner gewaltigen Mehrheit diesen Anschluß wünschte und begeistert aufnahm. Es ist hier während der Behandlung der österreichischen Frage niemals davon gesprochen worden, daß ja bereits – diese Ereignisse waren am Freitag – am Sonntag vorher, in der Steiermark, einem Hauptteile der Erblande, praktisch schon ein interner Teilanschluß erfolgt war, daß dort bereits die Bevölkerung sich für den Anschluß erklärt und mehr oder weniger der Wiener Regierung die Gefolgschaft aufgesagt hat.

DR. STAHMER: Ich habe Ihnen da ein Protokoll über dieses Gespräch vorlegen lassen. Es ist von der Anklage eingereicht. Der eine Teil ist noch nicht verlesen, aber inhaltlich haben Sie es schon wiedergegeben. Möchten Sie es bitte einsehen!

[334] GÖRING: Ja; ich lege nur Wert darauf, daß, was vielleicht in den Dokumenten besser gebracht wird, nur die Stellen verlesen werden, – ich finde sie so schnell nicht, – wo ich darauf hinweise, daß ich größten Wert darauf lege, daß die Englische Regierung Persönlichkeiten ihres Vertrauens möglichst rasch zur Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes nach Österreich schickt; zum zweiten, daß wir eine Abstimmung machen werden nach dem Statut der Saar-Abstimmung, und daß wir absolut, wie sie auch ausfallen würde, dies anerkennen.

Ich konnte das ja um so besser zusagen, als mir persönlich bekannt und klar war, daß eine überwältigende Mehrheit für den Anschluß stimmen würde.

Ich komme nun zum entscheidenden Teil des Einmarsches der Truppen. Das war der zweite Punkt, wo der Führer eingriff und wir nicht einer Meinung waren.

Der Führer wollte den Einmarsch auf Grund eines Wunsches der neuen, sprich von uns gewünschten Regierung Seyß-Inquart, daß sie die Truppen für innere Beruhigung anfordern sollte. Ich war dagegen; wohlverstanden nicht gegen den Einmarsch; für den Einmarsch war ich unter allen Umständen. Nur die Begründung, hier waren die Differenzen. Gewiß, es konnte an einem Punkt, nämlich Wien und Wiener-Neustadt, eventuell zu Unruhen kommen, da ein Teil der Austro-Marxisten, die schon einmal einen bewaffneten Aufstand gemacht hatten, tatsächlich bewaffnet war. Dieses aber war nicht von so entscheidender Bedeutung. Hingegen war von ausschlaggebender Bedeutung, daß sofort und in ausreichendem Maße Truppen, deutsche Truppen nach Österreich marschieren mußten, um jedem Gelüst eines Nachbarn, bei dieser Gelegenheit auch nur ein einziges österreichisches Dorf zu erben, einen Riegel vorzuschieben.

Ich gebe zu bedenken, zu dem Zeitpunkt war die Stellungnahme Mussolinis noch nicht endgültig zur österreichischen Frage gegeben, obgleich ich ihn im Jahr vorher in dieser Richtung stark bearbeitet habe. Die Italiener äugten immer noch etwas nach Ost-Tirol. Die fünf Divisionen am Brenner damals hatte ich ihnen noch nicht vergessen. Die Ungarn sprachen mir zuviel vom Burgenland. Die Jugoslawen haben einmal etwas von Kärnten erwähnt, aber ich glaube, daß ich ihnen damals klargemacht habe, daß das irrsinnig wäre.

Also um all diesen Hoffnungen ein für allemal vorzubeugen, die sich bei solchen Dingen leicht ergeben, wünschte ich ganz klar den Einmarsch der deutschen Truppen unter der Parole: Der Anschluß ist vollzogen, Österreich ein Teil Deutschlands und damit in seinem ganzen Umfang automatisch und vollkommen unter den Schutz des Deutschen Reiches und seiner Wehrmacht gestellt.

[335] Der Führer wollte diese außenpolitische Demonstration so stark nicht betont und veranlaßte mich schließlich, doch Seyß zu veranlassen, ein solches Telegramm zu schicken. Da in dem entscheidenden Punkt »Einmarsch« Einigkeit bestand, erklärt sich dieses Telephongespräch, wo ich Seyß sagen ließ, er brauche es gar nicht abzuschicken, er solle es nur telephonisch durchgeben, dann wäre das für mich genügend. Das war der Grund. Die Zustimmung Mussolinis traf erst um halb zwölf Uhr nachts ein. Die Zustimmung ist ja bekannt, die Erleichterung für den Führer brachte. Am Abend desselben Tages, nachdem alles klar war, und der Ablauf vorauszusehen war, begab ich mich in den Flieger-Club, wo ich lange Wochen vorher schon zu einem Ball eingeladen war. Ich erwähne das, weil auch hier dieses als eine Art Täuschungsmanöver damals bezeichnet wurde. Die Einladungen hierzu waren aber herausgegangen zu einem Zeitpunkt, als noch nicht einmal – glaube ich – Berchtesgaden stattgefunden hatte. Dort traf ich fast alle Diplomaten. Ich zog mich sofort mit dem Englischen Botschafter, Sir Henderson, zurück. Ich sprach zwei Stunden mit ihm und setzte ihm alle Gründe noch einmal auseinander und legte alles klar, und sagte ihm auch, er möge mir sagen, welcher Staat, was ich nachher auch Ribbentrop sagte, in der ganzen Welt durch unsere Vereinigung geschädigt wird: Wem wir etwas wegnähmen und wem wir damit etwas zuleide tun? Es sei dies eine absolute Wiedergutmachung, denn beide Teile haben durch Jahrhunderte im Deutschen Reich zusammengehört und nur durch die politischen Konstruktionen, die spätere Monarchie und Ausscheiden Österreichs seien sie getrennt worden.

Als der Führer am nächsten Morgen nach Österreich abflog, übernahm ich, wie bekannt, die Geschäftsführung des Reiches während der Abwesenheit. Ich habe hierbei auch verboten, daß die sogenannte österreichische Legion – es handelte sich um die während der Vorzeit der Kampfperiode aus Österreich Ausgeschiedenen, weil sie belastet waren – daß sie zunächst zurückkehrten, weil ich keinerlei Unruhe haben wollte.

Zum zweiten aber habe ich auch veranlaßt, daß nördlich der Donau, also zwischen der tschechoslowakischen Grenze und der Donau, nur ein Bataillon durch die Ortschaften marschiert, so daß die Tschechoslowakei daraus klar erkennen konnte, daß es sich hier ausschließlich um eine deutsch-österreichische Angelegenheit handelte. Dieses Bataillon mußte dort marschieren, damit auch die Städte nördlich der Donau am Jubel teilnehmen konnten.

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend zwei Dinge noch betonen: Wenn Herr Messersmith in seinem langen Affidavit zum Ausdruck bringt, ich hätte vor diesem Anschluß mehrere Besuche in Jugoslawien und Ungarn unternommen, um beide Staaten für den Anschluß zu gewinnen, und ich hätte Jugoslawien einen Teil [336] von Kärnten zugesagt, so fehlt mir diesen Aussagen gegenüber jedes Verständnis. Meine Besuche in Jugoslawien und in den übrigen Balkanländern galten den weiteren Verbesserungen der Beziehungen, besonders der Handelsbeziehungen, an denen mir für den Vierjahresplan sehr lag, und wenn jemals Jugoslawien auch nur ein einziges Kärtner Dorf gefordert hätte, so würde ich gesagt haben, daß ich da überhaupt nicht einmal antworten kann, denn wenn überhaupt ein Land kerndeutsch ist, war und ist, so ist dies Kärnten.

Zum zweiten: Es ist hier in der Anklage von einem Angriffskrieg gegen Österreich gesprochen. Einen Angriffskrieg führt man, wenn man schießt, Bomben wirft und so weiter. Hier wurde aber nur eins geworfen, und das waren Blumen. Aber vielleicht meint die Anklage das anders, und da könnte ich ihr zustimmen. Ich persönlich habe immer erklärt, daß ich alles tun werde, daß der Anschluß zu keiner Erschütterung des Friedens führt, daß aber auf die Dauer gesehen, wenn uns dieser für immer verweigert werden sollte, ich persönlich um dieses Ziel, daß hier diese Deutschen in ihr Vaterland zurückkommen, auch unter Umständen um Österreich, nicht gegen Österreich, einen Krieg führen könnte. Somit glaube ich, in Kürze eine Darstellung über die österreichischen Ereignisse gegeben zu haben, und ich schließe sie mit der Betonung, daß hier nicht so sehr der Führer, wie ich persönlich, die volle und ganze Verantwortung für das, was darauf geschehen ist, trage.

