Vormittagssitzung.

[166] VORSITZENDER: Ich erteile General Rudenko das Wort für die Sowjetunion.

GENERALLEUTNANT R. A. RUDENKO: Meine Herren Richter! Ich beginne meine Eröffnungsrede, die gleichzeitig die Eröffnungsreden der Hauptanklagevertreter abschließt, im vollen Bewußtsein der überragenden historischen Bedeutung dieses Prozesses.

Zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit stößt die Rechtspflege auf Verbrechen von derartigen Ausmaßen und derartig schweren Folgen.

Zum ersten Male stehen Verbrecher vor dem Richter, die sich eines ganzen Staates bemächtigt und diesen Staat selbst zum Werkzeug ihrer ungeheuerlichen Verbrechen gemacht hatten.

Zum ersten Male endlich richten wir in den Angeklagten nicht nur sie selbst, sondern auch die von ihnen ins Leben gerufenen Einrichtungen und Organisationen sowie ihre menschenverachtenden »Theorien« und »Ideen«, die von ihnen zum Zwecke der Verwirklichung der schon lange Zeit vorhergeplanten Verbrechen gegen die Welt und die Menschheit vorbereitet wurden.

Vor neun Monaten ist Hitler-Deutschland, das im Laufe mehrerer Jahre die freiheitsliebenden Völker Europas in einem blutigen Krieg zerfleischt hatte, den zerschmetternden Schlägen der vereinten Streitkräfte der anglo-sowjetisch-amerikanischen Koalition erlegen. Am 8. Mai 1945 war Hitler-Deutschland gezwungen, die Waffen zu strecken, nachdem es eine beispiellose militärische und politische Niederlage erlitten hatte.

Der Hitlerismus hat der Welt einen Krieg aufgezwungen, der den freiheitsliebenden Völkern unaussprechliches Elend und maßloses Leid gebracht hat. Millionen von Menschen sind als Opfer dieses Krieges gefallen, den die Hitler-Räuber entfacht hatten, die von der Unterjochung der freien Völker in den demokratischen Ländern und von der Aufrichtung einer Hitler-Tyrannei in Europa und in der ganzen Welt träumten.1

[166] Der Tag ist gekommen, an dem die Völker der Welt gerechte Vergeltung und strenge Strafe für die hitlerischen Henker fordern, der Tag, an dem sie strenge Bestrafung der Verbrecher verlangen. Alle Missetaten, die von den hitlerischen Hauptkriegsverbrechern zusammen oder von einzelnen unter ihnen begangen wurden, werden von Ihnen, meine Herren Richter, mit aller Gewissenhaftigkeit und Aufmerksamkeit erwogen werden, wie es das Gesetz, das Statut des Internationalen Militärgerichtshofs, die Gerechtigkeit und unser Gewissen verlangen.

Wir beschuldigen die Angeklagten, daß sie selbst oder durch ihre Helfershelfer den verbrecherischen Plan der Verschwörung organisierten, anstifteten und unmittelbar ausführten. Der ganze Mechanismus des Hitler-Staates mit allen seinen Ämtern und Einrichtungen, der Wehrmacht, der Polizei, den sogenannten öffentlichen Einrichtungen, die ausführlich in der Anklageschrift, Anlage B, angeführt sind, wurde in den Dienst der Durchführung dieses Planes gestellt.

Bevor ich zur Betrachtung der konkreten Geschehnisse und Tatsachen übergehe, die den Anklagen gegen die hier vor Gericht Stehenden zugrunde liegen, halte ich es für notwendig, mich bei einigen allgemeinen Rechtsfragen aufzuhalten, die im Zusammenhang mit diesem Prozeß stehen. Dies ist deshalb notwendig, weil der gegenwärtige Prozeß der erste in der Geschichte ist, in dem die Rechtsprechung von einem Organ der internationalen Justiz, und zwar dem Internationalen Militärgerichtshof, ausgeübt wird. Es ist deshalb auch notwendig, daß sowohl in den schriftlichen als auch in den mündlichen an den Gerichtshof gerichteten Anträgen den Fragen des Rechtes eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt werde.

Das erste und allgemeinste Rechtsproblem, dem der Gerichtshof seine Aufmerksamkeit zuwenden muß, ist meiner Ansicht nach das Problem der Rechtmäßigkeit. Die großen Demokratien, die diesen Gerichtshof geschaffen haben, ebenso wie alle Demokratien der Welt, gründen sich, im Gegensatz zu dem System der faschistischen Tyranneien und der faschistischen Willkür, auf den festen Boden der Gesetze, auf dem sie auch handeln. Aber die Natur der Gesetze und ihre Auslegung können im nationalen und internationalen Sinn nicht gleichbedeutend sein. Das Gesetz – die lex – im Sinne des nationalen Rechtes ist der in die gehörige Form gekleidete Akt der gesetzgebenden Gewalt des Staates. In der zwischenstaatlichen Sphäre ist die Lage eine andere: In der zwischenstaatlichen Sphäre gab es keine und gibt es keine gesetzgebende Instanz, die zuständig wäre, Normen zu erlassen, die für die einzelnen Staaten bindend sind. Das rechtliche System der zwischenstaatlichen Beziehungen, unter Einschluß der Beziehungen, die ihren Ausdruck in dem gemeinsamen Kampf gegen das Verbrechertum finden, ruht auf [167] anderen rechtlichen Grundlagen. Auf zwischenstaatlichem Gebiet gilt als rechtsbegründende Quelle und als einziger rechtsbildender Akt lediglich das Übereinkommen, die Vereinbarung der Staaten. Ebenso wie in der staatlichen Sphäre das von den gesetzgebenden Körperschaften angenommene und ordnungsmäßig verkündete Gesetz die unerläßliche und ausreichende rechtliche Grundlage für die Tätigkeit der Organe der nationalen Justiz darstellt, so ist in der zwischenstaatlichen Sphäre die zwischen den Staaten abgeschlossene Vereinbarung die unerläßliche und ausreichende Rechtsgrundlage für die Einrichtung und die Tätigkeit der von den Staaten geschaffenen Organe der internationalen Justiz.

Durch das in London am 8. August 1945 geschlossene Abkommen der im Interesse aller freiheitsliebenden Völker handelnden vier Mächte ist der Internationale Militärgerichtshof für die Verurteilung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher geschaffen worden. Das Statut des Internationalen Militärgerichtshofs, das einen unabtrennbaren Bestandteil des Abkommens bildet, stellt daher das unerläßliche und ausreichende Gesetz dar, das die Grundlage, das Gerichtsverfahren und die Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher bestimmt. Die aus Furcht vor der Verantwortung oder im besten Falle aus Unverständnis über die rechtliche Natur der internationalen Justiz vorgebrachte Berufung auf den Grundsatz: »nullum crimen sine lege«, beziehungsweise den Satz: »Das Gesetz hat keine rückwirkende Kraft« verliert jegliche Bedeutung angesichts dieses einen grundlegenden und entscheidenden Umstandes, daß nämlich das Statut des Gerichtshofs vorhanden und wirksam ist, und daß alle seine Vorschriften bedingungslose und bindende Wirkung haben.

Auf Grund des Artikels 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs werden die Angeklagten der Verbrechen gegen den Frieden, der Verbrechen gegen die Gesetze und Gebräuche des Krieges und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Mit tiefster Befriedigung darf festgestellt werden, daß, wenn das Statut des Gerichtshofs diese Handlungen als verbrecherisch bezeichnet, es diejenigen internationalen Prinzipien und Ideen in rechtliche Normen kleidet, die im Laufe vieler Jahre zum Schutz des Rechtes und der Gerechtigkeit im Bereich der internationalen Beziehungen vertreten wurden.

Behandeln wir zunächst den verbrecherischen Angriff. Im Laufe einiger Jahrzehnte haben die an der Festigung des Friedens interessierten Völker den Gedanken gefördert und unterstützt, daß der Angriffskrieg den schwersten Eingriff in die friedlichen Beziehungen der Völker und das schwerste internationale Verbrechen darstellt. Diese Hoffnungen und Forderungen der Völker fanden ihren [168] Ausdruck in einer Reihe von Handlungen und Urkunden, die offiziell den Angriffskrieg als ein internationales Verbrechen anerkannten.

Am 27. August 1928 wurde in Paris der Kellogg- Briand-Pakt abgeschlossen.

»In der Überzeugung,« sagt der Pakt, »daß die Zeit gekommen ist, einen offenen Verzicht auf den Krieg als Werkzeug nationaler Politik auszusprechen... in der Überzeugung, daß jede Veränderung in ihren gegenseitigen Beziehungen nur durch friedliche Mittel angestrebt werden... sollte... Die Hohen Vertragschließenden Parteien erklären feierlich im Namen ihrer Völker, daß sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten.«

Im Jahre 1929, ein Jahr nach dem Abschluß des Pariser Paktes, wurde auf dem Bukarester Kongreß des internationalen Verbandes für Strafrecht eine Entschließung angenommen, die sich unmittelbar mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Angriffshandlungen beschäftigt:

»Im Hinblick darauf, daß der Krieg durch den Pariser Pakt vom Jahre 1928 geächtet wurde, halten wir es für notwendig, die internationale Ordnung und Harmonie auf dem Wege der Anwendung wirkungsvoller Sanktionen zu sichern.«

Der Kongreß erkannte »die Organisation der Internationalen Strafgerichtsbarkeit« und die Festlegung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Staaten sowie der Einzelpersonen für die Angriffshandlungen als notwendig an.

So war also schon lange das Prinzip der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für verbrecherische Angriffshandlungen verkündet, ein Prinzip, das eine deutliche rechtliche Verkörperung in Artikel 6(a) des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs gefunden hat.

Daraus folgt, daß die Angeklagten, die faschistischen Angreifer, als sie die räuberischen Überfälle auf andere Staaten vornahmen, wußten, daß sie damit die schwersten Verbrechen gegen den Frieden begingen; sie wußten es und sie wissen es, weshalb sie auch versuchten und es noch versuchen, die verbrecherische Angriffshandlung mit lügenhaften Worten zu tarnen, indem sie sich auf die Verteidigung berufen.

Ebenso wurde mehrmalig und autoritativ ausgesprochen, daß die Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges, die durch internationale Konventionen festgesetzt sind, eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen müßte.

In dieser Hinsicht muß vor allem festgestellt werden, daß die schwersten von den Hitler-Leuten begangenen Verbrechen gegen die [169] Gesetze und Gebräuche des Krieges, wie Mord, Vergewaltigung, Brandstiftung und Plünderung nach allen Strafgesetzordnungen der Welt strafbare Handlungen darstellen. Darüber hinaus aber ist auch in den internationalen Vereinbarungen, die zu dem ausschließlichen Zweck abgeschlossen wurden, um die Gesetze und Regeln der Kriegsführung festzulegen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen der Verletzung dieser Gesetze und Regeln angeordnet. So bestimmt Artikel 56 der Haager Konvention von 1907 folgendes:

»Das Eigentum der Gemeinden und der dem Gottesdienste, der Wohltätigkeit, dem Unterrichte, der Kunst und der Wissenschaft gewidmeten Anstalten, auch wenn diese dem Staate gehören, ist als Privateigentum zu behandeln.

Jede Beschlagnahme, jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von derartigen Anstalten, von geschichtlichen Denkmälern oder von Werken der Kunst und Wissenschaft ist untersagt und soll geahndet werden.«

So verbietet die Haager Konvention nicht nur den Verstoß gegen die Regeln der Kriegsführung, sondern sie stellt auch fest, daß diese Vergehen »geahndet werden müssen«, das heißt, strafbar sein müssen.

