Beschluß des Gerichtshofes

über die Bekanntmachung

an die Mitglieder der Gruppen

und Organisationen.

Internationaler Militärgerichtshof

[107] DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA,

DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK,

DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH VON GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND

UND DIE UNION DER SOZIALISTISCHEN SOWJET-REPUBLIKEN

– gegen –


HERMANN WILHELM GÖRING und andere,

Angeklagte.


Da bei diesem Gerichtshof eine Anklageschrift gegen untenstehende Angeklagte eingereicht wurde,

und da diese Anklageschrift zeigt, daß der Hauptankläger beabsichtigt den Gerichtshof zu ersuchen:

1. zu erkennen, daß gewisse Angeklagte Mitglieder der REICHSREGIERUNG (Reichskabinett); des KORPS DER POLITISCHEN LEITER DER NA TIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERPARTEI (Führerkorps der Nazipartei); der SCHUTZSTAFFELN DER NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERPARTEI (allgemein bekannt als die »SS«), und des dazugehörigen SICHERHEITSDIENSTES (allgemein bekannt als der »SD«); der GEHEIMEN STAATSPOLIZEI (allgemein bekannt als die »GESTAPO«); der STURMABTEILUNGEN DER NSDAP (allgemein bekannt als die »SA«) und des GENERALSTABES und OBERKOMMANDOS DER DEUTSCHEN WEHRMACHT waren, und

2. die genannten Gruppen und Organisationen als verbrecherische Organisationen zu erklären,

WIRD HIERMIT VERFÜGT, daß an die Mitglieder dieser Gruppen und Organisationen eine Mitteilung in folgender Art und Weise zugehen soll:


[107] a) Wortlaut der Bekanntgabe.


Internationaler Militärgerichtshof

DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA,

DIE FRANZÖSISCHE REPUBLIK,

DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH VON GROSSBRITANNIEN UND NORDIRLAND

UND DIE UNION DER SOZIALISTISCHEN SOWJET-REPUBLIKEN

– gegen –


HERMANN WILHELM GÖRING, RUDOLF HESS, JOACHIM VON RIBBENTROP, ROBERT LEY, WILHELM KEITEL, ERNST KALTENBRUNNER, ALFRED ROSENBERG, HANS FRANK, WILHELM FRICK, JULIUS STREICHER, WALTER FUNK, HJALMAR SCHACHT, GUSTAV KRUPP VON BOHLEN UND HALBACH, KARL DÖNITZ, ERICH RAEDER, BALDUR VON SCHIRACH, FRITZ SAUCKEL, ALFRED JODL, MARTIN BORMANN, FRANZ VON PAPEN, ARTHUR SEYSS-INQUART, ALBERT SPEER, CONSTANTIN VON NEURATH, und HANS FRITZSCHE, einzeln und als Mitglieder einer der folgenden Gruppen oder Organisationen, der sie jeweils angehörten, nämlich:

DIE REICHSREGIERUNG (Reichskabinett); das KORPS DER POLITISCHEM LEITER DER NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERPARTEI (Führerkorps der Nazipartei); die SCHUTZSTAFFELN DER NATIONALSOZIALISTISCHEN DEUTSCHEN ARBEITERPARTEI (allgemein bekannt als die »SS«) inbegriffen der SICHERHEITSDIENST (allgemein bekannt als der »SD«); die GEHEIME STAATSPOLIZEI (allgemein bekannt als die »Gestapo«); die STURMABTEILUNGEN DER NSDAP (allgemein bekannt als die »SA«) und der GENERALSTAB und OBERKOMMANDO DER DEUTSCHEN WEHRMACHT,

Angeklagte.


Diese Bekanntmachung richtet sich an alle Mitglieder der folgenden Gruppen und Organisationen:

1. Die Reichsregierung, bestehend aus Personen, die:

a) Mitglieder im gewöhnlichen Kabinett nach dem 30. Januar 1933 waren. Der hier gebrauchte Begriff »gewöhnliches Kabinett« umfaßt die Reichsminister, d.h. die Chefs [108] der Stellen der Zentral-Regierung; Reichsminister ohne Geschäftsbereich; Staatsminister, die als Reichsminister fungierten und andere Beamte, die berechtigt waren, an Sitzungen dieses Kabinetts teilzunehmen,

b) Mitglieder des Ministerrats für die Reichsverteidigung,

c) Mitglieder des Geheimen Kabinettsrats.

2. Das Korps der politischen Leiter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, bestehend aus Personen, die zu irgend einem Zeitpunkt – entsprechend der gebräuchlichen Terminologie der Nazis zufolge – Politische Leiter irgend eines Dienstgrades oder Ranges waren.

3. Die Schutzstaffeln der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (allgemein bekannt als die SS) und bestehend aus dem gesamten Korps der SS und allen Ämtern, Abteilungen, Dienststellen, Geschäfts- und Zweigstellen, Gliederungen, Organisationen und sonstige Gruppen, die sie zu irgend einer Zeit umfaßten oder welche einmal in ihnen eingegliedert waren, einschließlich aber nicht beschränkt auf die Allgemeine SS, die Waffen SS, die SS Totenkopfverbände, die SS Polizei-Regimenter und den Sicherheitsdienst des Reichsführer SS (allgemein bekannt als der SD).