DR. STAHMER: An dem Abend vor dem Einmarsch der Truppen in Österreich haben Sie auch ein Gespräch mit dem Dr. Mastny, mit dem Gesandten der Tschechoslowakei gehabt. Sie sollen bei dieser Gelegenheit eine Erklärung abgegeben haben mit Ihrem Ehrenwort. Wie verhält es sich mit diesem Gespräch?

GÖRING: Ich bin besonders dankbar, daß ich nun endlich zu diesem Ehrenwort, das während der vergangenen Monate so oft vorgebracht wurde, das mich sehr belastet hat, eine klare Darstellung geben kann.

Ich erwähnte, daß an diesem Abend fast alle Diplomaten auf diesem Fest waren. Nachdem ich mit Sir Nevile Henderson gesprochen hatte, und wieder in den Saal zurücktrat, kam der Tschechoslowakische Gesandte, Dr. Mastny, außerordentlich aufgeregt auf mich zu, zitterte und fragte, was in dieser Nacht geschehe, und ob wir auch in die Tschechoslowakei einmarschieren wollten. Ich gab ihm eine kurze Darstellung und sagte: »Nein, es handelt sich ausschließlich um den Anschluß Österreichs, hat mit Ihrem Land gar nichts zu tun, besonders dann nicht, wenn Sie sich völlig aus den Dingen draußen halten.« Er dankte mir und ging scheinbar zum Telephon.

Aber schon nach kurzem kam er noch aufgeregter zurück. Ich hatte das Gefühl, daß er mich in seiner Aufregung kaum mehr [337] richtig verstand. Ich habe ihm daraufhin in Gegenwart anderer gesagt: »Exzellenz, hören Sie jetzt gut zu. Ich gebe Ihnen mein persönliches Ehrenwort, daß es sich hier ausschließlich um den Anschluß Österreichs handelt, und daß kein deutscher Soldat sich Ihrer, der tschechoslowakischen Grenze nähern wird. Sorgen Sie dafür, daß auch seitens der Tschechoslowakei keine Mobilmachung und dadurch Erschwerung vielleicht in diesem Augenblick entsteht.« Da sagte er zu.

Ich habe ihm zu keinem Augenblick gesagt »ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß wir für Zeit und Ewigkeit niemals mit der Tschechei etwas zu tun haben wollen«, sondern er verlangte nur eine Aufklärung für dieses Ereignis, für diesen Zeitpunkt, und ich habe sie ihm für diesen Zeitpunkt gegeben, denn ich hatte ja vorher schon klar zum Ausdruck gebracht, daß ich die Lösung der sudetendeutschen Frage für irgendwie und irgendwann notwendig hielt. Eine ehrenwörtliche Erklärung für eine endgültige Bindung hätte ich ihm nicht gegeben, und wäre für mich auch nicht möglich gewesen, denn ich hatte ja schon vorher eine Erklärung in anderer Richtung abgegeben. Sie war verlangt für den Augenblick, sie war verlangt im Zusammenhang mit den österreichischen Ereignissen, daß bei dieser Gelegenheit die Tschechoslowakei nicht tangiert würde, das konnte ich mit gutem Gewissen ehrenwörtlich versichern, weil zu diesem Augenblick weder bezüglich der Tschechoslowakei noch bezüglich der Lösung der Sudetenfrage irgendein Beschluß bei uns zeitlich gefaßt war.

DR. STAHMER: Am 15. März 39 hat eine Unterredung zwischen Hitler und dem Präsidenten Hacha stattgehabt. Sind Sie bei dieser Besprechung zugegen gewesen, und in welcher Form haben Sie hier mitgewirkt?

GÖRING: Es handelt sich hierbei um den Beginn der Errichtung des Protektorats in der Tschechoslowakei. Nach München, nach dem Münchener Abkommen und der Lösung der sudetendeutschen Frage war lediglich zwischen dem Führer und einigen seiner Mitarbeiter eine Festlegung militärisch dahin geschehen, daß, wenn nach dem Münchener Abkommen sich neue Schwierigkeiten, oder aus der Besetzung der Zonen ergeben würden, gewisse Vorsichtsmaßnahmen jederzeit von militärischer Seite durchführbar sein müßten, denn nach Besetzung der Zonen waren die Truppen, die für den Fall »Grün«, Anklage »großer Schmundt«, bereitgestellt worden waren, demobil gemacht. Es konnte aber eine Entwicklung eintreten, die jeden Augenblick von äußerster Gefahr für Deutschland werden konnte, denn man braucht sich nur erinnern, in welcher Form damals zum Beispiel die russische Presse, der russische Rundfunk zum Münchener Abkommen und zur Besetzung des Sudetenlands Stellung genommen hat. Schärfer konnte man kaum noch sprechen.

[338] Eine Verbindung zwischen Prag und Moskau bestand schon vor längerer Zeit. Prag, enttäuscht durch das Münchener Abkommen, konnte nun verstärkten Anschluß nach Moskau nehmen. Solche Anzeichen sah man besonders im tschechischen Offizierskorps und wurden gemeldet. Für diesen Fall, daß sich hieraus für Deutschland Gefahrenmomente ergeben sollten, war eine Anweisung an die militärischen Dienststellen gegangen, Vorkehrungen, wie das Pflicht gewesen ist, zu treffen. Doch hat dieser Befehl mit einer Absicht, nach kurzem die Rest-Tschechoslowakei zu besetzen, nichts zu tun.

Ich selbst fuhr Ende Januar nun zum erstenmal auf einen längeren Urlaub an die Riviera, und während dieser Zeit schied ich aus all meinen Geschäften bewußt aus. Anfang März kam überraschend ein Kurier des Führers mit einem Brief an mich, in dem er mir mitteilte, daß die Entwicklung in der Tschechoslowakei eine derartige sei, daß es für ihn sträflich gehandelt wäre, würde er dieser Entwicklung weiteren Lauf lassen. Sie würde zu einer drohenden Gefahr für Deutschland, und er sei deshalb entschlossen, die Frage nunmehr so zu lösen, daß er die Tschechoslowakei als weiteren Gefahrenherd inmitten Deutschlands ausschließe und daß er deshalb zunächst an eine Besetzung denke.

In dieser Zeit war ich in San Remo sehr viel mit Engländern zusammen gewesen. Ich hatte erkannt, daß man dort nach München an sich, sich damit abgefunden hatte, und das auch befriedigend fand, aber ein weiteres Rühren an der Tschechoslowakei sehr große Erregung hervorrufen würde.

Ich gab dem Kurier einen Brief mit – vielleicht befindet er sich unter den mehreren Hundert Tonnen Papier, das die Anklagebehörde besitzt, ich würde auch verstehen, wenn sie ihn nicht vorlegt, es wäre für mich eine Entlastung. – In diesem Brief teilte ich dem Führer diesen Standpunkt mit, und schrieb ihm ungefähr dem Sinne nach: Daß, wenn jetzt dieses geschehe, das eine sehr starke Desavouierung des Englischen Premierministers Chamberlain wäre. Ich glaube kaum, daß er das durchstehen konnte, und es würde dann vielleicht Mr. Churchill kommen, und seine Einstellung zu Deutschland kenne er ja. Zum zweiten würde man das nicht verstehen, weil man gerade erst die Angelegenheit zur allgemeinen Befriedigung geklärt habe. Drittens glaubte ich, ihn beruhigen zu können in folgendem: Ich glaubte, daß das, was er jetzt durch Besetzung und Gefahrenmomente ausschalten wollte, auf etwas längerem Weg gehen könnte, unter völliger Schonung all der Momente, die sowohl die Tschechoslowakei als auch die anderen in Erregung bringen könnte; nämlich ich war davon überzeugt, daß, nachdem das Sudetenland abgetrennt war, und Österreich auch ein Bestandteil Deutschlands war, eine wirtschaftliche Durchdringung der Tschechoslowakei nur ein Problem der Zeit sein würde, [339] das heißt, meine Hoffnung ging dahin, durch stärkste Bindung der wirtschaftlichen Interessen schließlich zu einer Verkehrs-, Zoll- und Währungsunion und zwar aus gegenseitigem gemeinsamem Interesse der Wirtschaft heraus zu gelangen. Sei dies aber der Fall, so sei auch politisch eine souveräne Tschechoslowakei so stark an Deutschland und mit Deutschland interessiert, daß ich glaubte, daß ein Gefahrenmoment dann nicht mehr auftreten könnte. Wenn aber die Slowakei die Selbständigkeitsbestrebungen in starkem Maße zum Ausdruck bringt, so brauchten wir dem ja keineswegs entgegentreten, im Gegenteil, man könne dies unterstützen; denn selbstverständlich sei dann eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft und damit Durchdringung noch sehr viel näher herangerückt, wie im umgekehrten Fall, weil, wenn die Slowakei sich trennte, dann beide Länder wirtschaftlich so stark auf Deutschland angewiesen seien, daß man beide Länder wirtschaftlich aufs engste an Deutschland interessieren und fesseln könnte.