Mit noch größerer Bestimmtheit ordnet Artikel 29 der Genfer Konvention vom Jahre 1929 an:

»Die Regierungen der Vertragsparteien werden gleichermaßen die erforderlichen Maßnahmen treffen oder, im Fall der Unzulänglichkeit ihrer Strafgesetze, ihren gesetzgebenden Körperschaften vorschlagen, um in Kriegszeiten jede Handlung, die gegen die Bestimmungen dieser Abkommen verstößt, mit Strafe zu belegen.«

Schließlich ist das Prinzip der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber der Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges in aller Bestimmtheit in Artikel 3 der Vorschriften der »Konferenz von Washington, über Abrüstung und über die Fragen des Stillen Ozeans und des Fernen Ostens« ausgedrückt:

»Die vertragschließenden Staaten, in dem Bestreben, die Durchführung der erlassenen Gesetze sicherzustellen..., erklären, daß jede Persönlichkeit im Dienste, gleich welchen Staates, die gegen eine dieser Bestimmungen verstößt, gleichgültig ob es sich um einen Untergebenen eines Regierungsbeamten handelt oder nicht, als Übertreter des Krieges angesehen wird und den Gerichten der zivilen oder militärischen Behörden unterworfen ist.«

Daraus folgt, daß nach den unmittelbaren Bestimmungen der Haager und Genfer Konventionen und im Einklang mit den Vorschriften der Konferenz von Washington die strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen der Verstöße gegen die Regeln und Gebräuche[170] der Kriegsführung nicht nur möglich, sondern sogar verbindlich ist. Demgemäß definiert und umschreibt Punkt b des Artikels 6 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs näher die Prinzipien und Normen der darin behandelten Kriegsverbrechen, die bereits früher in den abgeschlossenen internationalen Konventionen enthalten waren.

Die Angeklagten wußten, daß die zynische Verhöhnung der Gesetze und Gebräuche des Krieges das schwerste Verbrechen darstellt; sie wußten es, aber hofften, daß der totale Krieg ihren Sieg sicherstellen und ihnen dadurch Straflosigkeit gewähren würde. Doch der Sieg folgte nicht den Spuren der Missetaten. Es folgte die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Es kam die Stunde der strengen Abrechnung für alle begangenen Missetaten.

Ich, im Namen der Sowjetunion, und meine geehrten Kollegen, die Hauptanklagevertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich, wir beschuldigen die Angeklagten, daß sie durch eine verbrecherische Verschwörung die ganze deutsche Zivil- und Militärmaschine leiteten und den Staatsapparat Deutschlands in einen Apparat zur Vorbereitung und Durchführung der verbrecherischen Angriffe und in einen Vernichtungsapparat für Millionen unschuldiger Menschen umgestalteten.

Wenn mehrere Verbrecher sich verabreden, einen Mord zu begehen, dann spielt jeder von ihnen eine bestimmte Rolle: der eine verfaßt den Mordplan, der andere wartet im Auto und der dritte schießt unmittelbar auf das Opfer. Doch, wie auch ihre Teilnehmerrolle beschaffen sein mag, so sind sie doch alle Mörder, und jedes beliebige Gericht in jedem beliebigen Land wird den Versuch einer Beweisführung abweisen, die dahin geht, daß die ersten zwei nicht Mörder seien, da sie nicht selbst auf das Opfer geschossen haben.

Je verwickelter und gefährlicher das geplante Verbrechen ist, desto verwickelter und dünner sind die Fäden, die die einzelnen Mittäter miteinander verbinden. Wenn eine Räuberbande einen Überfall begeht, so sind für den Überfall auch diejenigen Mitglieder der Bande verantwortlich, die an dem Überfall selbst keinen Anteil hatten. Wenn nun diese Bande einen ganz außergewöhnlichen Umfang erreicht und sich im Mittelpunkt des staatlichen Apparates befindet, und wenn diese Bande ungezählte und schwerste internationale Verbrechen begeht, so verwickeln sich die Fäden und Beziehungen zwischen den Mittätern in noch viel stärkerem Maße. Es tritt hier ein äußerst verzweigter Apparat in Tätigkeit, der sich aus einem ganzen System von Gliedern und Blöcken zusammensetzt, Zellenleitern, Blockleitern, Gauleitern, Reichsleitern und anderen, und das sich von den Ministersesseln bis zu den Fäusten der Henker erstreckt.

[171] Dieser Apparat, wie fest und mächtig er auch war, konnte doch nicht eine grundsätzliche und entscheidende Tatsache verdecken, die nämlich, daß sich im Zentrum dieses ganzen Systems eine Verschwörerbande befand, die den gesamten von ihnen aufgebauten Mechanismus in Bewegung setzte.

Wenn blühende Landschaften sich in Wüsten verwandelt haben und die Erde das Blut der Ermordeten getrunken hat, dann war dies das Werk ihrer Hände, ihrer aufreizenden Gedanken und ihrer Führung. Und wenn etwa dadurch, daß in diese Verbrechen die deutschen Massen hineingezogen wurden, und daß, bevor die Scharen von Hunden und Henkern gegen Millionen Unschuldiger gehetzt wurden, die Angeklagten durch Jahre hindurch das Gewissen und den Verstand einer gesamten deutschen Generation vergifteten, indem sie ihr den Übermut der »Ausgewählten«, die Moral von Menschenfressern und die Habsucht von Räubern einflößten, wird dadurch etwa die Schuld der Hitler-Verschwörer geringer oder weniger?

Das Statut des Internationalen Militärgerichtshofs löst, indem es dem Willen der Völker Ausdruck verleiht, diese Frage folgendermaßen:

»Anführer, Organisatoren, Anstifter und Teilnehmer, die am Entwurf oder der Ausführung eines gemeinsamen Planes oder einer Verschwörung zur Begehung eines der vorgenannten Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Gesetze und Gebräuche der Kriegsführung oder gegen die Menschlichkeit teilgenommen haben, sind für alle Handlungen verantwortlich, die von irgendeiner Person in Ausführung eines solchen Planes begangen Worden sind.«

Artikel 6 des Statuts.

Im Interesse einer erfolgreichen Durchführung ihrer verbrecherischen Pläne haben die Hitler-Verschwörer: Göring, Heß, Rosenberg, Fritzsche, Schirach und die anderen Angeklagten die menschenverachtende Weltanschauung der »Höheren Rasse« ausgearbeitet. Sie beabsichtigten, mit Hilfe dieser sogenannten »Theorie« die Ansprüche des deutschen Faschismus auf eine Herrschaft über andere, von dieser Theorie als minderwertig bezeichnete Völker zu rechtfertigen. Aus dieser »Theorie« folgt, daß die Deutschen zufolge ihrer Zugehörigkeit zu dieser höheren Rasse daraus das Recht ableiteten, ihr eigenes Wohlergehen auf den Knochen anderer Rassen und Völker aufzubauen. Die »Theorie« erklärte, daß die deutsch-faschistischen Usurpatoren an Gesetze und allgemein anerkannte Gebote der menschlichen Moral nicht gebunden seien. Der »Herrenrasse« ist alles erlaubt. Alle Handlungen dieser Herren, wie abscheulich und schamlos, wie grausam und ungeheuerlich sie auch [172] sein mögen, waren auf diese »Idee« der Überlegenheit dieser Rasse gegründet.

»Wir wollen«, sagte Hitler, »die Auswahl einer neuen Herrenschicht treffen, der Mitleid fremd ist; eine Schicht, die erkennen wird, daß sie, auf Grund ihrer besseren Rasse, das Recht hat, zu herrschen, eine Schicht, die ohne Schwanken ihre Herrschaft erringen und behaupten können wird.«

Ernst Otwald, »Deutschland erwache« 1932, Seite 353.

Diese deutsch-faschistische Rassen-»Theorie« sollte außerdem als »wissenschaftliche« Grundlage für den von den Hitler-Leuten vorbereiteten Überfall auf die demokratischen Länder dienen, und zwar dadurch, daß durch sie die Angriffskriege gerechtfertigt wurden, zu denen sich die Hitleristen während ihrer Herrschaft in Deutschland fieberhaft vorbereiteten.

Die Rassentheorie diente auf diese Weise dem Zweck, die Verschwörung zur Durchführung der raubsüchtigen Bestrebungen der deutschen imperialistischen Clique zu rechtfertigen.

Durch Anordnungen der deutsch-faschistischen Behörden wurde die »Rassenlehre« als höchst wichtiges Zwangsfach in die Lehrpläne eingeführt. Die Schulen und Universitäten wurden in den Händen des deutschen Faschismus zu Mittelpunkten der geistigen und moralischen Entartung der Menschen, die für die Zivilisation äußerst gefährlich waren. Alle Wissenschaften wurden militarisiert, alle Kunstgattungen den Zielen der Aggression unterstellt:

»Wir treten an die Wissenschaft heran, unbeschwert von Wissenslast und wissenschaftlicher Bildung«, heißt es in der faschistischen Zeitschrift »Politische Wissenschaft«, Nummer 3, vom Jahre 1934. »Der Student muß in eine Hochschule mit der Forderung eintreten, daß die Wissenschaft genau so soldatisch sein soll wie seine eigene Ausbildung, und daß der Professor Führer-Eigenschaften und eine soldatische Ausbildung haben soll.

Wir wollen wieder Waffen!« sagte Hitler, »dann muß allerdings, von der Fibel des Kindes angefangen bis zur letzten Zeitung, jedes Theater und jedes Kino, jede Plakatsäule und jede freie Bretterwand in den Dienst dieser einzigen großen Mission gestellt werden....«

Adolf Hitler »Mein Kampf«, München 1933, Seite 715.

Die Geographie diente als »Werkzeug der Propaganda« für die »hervorragende Bedeutung der Deutschen in der Welt«, für ihr »Recht« zur »Beherrschung« anderer Völker. Der Jugend wurde das Gefühl ihrer rassischen Überlegenheit, des Hochmuts, des Menschenhasses und der Verachtung und Härte gegenüber anderen Völkern eingeflößt.

[173] Ein deutsches faschistisches Lied lautet:

»... Wir werden weiter marschieren, wenn alles in Scherben fällt, denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt.«

Die deutsch-faschistische »Ideologie« entfesselte die wildesten und niedrigsten Instinkte. Die Faschisten erhoben zu ihren Prinzipien die Willkür, die Vergewaltigung, die Verhöhnung der Menschen. Sie erklärten die Ideen der Freiheit, die Ideen der Aufklärung und die Forderungen der Menschlichkeit für das Herrenvolk als gefährlich.

»Ich« – sagte Hitler – »befreite die Menschen von den Schranken der Intelligenz, vom schmutzigen, erniedrigenden, vergifteten Wahn – Gewissen und Moral genannt – und von den Forderungen nach Freiheit und persönlicher Unabhängigkeit, die nur von wenigen getragen werden können.« Hermann Rauschning, »The Voice of Destruction« – »Die Stimme der Vernichtung«.

Auf den Geist solcher »Prinzipien« war das System der faschistischen Erziehung der Deutschen aufgebaut, eigens dazu, sie zur widerspruchslosen Durchführung der raubsüchtigen Pläne und Ziele vorzubereiten, die Deutschland von der Hitler-Regierung vorgesetzt wurden. Das Gift des Chauvinismus und des Menschenhasses, wirkte auf das Bewußtsein der Deutschen und war das Ergebnis der faschistischen Propaganda und des ganzen Systems, das von der Hitler-Regierung kultiviert wurde. Die Eroberungspläne des deutschen Faschismus reiften mit jedem Jahr seit der Machtergreifung der Hitleristen mehr und mehr heran, bis sie schließlich zum Kriege führten. Dieser Krieg wurde von Hitler-Deutschland und seinen Vasallen als »Blitzkrieg« ausgedacht, geplant und begonnen, ein Blitzkrieg, der nach der Vorstellung der Verschwörer der Meute der hitlerischen Halsabschneider einen schnellen und leichten Sieg und damit die Herrschaft über alle Länder Europas bringen sollte.

