Der Vertrag von Versailles.

[242] Die Anklagevertretung stützt sich auch auf den Bruch gewisser Bestimmungen, des Vertrages von Versailles: Das linke Rheinufer nicht zu befestigen (Art. 42-44); die Unabhängigkeit Österreichs strengstens zu achten (Art. 80); Verzicht auf alle Rechte im Memelgebiet (Art. 99) und dem Freistaat Danzig (Art 100); die Anerkennung der Unabhängigkeit des tschechoslowakischen Staates; und die Heeres-, Flotten-und Luftbestimmungen gegen eine deutsche Wiederaufrüstung, die im Teil V enthalten sind. Es besteht kein Zweifel, daß die deutsche Regierung gegen alle diese Bestimmungen verstoßen hat; Einzelheiten sind im Anhang C angeführt. Mit Bezug auf den Vertrag von Versailles werden folgende Fälle herangezogen:

1. Die Verletzung der Artikel 42 bis 44 über die entmilitarisierte Zone des Rheinlandes;

2. die Annexion Österreichs am 13. März 1938 unter Verletzung des Artikels 80;

3. Die Einverleibung des Memelgebietes am 22. März 1939 unter Verletzung des Artikels 99;

4. die Einverleibung des Freistaates Danzig am 1. September 1939 unter Verletzung des Artikels 100;

5. die Einverleibung der Provinz Böhmen und Mähren am 16. März 1939 unter Verletzung des Artikels 81;

6. der Widerruf der Heeres-, Flotten- und Luftbestimmungen des Vertrages im März 1935.

Am 21. Mai 1935 kündigte Deutschland an, daß es, ungeachtet der Widerrufung der Abrüstungsbestimmungen des Vertrages, noch immer Gebietsbegrenzungen respektieren und sich dem Locarno-Vertrag unterwerfen würde.

[242] Im Hinblick auf die ersten fünf unter Anschuldigung stehenden Verstöße findet der Gerichtshof die Anschuldigungen als erwiesen.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 242-243.
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