Mit diesem Brief – ich habe ihn sinngemäß zusammengefaßt – ging der Kurier zurück.

Ich hörte dann einige Tage nichts.

VORSITZENDER: Wäre das eine günstige Zeit, einen Augenblick zu unterbrechen?


[Pause von 10 Minuten.]


DR. STAHMER: Wollen Sie bitte fortfahren?

GÖRING: Ich wurde dann kurzfristig nach Berlin zurückgerufen. Ich traf am Morgen desselben Tages in Berlin ein, als Präsident Hacha am Abend in Berlin eingetroffen ist. Ich trug dem Führer noch einmal mündlich das Gleiche vor, was ich vorhin betonte, ich ihm geschrieben hatte. Der Führer wies mich auf Unterlagen hin, die er besaß, daß doch die Situation in der Tschechoslowakei sich ernster entwickelt habe. Einmal sei der Staat sowieso zerfallen durch die Loslösung der Slowakei. Aber das sei nicht das Entscheidende. Sodann zeigte er mir Dokumente des Nachrichtendienstes, daß sich auf den Flugplätzen oder einem Teil der Flugplätze der Tschechoslowakei russische Fliegerkommissionen befunden haben, dort Ausbildung trieben und so weiter, was nicht in Übereinstimmung mit dem Abkommen von München sei und er fürchte, daß nach wie vor die Tschechoslowakei, wenn die Slowakei weg sei besonders, als nunmehr russische Flugzeugbasis ausgenützt werde. Er sei fest entschlossen, diese Gefahr zu beseitigen. Der Präsident Hacha hätte um eine Unterredung ersucht, so sagte er mir damals, und treffe am Abend ein und er wünschte, daß ich ebenfalls in der Reichskanzlei wäre.

[340] Präsident Hacha kam an und sprach zuerst mit dem Reichsaußenminister. In der Nacht kam er zum Führer; wir begrüßten ihn kurz; er sprach zunächst mit dem Führer allein, dann wurden wir wieder zugezogen. Dann sprach ich mit ihm in Gegenwart seines Gesandten und drang auf ihn, daß die Forderung des Führers, die Truppen mögen sich beim Einmarsch der Deutschen zurückhalten, damit kein Blutvergießen käme, raschestens durchgeführt würde. Ich sagte ihm, daß das ja doch nichts nütze, der Führer sei entschlossen, hielte es für notwendig und es könne sich nur um unnützes Blutvergießen handeln, denn Widerstand sei ja auf die Dauer in keiner Weise möglich.

Ich habe dabei auch die Äußerung getan, daß es mir leid täte, wenn ich das schöne Prag bombardieren müßte. Die Absicht, Prag zu bombardieren, bestand nicht, es war auch kein diesbezüglicher Befehl gegeben, denn selbst bei einem Widerstand wäre das nicht notwendig gewesen, der Widerstand sei jederzeit leichter ohne dieses Bombardement zu brechen. Aber ein solcher Hinweis, glaubte ich, daß er als Argument mitwirken würde, die Sache zu beschleunigen. Es gelang mir dann, zwischen ihm und seiner Regierung in Prag die Telephonverbindung heranzuschaffen, und er gab den Befehl, und es kam somit am nächsten Tag zur Besetzung und zum Einmarsch in Prag.


DR. STAHMER: Sind Sie mit dem Führer nach Prag gefahren?


GÖRING: Nein, ich bin nicht mit dem Führer nach Prag gefahren. Ich war etwas verstimmt. Ich habe die Tschechoslowakei oder Sudetendeutschland in der ganzen Zeit seit diesem Vorfall überhaupt nicht betreten, mit Ausnahme vom 21. April 1945, wo ich durch einen Teil der Tschechoslowakei kurz durchgefahren bin.


DR. STAHMER: Weshalb waren Sie verstimmt?


GÖRING: Weil die Sache etwas über meinen Kopf hinweg gemacht worden ist.


DR. STAHMER: Haben sich andere Mächte an der Besetzung der Tschechoslowakei beteiligt?

GÖRING: Ja, Polen hat das Olsa-Gebiet seinerzeit genommen.


DR. STAHMER: Es ist von der Anklagebehörde ein Dokument vorgelegt worden, aus dem gefolgert wird, daß die Ermordung des Deutschen Gesandten im Anschluß an eine deutschfeindliche Demonstration in Prag erfolgen solle. Es ist dies so dargestellt worden, als ob die Ermordung des Deutschen Gesandten vorgenommen werden sollte, um auf diese Weise einen Anlaß zu schaffen für die Annektion.


GÖRING: Dieser Fall liegt aber vor der Lösung der Sudetendeutschen Frage, und ich habe diesem Punkt sehr aufmerksam zugehört. Ich erinnere mich auch, wie die Zusammenhänge tatsächlich waren. Es wurde nicht in dem Sinne gesprochen und kann [341] auch nicht in dem Sinn ausgelegt werden, als wollten wir unsere eigenen Gesandten ermorden oder hätten diese Möglichkeit in Betracht gezogen, um einen Anlaß zur Lösung der Frage zu haben, sondern unter den Möglichkeiten, die zu einem raschen Zusammenstoß führen konnten, war bei den Spannungen, die zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland wegen Sudetenland bestanden, auch die Möglichkeit in Betracht gezogen worden, daß tatsächlich der Deutsche Gesandte in Prag ermordet werden könnte von tschechoslowakischer Seite, und daß dies zu einem sofortigen Handeln Deutschlands unter allen Umständen und unter Außerachtlassung politischer Verhandlungen führen müßte.

Diese Möglichkeit kam aus der Situation, daß vor der Deutschen Gesandtschaft in Prag es zu außerordentlichen und nicht abstreitbaren Demonstrationen gekommen war, so daß von seiten Deutschlands der Gesandtschaft zur Verteidigung ihrer Gesandtschaft Waffen geschickt worden waren. So bedrohlich hielt man diese Situation, und aus diesen Gedankengängen heraus hat man von dieser Möglichkeit gesprochen. Das ist hier falsch verstanden. Nicht wir wollten den Gesandten als Anlaß oder Eventualanlaß ermorden, sondern wir sahen die Möglichkeit, daß dies von anderer Seite geschehen könnte, unter Umständen als gegeben an, und daraufhin würde allerdings der Führer augenblicklich gehandelt haben.


DR. STAHMER: In welchem Umfange haben Sie Beschlagnahmen in der Tschechoslowakei vorgenommen?


GÖRING: Vor dem Kriege wurde in der Tschechoslowakei keine Beschlagnahme vorgenommen in dem Sinn, daß Wirtschaftsgüter abgefahren wurden. Im Gegenteil, die große und starke Wirtschaftskapazität der Tschechoslowakei wurde in vollem Umfang in die Wirtschaftskapazität Deutschlands mit eingereiht. Das heißt vor allem, daß wir Wert darauf legten, nachdem nun mal das Protektorat erklärt worden war und damit eine Aktion abgeschlossen, daß selbstverständlich die Skoda-Werke, Brünner Waffenwerke, also sehr bedeutende Rüstungswerke, mit in das Rüstungspotential Deutschlands eingeschleust wurden. Das heißt, Aufträge und Bestellungen wurden zunächst in großem Ausmaß dorthin verlegt. Darüber hinaus wurden sogar neue Industrien errichtet und Unterstützungen in dieser Richtung gegeben.