Das Ziel der verbrecherischen Verschwörung bestand in der Errichtung einer räuberischen »Neuen Ordnung« in Europa. Diese »Neue Ordnung« stellte eine Schreckensherrschaft dar, mit deren Hilfe in den von den Hitler-Horden überrannten Ländern alle demokratischen Einrichtungen und bürgerlichen Rechte der Bevölkerung vernichtet und diese Länder selbst einer raubsüchtigen Ausbeutung und Ausplünderung ausgesetzt wurden. Die Bevölkerung dieser Länder, insbesondere die Russen, Ukrainer, Weißrussen, Polen, Tschechen, Serben, Slowenen, Juden waren unbarmherzigen Verfolgungen und physischen Massenausrottungen ausgesetzt.

Es ist den Verschwörern nicht gelungen, diese Pläne zu verwirklichen. Der mannhafte Kampf der Völker der demokratischen Länder, unter der Führung der Koalition der drei Großmächte, der [174] Sowjetunion, der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritanniens, führte zur Befreiung der europäischen Länder von dem hitlerischen Joch. Der Sieg der Sowjetarmeen und der Armeen der Verbündeten zerstörte die verbrecherischen Pläne der faschistischen Verschwörer und befreite die Völker Europas von der furchtbaren Gefahr einer Herrschaft des Hitlerismus.

Wir, die Ankläger, sind nach dem Gesetz und auf Grund unserer Verpflichtung gegenüber den Völkern der demokratischen Länder und gegenüber der Menschheit gezwungen, dem Internationalen Militärgerichtshof die Beweise vorzulegen, die die Angeklagten überführen, die schwersten Verbrechen begangen zu haben.

Ich bitte um die Erlaubnis, zusammen mit meinen Kollegen meine Pflicht erfüllen und dem Internationalen Militärgerichtshof die Beweise vorlegen zu dürfen, die zusammen mit dem Material, das von den Anklagevertretern der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs vorgelegt wurde, das volle und erschöpfende Beweismaterial in dieser Sache darstellen werden.

Die Angeklagten Göring, Heß, Ribbentrop, Keitel, Raeder, Rosenberg, Kaltenbrunner, Frank, Frick, Dönitz, Fritzsche und andere Angeklagte werden beschuldigt, eine Verschwörung organisiert zu haben, die die gewaltsame Aufrichtung der Herrschaft des deutschen Imperialismus und die Verpflanzung des faschistischen Regimes in allen Ländern Europas und sodann in der ganzen Welt zum Ziele hatte.

Der Kernpunkt des Planes war die Organisierung der Angriffskriege und eine gewaltsame Änderung der ganzen Weltkarte. In Durchführung dieses Überfallplanes haben die verbrecherische Hitler-Regierung und der deutsche Generalstab den Überfall auf Österreich, die Tschechoslowakei, Norwegen, Belgien, Holland, Frankreich, Polen, Griechenland und Jugoslawien vorbereitet und durchgeführt. Sie haben den räuberischen Überfall auf die Sowjetunion vorbereitet und durchgeführt.

Meine Kollegen, die Anklagevertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs, haben dem Gerichtshof bereits schwerwiegende und unwiderlegbare Beweise vorgelegt, die die Tatsachen der deutschen Angriffe gegen diese Länder sowie gegen Belgien, Holland, Griechenland und gegen eine Reihe anderer Staaten, die Hitlers raubsüchtigem Imperialismus zum Opfer gefallen sind, erhärtet haben.

Erlauben Sie, meine Herren Richter, auch mir, die Beweise vorzubringen für die ungeheuerlichen Verbrechen der Angeklagten, die in der Vorbereitung und Durchführung von Angriffskriegen gegen die freiheitsliebenden Völker bestehen.

[175] Das in den Prozeß eingeführte Dokument, das unter dem Namen »Fall Grün« bekannt ist, enthält den Plan für den Überfall auf die Tschechoslowakische Republik. Diese Weisung, die von Hitler unterschrieben ist, wurde mit einem von Keitel unterzeichneten Begleitschreiben verschickt. Die Anweisung beginnt mit einer »Politischen Voraussetzung«, in der es wörtlich heißt:

»Es ist mein unabänderlicher Entschluß, die Tschechoslowakei in absehbarer Zeit durch eine militärische Aktion zu erschlagen. Den politisch und militärisch geeigneten Zeitpunkt abzuwarten oder herbeizuführen, ist Sache der politischen Führung.

Eine unabwendbare Entwicklung der Zustände innerhalb der Tschechoslowakei oder sonstige politische Ereignisse in Europa, die eine überraschend günstige, vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit schaffen, können mich zum frühzeitigen Handeln veranlassen.

Die richtige Wahl und entschlossene Ausnützung eines günstigen Augenblicks ist die sicherste Gewähr für den Erfolg. Dementsprechend sind die Vorbereitungen unverzüglich zu treffen.«

Hitler geht sodann zur Erläuterung der politischen Möglichkeiten und Voraussetzungen für den Beginn des Überfalls über und enthüllt in zynischer Weise folgende Voraussetzungen:

  • a) ein geeigneter kriegerischer Anlaß, und in Verbindung mit ihm

  • b) eine befriedigende politische Rechtfertigung,

  • c) ein für den Gegner unerwartetes Handeln, das ihn in einem möglichst geringen Bereitschaftszustand trifft. Nach Hitlers Ansicht war der in militärischer und politischer Beziehung am besten geeignete Augenblick der blitzartige, getarnte deutsche Überfall auf Grund eines Zwischenfalls, der in den Augen wenigstens eines Teils der Weltöffentlichkeit kriegerische Maßnahmen rechtfertigen würde.

Die Anweisung sah eine konkrete Vorbereitung für den Überfall auf die Tschechoslowakei unter Verwendung verschiedener Armeegattungen vor.

So spricht der bereits vom Mai 1938 datierte Fall »Grün« vollkommen klar und konkret von der gründlich durchdachten Vorbereitung des Überfalls auf die Tschechoslowakei.

Die Sowjetische Anklagebehörde wird Urkunden aus den Archiven des Deutschen Auswärtigen Amtes vorlegen, die die verbrecherischen Methoden der Hitleristen bei ihrer Vorbereitung zum Angriff auf die Tschechoslowakei zeigen werden.

Ihnen, meine Herren Richter, wie auch der ganzen Welt, ist es zur Genüge bekannt, mit welcher Planmäßigkeit und Härte dieser [176] verbrecherische Plan von seiten des hitlerischen räuberischen Imperialismus durchgeführt wurde.

Nachdem die Hitleristen nach der Besetzung der Tschechoslowakei eine unerträgliche Schreckensherrschaft errichtet hatten, verschleppten sie, wobei sie nicht einmal die Kinder verschonten, viele Tausende tschechische Staatsangehörige in die deutsche Sklaverei und schickten sie in Fabriken, in die Landwirtschaft und in die Bergwerke.

Die tschechische Jugend wurde jeder Bildungsmöglichkeit beraubt. Als sich im Jahre 1942 eine Tschechische Delegation an Frank mit der Bitte wandte, die Eröffnung tschechischer Hochschulen zu gestatten, antwortete er zynisch:

»Wenn England den Krieg gewinnt, werden Sie selbst Ihre Schulen wieder eröffnen; wenn Deutschland den Krieg gewinnt, dann werden die fünfklassigen Volksschulen für Sie ausreichend sein.«

Jeder hat noch die blutigen Vergeltungsmaßnahmen der hitlerischen Henker in Erinnerung. Über eine der zahlreichen ungeheuerlichsten Repressalien gegenüber der friedlichen Bevölkerung wurde in der deutschen Zeitung »Der Neue Tag« vom 11. Juni 1942 berichtet:

»Auf der Suche nach dem Mörder des SS-Obergruppenführers Heydrich ist es unwiderlegbar bewiesen worden, daß die Einwohner des Dorfes Lidice in der Nähe von Kladno den Schuldigen am Verbrechen geholfen und beigestanden haben. Das ist bewiesen worden, trotzdem die Einwohner ihre Mittäterschaft abstreiten. Die Einstellung der Einwohner solch einem Verbrechen gegenüber ist auch durch andere feindselige Tätigkeit gegen das Reich bewiesen. Zum Beispiel wurde illegale Literatur entdeckt, sowie Waffenlager und Kriegsvorräte und auch Rundfunksender, und schließlich gesetzwidriges Aufspeichern vieler rationierter Waren. Alle Männer wurden erschossen. Frauen wurden in KZ's geschickt und Kinder in eine zuständige Erziehungsanstalt gebracht. Alle Gebäude dieses Dorfes wurden dem Erdboden gleichgemacht und der Name des Dorfes ausgelöscht.«

Die Anklage verfügt über amtliches Material der Tschechoslowakischen Regierung über die zum Himmel schreienden Verbrechen, die von, den hitlerischen Eindringlingen auf tschechoslowakischem Boden begangen wurden. In dem Bericht der Tschechoslowakischen Regierung, der zum größten Teil der Darstellung des Besatzungsregimes der Hitleristen in der Tschechoslowakei gewidmet ist, werden zahlreiche Terrorakte angeführt: Erschießen von Geiseln, Massenverschleppung in Konzentrationslager, Morde an Frauen und Kindern.

[177] Auf solche Art und Weise geschah die Durchführung des »Falles Grün«.

Am 1. September 1939 fielen die faschistischen Angreifer unter treuloser Verletzung der früher abgeschlossenen Verträge über Polen her. Das polnische Volk wurde einer Massenausrottung unterworfen, die polnischen Städte und Dörfer wurden erbarmungslos zerstört.

Von meinem Kollegen sind dem Gerichtshof amtliche Urkunden zur Kenntnis gebracht worden, die diesen Überfall entlarven. Unter diesen Urkunden befindet sich vor allem eine geheime Kommandosache über eine Besprechung bei Hitler, die am 23. Mai 1939 stattgefunden hat, und an der außer Hitler und anderen Personen auch die Angeklagten Göring, Raeder und Keitel teilgenommen haben.

In dieser Sitzung hielt Hitler eine lange Rede, in der er über die »gegenwärtige Lage und die politischen Ziele« sprach. Hitler sagte:

»Der Pole ist kein zusätzlicher Feind, Polen wird immer auf der Seite unserer Gegner stehen. Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um Arrondierung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung. Aufrollen des Ostsee- und Baltikumproblems.

Es entfällt«, sagte Hitler, »also die Frage, Polen zu schonen, und es bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen. An eine Wiederholung der Tschechei ist nicht zu glauben. Es wird zum Kampf kommen.«

Hitler sagte weiter:

»Grundsatz: Auseinandersetzung mit Polen, beginnend mit Angriff gegen Polen, ist nur dann von Erfolg, wenn der Westen aus dem Spiel bleibt. Ist das nicht möglich, dann ist es besser, den Westen anzufallen und dabei Polen zu erledigen.«

Im zweiten Fall seines Vortrags auf dieser Sitzung geht Hitler im einzelnen auf eine ganze Reihe von strategischen Fragen ein, die mit seinem Entschluß, Polen zu überfallen, zusammenhingen. So wurde frühzeitig der räuberische Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen vorbereitet, der dann auch im September 1939 zur Ausführung gelangt ist.

Es werden von uns dokumentarische Beweise für die ungeheuerlichen Verbrechen vorgelegt werden, die von den Hitleristen in Polen begangen wurden.

Zu der Zahl der anderen slawischen Länder, die einem plötzlichen Überfall von seiten Hitler-Deutschlands zum Opfer fielen, gehört auch Jugoslawien. Es ist bekannt, daß die Hitler-Regierung mehrmals lügenhafte Versicherungen darüber abgab, daß Deutschland keine Angriffsabsichten gegenüber Jugoslawien habe. So [178] erklärte Hitler am 28. April 1939 in seiner Rede vor dem Reichstag, daß Deutschland bereit sei, einer Reihe von Ländern, insbesondere Jugoslawien, die Zusicherung zu geben, das gute Einverständnis mit ihnen aufrechtzuerhalten, da es mit diesen Staaten in einem Bündnisverhältnis stehe und durch enge »Bande der Freundschaft« mit ihnen verbunden sei.

