Kriegsverbrechen und Verbrechen

gegen die Menschlichkeit.

[316] Im Laufe des Verfahrens hat Göring zahlreiche Eingeständnisse seiner Mitverantwortlichkeit für die Verwendung von Sklavenarbeitern gemacht: »Wir verwendeten diese Arbeitskräfte aus Sicherheitsgründen, damit sie nicht in ihrer Heimat tätig sein konnten und nicht gegen uns arbeiteten. Andererseits dienten sie dazu, uns im Wirtschaftskriege zu helfen.« Und dann wieder: »Arbeiter wurden gezwungen, ins Reich zu kommen; das ist etwas, das ich nicht ableugne«. Der Mann, der diese Worte sprach, war Beauftragter für den Vierjahresplan und mit der Anwerbung und Zuteilung von Arbeitskräften betraut. Als Oberbefehlshaber der Luftwaffe verlangte er von Himmler zusätzlich Arbeitssklaven für seine unterirdischen Flugzeugfabriken: »Daß ich Konzentrationslagerhäftlinge für die Bewaffnung der Luftwaffe verlangte, ist zutreffend und ist als ganz selbstverständlich anzusehen.«

Als Beauftragter für den Vierjahresplan unterzeichnete Göring eine Weisung über die Behandlung polnischer Arbeiter in Deutschland und ergänzte sie durch Ausführungsbestimmungen – einschließlich der »Sonderbehandlung« – an den SD. Er gab Richtlinien heraus, sowjetische und französische Kriegsgefangene in der Rüstungsindustrie zu verwenden; er sprach davon, daß Polen und Holländer ergriffen, wenn nötig zu Kriegsgefangenen gemacht und [316] zur Arbeit verwendet werden sollten. Er gab zu, daß russische Kriegsgefangene zur Bedienung von Luftabwehrgeschützen eingestellt wurden.

In seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan war Göring bei der Ausplünderung eroberter Gebiete zuständig und tätig. Lange vor dem Kriege gegen die Sowjetunion stellte er Pläne zur Ausplünderung des Sowjetgebietes auf. Zwei Monate vor dem Einfall in die Sowjetunion wurde Göring von Hitler die Gesamtleitung der Wirtschaftsverwaltung dieses Gebietes übertragen. Göring setzte einen Wirtschaftsstab für diese Aufgabe ein. Von ihm, als Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches, hieß es: »Die Befehle des Reichsmarschalls erstrecken sich über alle wirtschaftlichen Gebiete, einschließlich der Ernährung und der Landwirtschaft.« Durch seine sogenannte »Grüne Mappe«, die von der Wehrmacht gedruckt war, wurde ein »wirtschaftlicher Vollzugsstab Ost« eingesetzt. Diese Richtlinien sahen die Plünderung und Vernichtung jedweder Industrie in den nahrungsmittelarmen Gegenden vor, ferner eine Umleitung von Lebensmitteln aus den Überschußge bieten zur Befriedigung des deutschen Bedarfs. Göring behauptet, daß seine Absichten mißverstanden worden seien, gibt aber zu, daß: »wir selbstverständlich und pflichtgemäß Rußland zu unseren Zwecken benutzt haben würden«, wenn es erobert worden wäre.

Er nahm an der Konferenz vom 16. Juli 1941 teil, als Hitler erklärte, die Nationalsozialisten hätten nicht die Absicht, die besetzten Länder jemals zu verlassen, und daß »alle notwendigen Maßnahmen – Erschießen, Aussiedeln usw. –« getroffen werden sollten.

Göring verfolgte die Juden, insbesondere nach den Unruhen im November 1938, und dies tat er nicht nur in Deutschland, wo er – wie an anderer Stelle erwähnt – den Juden eine Buße von einer Milliarde Mark auferlegte, sondern auch in den eroberten Ländern. Seine eigenen Äußerungen von damals und seine Zeugenaussagen zeigen, daß sein Interesse in erster Linie wirtschaftlich war: wie man sich des Eigentums der Juden bemächtigen und sie aus dem wirtschaftlichen Leben Europas hinausdrängen sollte. Als diese Länder infolge der Anstürme der deutschen Heere fielen, dehnte er die judenfeindlichen Gesetze des Reiches auch auf sie aus; das Reichsgesetzblatt von 1939, 1940 und 1941 enthält mehrere antijüdische Verordnungen, die Göring unterzeichnete. Obwohl die Ausrottung der Juden eigentlich Himmler oblag, so war Göring weit davon entfernt, teilnahmslos oder untätig zu sein, trotz seiner Beteuerungen auf dem Zeugenstand. Mit der Verordnung vom 31. Juli 1941 wies er Himmler und Heydrich an, »eine endgültige Lösung der Judenfrage innerhalb der deutschen Einflußsphäre in Europa« zustande zu bringen.

[317] Es kann kein mildernder Umstand angeführt werden, denn Göring war oft ja fast immer die treibende Kraft und nur seinem Führer stand er nach. Er war die leitende Persönlichkeit bei den Angriffskriegen, sowohl als politischer, als auch als militärischer Führer; er war Leiter des Sklavenarbeiter- und der Urheber des Unterdrückungsprogramms gegen die Juden und gegen andere Rassen im In- und Auslande. Alle diese Verbrechen wurden von ihm offen zugegeben. In einigen bestimmten Fällen bestehen vielleicht bei den Aussagen Widersprüche; aber im großen und ganzen sind seine eigenen Eingeständnisse mehr als ausreichend, um seine Schuld nachzuweisen. Diese Schuld ist einmalig in ihrer Ungeheuerlichkeit. Für diesen Mann läßt sich in dem gesamten Prozeßstoff keine Entschuldigung finden.


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 1, S. 316-318.
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