Es ist zum Vorwurf gemacht worden, daß wir unter anderem neue Schienen dort abgebaut hätten und alte Schienen aus Deutschland dort aufmontierten. Ich glaube, daß hier ein absoluter Irrtum vorliegen muß, denn das Verkehrsnetz der Tschechoslowakei, des Protektorats, war eines der wichtigsten für Deutschland; der gesamte Südostverkehr aus dem Balkan lief durch das Protektorat einmal Richtung [342] Wien-Prag-Dresden-Berlin, zweite Hauptlinie Wien-Lundenburg-Oderberg-Breslau. Der ganze, da der Kanal noch nicht fertig war, Verkehr überhaupt aller Wirtschaftsgüter ging ja nun nicht mehr außen herum, sondern ging den kürzesten Weg. Wir wären ja wahnsinnig gewesen, dieses Verkehrsnetz zu schwächen. Ich kann nur folgendes als Grund annehmen: daß beim Ausbau, zusätzlichen Ausbau des vorhandenen Verkehrsnetzes aus deutschen Schienenbeständen vielleicht manche Schiene mit verwandt worden ist, die nachher im Regierungsbericht als »alt« erschien; aber neue dafür abmontiert, das ist absoluter Unsinn.

Weiter war es selbstverständlich, daß, als das Sudetenland angeschlossen wurde, der Vorwurf, daß die staatlichen Domänen und Forste in den deutschen Staatsbesitz übergingen, nicht zutrifft, denn es ist ja selbstverständlich, daß mit Abtretung eines Landes der dortige Staatsbesitz auch in den Besitz des neuen Staates übergeht. Auch der Vorwurf, soweit es das Sudetenland betrifft, daß die dortigen Bankinstitute an deutsche Banken angeschlossen wurden, ist selbstverständlich nicht berechtigt, denn für dieses Land wurde ja die deutsche Währung eingeführt, folgedessen mußten auch die Filialbankinstitute darauf umgestellt werden.

Soweit es sich um das spätere Protektorat handelt, habe ich schon betont, daß bereits vor der Schaffung dieses Protektorats von meiner Seite eine starke wirtschaftliche Durchdringung der Tschechoslowakei angebahnt war und zwar dadurch, daß einerseits wir Aktien erworben hatten aus anderem Besitz, der uns Anteil an tschechischen und slowakischen Unternehmungen gab, weiter dadurch, daß, glaube ich, gewisse Darlehen von westlicher Seite, soweit ich mich erinnere, zurückgezogen und uns dafür gegeben wurden. Damit hängt auch zusammen, daß die Reichswerke Hermann Göring dort auftauchten, weil sie einen größeren Aktienbesitz der Skoda-Werke erworben hatten, um diese als verarbeitende Industrie für ihre Walzwerk- und Stahlwerkprodukte mit einzuschalten, ebenso wie andere Industrien in Deutschland. Es ist also selbstverständlich, daß, nachdem das Protektorat geschaffen worden war, die gesamte Wirtschaftskapazität des Protektorats mit in die Gesamtwirtschaftskapazität Deutschlands eingeschleust worden ist.

DR. STAHMER: Am 5. November 1937 hat in der Reichskanzlei eine Besprechung mit dem Führer stattgefunden, über die von einem Oberst Hoßbach eine Niederschrift angefertigt ist, die als Hitlers Testament bezeichnet ist. Sie ist hier wiederholt schon Gegenstand der Verhandlung gewesen und ich bitte um eine kurze Erklärung, welche Bedeutung diese Besprechung hatte? Ich lasse Ihnen dieses Dokument mal vorlegen, vielleicht, daß Sie sich es eben mal ansehen und Ihre Erinnerung danach auffrischen, Dokument 386-PS.

[343] GÖRING: Dies Dokument ist mir hier bereits vorgelegt worden und ich kenne es ungefähr dem Inhalt nach. Dieses Dokument spielt ja in der Anklage eine bedeutende Rolle, da es unter dem Begriff »Testament des Führers« läuft: Es ist auch tatsächlich an einer Stelle dieses Wort – ich finde sie jetzt nicht so schnell – »Testament« angeführt, von Hoßbach. Zum technischen Teil der Niederschrift folgendes: Hoßbach war Adjutant des Führers, Chefadjutant. Als solcher war er bei der Sitzung zugegen und machte sich darüber Notizen. Fünf Tage später, wie ich festgestellt habe, hat er dann auf Grund dieser Notizen die Niederschrift gemacht. Es ist also eine Niederschrift, die alle Fehler auch enthält, die bei solchen durch wechselnde Stenographen nicht laufend aufgenommenen Niederschriften leicht erfolgen und die auch unter Umständen subjektive Meinungen des Betreffenden, oder Meinungen, wie er sie verstanden, wiedergibt. Es ist eine ganze Reihe von Punkten drin, das sagte ich seinerzeit schon, die absolut mit dem übereinstimmen, was der Führer wiederholt geäußert hat. Es sind andere Punkte drin, von denen ich sagen könnte, oder Formulierungen, daß sie dem Führer so gar nicht gelegen haben.

Ich habe zuviel, in den letzten Monaten, Niederschriften von Verhören und so weiter gesehen, die zum Teil gar nichts mit dem zu tun hatten oder mit dem Sinn, den man ausgeführt hatte, so daß ich auf diese Fehlerquellen auch hier voll hinweise.

Soweit das Wort »Testament« gebraucht ist, widerspricht dieses völlig der Auffassung des Führers. Denn wenn überhaupt jemand über diese Auffassung Bescheid weiß, so bin ich es.

Die Nachfolgeschaft für meine Person war nicht erst seit dem 1. September 1939 bestimmt, sondern bereits im Spätherbst 1934. Ich hatte Gelegenheit, mit dem Führer oft über ein sogenanntes politisches Testament zu sprechen. Er lehnte dies mit der Begründung ab, daß man niemals einen Nachfolger durch ein politisches Testament festlegen könnte, denn die Entwicklung und die politischen Ereignisse mußten ihm zu jeder Stunde und zu jeder Zeit völlige Handlungsfreiheit geben. Es könne wohl jemand politische Wünsche oder Auffassungen niederlegen, aber niemals bindende Formen eines Testaments. Das war damals und, solange ich überhaupt mit im Vertrauensverhältnis stand, jederzeit seine Auffassung.

Nun, was wollte er mit diesen Ausführungen hier bezwecken? Es waren zusammengerufen der Kriegsminister, der Oberbefehlshaber des Heeres, der Oberbefehlshaber der Marine, der Luftwaffe und der damalige Reichsaußenminister. Der Führer hat mich kurz vorher, weil ich früher da war, informiert, daß er diese Sitzung mache, um vor allen Dingen dem Generalobersten von Fritsch, wie er sich ausdrückte, Dampf zu machen, weil er mit der Aufrüstung des Heeres in keiner Weise zufrieden sei, und es könne auch nichts[344] schaden, wenn Herr Blomberg dabei auch einen gewissen Nachdruck dann auf Fritsch ausüben würde.

Ich erwähnte, warum Herr von Neurath dabei sein sollte. Ja, er wolle das nicht so rein militärisch, sondern er wolle den Oberbefehlshabern – bei mir nicht notwendig –, aber gerade Fritsch klarmachen, daß die außenpolitische Lage ein derartig forciertes Tempo der Rüstung benötige, und aus diesem Grunde hätte er den Außenminister hinzugezogen, der davon nichts wußte.

Die Ausführungen waren dann so gehalten, wie sie der Führer in solchen Fällen gerne bevorzugte. Er holte weit aus, stellte die Dinge im großen politischen Rahmen hin und sprach von der gesamten Weltlage, von allen Ecken und Enden, und für jeden Eingeweihten, der ihn so genau kannte wie ich, war der Zweck sehr bald immer abzusehen. Der ging hier ganz eindeutig und ganz klar darauf hinaus, daß er große Absichten habe, daß die Lage politisch so und so sei, und das Ganze endete zum Schluß in der Richtung einer starken Rüstung. Ich möchte behaupten, daß, wenn der Führer zwei Stunden oder eine Stunde später in einem anderen Kreis gesprochen hätte, zum Beispiel zu Diplomaten des Auswärtigen Amtes oder vielleicht zu Funktionären der Partei, er die Dinge vielleicht anders, ganz anders dargestellt hätte.