Noch früher, am 28. April 1938, hat eine Berliner Agentur folgendes gemeldet:

»Vertrauenspersonen haben der Jugoslawischen Regierung im Namen Deutschlands mitgeteilt, daß die Absichten Deutschlands nicht über Österreich hinausgehen und daß die jugoslawische Grenze unantastbar bleibt.«

Ungeachtet dieser mehrfachen und kategorischen Erklärungen ist die Hitler-Armee am 6. April 1941 in Jugoslawien eingefallen und hat dieses Land besetzt. Dieser Überfall kam nur dem betroffenen Lande unerwartet, da die faschistische Clique schon im voraus, wie auch in den vorher erwähnten Fällen, den Angriffsplan sorgfältig ausgearbeitet hatte.

In den streng geheimen Weisungen des Führer hauptquartiers vom 27. März 1941, die nur für die höheren Kommandostellen der deutschen Armee bestimmt waren, heißt es:

»Meine Absicht geht dahin, mit konzentrierten Schlägen aus dem Gebiet Fiume-Graz und Sofia, in der allgemeinen Richtung auf Belgrad und südlich davon, in Jugoslawien einzufallen mit dem Ziel, sowohl der jugoslawischen Armee eine entscheidende Niederlage zu bereiten als auch den südlichen Teil Jugoslawiens vom Rest des Landes abzuschneiden und in eine Operationsbasis für die Fortsetzung der deutschitalienischen Operationen gegen Griechenland zu verwandeln. Mit dem Versprechen, ihnen Mazedonien und den Banat zurückzugeben, werden Maßnahmen getroffen, um Bulgarien und Ungarn zur Teilnahme an den Operationen zu bewegen.

Die innerpolitische Krise in Jugoslawien wird dadurch verschärft werden, daß den Kroaten politische Garantien gegeben werden.«

Ferner setzt diese Weisung im einzelnen den strategischen Plan des Einfalls in Jugoslawien fest und sieht die konkrete Teilnahme der Streitkräfte der Deutschen Wehrmacht an diesem Angriff vor, darunter die der zehnten Luftflotte, die für diese Operation aus dem italienischen Raum abgezogen werden soll.

So können wir auf Grund von Originaldokumenten der Hitler-Regierung und des Oberkommandos der deutschen Wehrmacht feststellen, daß Hitler-Deutsch land in allen Fällen eines Angriffs auf slawische Länder nach einem rechtzeitig ausgearbeiteten Plan gehandelt hat, der einen Teil der allgemeinen verbrecherischen [179] Verschwörung des räuberischen deutschen Imperialismus gegen die friedliebenden Nationen darstellt.

Jugoslawien wurde, ebenso wie Polen, ein Opfer der deutschfaschistischen Räuber, die dieses blühende Land mit Ruinen zudeckten und Wiesen, Gärten und Äcker mit den Leichen vieler Tausender jugoslawischer Patrioten bedeckt haben, die in heldenhaftem Kampf gegen die fremdländischen Eindringlinge und Unterdrücker, im Kampf für die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Vaterlandes gefallen sind.

VORSITZENDER: Wäre es jetzt nicht angebracht, eine Zehn-Minuten-Pause zu machen?


[Pause von 10 Minuten.]


GENERAL RUDENKO: Meine Herren Richter! Ich gehe zur Darlegung der Verbrechen über, die von den hitlerischen Angreifern gegenüber meinem Vaterland, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, begangen wurden.

Am 22. Juni 1941 überfiel das Hitler-Deutschland in verräterischer Weise die Sowjetunion.

Allerdings ist dieses Datum nicht als der Anfang der Durchführung der Hitler-deutschen Angriffspläne auf die Sowjetunion zu betrachten. Das, was am 22. Juni 1941 geschehen ist, wurde lange vorher ausgedacht, vorbereitet und geplant. Diese Vorbereitung haben die Hitler-Verschwörer ohne Unterbrechung betrieben. Alle Angriffshandlungen Deutschlands gegenüber einer Reihe europäischer Staaten, die in der Zeit von 1938 bis 1941 begangen wurden, erscheinen in Wirklichkeit nur als Vorbereitungen für den Hauptschlag gegen den Osten.

Das faschistische Deutschland verfolgte das verbrecherische Ziel, sich des Gebietes der Sowjetunion zu bemächtigen, um die Völker der Sowjetunion auszuplündern und ausbeuten zu können.

Um dies bestätigt zu finden, brauchen wir uns nicht auf Hitlers Buch »Mein Kampf« und andere Bücher und Artikel der hitlerischen Häuptlinge zu beziehen, in denen bekanntlich die Sowjetunion unmittelbar bedroht wird und in denen der Hinweis enthalten ist, daß der Angriff des deutschen Imperialismus gegen den Osten gerichtet werden müsse, um den sogenannten »Lebensraum« zu erobern. Diese Bestrebungen des deutschen räuberischen Imperialismus kommen in der bekannten Formel »Drang nach Osten« zum Ausdruck.

Ich beziehe mich zum Beweis auf die offiziellen Dokumente der Hitler-Regierung, durch die die Angeklagten vollkommen überführt werden, die verbrecherischen Handlungen begangen zu haben, die [180] ihnen in der Anklageschrift in diesem Prozeß zur Last gelegt werden.

Gestatten Sie mir, vor allem auf ein Dokument zu verweisen, das die Bezeichnung »Bericht über die Besprechung vom 23. Mai 1939« trägt. Wie aus diesem Dokument ersichtlich ist, fand diese Besprechung im Arbeitszimmer Hitlers in der neuen Reichskanzlei statt, und die Notizen darüber sind von Oberstleutnant im Generalstab Schmundt verfaßt. Bei der Besprechung waren anwesend: Hitler, Göring, Raeder, Brauchitsch, Keitel, Generaloberst Milch, General der Artillerie Halder und andere Vertreter des deutschen Oberkommandos.

In der Notiz heißt es, daß Gegenstand der Besprechungen die »Unterrichtung über die Lage und Ziele der Politik« waren.

Bei der Besprechung hat Hitler in seiner Rede wiederholt die Fragen der Aneignung von Gebieten im Osten berührt. Er sagte:

»Zwingt uns das Schicksal zur Auseinandersetzung mit dem Westen, ist es gut, einen größeren Ostraum zu besitzen.«

Und weiter:

»Es handelt sich für uns um Arrondierung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Er nährung. Aufrollen, des Ostsee- und Baltikum-Problems.

Lebensmittelversorgung nur von dort möglich, wo geringe Besiedelung. Neben der Fruchtbarkeit wird die deutsche gründliche Bewirtschaftung die Überschüsse um ein Mehrfaches steigern.«

In einem anderen Dokument, das die Bezeichnung »Besprechung beim Führer, zu der alle Oberbefehlshaber befohlen sind, am 23. 11. 39« trägt, unterstrich Hitler die unbedingte Notwendigkeit, das Problem des Kampfes um Öl, Gummi und notwendige Erze zu lösen. In diesen Ausführungen formulierte Hitler die Hauptaufgaben in folgender Weise:

»Anpassung des Lebensraumes an die Volkszahl.

Es ist ein ewiges Problem, die Zahl der Deutschen in Verhältnis zu bringen zum Boden. Sicherung des notwendigen Raumes. Keine geklügelte Gescheitheit hilft hier, Lösung nur mit dem Schwert.«

In dieser Besprechung hat Hitler mit aller Offenheit seinen gegen den Osten gerichteten Plan aufgedeckt. Indem er mit seinen Erfolgen bei den Überfällen auf Mähren, Böhmen, Polen prahlte, hat er seine Absichten über die weiteren Angriffe im Osten nicht mehr verhehlt.

»Grundsätzlich habe ich«, so sagte Hitler, »die Wehrmacht nicht aufgestellt, um nicht zu schlagen. Der Entschluß zum Schlagen war immer in mir. Früher oder später wollte ich das Problem lösen.«

[181] Dabei war die Hitler-Regierung keineswegs durch den Nichtangriffspakt gehemmt, der am 23. August 1939 zwischen Deutschland und der Sowjetunion abgeschlossen wurde. Übrigens ist jetzt der zynische Ausspruch Hitlers schon allgemein bekanntgeworden, wonach Verträge nur so lange gehalten werden, als sie zweckmäßig sind.

Mein amerikanischer Kollege hat in seiner Rede bereits die Ausführungen des Angeklagten Jodl auf der Konferenz der Gauleiter vom Januar 1943 zitiert. In dieser Rede sagte der Angeklagte Jodl:

»... noch zu der Zeit, als der Feldzug im Westen im Gange war, hat Hitler mir seine Absichten, gegen die Sowjetunion vorzugehen, mitgeteilt.«

Raeder seinerseits hat während der Untersuchung ausgesagt, daß der Gedanke, gegen die Sowjetunion zu marschieren, schon lange vorher in Hitlers Gehirn geboren war, aber er verstärkte sich immer mehr in dem Maße, als die Wahrscheinlichkeit einer Landung in England im Juni 1940 abnahm.

Nach der Aussage des Angeklagten Keitel hatte Hitler sich entschlossen, die Sowjetunion Ende 1940 zu überfallen. Schon früher, im Frühjahr 1940, wurde der Plan des Überfalls auf die Sowjetunion ausgearbeitet. Die Beratungen hierüber dauerten den ganzen Sommer hindurch an. Im Juli 1940 wurde auf einer militärischen Beratung in Reichenhall der Angriffsplan gegen die Sowjetunion geprüft.

Das wird auch durch die Aussagen des Angeklagten Jodl bestätigt, der im Verhör ausgesagt hat, daß die Pläne für den Überfall auf die Sowjetunion im November-Dezember 1940 konkret ausgearbeitet wurden, und daß zu jener Zeit die ersten Weisungen an Armee, Flotte und Luftwaffe gegeben worden sind. Unter diesen Weisungen versteht Jodl jene Aufzeichnungen, die unter dem Namen »Fall Barbarossa« bekannt sind. Dieses Dokument ist von Hitler, Jodl und Keitel unterschrieben.

Diese nur für die höheren militärischen Führer bestimmte Weisung enthält das sorgfältig ausgearbeitete Programm eines plötzlichen Angriffs auf Sowjetrußland.

Ich zitiere:

»Die Deutsche Wehrmacht muß darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England, Sowjetrußland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa).

Das Heer wird hierzu alle verfügbaren Verbände einzusetzen haben mit der Einschränkung, daß die besetzten Gebiete gegen Überraschungen gesichert sein müssen.«

[182] Die Weisung Fall »Barbarossa« unterstreicht, daß entscheidender Wert darauf gelegt werden müsse, daß die Absicht eines Angriffs nicht erkennbar wird.

Weiter wird in dieser Weisung darauf hingewiesen, daß der Befehl zum Angriff auf Sowjetrußland notfalls acht Wochen vor Beginn der beabsichtigten Operationen gegeben werden wird, und daß die Vorbereitungen, die eine längere Anlaufzeit benötigen, schon jetzt in Angriff genommen werden und bis zum 15. Mai 1941 beendet sein müssen, soweit dies noch nicht geschehen ist.

Und schließlich enthält die gleiche Weisung auch in Einzelheiten gehende strategische Pläne des Überfalls auf die Sowjetunion, in denen bereits die Teilnahme Rumäniens und Finnlands an diesem Überfall in konkreter Form vorgesehen war. Insbesondere heißt es in der Weisung ausdrücklich:

»Voraussichtliche Verbündete und ihre Aufgaben.

1. Auf den Flügeln unserer Operation ist mit der aktiven Teilnahme Rumäniens und Finnlands am Kriege gegen Sowjetrußland zu rechnen.«

In dieser Weisung heißt es auch, daß man mit der Möglichkeit rechnen kann, daß schwedische Bahnen und Straßen spätestens von Operationsbeginn an für den Aufmarsch der deutschen Nordgruppe zur Verfügung stehen werden.

