IV. Unter Johann Hyrkanos.

[566] 10) Zerstörung des samaritanischen Tempels auf dem Berge Garizim, 21. Kislew (22). Aus dem beigefügten Zusatze, daß am Garizimtage keine öffentliche Trauer stattfinden dürfe, ergibt sich eben die höhere Wichtigkeit dieses Sieges über den nebenbuhlerischen samaritanischen Tempel. Das Faktum selbst wird von Josephus (Altert. XIII. 9, 1) erzählt. Der Talmud (Joma 69 a) setzt die Schleifung des samaritanischen Tempels und hiermit diesen Gedenktag in die Zeit Alexanders des Großen. Allein da der Garizimtempel bis in Hyrkanos' Zeit notorisch bestanden hat, so erscheint diese Erklärung sagenhaft.

11) Einnahme und Zerstörung von Samaria, 25. Marcheschwan (18). Das Scholion hat hierbei eine Erklärung, die um so sicherer einer alten Quelle entlehnt scheint, als sie mit Josephus in Nebenumständen merkwürdiger Weise übereinstimmt. Nur muß die Stelle ein wenig emendiert werden. Nach Josephus hat Hyrkan die Stadt Samaria nicht bloß zerstört, sondern auch durch Wassergräben so sehr überschwemmen lassen, daß sie einem Strome ähnlich sah und keine Spur einer bewohnten Stadt behalten hat: πᾶσαν αὐτὴν (Σαμαρείαν) ἠφάνισεν ἐπίκλυστον τοῖς χειμάῤῥοις ποιἠσας. Διασκάψας γὰρ αὐτὴν ὤστ᾽ εἰς χαράδρας (χαράδραν) μεταπεσεῖν κ τ λ. (Altert. XIII. 10, 3). Die doppelte lateinische Übersetzung von εἰς χαράδρας μεταπεσεῖν [566] hat den richtigen Sinn verfehlt. Die Stelle bedeutet weder: ut in cavernas delaberetur, noch eam (Samariam) effossam in alveos torrentis injecit, sondern sie muß übersetzt werden: ut in torrentem mutaretur. Daß das durch Kanäle durchschnittene, in einen Strom verwandelte Samaria, תכרבנ ריע, Wasserkanalstadt, genannt werden konnte, springt in die Augen, und darauf beziehen sich die Worte des Scholion: אתכרבנ ריע התוא ןירוק ויהו. (Die Lesart ירע אתכרבנ ist jedenfalls korrumpiert). Der Eingang zu dieser Stelle beschreibt kurz die Entstehung des samaritanischen Gemeinwesens, wie sich mehrere Städte an Samaria (später Sebaste) angeschlossen haben! ואב המוח הופיקהו התוא. המוח ירע ובשיו יטסבסל ist wieder eine Korruptel, ebenso wie יטסוב םיל statt יטסובסל = Sebaste. Die Erklärung אתכרבנ als Narbata (Narbatene), die Derenbourg festhält, kann nicht folscher sein. Denn Narbata war nur 60 Stadien von Cäsarea entfernt und gehörte nicht zu Samaria. Auch hat Rufinus die L.-A. Nabata st. Narbata. Und endlich was soll denn bedeuten: אתכרבנ ירע התוא ןירק ויהו?

12) die Einverleibung der Stadt Bethsan und der Ebene Jesreel in Judäa, 15. und 16. Sivan (8). Diese für die Gebietserweiterung Judäas unter Hyrkan so bedeutende Begebenheit wird von Josephus bestätigt, wenn auch nur kurz berührt. Antiochos der Kyzikener hat von Lathuros Hilfstruppen gegen Hyrkan erhalten und sie den Feldherren Kallimander und Epikrates zur Fortsetzung des Krieges überlassen. Nachdem der erstere geschlagen war, übergab der letztere für Geld Hyrkans Söhnen die Stadt Skythopolis und das dazu gehörige Land: Ἐπικράτƞς δὲ ὑπὸ φιλοχρƞματίας τἠν τε Σκυϑόπολιν καὶ τὰ ἄλλα πρὸς ταύτς χωρία προύδωκε τοῖς Ἰουδαίοις (Altert. das.). Welches der zu Skythopolis gehörige Landstrich war, erläutert Josephus an einer andern Stelle (jüd. Krieg I, 2, 7). Es gehörte dazu das Land von Skythopolis bis zum Karmelgebirge, d.h. die ganze Ebene Jesreel: ἀλλὰ προελϑόντες ἅμα (οἱ Υρκανοῠ υἱοὶ) μέχρι τῆς Σκυϑοπόλεως ταύτƞν τε κατέδραμον καὶ τƞν ἐντὸς Καρμἠλου τοῠ ὄρου χώραν ἅπασαν κατενείμαντο. Diese beiden Stellen geben den vollständigen Kommentar zu den beiden Gedenktagen, welche die Vertreibung der Heiden aus Skythopolis und der Ebene Jesreel zum Inhalte haben. Diese Ebene wird an dieser Stelle durch אתעקב bezeichnet.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1906, Band 3.2, S. 566-567.
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