Trotzdem enthält natürlich ein Teil der ganzen Ausführungen grundsätzliche Einstellungen des Führers, aber von dem Ausmaß und Bedeutung, wie heute dieses Dokument betrachtet wird, dieses Ausmaß an Bedeutung kann ich diesem Dokument mit bestem Willen nicht geben.

DR. STAHMER: Sie sprachen davon, daß Sie zum Nachfolger des Führers vorgesehen waren. Wurden Sie in dieser Eigenschaft von Hitler in alle politischen Fragen eingeweiht?

GÖRING: Ich spreche jetzt von der Zeit meines guten Verhältnisses, das noch weit in den Krieg hineinreichte. Ich wurde selbstverständlich von ihm in alle großen politischen und militärischen Fragen eingeweiht, eingeschaltet, und zwar geschah dies meist in sehr vielen und langen Besprechungen, die ich oft stundenlang, Tag für Tag mit ihm hatte, und manchmal in den außenpolitischen Fragen wurde ich allerdings überrascht, und schaltete mich dann aber möglichst selbst ein, und er äußerte sich auch mal an anderer Stelle, daß ich außenpolitisch eine sehr eigene Meinung hätte und es für ihn nicht immer leicht sei, mit mir konform zu gehen. Aber ich mochte betonen, in allen großen politischen Fragen war ich selbstverständlich eingeschaltet.


DR. STAHMER: Am 23. Mai 1939 hat eine Besprechung beim Führer stattgefunden, über die hier kürzlich auch bei der Vernehmung des Zeugen Milch gesprochen wurde. Darüber ist ebenfalls eine Niederschrift angefertigt, Dokument L-79.

[345] Nach der Fassung des Protokolls haben Sie an dieser Sitzung teilgenommen. Der Zeuge Milch erklärte, Sie seien nicht anwesend gewesen.


GÖRING: Ich bin tatsächlich nicht anwesend gewesen. Aber..., denn der Milch ist im letzten Moment für mich rübergerufen worden... Aber selbstverständlich, wenn der Zeuge Milch aussagt, er habe keine Erlaubnis vom Führer bekommen, mich zu unterrichten, so ist das so zu verstehen, daß der Führer einen solchen Punkt mir nicht, oder solche Ausführung nicht durch meinen Staatssekretär machen lassen wollte, sondern sie mir selbst geben wollte. Auch diese Sache,... nein, ich bin bei dieser Sitzung sogar dabei gewesen. Ich sehe das jetzt erst aus einem anderen Punkt. Aber selbst, wenn ich nicht dabei gewesen wäre, Milch muß da eine andere Sitzung noch im Auge haben, würde das gar keine Rolle spielen, denn es ist ausgeschlossen, daß der Führer mit solchen Herren eine Besprechung abhält und sie mir nicht vorher oder nachher mitteilt, wenn ich nicht dabei gewesen sein sollte. Das spielt also gar keine Rolle. Es ist ganz selbstverständlich, daß mir in solchen Fällen entweder schon vorher oder, wenn ich nicht dabei war, hinterher vom Führer ausführlich darüber gesagt worden wäre. Aber ich ersehe, daß sich Milch hier geirrt hat und eine andere Sitzung meint, denn ich habe ja zum Schluß noch bezüglich der Rüstungsprogramme Fragen gestellt, und an die erinnere ich mich ganz genau.


DR. STAHMER: Welche Bedeutung hatte diese Besprechung?


GÖRING: Es war eine Besprechung, die der Führer abgehalten hat, wo er wiederum seine Ausführungen machte über die Darstellung der Lage und der Stellung der sich aus dieser Lage für die Wehrmacht ergebenden Aufgaben. Und auch hier wieder kam es in erster Linie darauf an, die Wehrmacht rüstungsmäßig und bereitstellungsmäßig darauf hinzuweisen, daß er mit allen möglichen politischen Entwicklungen rechnet und sich selbst damit volle Freiheit der Entschließungen seinerseits vorbehalten wollte.

Es ist zum Teil rückschauend über die Ereignisse, die sich bis dahin abgespielt haben –, und ich brauche nicht zu betonen, wie leicht man Dinge, die man rückschauend betrachtet, in einem anderen Licht der Entwicklung und des Ablaufes sieht und auch darstellt, als wie sie vorher tatsächlich de facto gewesen sind. Ich kann leicht hinterher sagen, ich habe damals schon das gewollt und dies gewollt, jenes gewollt, weil ich es mittlerweile erreicht habe, und kann auch sagen, es ist dies unwillkürlich naheliegend, daß dies immer meine Absicht gewesen sei, während man genau weiß, daß es vorher doch sehr von andern Faktoren abgehangen hat, ob es so werden würde, und daß damals die Absichten noch ganz anders, unter Umständen, gewesen sind.

[346] Im allgemeinen ist es auch hier wieder so, daß Fehler der nicht richtigen Auffassung des Adjutanten unterlaufen sind, daß im großen ganzen aber das eine jener typischen Besprechungen ist, wie sie der Führer gehalten hat, wenn er irgendeinen ganz bestimmten Zweck erreichen wollte und diesem Zweck den notwendigen Nachdruck zu geben die Absicht hatte.


DR. STAHMER: In der Zeit von 1935 bis 1938 haben Sie wiederholt Staatsbesuche in Polen gemacht? Zu welchem Zweck erfolgten diese Besuche?


GÖRING: Nach der Klärung des Verhältnisses Deutschland-Polen 1934 wünschte der Führer eine Untermauerung dieses damaligen Abkommens und die Schaffung einer persönlich besseren Atmosphäre. Er bat mich, diese Aufgabe zu übernehmen, und zwar deshalb, weil er glaubte, daß ich mit den polnischen Herren leicht ins Gespräch kommen könnte, was auch der Fall war. Der Staatspräsident hatte mich eingeladen, das war 1935, und von da ab 1935, 1936, 1937 war ich jedes Jahr ein bis zwei Wochen in Polen. Ich hatte eine lange Unterredung mit dem damaligen Marschall Pilsudski und später stets mit dem Außenminister und Marschall Rydz-Smygly.

Der Führer hatte damals mir als ernsten Auftrag, nicht als Täuschungsauftrag, gegeben, neben einer fortlaufenden Besserung der Beziehungen Polen zu sagen, daß er an einem starken Polen interessiert sei, und zwar deshalb, weil ein starkes Polen zwischen Deutschland und Rußland eine gute Barriere darstellen würde. Die Lösung der Danzig- und Korridorfrage hat der Führer mir gegenüber auch damals betont, daß die bei Gelegenheit kommen würde, oder daß eben bis dahin sich irgendeine Gelegenheit geben würde, mit Polen hierbei zu einer Absprache zu kommen. Es spielte das litauische Problem da hinein und jedenfalls, das ist das Entscheidende: er hat nicht gesagt: »Lullen Sie Polen ein, ich beabsichtige, dann über Polen herzufallen«; wie überhaupt es nicht so war, daß von Anfang an – wie hier manchmal dargestellt wurde – wir zusammensaßen und verschwörend nun für die ganzen nächsten Jahrzehnte diesen Punkt dieser Absichten festlegten, sondern es ergab sich das Ganze aus dem Spiel der politischen Kräfte, der Interessen, wie das überall in der ganzen Welt in der Staatspolitik immer gewesen ist. Ich hatte diesen Auftrag und habe bewußt diesen Auftrag ernst genommen und ehrlichen Glaubens durchgeführt. Es war für mich deshalb, als es nachher zum Zusammenstoß mit Polen kam, eine nicht sehr erfreuliche Situation.


DR. STAHMER: Wie war Ihre Stellung zu der Frage Memel, Danzig, Polnischer Korridor?