Daraus geht also unzweifelhaft hervor, daß schon zu jener Zeit die Hitler-Regierung sich des Einverständnisses der Regierungen Rumäniens und Finnlands dazu versichert hatte, daß ihre Länder am Überfall auf die Sowjetunion in Gemeinschaft mit Deutschland teilnehmen würden.

Letzter Umstand ergibt sich nicht nur aus dem Text der Weisung Fall »Barbarossa«, sondern auch aus anderen Daten, die wir besitzen. So heißt es zum Beispiel in der Aussage des deutschen Generals der Infanterie Buschenhagen, die wir dem Gerichtshof vorlegen werden:

»1.) Ende Dezember 1940 (etwa am 20. 12.) wurde ich in meiner Eigenschaft als Oberst und Chef des Generalstabes der deutschen Truppen in Norwegen auf einige Tage in das OKH (Oberkommando des Heeres) in Zossen (bei Berlin) befohlen, wo eine Besprechung der Chefs der Generalstäbe der deutschen Armeen stattfand. Hierbei orientierte der Chef des deutschen Generalstabes, Generaloberst Halder, diese über den ›Barbarossa‹- Plan zum Angriff gegen die Sowjetunion. Zu derselben Zeit befand sich dort auch der Chef des finnischen Generalstabes, General Heinrichs, in Zossen. Er hatte Unterredungen mit Generaloberst Halder.«

Weiter wird in der Aussage Buschenhagens ausgeführt, daß er im Februar 1941 nach Helsinki fuhr, wo er zusammen mit einem [183] Vertreter der finnischen Armee den konkreten Plan für den Überfall auf die Sowjetunion ausarbeitete. Am 2. und 3. März 1941, bei seiner Rückkehr nach Oslo, stellte er das Material über seine Reise zusammen und leitete es an das OKW weiter:

»Es entstand daraus später«, so sagt Buschenhagen aus, »der Operationsplan ›Blaufuchs‹, der einen Angriff aus dem Raume Runsamo, Rovaniemi, Petsamo gegen die Murmansk-Bahn vorsah. Die Aufmarschbewegung im Raume Kirkenes-Petsamo erhielt den Namen ›Renntier‹, die Aufmarschbewegung im Raume Rovaniemi ›Silberfuchs‹.«

Ferner flog Buschenhagen, wie er selbst ausführt, Ende April oder Anfang Mai 1941 wieder nach Helsinki, wo

»im finnischen Generalstab Aussprachen mit General Heinrichs, General Airound und Oberst Tapola stattfanden, in deren Verlauf uns erklärt wurde, daß der finnische Generalstab voll zur Mithilfe bei einem bevorstehenden deutsch-sowjetischen Krieg bereit ist.«

In seinen eigenhändig geschriebenen Angaben, die er vor den Untersuchungsbehörden der Sowjetunion gemacht hat, und die wir dem Gerichtshof vorlegen werden, berichtet Marschall Jon Antonescu über seine Begegnungen mit Hitler im November 1940, Januar 1941 und Mai 1941, bei denen die Fragen behandelt wurden, die sich auf die Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion bezogen.

In dem ersten Gespräch zwischen Antonescu und Hitler, an dem Ribbentrop und der persönliche Dolmetscher Hitlers, Schmidt, teilnahmen, wurden Fragen besprochen, die in unmittelbarer Beziehung mit dem von Deutschland vorbereiteten Angriff auf die Sowjetunion und mit der Frage der Beteiligung Rumäniens an diesem Angriff standen.

Auf die von den sowjetischen Untersuchungsbehörden gestellte Frage, ob man Antonescus erste Unterredung mit Hitler als den Beginn seiner Verabredung mit den Deutschen zur Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion betrachten kann, sagte er:

»Ich antworte bejahend. Bei der Ausarbeitung der Angriffspläne auf die Sowjetunion hat Hitler diesen Umstand zweifellos berücksichtigt.«

Bei der zweiten Begegnung zwischen Antonescu und Hitler, die im Januar 1941 stattfand und an der die Angeklagten Ribbentrop, Keitel und Jodl teilgenommen haben, bat Hitler Antonescu, den in Ungarn konzentrierten deutschen Truppen Durchzug durch Rumänien zu gewähren, damit sie den Italienern im Kriege gegen Griechenland Hilfe leisten könnten.

Antonescu sagt aus:

»Ich sprach die Befürchtung aus, daß der Durchmarsch deutscher Truppen durch Rumänien Anlaß zu Kriegshandlungen [184] seitens der Sowjetunion geben könnte und daß Rumänien dadurch in eine schwere Lage gerate, da die rumänische Armee nicht mobilisiert sei. Hitler erklärte darauf, daß er den Befehl erteilen würde, einen Teil der deutschen Truppen, die zum Einsatz gegen Griechenland bestimmt waren, in Rumänien zurückzulassen.

Hitler betonte dabei, daß nach der ihm zur Ver fügung stehenden Information die Sowjetunion nicht entschlossen sei, gegen Deutschland oder Rumänien zu kämpfen.

Da ich von diesen Erklärungen Hitlers befriedigt war, willigte ich ein, die deutschen Truppen durch Rumänien durchzulassen.

Der bei dieser Besprechung anwesend gewesene Generaloberst Jodl schilderte mir die strategische Lage der Deutschen Wehrmacht und wies auf die Notwendigkeit eines Schlages gegen Griechenland von Bulgarien her hin.«

Antonescu spricht sodann über das dritte Zusammentreffen mit Hitler im Mai 1941 in München, bei dem der Angeklagte Ribbentrop anwesend war und erklärt dabei:

»Bei diesem Zusammentreffen... verabredeten wir uns schon endgültig über den gemeinsamen Überfall gegen die Sowjetunion.

Hitler eröffnete mir, daß er den Entschluß über den militärischen Angriff gegen die Sowjetunion gefaßt habe. Nachdem wir uns auf diesen Überfall vorbereitet haben, fuhr Hitler fort, müssen wir ihn unerwartet längs der gesamten sowjetischen Grenzen, vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee, verwirklichen.

Die Überraschung des kriegerischen Überfalls, führte Hitler weiter aus, gibt Deutschland und Rumänien die Möglichkeit, in kurzer Zeit einen unserer gefährlichsten Gegner zu liquidieren.

Auf Grund seiner Kriegspläne schlug mir Hitler vor, den rumänischen Raum für den Aufmarsch der deutschen Truppen zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig sich unmittelbar an der Verwirklichung des militärischen Überfalls auf die Sowjetunion zu beteiligen.«

Durch diese Verschwörung mit Deutschland und durch die Vorbereitung des Überfalls auf die Sowjetunion hat Rumänien auch seinerseits Angriffsziele verfolgt.

In der gleichen Aussage äußerte sich Antonescu über Hitlers Versprechungen wie folgt:

»Hitler unterstrich, daß Rumänien keinesfalls aus diesem Krieg herausbleiben sollte, da es für die Rückkehr [185] Bessarabiens und der Nordbukowina keinen anderen Weg gehen könne, als an der Seite Deutschlands zu kämpfen.

Dabei erwähnte er, daß Rumänien für unsere Hilfeleistung im Kriege andere sowjetische Gebiete bis zum Dnjepr hinauf besetzen könne.«

Antonescu sagte weiter aus:

»Da der Vorschlag Hitlers über den gemeinsamen Kriegsbeginn gegen die Sowjetunion meinen aggressiven Absichten entsprach, erklärte ich meine Bereitschaft, an dem Überfall auf die Sowjetunion teilzunehmen und verpflichtete mich, die erforderlichen rumänischen Truppen bereitzustellen, sowie gleichzeitig die Lieferungen von Öl und landwirtschaftlichen Erzeugnissen für Deutschland zu steigern.

Nach meiner Rückkehr aus München nach Bukarest begann ich die aktive Vorbereitung für den bevorstehenden Krieg.«

Diese Tatsachen werden auch durch Dokumente aus dem Archiv von Antonescu bestätigt, die wir dem Gerichtshof ebenfalls vorlegen werden.

Ich lenke die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die Notizen über ein Gespräch, das zwischen Antonescu und dem Chef des Protokolls im Deutschen Auswärtigen Amt, Dörnberg, am 10. Februar 1942 nach deren Begegnung an der Grenze stattfand.

»... Ich erklärte, daß Rumänien den Achsenmächten nicht beigetreten sei, um den Versailler Vertrag abzuändern, sondern um gegen die Slawen zu kämpfen.«

Aus diesen Notizen geht hervor, daß es der Haß gegen die slawischen Völker war, der Hitler und Antonescu in der Vorbereitung und Durchführung der Angriffe zusammengebracht hat.

Die dem Gerichtshof vorzulegenden Dokumente werden mit aller Offenkundigkeit die Teilnahme Ungarns an der Verschwörung gegen den Frieden und an der Vorbereitung des Angriffskrieges gegen die Sowjetunion zeigen.

Ungarn fiel die bestimmte Rolle zu, der Roten Armee in dem Augenblick über die Karpathen in den Rücken zu fallen, in dem die deutschen und rumänischen Truppen ihre Kampftätigkeit gegen die Sowjetunion entfalten sollten.

So wurde der gegen die freiheitsliebenden Völker gerichtete verbrecherische Block der Angreifer zusammengeschweißt, an dessen Spitze das faschistische Deutschland stand.

Zum sogenannten Fall »Barbarossa« zurückkehrend, will ich bei den wichtigsten Stellen dieses Dokuments verweilen.

Der Fall »Barbarossa« zerfällt in drei Teile. Im ersten Teil werden die allgemeinen Ziele des Planes auseinandergesetzt. Im zweiten Teil werden die Verbündeten Deutschlands im Krieg gegen [186] die Sowjetunion aufgezählt. Der dritte Teil ist der Durchführung der militärischen Operationen zu Lande, in der Luft und zur See gewidmet. Die charakteristische Eigenheit des Dokuments besteht darin, daß es wegen seiner besonders geheimen Natur nur in neun Exemplaren ausgefertigt ist, was in vollem Umfang der Forderung entspricht, das Geheimnis über die Vorbereitung des Überfalls Deutschlands auf die Sowjetunion zu wahren.

Im ersten Teil des Planes heißt es:

»Die im westlichen Rußland stehende Masse des russischen Heeres soll in kühnen Operationen vernichtet, der Abzug kampffähiger Teile in die Weite des russischen Raumes verhindert werden.

In rascher Verfolgung ist dann eine Linie zu erreichen, aus der die russische Luftwaffe reichs deutsches Gebiet nicht mehr angreifen kann.«

In dem Dokument heißt es ferner, das Endziel des Planes sei, sich auf der Linie Archangelsk-Wolga zu befestigen, mit Hilfe der Luftwaffe das letzte Industriezentrum im Ural lahm zu legen, die baltische Flotte ihrer Kampffähigkeit zu berauben und der russischen Luftflotte die Möglichkeit eines aktiven Einsatzes zu entreißen.

Im dritten Teil des Dokuments finden wir die Weisung, Leningrad und Kronstadt einzunehmen und die Offensivoperationen mit dem Ziel fortzusetzen, sich des wichtigsten Verkehrs- und Rüstungszentrums, Moskau, zu bemächtigen.

»Die Einnahme dieser Stadt«, stellt der Plan fest, »bedeutet politisch und wirtschaftlich einen entscheidenden Erfolg.«

So sah der lange vorher überlegte, ausgearbeitete und vorbereitete Plan des hitlerischen Deutschlands für den Überfall auf die Sowjetunion aus.

Zugleich mit der Durchführung von strategischen und diplomatischen Maßnahmen zur Vorbereitung des verräterischen Angriffs auf die Sowjetunion hat die Hitler-Regierung im voraus die auf dem Gebiet der USSR zu begehenden Kriegsverbrechen ersonnen und geplant.

Der sogenannte Fall »Barbarossa« war ein strategischer Plan. Dieser Plan wurde jedoch durch eine Reihe von Anleitungen und Verordnungen vervollständigt, die auf die Erfassung aller mit dem Einfall in die Sowjetunion zusammenhängenden Aufgaben hinzielten. Zu diesen Maßnahmen gehörten in erster Linie die am 13. März 1941 vom Hauptquartier des deutschen Oberkommandos erlassenen Richtlinien.