4. Die Geheime Staatspolizei (allgemein bekannt als die Gestapo) bestehend aus den Leitstellen, Abteilungen, Ämtern, Zweigstellen und allen Kräften und Personal der Geheimen Staatspolizei von Preußen und gleichgestellte geheime oder politische Polizeitruppen des Reiches und ihrer Bestandteile.

5. Die Sturmabteilungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (allgemein bekannt als die SA).

6. Der Generalstab und Oberkommando der deutschen Wehrmacht, bestehend aus den Personen, die zwischen Februar 1936 und Mai 1945 die obersten Befehlshaber der Wehrmacht, des Heeres, der Marine und der Luftwaffe waren. Diejenigen, die diese Gruppe bilden, sind die Personen, die folgende Stellen innehatten:

Oberbefehlshaber der Kriegsmarine,

Chef (und ehemals Chef des Stabes) der Seekriegsleitung,

Oberbefehlshaber des Heeres,

Chef des Generalstabes der Luftwaffe,

Oberbefehlshaber der Luftwaffe,

Chef des Oberkommandos der Wehrmacht,

Chef des Führungsstabes des Oberkommandos der Wehrmacht,

Oberkommandierende im Feld mit dem Rang eines Oberbefehlshabers der Wehrmacht, der Marine, des Heeres, der Luftwaffe.

[109] Diese Gruppen und Organisationen werden vom Hauptankläger zur Verfolgung der Hauptkriegsverbrecher beschuldigt, verbrecherische Organisationen zu sein; der Gerichtshof ist vom Hauptankläger ersucht worden, die genannten Gruppen und Organisationen als verbrecherisch zu erklären.

Wenn irgendeine dieser Gruppen und Organisationen durch den Gerichtshof des verbrecherischen Charakters für schuldig befunden wird, können die Mitglieder auf Grund ihrer Zugehörigkeit einer gerichtlichen Verhandlung und Bestrafung unterworfen werden, und zwar nach den Bestimmungen des Statuts dieses Gerichtshofes; bei einer Verhandlung gegen ein Mitglied soll dann der verbrecherische Charakter der Gruppe oder Organisation als erwiesen angesehen und nicht mehr in Frage gestellt werden.

Die Frage des verbrecherischen Charakters dieser Gruppen und Organisationen wird im Gerichtsgebäude zu Nürnberg, Deutschland, beginnend am 20. November 1945, zur Verhandlung stehen.

Jeder, der seine Zugehörigkeit zu einer der genannten Gruppen oder Organisationen zugibt, hat das Recht, beim Gerichtshof zu beantragen, über die Frage des verbrecherischen Charakters der Gruppe oder Organisation gehört zu werden. Ein solcher Antrag soll unverzüglich schriftlich an den Generalsekretär, Internationaler Militärgerichtshof zu Nürnberg, Deutschland, gerichtet werden.

Die Mitglieder einer der genannten Gruppen oder Organisationen können ihre Anträge

1. falls sie von den verfolgenden Mächten in Haft gehalten werden, beim Kommandanten des Haft ortes,

2. falls sie sich nicht in Haft befinden, bei der nächstgelegenen militärischen Einheit einreichen.

Es liegt im Ermessen des Gerichtshofes, solchen Anträgen stattzugeben oder sie abzulehnen. Wird dem Antrag entsprochen, bestimmt der Gerichtshof, in welcher Weise der Antragsteller vertreten und vernommen werden soll.

Der Inhalt dieser Bekanntmachung kann nicht dahin ausgelegt werden, daß sie einem solchen Antragsteller irgendeine Art von Immunität gewährt.

Für den Internationalen Militärgerichtshof

Generalsekretär.


(b) Art der Bekanntgabe.


ES WIRD WEITER ANGEORDNET:

Die Veröffentlichung hat in deutscher Sprache in den besetzten Zonen Deutschlands durch Rundfunk, Presse und, wenn angängig, [110] durch Plakatanschlag, wie er gewöhnlich durch die Militär-Behörden zur Unterrichtung der Zivilbevölkerung benutzt wird, zu erfolgen. Solche Rundfunk- und Pressebekanntmachungen sollen einmal wöchentlich vier Wochen lang erfolgen, und zwar über eine ausreichende Anzahl von Rundfunksendern, in einer ausreichenden Anzahl von Zeitungen, oder durch Plakatanschlag an einer ausreichenden Zahl von Stellen, damit auf diese Weise weiteste Verbreitung der obigen Bekanntmachung im ganzen besetzten Gebiet gewährleistet ist.

Die Veröffentlichung in deutscher Sprache hat in den Kriegsgefangenenlagern, in denen Deutsche gefangen gehalten werden, wo immer angängig, zu erfolgen. Die Art und Weise solcher Veröffentlichungen soll den Lagerkommandanten überlassen bleiben.

Die zuständigen Besatzungsbehörden werden ersucht, mit dem Generalsekretär des Internationalen Militärgerichtshofes bei dieser Veröffentlichung zusammenzuarbeiten; der Generalsekretär soll dem Gerichtshof einen schriftlichen Bericht über das Veranlaßte erstatten.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 107-112.
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