GÖRING: Diese meine Stellung war immer eindeutig und klar, daß Danzig und der Freistaat als rein deutsches Gebiet in irgendeinem [347] absehbaren Zeitpunkt wieder zu Deutschland zurück sollten. Andererseits wurde von uns durchaus anerkannt, daß Polen einen Zugang zum Meer haben müsse und auch einen Hafen und es war deshalb der erste Gedanke der: Danzig und den Freistaat zurück und durch den polnischen Korridor einen deutschen Verkehrskorridor. Das war die mindeste und bescheidenste Forderung, die lange Zeit als die absolut notwendige gelaufen ist, und sie erschien uns auch durchaus tragbar.


DR. STAHMER: Eine weitere Besprechung bei dem Führer hat am 23. November 1939 stattgefunden. Das Protokoll über diese Besprechung ist als Dokument 789-PS dem Gerichtshof vorgelegt. Bitte in dieses Dokument Einsicht zu nehmen und mir dann kurz anzugeben, wie Sie sich zu dem Inhalt dieser Besprechung stellen.


GÖRING: Hierzu kann ich mich verhältnismäßig kurz fassen. Es ist eine Ansprache an die Oberbefehlshaber und an die Befehlshaber jener Formationen und Armeen, die für den Westangriff nach der Erledigung Polens bereitgestellt wurden. Es ist ja ganz selbstverständlich und bedarf wohl keiner Erörterung, daß, wenn ein Oberster Befehlshaber einer Wehrmacht, der diese Wehrmacht selbst aktiv führt, sich entschließt, eine strategische oder umfangreich taktische Operation zu unternehmen, das heißt wie in diesem Falle nach Beendigung des Polenfeldzuges wollte der Führer ja unter allen Umständen, was absolut richtig war, noch im Herbst, im Spätherbst, die Truppen herumwerfen und den Stoß nach Frankreich durchführen, um noch im Herbst und Winter 1939 zum Abschluß dieser Operation zu kommen. Was ihn daran gehindert hat, war das Wetter. Weil er ohne Einsatz der Luftwaffe diese Operation, besonders Durchstoß auch durch die Maginot-Linie bei Sedan, nicht ausführen konnte, und das Wetter brauchte er mindestens vier bis fünf Tage bei Angriffsbeginn sogenanntes Flugwetter. Nur weil dies ihm Woche um Woche nicht zugesagt werden konnte, kam die Sache in den Winter hinein und wurde schließlich nach Weihnachten oder Neujahr auf Beginn des Frühjahrs verschoben.

Hier war aber der Zeitpunkt so, daß er glaubte, noch antreten zu können. Er nahm also die Oberbefehlshaber zusammen, denen er die Angriffsdispositionen klar bekanntgab. Es war eine seiner Ansprachen in diesem Falle, wie sie üblich war, und selbstverständlich, da der Führer ja nicht nur reiner Militär war, sondern in erster Linie Politiker, so kam es immer wieder, daß er diese militärischen Ansprachen, die vielleicht ein reiner Soldat ausschließlich auf das Militärisch-Strategische beschränkt haben würde, immer mit seinen politischen Grundanschauungen oder politischen Tendenzen oder Absichten sehr stark vermischte.

Man darf nie vergessen, daß bei diesen Ansprachen nicht allein der Oberbefehlshaber oder Oberste Befehlshaber der Wehrmacht [348] sprach, sondern das Staatsoberhaupt, der Staatsmann Deutschlands sprach hier, und dadurch lag so häufig, auch bei militärischen Ansprachen, ein außerordentliches politisches Moment in diesen Ansprachen.

Hier wurde aber kein General etwa nun um seine Meinung gefragt, ob er die Grundtendenzen der Politik für richtig oder für nicht richtig hielt. Hier bei diesen Ansprachen wurde nicht einmal gefragt, ob er den militärischen Ansatz für richtig oder nicht richtig hielt; das geschah zu anderem Zeitpunkt. Wenn nun eine Sache abgeschlossen war, daß er mit den einzelnen Befehlshabern das rein Strategisch-Taktische durchexerziert hatte, dann kam noch eine Zusammenfassung, noch politisch stark ausgebaut, zum Vortrag, was den Generalen nur noch große, letzte, abschließende Gedanken des Führers geben sollte. Wenn nun, ich betone dies, weil so häufig dies hier eine Rolle gespielt hat, ein General hätte sagen können: »Mein Führer, ich halte Ihre Ausführungen für nicht ganz richtig, sie stimmen nicht mit unseren abgeschlossenen Verträgen überein« oder: »Es ist dies keine Politik, die wir billigen können«, dann wäre das unverständlich gewesen und nicht aus dem Grunde, weil dieser betreffende General deshalb nun erschossen worden wäre; ich hätte am Verstand dieses Generals gezweifelt, denn wie kann man sich vorstellen, daß überhaupt ein Staat geführt wird, wenn in einem Krieg oder vor einem Krieg sich die politische Leitung dazu entschlossen hat, sei es zu Recht oder Unrecht, und nun der einzelne General abstimmen könnte: »Ich mache mit« oder: »Ich mache nicht mit, mein Armeekorps bleibt zu Hause, ich muß aber erst meine Division fragen; vielleicht geht die eine dann mit, bleibt nur die andere zu Hause«. Dieses Recht muß ich dann letzten Endes auch dem kleinen Soldaten zubilligen. Vielleicht wäre dies der Weg, in Zukunft Kriege zu vermeiden, wenn man jeden Soldaten fragt, ob er nach Hause gehen will. Gut, möglich, aber nicht im Führerstaat, das möchte ich betonen. In jedem Staat der Welt existiert militärisch eine ganz klare Formulierung. Ist Krieg, oder entschließt sich die Staatsführung zum Krieg, so bekommt die militärische Leitung ihre militärischen Aufgaben. Dazu kann sie Stellung nehmen, da kann sie Vorschläge machen, ob sie den Angriff auf dem rechten oder linken Flügel vorantreiben will oder in der Mitte durchstoßen will; alles andere, ob hierbei durch ein neutrales Land marschiert wird oder nicht, geht die militärische Führung nichts an. Das hat ausschließlich die politische Staatsführung zu verantworten, und so auch hier konnte gar keine Möglichkeit bestehen, daß hier ein allgemeines Gespräch über Recht oder Unrecht sich daran anschließen konnte, sondern die Generale hatten ihre Befehle vorher bekommen. Der Oberste Kriegsherr hatte entschieden, und darüber war nicht mehr zu diskutieren für einen Soldaten. Sowohl für einen Feldmarschall wie für einen gewöhnlichen Soldaten gilt hier das gleiche.

[349] DR. STAHMER: Ein Führererlaß vom 7. Oktober 1939 trägt Ihre Unterschrift. In diesem Erlaß wird Himmler der Auftrag gegeben zur Germanisierung. Der Erlaß ist als Dokument 686-PS vorgelegt. Nehmen Sie bitte Einsicht und sagen Sie mir, welche Bedeutung dieser Erlaß hatte.


[Der Angeklagte erhält das Dokument.]