Diese Richtlinien befaßten sich mit einer Anzahl organisatorischer Aufgaben zivilen Charakters und im besonderen mit dem Aufbau der Verwaltungsbehörden. Es ist wichtig, festzustellen, daß [187] diese Weisung für das deutsche Heer in Ostpreußen und dem sogenannten Generalgouvernement, das heißt Polen, Gesetze und Vorschriften wie für das Kriegsgebiet vorsah, die spätestens vier Wochen vor Operationsbeginn in Kraft treten sollten. Diese Weisung ermächtigte das Oberkommando der Wehrmacht, die Vollstreckungsgewalt auszuüben und ihre Vollmachten an die Oberbefehlshaber von Armeegruppen und Armeen zu übertragen.

Wir wollen nicht verfehlen, Punkt »B« dieser Weisung zu erwähnen, der für die Aufgaben und Ziele, die sich die Verschwörer gestellt hatten, bezeichnend ist. Dieser Punkt lautet:

»Im Operationsgebiet des Heeres erhält der Reichsführer-SS zur Vorbereitung der politischen Verwaltung Sonderaufgaben im Auftrage des Führers, die sich aus dem endgültig auszutragenden Kampf zweier entgegengesetzter politischer Systeme ergeben. Im Rahmen dieser Aufgaben handelt der Reichsführer-SS selbständig und in eigener Verantwortung.«

Heute weiß die Welt, was diese »Sonderaufgaben« bedeuten, deren Erfüllung ganz in die Hände der SS-Generale und -Offiziere gelegt wurde, die dieses Recht, »selbständig und auf eigene Verantwortung« zu handeln, weitgehend ausnutzten. Es bedeutete noch nie vorher geschehenen Terror, Raub, Gewalttaten und Ermordung von Kriegsgefangenen und friedlichen Bürgern.

Gleichzeitig stellen die Richtlinien das Oberkommando äußerst eindeutig auch vor solche Aufgaben, wie Plünderung und räuberische Ausbeutung der vom deutschen Heer besetzten Gebiete. Die Richtlinien sind vom Angeklagten Keitel unterzeichnet.

Eine andere Verordnung, die im Juni 1941 als Anhang zum Fall »Barbarossa« erlassen wurde, schrieb unter dem Namen von Propagandaanleitungen vor, daß jeder Widerstand gegen die deutschen Eindringlinge unerbittlich zu unterdrücken sei. Was die eigentliche Propaganda anbetrifft, so sprechen diese Anleitungen ganz offen über die üblichen hitlerischen Methoden schmutziger Verleumdung, Lüge und Provokation, deren sich die sogenannten »Propaganda-Kompanien« bedienen sollten.

Schließlich muß noch eine weitere Verordnung erwähnt werden, die unter dem Namen »Verordnung über die Anwendung von Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ›Barbarossa‹ und über ›Sondermaßnahmen für das Heer‹« bekannt ist. Diese Verordnung erlaubt den deutschen Machthabern und der Wehrmacht, der Zivilbevölkerung der vom deutschen Heer besetzten Gebiete gegenüber willkürlich zu verfahren; sie beginnt mit der Aufforderung an das deutsche Heer, sich schonungslos gegen Feindseligkeiten seitens der Zivilbevölkerung »zu schützen«. Die Richtlinien, die drakonische Maßnahmen gegen friedliche Bewohner und Partisanen vorschreiben, enthalten Anweisungen, [188] mit Leuten, die in dieser Verordnung »verdächtige Elemente« genannt werden, brutal zu verfahren.

Mit Erlaubnis des Gerichtshofs werde ich lediglich zwei Punkte dieser Richtlinien verlesen, Punkt 4 und Punkt 5:

»4. Wo Maßnahmen dieser Art versäumt wurden oder zunächst nicht möglich waren, werden tatverdächtige Elemente sogleich einem Offizier vorgeführt. Dieser entscheidet, ob sie zu erschießen sind.

5. Es wird ausdrücklich verboten, verdächtige Täter zu verwahren, um sie bei Wiedereinführung der Gerichtsbarkeit über Landeseinwohner an die Gerichte abzugeben.«

Nach diesen sogenannten »Richtlinien« entschied also ein Offizier in letzter Instanz über das Schicksal und das Leben eines jeden Festgenommenen. Dabei war es verboten, wie die Verordnung zynisch vorsieht, »die Verdächtigen festzuhalten, um sie vor Gericht zu bringen«, das heißt, physische Vernichtung der »Verdächtigen« wurde direkt angeordnet. Im Falle irgendeines Anschlags auf die Deutsche Wehrmacht schrieb diese Verordnung die Anwendung von »Massenzwangsmaßnahmen« vor. Das heißt: Menschen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, sollten samt und sonders vernichtet werden.

Das Ausmaß des Zynismus der deutschen Heeresleitung in der Ausübung blutigen Terrors kann daraus ersehen werden, daß diese Richtlinien die deutschen Soldaten, Offiziere und Beamten von jeder Verantwortlichkeit für die von ihnen gegen die friedliche Sowjetbevölkerung begangenen Verbrechen entband. Diese Verordnungen schrieben den deutschen Militärbefehlshabern vor, nur solche Urteile zu bestätigen, die, so sagt das zitierte Dokument, »den politischen Absichten der Leitung« entsprachen.

Daraus folgt, daß die Hitler-Regierung und das Oberkommando der Wehrmacht, deren Vertreter sich heute auf der Anklagebank befinden, lange vor dem 22. Juni 1941 die Kriegsverbrechen geplant und ausgearbeitet haben, die später auf dem Gebiet der USSR verübt wurden. Diese Pläne überführen die Angeklagten in unerbittlicher Weise der vorsätzlichen Begehung der ungeheuerlichen Verbrechen, die sie organisiert haben.

Am 22. Juni 1941 überfielen die hitlerischen Verschwörer unter verräterischem Bruch des deutschen Nichtangriffspaktes und ohne Kriegserklärung das Sowjetgebiet, womit sie den Angriffskrieg gegen die USSR entfesselten, ohne das ihnen von seiten der Sowjetunion der geringste Anlaß dazu gegeben worden wäre.

Ungeheure Heeresmassen, die im voraus heimlich an den Grenzen angesammelt worden waren, wurden gegen die Sowjetunion geworfen. Gemäß dem vorgefaßten Plan nahmen im Norden finnische, im Süden rumänische und ungarische Truppen am Angriff [189] auf die USSR teil; in der Absicht, Verwirrung und Fassungslosigkeit hervorzubringen, begann die deutsche Luftwaffe in den allerersten Stunden des Krieges, friedliche Städte zu bombardieren und sie damit der Zerstörung anheim zu geben.

Kaum einen Monat nach diesem verräterischen Angriff berief Hitler eine Sitzung, an der Rosenberg, Göring, Bormann, Lammers und Keitel teilnahmen.

Bei dieser Besprechung wies Hitler die Anwesenden an, der Außenwelt die wahren Ziele des von den Hitleristen entfesselten Krieges nicht zu offenbaren. Unter Berufung auf die in Norwegen, Dänemark, Holland und Belgien verfolgte Taktik bestand Hitler darauf, daß es auch fernerhin nötig sei, in derselben Weise zu verfahren, das heißt die wahren Absichten der Verschwörer mit allen Mitteln zu verheimlichen:

»Wir werden«, so sagte Hitler, »also wieder betonen, daß wir gezwungen waren, ein Gebiet zu besetzen, zu ordnen und zu sichern;... deshalb unsere Regelung. Es soll also nicht erkennbar sein, daß sich damit eine endgültige Regelung anbahnt! Alle notwendigen Maßnahmen – Erschießen, Aussiedeln etc. – tun wir trotzdem und können wir trotzdem tun.«

Diese Erschießungen und die Verschleppung der friedlichen Bevölkerung in deutsche Sklaverei, Raub und jede Art von Gewalttätigkeit gegenüber den friedlichen Bürgern, hießen in der Sprache Hitlers und seiner Komplizen »Regelungen«.

Die weiteren Aufgaben, die sich für die Hitler-Regierung gegenüber der Sowjetunion ergaben, wurden bei dieser Zusammenkunft der Verschwörer folgendermaßen definiert:

»Grundsätzlich kommt es darauf an, den riesenhaften Kuchen handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten, und drittens ausbeuten können.

Grundsätzliches: Die Bildung einer militärischen Macht westlich des Urals darf nie wieder in Frage kommen und wenn wir hundert Jahre darüber Krieg führen müßten. Alle Nachfolger des Führers müssen wissen: die Sicherheit des Reiches ist nur dann gegeben, wenn westlich des Ural kein fremdes Militär existiere.... Eiserner Grundsatz muß sein und bleiben: Nie darf erlaubt werden, daß ein anderer Waffen trägt als der Deutsche!... Nur der Deutsche darf Waffen tragen, nicht der Slawe, nicht der Tscheche, nicht der Kossak, nicht der Ukrainer.

Der Führer betont, das gesamte Balten-Land müsse Reichsgebiet werden.

[190] Ebenso müsse die Krim mit einem erheblichen Hinterland (Gebiet nördlich der Krim) Reichsgebiet werden; das Hinterland müsse möglichst groß sein...

... auch die Wolga-Kolonie müsse deutsches Reichsgebiet werden, ebenso das Gebiet um Baku; es müsse deutsche Konzession werden (Militär- Kolonie).

Die Finnen wollen Ost-Karelien, doch soll wegen der großen Nickel-Vorkommen die Halbinsel Kola zu Deutschland kommen.

Das Gebiet um Leningrad wird von den Finnen beansprucht; der Führer will Leningrad dem Erdboden gleichmachen lassen, um es dann den Finnen zu geben.«

Die räuberischen Ziele des Krieges, den Deutschland gegen die USSR begonnen hatte, wurden ganz offen in einem Artikel des Leiters der Nazi-Propaganda, des berüchtigten Goebbels, unter dem Titel »Wofür« auseinandergesetzt. Goebbels schrieb:

»Das ist kein Krieg für Thron und Altar; es ist ein Krieg für Getreide und Brot, für einen vollgedeckten Frühstücks-, Mittags- und Abendtisch...; ein Krieg um Rohstoffe, um Gummi, um Eisen und Erze.«

Josef Goebbels, »Das Eherne Herz«, Zentralverlag der NSDAP, München 1943, Seite 334-336.

Seinerseits hat auch am 5. Oktober 1942 Göring in seiner im »Völkischen Beobachter« vom 6. Oktober 1942 veröffentlichten Rede im Berliner Sportpalast anläßlich des Erntedankfestes gierig ausgerufen:

»Vergeßt nicht, daß es die besten Gebiete sind, die wir den Russen fortgenommen haben...

... Eier, Butter, Mehl, das gibt es dort in einem Ausmaß, wie Sie es sich nicht vorstellen können. Wir werden dafür zu sorgen haben, daß alles richtig erfaßt und an Ort und Stelle richtig verarbeitet wird.«

Der Angeklagte Rosenberg ersann fieberhaft neue Namen für Sowjetstädte, wie zum Beispiel »Gotenburg« für Simferopol und »Theodorichshafen« für Sewastopol. Neben dieser Tätigkeit leitete Rosenberg auch den besonderen Stab für die »Einverleibung« des Kaukasus.

All dies offenbart mit völliger Klarheit die wahrhaft räuberischen Pläne und Absichten, die die hitlerischen Angreifer gegen die Sowjetunion hegten. Diese verbrecherischen Vorhaben zielten vor allem auf die Ausraubung der Sowjetunion und die Versklavung und Ausbeutung des Sowjetvolkes.

Dies war gleichzeitig auch der Weg zur Errichtung der Hitler-Herrschaft in Europa und in der ganzen Welt. Daher stellte die [191] Hitler-Regierung auch in der dem Gerichtshof übergebenen Urkunde »Anleitung zum Seekrieg«, die sich mit der Eroberung von Nordafrika, Gibraltar, Syrien, Palästina und Ägypten befaßte, die Verwirklichung dieses Planes völlig auf den Ausgang dieses Krieges gegen die Sowjetunion ab.

In dem Bestreben, ihre imperialistischen Ziele zu verschleiern, bediente sich die Hitler-Clique ihrer gewohnten Methoden und malte in grellen Farben die ihr angeblich von seiten der USSR drohende Gefahr an die Wand, wobei sie den von ihr gegen die Sowjetunion angezettelten räuberischen Angriffskrieg einen »Präventiv-Krieg« nannte.

Welch kläglicher Versuch!

Wie kann von einem »Präventiv-Krieg« die Rede sein, wenn es dokumentarisch erwiesen ist, daß Deutschland den Plan eines Überfalls auf die USSR im voraus ausgearbeitet und vorbereitet, die räuberischen Ziele dieses Angriffs festgelegt, die Gebiete der Sowjetunion, deren Deutschland sich zu bemächtigen beabsichtigte, bezeichnet, die Maßnahmen zur Plünderung dieser Gebiete und zur Vernichtung dieser Bevölkerung festgesetzt, rechtzeitig seine Streitkräfte mobilisiert und 170 kriegsbereite Divisionen an die Grenzen der USSR vorgeschoben hat, die nur auf das Zeichen zum Einmarsch warteten?

Der von dem faschistischen Deutschland auf die USSR unternommene Angriff sowie die jetzt bekannt gewordenen Originaldokumente der Hitler-Regierung bekunden endgültig vor der Welt und vor der Geschichte die ganze Verlogenheit und Lächerlichkeit der Behauptung der hitlerischen Propaganda vom »präventiven« Charakter des gegen die Sowjetunion begonnenen Krieges.

Wie immer auch der hitlerische Wolf versuchen mag, sich in ein Lammfell zu hüllen, so gelingt es ihm doch nicht, seine Klauen zu verstecken.

Nachdem die Hitler-Regierung den tückischen Einfall in die USSR ausgeführt hatte, rechnete sie damit, daß die lange Vorbereitung auf diesen Angriffskrieg, die Konzentration aller deutschen Streitkräfte für diesen Angriff, die Teilnahme rumänischer und finnischer Armeen sowie italienischer und ungarischer Einheiten an dieser Operation und schließlich der Vorteil des plötzlichen, unerwarteten Überfalls die schnelle Niederlage der Sowjetunion beschleunigen werde.

Alle diese Berechnungen der Angreifer wurden jedoch durch den heroischen Widerstand der Roten Armee zunichte gemacht, die aufopferungsfreudig die Ehre und Unabhängigkeit ihres Heimatlandes verteidigte. Die Vormarschpläne der deutschen Heere scheiterten einer nach dem anderen.

[192] Ich werde davon absehen, alle Stadien des vaterländischen Krieges zu schildern, den das Sowjetvolk gegen die deutschen Nazi-Eroberer geführt hat, den großen, mannhaften Kampf der Roten Armee gegen die deutschen, rumänischen, finnischen und anderen Truppen, die in das Sowjetland eindrangen.

Die Welt verfolgte diesen Kampf mit Bewunderung, und die Geschichte wird ihn niemals vergessen.

Das Sowjetvolk hat in Schlachten von bisher ungeahnter Größe und Erbitterung tapfer und mutig die Ehre, die Freiheit und Unabhängigkeit seiner Heimat verteidigt und, zusammen mit den Truppen der alliierten Nationen, die freiheitliebenden Völker der Welt vor der furchtbaren Gefahr der Nazi-Unterjochung gerettet.

Nachdem das faschistische Deutschland den heimtückischen Angriff auf die freiheitliebenden Völker vorbereitet und durchgeführt hatte, verwandelte es den Krieg in ein System kriegerischen Banditentums. Die Ermordung von Kriegsgefangenen, die Vernichtung der friedlichen Bevölkerung, die Plünderung der besetzten Gebiete und andere Kriegsverbrechen gehörten zum Programm des von den Nazis geplanten totalen Blitzkrieges. Der Nazi-Terror, der auf den zeitweilig besetzten Gebieten der Sowjetunion geübt wurde, nahm besonders große Ausmaße an und wurde mit besonderer Härte ausgeübt.

»Wir müssen« – so sagte Hitler zu Rauschning – »eine Technik der Entvölkerung schaffen. Wenn Sie mich fragen, was ich unter Entvölkerung verstehe, so werde ich Ihnen sagen, daß ich die Vernichtung ganzer rassischer Einheiten im Auge habe, und dies werde ich tun, ich sehe darin, grob ausgedrückt, meine Aufgabe. Die Natur ist grausam, daher dürfen auch wir grausam sein. Wenn ich die Blüte des deutschen Volkes ohne jedes Bedauern über das Vergießen kostbaren deutschen Blutes in die Hölle des Krieges schicken kann, so habe ich natürlich das Recht, Millionen von Menschen niederer Rasse zu vernichten, die sich wie Ungeziefer vermehren.«2

Die Sowjet-Anklagebehörde verfügt über eine große Anzahl von Dokumenten, die von der Außerordentlichen Staatskommission zur Feststellung und Aufklärung der von den deutsch-faschistischen Angreifern und ihren Komplizen begangenen Verbrechen aufgefunden wurden und einen unwiderlegbaren Beweis für die unzähligen von den deutschen Machthabern begangenen Greueltaten darstellen.

Wir haben ein Dokument in Händen, »Anhang Nummer 2 zum Operationsbefehl Nummer 8 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD«, datiert: Berlin, den 17. Juni 1941, und von Heydrich unterschrieben, [193] der zu jener Zeit als Stellvertreter Himmlers amtierte. Dieses Dokument war gemeinsam mit dem OKW ausgearbeitet.

Aus den Anlagen zu Befehl Nummer 8 und ebenfalls aus den Befehlen Nummer 9 und Nummer 14 sowie aus ihren Anlagen, geht hervor, daß die systematische Vernichtung der Sowjetbevölkerung in den auf dem besetzten Gebiet der USSR und in anderen Ländern errichteten Konzentrationslagern durchgeführt wurde, und zwar unter dem Gesichtspunkt der »Filtrierung«, von »Säuberungsmaßnahmen«, der »Reinigung«, von »Sondermaßnahmen«, »Sonderregime«, »Liquidation«, »Exekution« und so weiter.

Die Durchführung dieser Verbrechen wurde besonders dafür bestimmten »Sonderkommandos« übertragen, die auf Grund von Vereinbarungen zwischen dem Chef der Polizei und des SD und dem OKW ins Leben gerufen worden waren.

Aus Anhang Nummer 1 zu Befehl Nummer 14 geht hervor, daß diese »Sonderkommandos« selbständig arbeiteten auf Grund, wie es in diesem Dokument ausgedrückt ist, »besonderer Ermächtigung und gemäß den ihnen erteilten allgemeinen Richtlinien im Rahmen der Lagerordnung in eigener Verantwortlichkeit«, wobei sie durch enge Fühlungnahme mit den Lagerkommandanten und den Abwehroffizieren unterstützt wurden.

Es ist besonders hervorzuheben, daß die Hitleristen während des deutschen Vormarsches auf Moskau ein »Sonderkommando Moskau« geschaffen haben, das dazu bestimmt war, den Massenmord der Moskauer Bevölkerung durchzuführen.

Die Hitler-Regierung und das Oberkommando der Wehrmacht befürchteten, daß diese ungeheuerlichen Befehle Nummer 8 und Nummer 14 in die Hände der Roten Armee und der Sowjetregierung fallen könnten und trafen daher alle Vorsorge, daß diese Befehle streng geheim gehalten würden. In Befehl Nummer 14 ordnete Heydrich unmittelbar an:

»Ich betone, daß die Operationsbefehle Nummer 8 und 14, sowie die sich auf sie beziehenden Ausführungsinstruktionen im Falle von unvermeidlicher Gefahr sofort vernichtet werden müssen. Die Vernichtung ist mir zu melden.«

Neben den oben erwähnten Nazi-Befehlen, die das Programm und den Plan zur Vernichtung der Sowjetbevölkerung enthielten, war noch eine große Anzahl von Befehlen und Weisungen, sowohl für die zivile »Verwaltung« als auch für die deutschen militärischen Behörden erlassen worden, die Massenvernichtung und weitgehende Anwendung der Todesstrafe für die Sowjetbevölkerung vorschrieben. In einem Befehl von Keitel vom 12. Dezember 1941 wird ausgeführt:

»Der Führer ist der Ansicht: Bei solchen Taten werden Freiheitsstrafen, auch lebenslängliche Zuchthausstrafen, als [194] Zeichen von Schwäche gewertet. Eine wirksame und nachhaltige Abschreckung ist nur durch Todesstrafen oder durch Maß nahmen zu erreichen, die die Angehörigen und die Bevölkerung über das Schicksal des Täters im Ungewissen halten. Diesem Zweck dient die Überführung der Täter nach Deutschland.

Die anliegenden Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten entsprechen dieser Auffassung des Führers. Sie sind von ihm geprüft und gebilligt worden. – gez. Keitel.«

Um einige der von den Hitleristen gegen die Sowjetbürger zur Anwendung gebrachten Vernichtungsmittel zu nennen, sollen die folgenden aufgezählt werden: vorsätzliche Ansteckung mit Fleckfieber, Vergiftung in Gaswagen, russisch »Mörderin« genannt, und dergleichen mehr. Die Ermittlungen der Außerordentlichen Staatskommission der Sowjetunion zeigen, daß die Hitleristen unmittelbar hinter ihren Frontlinien, in der ersten Verteidigungszone, systematisch Konzentrationslager errichteten, in denen sich zehntausende von Kindern und arbeitsunfähigen Frauen und Greisen befanden. Die Zugänge zu diesen Lagern waren vermint. Auf dem Gelände solcher Lager gab es keine Bauten, nicht einmal Lagerbaracken; die Häftlinge lagen einfach auf der Erde. Der geringste Versuch, die in den Lagern aufgestellte Zuchthausordnung zu umgehen, wurde mit Erschießen bestraft. In diesen Lagern hat man Tausende von Fällen von Flecktyphus aufgedeckt; die aus den benachbarten Dörfern hierher zusammengetriebene Bevölkerung wurde systematisch angesteckt. In einem Dokument, das von der Sowjet-Anklagebehörde vorgelegt werden wird, sind diese bestialischen Verbrechen der deutsch-faschistischen Eroberer ausführlich beschrieben.

In den Händen der Anklage befindet sich ein Dokument, das von Untersturmführer Becker unterzeichnet und vom 16. Mai 1942 datiert ist. Dieses Dokument stellt einen Bericht an seine Vorgesetzten über die Anwendung von Gaswagen dar. In diesem ungeheuerlichen Dokument steht folgendes zu lesen:

»Der Hinrichtungsplatz befindet sich ungefähr 10 bis 15 km abseits der Verkehrsstraßen und ist vom eigenen Standort schwer zugänglich, bei feuchtem oder nassem Wetter ist er überhaupt unerreichbar. Die hinzurichtenden Personen werden an den Ort geführt oder gefahren. Sie merken sofort, was bevorsteht, und werden unruhig. Dieses ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Es bleibt deshalb nur ein Weg, und zwar, sie an einem Sammelpunkt auf einen Wagen zu laden und dann zum Platz der Hinrichtung zu fahren.