GÖRING: Dieser Erlaß vom 7. Oktober 1939 ist nach Beendigung des Polenfeldzuges herausgegeben. Polen war damals besiegt. Der Polnische Staat als solcher existierte nicht mehr. Ich verweise hier auf die Note des damaligen Volkskommissars des Äußeren in Rußland, Molotow, der hierzu Stellung nimmt, und folgedessen war jenes Unrecht, das wir Deutsche empfunden hatten, als im Diktat von Versailles deutsche Provinzen losgetrennt und Polen übergeben wurden, durch den Sieg der Waffen ausgeglichen. Es war deshalb für uns eine Selbstverständlichkeit, daß jener Teil Polens, der bis 1918 deutsch war, wieder rückgedeutscht wurde, das heißt in den Verband Deutschlands zurückkehrte. Nun waren in diesem Gebiet im Verlauf der Jahre weit über eine Million Deutsche, die früher dort gewohnt hatten, dort Besitz hatten, vor allen Dingen landwirtschaftliche Bauernhöfe, Güter et cetera, vertrieben, ausgewiesen und enteignet worden. Das geht hervor aus all den vielen Beschwerden, die im Laufe der Jahre nach 1919 an den Völkerbund in dieser Richtung gegangen sind, und ein Studium dieser ganzen Beschwerden und dieser ganzen dort eingereichten Vorkommnisse, die ja in den Archiven in Genf heute noch sein müßten, wird bestätigen, in welch gewaltigem Umfang damals die Polonisierung dieser deutschen Gebiete vor sich ging. Dieser Erlaß bezweckte nun, daß das wieder rückgängig gemacht wurde und daß diese Gebiete wieder deutsch wurden, das heißt die Besiedelung jener Güter und Höfe, von denen Deutsche vertrieben waren, wieder Deutsche hinkommen sollten. Daß Himmler diese Aufgabe bekam, damit war ich nicht ganz einverstanden; aber das spielte in dem Augenblick keine so entscheidende Rolle. Er bekam diese Aufgabe nicht in seiner Eigenschaft als Chef der Polizei, sondern, es ist ja bekannt, daß er sich besonders immer für Fragen einer neuen Gestaltung des deutschen Menschen sehr besonders interessierte, und so wurde diese Stelle, Volkstum oder wie sie hieß, – einen Moment mal – das ist ja auch gleichgültig, also jedenfalls bekam er diese Aufgabe. Der Führer erließ das Gesetz, ich zeichnete selbstverständlich mit, da ich Vorsitzender des Ministerrates zu dieser Zeit war, und dann wurde es noch gezeichnet von Lammers, dem Chef der Reichskanzlei, das sind selbstverständliche Mitzeichnungen. Ich stehe absolut positiv dazu; es entsprach durchaus meiner Auffassung, daß dort, wo die Deutschen seinerzeit vertrieben wurden und es deutsche Gebiete waren, sie wieder zurückkehren sollten. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß es sich [350] hier um die ehemals deutschen Provinzen handelt, genau ausgesprochen.

DR. STAHMER: Die besetzten polnischen Westprovinzen meinen Sie?


GÖRING: Ja. Das Gouvernement zum Beispiel war nicht für die Eindeutschung bestimmt. Wenn dort – ich weiß es nicht genau – Deutsche später angesiedelt worden sind, so trifft das nicht auf die Grundlage dieses Erlasses zu. Sie fragten vorhin noch nach der Stellung zur Frage Memel, glaube ich.


DR. STAHMER: Ja.


GÖRING: Danzig, Polnischer Korridor habe ich betont; Memel war eine verhältnismäßig kleine Angelegenheit. In Memel sollte nach dem Statut von Versailles oder Völkerbund eine Abstimmung stattfinden. Kurz vorher haben die Litauer Memel und das Memelgebiet besetzt, um die Abstimmung zu verhindern, es Litauen einverleibt und damit ein »fait accompli« geschaffen. Beschwerden der damaligen deutschen Reichsregierung nützten natürlich genau so wenig, wie alle vorherigen Beschwerden beim Völkerbund. Man bedauerte es, fand es für falsch und nicht richtig, was die Litauer machten, aber von Herausgabe oder beziehungsweise Durchführung der vorgeschriebenen Wahl konnte keine Rede sein. Nachdem die Litauer entgegen allen Bestimmungen damals Memel besetzt hatten, war es selbstverständlich unser absolutes nationales Recht, diesen Übergriff wieder in Ordnung zu bringen und Memel nunmehr unsererseits zu besetzen.


DR. STAHMER: Am 19. Oktober 1939 haben Sie einen Erlaß herausgegeben, der die Herausnahme von Wirtschaftsgütern aus Polen anordnete. Dieser Erlaß ist als Dokument EC-410 dem Gericht vorgelegt. Ich bitte, zu dieser Anordnung Stellung zu nehmen.

[Das Dokument wird dem Angeklagten ausgehändigt.]


GÖRING: Dies ist ein Erlaß, der eine allgemeine Anweisung darstellt, wie wirtschaftlich zu verfahren ist in dem gesamten von uns besetzten polnischen Gebiet. Er regelt die Erfassung und Verwaltung des Vermögens des Polnischen Staates innerhalb der von den deutschen Truppen besetzten Gebiete, die Regelung des Geld- und Kreditwesens, die Anordnung von wirtschaftlichen Maßnahmen, Vorbereitung einer notwendig werdenden Auseinandersetzung mit fremdstaatlichen Gläubigern und so weiter, Beschlagnahmen dürfen nur von der Treuhandstelle Ost durchgeführt werden und so weiter. Es handelt sich nicht so sehr um die Herausnahme von Wirtschaftsgütern. Dem war auch nicht so. Im Gegenteil wurde auch im Gouvernement die dort bestehende Wirtschaft, selbstverständlich die Wirtschaft, die für den Kriegszweck zu dieser Zeit brauchbar war, verstärkt und ausgebaut. Die Wirtschaft, die nicht sehr notwendig war, wurde[351] genau so gedrosselt, wie sie im ganzen übrigen Deutschland auch gedrosselt war und bei allen anderen Staaten im Kriegsfall auch gedrosselt wird. Was die Rohstoffe anbelangt, die vorhanden waren und von Wichtigkeit für die Kriegsführung, nehmen wir an, Stahl oder Kupfer oder Zinn oder so was, so war die Auffassung die, oder mein Wille besser gesagt, daß diese Rohstoffe dort zu verarbeiten waren, wo sie am schnellsten umgewandelt werden konnten. War das an Ort und Stelle und durch die Verkehrslage möglich, so sollten sie dort bleiben, um dort verarbeitet zu werden. War die Verarbeitung im Lande dort nicht möglich, so hätte ich selbstverständlich kriegswichtige Rohstoffe nicht dort liegen lassen, sondern sie unbedingt dorthin schaffen lassen, wo ihre Verarbeitung am schnellsten zum Zwecke der Kriegsverwendung möglich war. Das sagt im großen und ganzen auch dieser Erlaß zum Teil. Das war meine grundsätzliche Einstellung und meine grundsätzliche Anweisung. Der Sinn war schnellste, möglichste und zweckmäßigste Verarbeitung dort, wo sie möglich war.

DR. STAHMER: Unter dem 19. November 1945 hat ein Dr. Cajetan Mühlmann eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, die überreicht ist von der Anklagebehörde und die die Nummer 3042-PS trägt. In der heißt es folgendermaßen; es sind drei kurze Sätze:

»Ich war der Sonderbeauftragte des Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank, für die Sicherung der Kunstschätze im Generalgouvernement....

Den Auftrag hatte mir Göring in seiner Funktion als Vorsitzender des Reichsverteidigungsausschusses erteilt.

Ich bestätige, daß es die offizielle Politik des Generalgouverneurs Hans Frank war, alle wichtigen Kunstwerke, die polnischen öffentlichen Einrichtungen, privaten Sammlungen und der Kirche gehörten, in Verwahrung zu nehmen. Ich bestätige, daß die erwähnten Kunstwerke tatsächlich konfisziert wurden, und ich bin mir darüber klar, daß sie im Falle eines deutschen Sieges nicht in Polen geblieben wären, sondern zur Vervollständigung des deutschen Kunstbesitzes verwendet worden wären.«


GÖRING: An sich hatte ich mit der Sicherstellung der Kunstschätze in Polen nicht unmittelbar etwas zu tun, schon ganz und gar nicht als Vorsitzender des Ministerrats für die Reichsverteidigung. Tatsächlich aber kam Mühlmann, den ich kannte, zu mir und sagte, daß er sich um die Sicherstellung der Kunstschätze dort bemühen sollte. Ich stand auch auf dem Standpunkt, daß diese Kunstschätze während der Kampfzeit zunächst einmal ganz unabhängig, was mit ihnen zu geschehen habe, zu sichern wären, damit keinerlei Zerstörung möglich sei, sei es durch Feuer, durch Kampfeinwirkung und so weiter. Ich möchte gleich betonen – ich komme ja [352] im französischen Zusammenhang darauf zurück –, daß von diesen Kunstschätzen für meine sogenannte Sammlung nichts entnommen worden ist. Das nur nebenbei. Daß die Kunstschätze tatsächlich sichergestellt wurden, ist richtig und auch beabsichtigt gewesen, zum Teil schon deshalb, weil die Besitzer nicht da waren. Dort aber, wo die Besitzer da waren, zum Beispiel, wie ich mich erinnere, – Graf Potocki auf Lancut – blieb die Kunstsammlung an Ort und Stelle. Die Absicht, was mit diesen Kunstschätzen geschehen sollte, war vom Führer noch nicht endgültig bestimmt. Er hatte angeordnet, und das habe ich in einem Schreiben auch dem Mühlmann und, soweit ich mich erinnere, auch an Frank übermittelt, daß diese Kunstschätze zunächst nach Königsberg zu bringen seien. Vier Bilder seien in den Sicherheitsbunker oder die Sicherheitsstelle des Deutschen Museums in Berlin zu bringen, oder Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin zu bringen. Es spielten dann noch – ich will das in diesem Zusammenhang gleich vorwegnehmen, weil die Anklage sich damit beschäftigt hat – die Dürerzeichnungen aus Lemberg eine Rolle. Die Dürerzeichnungen in Lemberg wurden nicht von uns in dieser Zeit beschlagnahmt, da Lemberg russisch geworden war. Erst beim Vormarsch gegen Rußland wurden während der Kampfperiode diese Dürerzeichnungen, soweit ich mich der Darstellung von Mühlmann erinnere, von einem polnischen Professor, der sie vor den Russen bis dato versteckt hatte, aus dem brennenden Lemberg gerettet und ihm übergeben. Es waren Zeichnungen, er kam damit bei mir an, und obwohl ich sonst außerordentliches Interesse habe, hatte ich leider nicht einmal Zeit, sie in Muße anzusehen, da ich in diesem Augenblick zum Führer fuhr und sie mitnahm, und wie auch, glaube ich, Mühlmann bestätigt, dort sofort abgegeben habe. Wo sie von da aus hingekommen sind, weiß ich nicht. Damit glaube ich die Frage über die polnischen Kunstschätze beantwortet zu haben. Abgesehen davon handelt es sich noch um den Veit-Stoß-Altar, der seinerzeit hier in Nürnberg hergestellt worden ist, eine rein deutsche Arbeit, und der Führer wünschte, daß dieser Altar – damit hatte ich persönlich nichts zu tun – nach Nürnberg hier ins Germanische Museum kommen sollte. Das ist mir nur bekannt. Was endgültig beabsichtigt war, war noch nicht ausgesprochen, aber daß bei einem Friedensschluß das auch eine Rolle gespielt haben würde, Verhandlungen darüber, ist sicherlich zu bejahen.

DR. STAHMER: Welche Verbindung hatten Sie mit Quisling?


GÖRING: Quisling habe ich erst lange nach der Besetzung Norwegens zum ersten und einzigen Male gesehen. Er war in Berlin, besuchte mich, wir hatten ein belangloses, kurzes Gespräch. Vorher hat ein Mann von ihm, den ich auch nicht persönlich kannte, das heißt also vor Ausbruch des Krieges überhaupt, einen Brief an mich geschickt, der mir hier gezeigt wurde, an den ich mich persönlich nicht erinnern kann, weil derartige Briefe nach unserer Praxis auch [353] mir kaum vorgelegt wurden, ist aber gleichgültig. In diesem Brief sprach er sich im Namen Quislings dahingehend aus, daß wir die Bewegung Quislings doch finanziell stützen möchten, und gab eine Darstellung, wie weit die politischen Gelder einerseits von Rußland an die Kommunistische Partei dort, andererseits von England an interessierte politische Stellen fließen würden. Ich habe dann... später sprach jemand mit mir darüber, ob auf dem Wege der Kohlenlieferungen eine Abgabe an Quisling in irgendeiner Form gegeben werden könnte. Ich habe den Standpunkt eingenommen, wenn wir natürlich auch aus Devisenlage und auch sonstigen... – wir sind ja nicht so reich gewesen – weder mit den englischen noch russischen Geldern konkurrieren könnten, so seien die Stellen, die das zu beurteilen vermögen, ob es zweckmäßig sei, der Bewegung Quisling Unterstützung finanzieller Art zu geben oder nicht, zu hören. Wenn sie das bejahten, so sei mir..., selbstverständlich könne Quisling Geld bekommen. Der Betrag, um den es sich handelte und den ich auch gegeben haben würde, war erheblich höher wie der, der tatsächlich später dann vom Führer über das Auswärtige Amt zugeleitet worden ist. Ich habe niemals von solchen kleinen geldlichen Unterstützungen etwas gehalten, sondern wenn, dann sollte man ordentlich geben, damit wirklich auch ein Zweck damit erreicht wurde. Ich hatte meine Kenntnisse aus dem letzten Weltkrieg zur Genüge bei dem Geld, das in das Rumänische Parlament gewandert ist, das leider auch zu wenig gewesen war. Aus diesen Erfahrungen, wenn gegeben werden sollte, das war meine Anweisung, dann ordentlich. Sonst habe ich, wie gesagt, Quisling erst sehr viel später kennengelernt und ein völlig belangloses Gespräch mit ihm gehabt, an das ich mich auch nicht erinnere.


DR. STAHMER: Wie standen Sie zu dem Norwegen-Unternehmen?


GÖRING: Das Norwegen-Unternehmen überraschte mich einigermaßen, und zwar deshalb, weil hier ich ziemlich lange merkwürdigerweise nicht unterrichtet worden war. Der Führer ging sehr weit mit seinem Grunderlaß, von dem ich anfangs schon gesprochen habe, und hat die Luftwaffe sehr spät herangezogen. Da aber der Luftwaffe ein wichtigster Teil dieses Unternehmens zufiel, habe ich mich unmißverständlich und sehr unfreundlich darüber geäußert. An sich stand ich dem Unternehmen, militärisch gesehen, durchaus positiv gegenüber, denn als Oberbefehlshaber der Luftwaffe hatte ich ja zunächst, völlig unabhängig von politischen Erwägungen, ausschließlich die strategischen zu sehen. Daß ich meine Position, luftwaf fenmäßig gesehen, erheblich verbessern würde, wenn meine Geschwader von norwegischen Basen aus gegen England operieren konnten, war ja oder ist für jeden einsichtigen militärischen Fachmann eine Selbstverständlichkeit. Ich konnte deshalb vom strategischen Standpunkt aus als Oberbefehlshaber der Luftwaffe nur durchaus positiv zu dem Unternehmen stehen. Mein Einwand ging [354] nur dagegen, daß ich erstens zu spät unterrichtet wurde und zweitens mir die Pläne nicht ganz richtig erschienen, aber sonst durchaus positiv.


DR. STAHMER: Befürchtete Hitler Komplikationen mit Schweden aus dieser Besetzung?


GÖRING: Ja, nicht aus der Besetzung durch Deutschland an sich, sondern, als wir uns entschlossen haben, der Führer, Norwegen zu besetzen, hatten wir ja schon ganz eingehende und detaillierte Unterlagen über die beabsichtigte Besetzung seitens England und Frankreich, wie wir sie später auch bestätigt fanden in den erbeuteten englischen Papieren und französischen Generalstabspapieren. Hier war nun uns ebenfalls bekannt, daß vor allem die Absicht bestand, nicht nur Norwegen zu besetzen, sondern in erster Linie über Narvik das schwedische Erz, die schwedischen Erzlieferungen an Deutschland auszuschalten, ja darüber hinaus in den damals noch bestehenden russisch-fin nischen Konflikt pro Finnland einzugreifen. Der Führer fürchtete nun, daß Schweden einem englischen Druck absolut nachgeben würde, das heißt unter der Firma, Finnland zur Hilfe zu kommen, einen Durchmarsch gestatten und damit eine Gesamtausschaltung des schwedischen Erzbeckens und damit der Erzlieferungen für uns..., sich das so ereignen würde. Ich habe damals eine sehr schwere Verantwortung auf mich genommen, indem ich Hitler versicherte, daß ich Schweden, sein Volk und seinen König so genau kennen würde, daß ich wüßte, daß, wer auch immer einen Druck auf Schweden ausüben würde, ganz gleichgültig welche Macht, ob wir oder die andere Seite, daß Schweden unter allen und jeden Umständen seine Neutralität bewaffnet gegen den verteidigen würde, der sie zu kränken beabsichtige, gleichgültig welche Gründe hierfür vorliegen mögen, und daß ich mich persönlich für diese Auffassung verpflichte und mit meiner ganzen Kenntnis die Verantwortung dafür trage, daß er in dieser Richtung beruhigt sein könnte. Daraufhin war die Frage erledigt.


VORSITZENDER: Das Gericht vertagt sich.


[Das Gericht vertagt sich bis

15. März 1946, 10.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 9, S. 325-356.
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