Ich habe diese Wagen der Gruppe D als Wohnwagen tarnen und zu diesem Zweck auf den kleinen Wagen ein Fenster auf jeder Seite anbringen lassen und auf den großen [195] Wagen je 2 Fensterchen, die so ähnlich aussahen, wie wir sie oft auf dem Lande in Bauernhütten sehen. Jedoch haben diese Wagen dort bereits einen Ruhm erreicht, so daß sie nicht nur von amtlichen Persönlichkeiten, sondern auch von der Zivilbevölkerung Todeswagen genannt werden, sobald nur einer dieser Wagen erscheint. Meiner Meinung nach ist es unmöglich, sie zu tarnen, oder sie längere Zeit geheimzuhalten. Außerdem habe ich befohlen, daß das Bedienungspersonal während der Vergasung sich in einiger Entfernung vom Wagen aufhält, damit die entschlüpfenden Gase ihre Gesundheit nicht schädigen. Dabei möchte ich die Aufmerksamkeit auf folgendes lenken: Verschiedene Kommandos lassen ihre Leute die Wagen nach der Vergasung ausladen. Ich habe die Aufmerksamkeit der betreffenden Kommandanten der Sonderkommandos darauf gelenkt, daß diese Arbeit die Leute moralisch und physisch ungeheuer schädigen könnte, wenn nicht jetzt, so doch später. Die Leute haben sich bei mir oft über Kopfschmerzen beklagt, die sich nach jeder Ausladung einstellen. Nichtsdestoweniger will man von dieser Regelung nicht abweichen, da man befürchtet, daß die zu dieser Arbeit verwendeten Häftlinge diesen günstigen Augenblick zur Flucht ausnützen könnten. Um die Leute vor dieser Schädigung zu bewahren, würde ich vorschlagen, geeignete Anordnungen zu erlassen.

Die Vergasung wird nicht immer richtig vorgenommen. Um diese Prozedur so schnell wie möglich zu beenden, geben die Fahrer immer Vollgas. Infolge dieser Maßnahmen sterben die Hinzurichtenden eines Erstickungstodes und werden nicht eingeschläfert, wie es vorgesehen war. Meine Anordnungen haben dazu geführt, daß bei richtiger Einstellung des Gashebels der Tod schneller eintritt und daß dabei die Häftlinge friedlich einschlafen. Gesichtsverzerrungen und Entleerungen, die man früher beobachten konnte, wurden nicht mehr festgestellt. Im Laufe des heutigen Tages werde ich zur Gruppe B fahren, von wo aus ich einen weiteren Bericht schicken werde. – Dr. Becker, Untersturmführer.«

Die Lager von Maidenek und Auschwitz mit ihren Gaskammern sind hier bereits erwähnt worden, wo mehr als 5,5 Millionen Unschuldiger ermordet wurden: polnische, tschechische, sowjetische, amerikanische, englische, französische und Staatsangehörige anderer demokratischer Länder. Ich muß noch die Konzentrationslager in Smolensk, Stawropol, Charkow, Kiew, Lemberg, Poltawa, Nowgorod, Orel, Rowno, Dnjepropetrowsk, Odessa, Kemmennetz-Podolsk, Gomel, Kertsch, in der Gegend von Stalingrad, in Kaunus (Kowno), Riga, Mariampol (in der litauischen Sowjet-Republik), Klogi (Estnische Sowjet-Republik) und viele andere aufzählen, in denen die Hitleristen [196] Hunderttausende Sowjetbürger, Zivilbevölkerung, wie Soldaten und Offiziere der Roten Armee zu Tode gemartert haben.

Die Deutschen haben auch im Walde von Lissenitzy, der sich in der Nähe von Lemberg, in der Richtung Tarnopol, befindet, Massenerschießungen von Sowjetbürgern vorgenommen. In diesen Wald wurden täglich große Schübe von sowjetischen Kriegsgefangenen hineingejagt oder auf Lastwagen angefahren, die aus dem Lager »Zitadelle« stammten, weiter Gefangene aus dem Yanov-Lager, aus dem Gefängnis von Lemberg, aber auch friedliche Bürger, die auf den Plätzen und Straßen Lembergs während der zahlreichen Razzien festgenommen worden waren.

Auf Grund der von der Außerordentlichen Staatskommission gemachten Ermittlungen sind im Lissenitzy-Wald mehr als 200000 Menschen von den Deutschen erschossen worden.

Diese Massenmorde, dieses Regime des Terrors und der Willkür, fand die volle Billigung des Angeklagten Rosenberg, der auf einer Tagung der Deutschen Arbeitsfront im November 1942 erklärte:

»Es ist klar, daß, wenn man diese Völker unterwirft, das heißt die Völker der Sowjetunion, Willkür und Tyrannei eine äußerst passende Verwaltungsform für sie sein werden.«

Als später die Rote Armee die von den deutsch-faschistischen Horden zeitweilig besetzten Gebiete der Sowjetunion zu säubern begann, und als die Sowjetbehörden die ungeheuerlichen Verbrechen der faschistischen Unmenschen dadurch aufdeckten, daß sie zahlreiche Gräber zu Tode gemarterter sowjetischer Zivilpersonen, Soldaten und Offiziere auffanden, haben die deutschen Befehlshaber schnelle Maßnahmen ergriffen, um die Spuren ihrer Verbrechen zu verbergen oder zu verwischen. Zu diesem Zweck ordnete das deutsche Oberkommando überall die Öffnung der Gräber und die Verbrennung der darin befindlichen Leichen an. Ein Sonderbefehl eines Obersturmführers, der vom 3. August 1943 in Rowno-IYAL-Nummer 35/43c datiert und an den örtlichen Befehlsstab der Gendarmerie in Kamen-Kaschirsk gerichtet war, wies diesen an, sofort über die Lage und Anzahl der Gräber der »Sonderliquidierten« des betreffenden Landstrichs zu berichten.

Unter den Dokumenten, die in einem Gestapo-Gebäude des Rownoer Gebietes aufgefunden wurden, befand sich ein Bericht über die Ausführung des obenerwähnten Befehls mit der Aufzählung von ungefähr zweihundert Orten, an denen solche Gräber registriert waren. Es geht aus dieser Liste hervor, daß die deutsch-faschistischen Henker für die Grabstätten ihrer Opfer meist entlegene und schwer erreichbare Platze ausgewählt haben.

Zum Schluß der Liste wird gesagt:

»Die Liste enthält alle Gräber, einschließlich der Gräber der Kommandos, die früher hier gearbeitet haben.«

[197] Ich möchte jetzt einen Auszug aus dem Aufruf verlesen, den Tausende früherer Auschwitzer Häftlinge an die internationale Öffentlichkeit gerichtet haben:

»Vergasungen unglaublicher Mengen von Menschen erfolgten bei Eintreffen der Häftlingstransporte aus den verschiedensten Ländern: Frankreich, Belgien, Holland, Griechenland, Italien, Ungarn, Tschechoslowakei, Deutschland, Polen, USSR und Norwegen und anderen. Nach Ankunft der Transporte mußten die Ankommenden an dem jeweiligen SS-Arzt oder SS-Lagerleiter vorbeigehen. Dieser zeigte mit seinem Finger entweder nach rechts oder links. Links bedeutete Gastod. Von Transporten, die ca. 1500 Menschen betrugen, gingen durchschnittlich 1200 bis 1300 in den Gastod. Nur selten war der Prozentsatz der für das Lager Bestimmten größer. Oft kam es vor, daß die SS-Ärzte Mengele und Tilo bei dieser Auswahl eine fröhliche Melodie pfiffen. Die für die Vergasung bestimmten Menschen mußten sich vor den Gaskammern ausziehen und wurden dann mit Peitschenhieben in die Gaskammern getrieben. Darauf schloß man die Türen und nahm die Vergasungen vor. Nach ungefähr vier Minuten trat der Tod ein und nach acht Minuten wurden die Gaskammern geöffnet, und durch ein eigens hierfür bestimmtes Kommando, das sogenannte ›Sonderkommando‹, wurden die Leichen in die Krematorien gebracht, die Tag und Nacht brannten.

Zur Zeit der Ungarntransporte reichten die Öfen nicht aus und riesige Gräben mußten ausgeworfen werden, um die Leichen zu verbrennen. In ihnen waren Holzstöße aufgerichtet, die mit Petroleum übergossen wurden. In diese Brandgruben warf man die Leichen. Oft genug geschah es, daß SS-Leute lebende Kinder und Erwachsene in die brennenden Gruben warfen, wo die unglücklichen Menschen eines furchtbaren Verbrennungstodes starben. Um Petroleum zu sparen, gewann man die zur Verbrennung notwendigen Öle und Fette zum Teil aus den Leichen der Vergasten. Auch wurden technische Öle und Fette für Maschinen, ja sogar Waschseifen aus den Leichen gewonnen.«

Der Aufruf schließt mit den Worten:

»Wir und mit uns die ungefähr 10000 geretteten Angehörigen der verschiedenen Nationen, bitten, daß die Verbrechen und kaum vorstellbaren Grausamkeiten der Hitleristen nicht ungesühnt bleiben mögen.«

Diese gerechte Forderung wird von der ganzen zivilisierten Welt und von allen freiheitliebenden Völkern unterstützt.

Zu den furchtbarsten Greueltaten der Hitler-Verschwörer gehört die organisierte Massenvernichtung von Kriegsgefangenen.

[198] Die Einzelheiten zahlreicher Morde, Folterungen und Martern, denen Kriegsgefangene ausgesetzt wurden, sind festgestellt worden. Sie wurden mit glühenden Eisen gemartert, es wurden ihnen die Augen ausgestochen, die Gliedmaßen abgeschnitten und dergleichen mehr.

Die systematischen Bestialitäten und Gewaltakte gegen gefangene Offiziere und Mannschaften der Roten Armee waren nicht gelegentliche Episoden oder die Ergebnisse verbrecherischer Handlungen einzelner Offiziere des deutschen Heeres und deutscher Beamten.

Die Hitler-Regierung und das Oberkommando des deutschen Heeres vernichteten die Kriegsgefangenen in tierischer Weise. Zahlreiche Urkunden, Befehle und Erlasse der Nazi-Regierung und Befehle des deutschen Oberkommandos legen dafür Zeugnis ab.

Wie der deutsche Generalleutnant Ostreich während seiner Vernehmung ausgesagt hat, fand bereits im März 1941 im Hauptquartier des Oberkommandos in Berlin eine Geheimsitzung statt, auf der Maßnahmen für die Einrichtung von Lagern für russische Kriegsgefangene geplant und »Regeln« für ihre Behandlung niedergelegt wurden. Diese »Regeln« und »Maßnahmen« stellten, wie aus Ostreichs Bericht hervorgeht, im wesentlichen einen Plan für die Vernichtung der sowjetischen Kriegsgefangenen dar.

Viele sowjetische Kriegsgefangene wurden erschossen oder erhängt, während andere durch Hunger und an Infektionskrankheiten, an Kälte und Folterungen starben, gemäß einem Plan, der schon vorher von den Deutschen entwickelt war, jetzt systematisch durchgeführt wurde und die Massenvernichtung von sowjetischen Kriegsgefangenen zum Ziele hatte.

Im Anhang 3 des Befehls Nummer 8 des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 17. Juli 1942 ist eine Liste von Kriegsgefangenenlagern enthalten, die im Gebiet des Wehrkreises I und des sogenannten Generalgouvernements errichtet worden waren. Im Wehrkreis I gab es insbesondere Lager in Prokuls, Heydekrug, Schirwindt, Schutzenrode (Ebenrode), in Prostken, Suwalki, Fischber-Tursen und Ostrolenka. Im sogenannten Generalgouvernement wurden Lager in Ostrov-Mazowiecka, Sedlitz, Bielsk-Podlaski, Chelm, Jaroslaw und so weiter errichtet. Im Anhang zum Operationsbefehl Nummer 9, der als Ergänzung zum Befehl Nummer 8 vom 17. Juli 1942 herausgegeben wurde, waren Listen der Lager für die sowjetischen Kriegsgefangenen aufgeführt, die in den Bereichen der Wehrkreise II, IV, VI, VIII, X, XI und XIII, in Hammerstein, Schneidemühl und vielen anderen Orten gelegen waren.

VORSITZENDER: Ist es nicht ein günstiger Zeitpunkt, um zu unterbrechen?


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 7, S. 166-200.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon