B. Externe Quellen.

[364] 1. Albertus Aquensis, in dessen historia hierosolomitanae expeditionis L. I. c. 126-129 (in der Sammlung Gesta Dei per Francos von Bongars T. I.). Albertus war Zeitgenosse des ersten Kreuzzuges und lebte in Aachen (Aquae Grani), wie die Kritik festgestellt hat, also in der Nähe des Schauplatzes.

2. Berthold von Constanz im Chronicon (in der Sammlung Usserman, Prodromus sacrae Germaniae II. 172). Berthold schrieb 1054 bis 1100, war demnach Zeitgenosse.

3. Anonymus der historia oder gesta Trevirensium episcoporum (in der Sammlung von Martene und Durand und in Calmets Histoire de Lorraine I, preuves c. 66). Der Verf. schreibt wie ein Zeitgenosse. Die übrigen Chroniken und Annalen, welche über den ersten Kreuzzug berichten, sind nur als Sekundärquellen zu betrachten, selbst der Anonymus Saxo und Wilhelm von Tyrus.

Aus diesen Quellen läßt sich folgendes, als historisch beurkundet, feststellen: Peter von Amiens, der Haupturheber des ersten Kreuzzuges, und Godschalk mit ihren Scharen waren unschuldig an dem Gemetzel der Juden. Als die Hauptführer des judenmörderischen Gesindels führt Albertus Aquensis auf: Emicho, Clarembaldus de Vinduil, Thomas de Feria (und im Verlauf auch Willehelmus Carpentarius) cum spoliis eorum (Judaeorum) viam Jerusalem continuarunt, und zwar nachdem Peter und Godschalk bereits vorangezogen waren. Eodem anno, aestatis tempore inchoante, quo Petrus et Godescalcus praecesserant, postmodum ex diversis regnis et terris, scilicet e regno Franciae, Angliae, Flandriae, Lotharingiae gens copiosa et innumerabilis – undique incessanter per turmas [364] suas confluebant. Albertus beschreibt weiter die Laster dieses Gesindels. His itaque per turmas ex diversis regnis et civitatibus in unam collectis, sed nequamquam ab illicitis et fornicariis commixtionibus aversis, immoderata erat commessatio cum mulieribus et cum puellis sub ejusdem levitatis intentione egressis assidua delectatio et in omni temeritate sub hujus viae occasione gloriatio.

Albertus berichtet ferner, wie das kreuzfahrende Gesindel den Anfang des Kreuzzuges mit den Juden gemacht habe: inde, nescio si vel Domini judicio aut aliquo animi errore, spiritu crudelitatis adversus Judaeorum populum surrexerunt per quascunque civitates dispersum, et crudelissimam in eos excrcuerunt necem et praecipue in regno Lotharingiae, asserentes adesse principium expeditionis suae et obsequii contra hostes fidei Christianac. Übereinstimmend damit Eliëser ben Nathan: רהמנהו רמה יוגה זעול םע םינפ יזע ומק ןמיס םשובלמ לע ומישיו – הנפ לכמו דצ לכמ םיזנכשאו םיתפרצ וברע תכלל םבל םאשנ רשא השאו שיא לכ ברעו יתש םהלש רשא תוריעה ךרד םרבעב יהיו – ףטו םישנו םישנא הבראמ ובר םוקנלו ונתפרח שקבל םיכלוה ונא הנה םבלב ורמא םידוהי םש והובלצו והוגרה רשא םידוהיה הנה םילאעמשיה ןמ ונתמקנ ודויו ונומכ ויהי וא דוע לארשי םש רכזי אלו הלחת םהב המקננ .המזה סוחיב

In den Spezialien ist natürlich die jüdische Quelle exakter als Albertus. Dieser meint, das Gemetzel habe zuerst in Cöln begonnen, sei von den Bürgern ausgegangen und habe sich von da aus nach Mainz gewälzt: Haec strages Judaeorum primum in civitate Coloniensi a civibus acta est, qui subito irruentes in modicam manum illorum, plurimos gravi vulnere, detruncaverunt – Nec mora – Moguntiam pervenerunt (Peregrini). Dem widerspricht Eliëser aufs entschiedenste: er setzt den Anfang mit der Stadt Speyer und gibt die Tagesdaten genau an. Sabbat 8. Ijar in Speyer: ראיפש להק לע םיביואה ומק תבש םויב רייאב הנומשב, nur zehn Juden erschlagen.

Damit stimmt Kalonymos überein, der im Klagelied das Martyrium der Speierer Gemeinde zuerst schildert und das Datum hinzufügt: יגורה לע רמ ןנוקאו ימלעו ינהכו – הרקה עוגרמ םויב וב הנומשב ינשב אריפשא םלכ. Ebenso das Memorbuch: 1.) ט"תת אריפש יגורה תבשה םויב רייאב 'ה טרפל (ו"נתת. Die Verfolgung in Cöln fand dagegen erst drei Wochen später statt. Daß in Speyer im Verhältnis zu den übrigen Städten so wenig umgekommen sind, hat seinen Grund in der Menschlichkeit des damaligen Bischofs von Speyer, der, wie sein Vorgänger, die Juden begünstigte und sogar einige Wallbrüder wegen ihrer Exzesse hinrichten ließ. Dann stimmen wiederum Eliëser und Berthold von Constanz überein; der erstere: ולצונ םיראשנהו ןומגהה ידי לע, und der letztere: Hoc anno (1096) – Judaei magna caede trucidati sunt – ita dico ut apud Spiram fugientes in palatium regis atque episcopi etiam repugnando vix se defenderent, eodem episcopo Johanne illis auxiliante, qui etiam postea ob hoc ira commotus et pecunia Judacorum conductus. quosdam feeit obtruncari Christianos.

Am 23. Ijar begann das Gemetzel in Worms, damals wurde nur ein Teil der Gemeinde erschlagen, die übrigen fanden anfangs Zuflucht im Palaste des Bischofs, und diese töteten am 1. Siwan einander. So Eliëser: אשימרוו להק לע תוברע יבאז ומק רייאב ג"כ םויבו תעבשל יהיו – ןומגהה תיבב תצקמו ןהיתבב ויה להקה תצקמו ןומגהה רדחב רשא םתוא ודרחה ןויס שדוח שאר םויב םימיה םמצעב די וחלשיו. Ebenso Kalonymos: אשיימרוו להק םירשעב ארומב דחוימה םש ושדק םימעפ – הרוחבו הנוחב ללה תאירקב ישילשה שדוחבו הרהטל ויז שדוחב השלשו הררושל. [365] Bertholds Bericht ergänzt viele Tatsachen, daß die Juden sich erst zum Selbstentleiben entschlossen, als ihnen der Bischof eröffnete, er werde sie nur dann schützen, wenn sie sich taufen ließen: Apud Wormatium Judaei – fugiendo Christianos ad episcopum properabant qui, cum non aliter illis salutem, nisi baptizarentur, promitteret, inducias colloquii rogaverunt. Et eadem hora episcopi cubiculum intrantes, nostris foras expectantibus, quid responsuri essent, diabolo et propria duritia persuadente se ipsos interfecerunt. – Das Märtyrertum der zwölf Gemeindevorsteher von Worms (םיסנרפ ב"י), die zuerst die Bürgermeister und die Ratsherrn getötet, dann die Gemeinde zum Kampfe aufgefordert und endlich sich selbst entleibt haben, darf man nicht (mit Levysohn, Epitaphien des Wormser Friedhofes S. 16) zur Zeit des ersten Kreuzzuges setzen aus mehrfachen Gründen. Einmal schwankt die Angabe der zwei Hauptquellen über das Faktum in betreff des Datums; während das Minhagbuch es 1096 setzt, datiert es das Maase-Nissim unter 1349. Dann wissen weder Eliëser ben Nathan noch Kalonymos von diesem Vorfall. Endlich waren die Bürger und der Rat ganz unschuldig an dem Gemetzel der Wormser Gemeinde beim ersten Kreuzzug. Ihre Henker waren lediglich die Kreuzfahrer und der Bischof. Die Zahl der Märtyrer von Worms an beiden Tagen gibt Eliëser an: הנומשו הרובקל ונתנ םלכו םימיה ינש ולאב וגרהנ רשא ויה תואמ. Einige Namen der Märtyrer nennt das Wormser Memorbuch bei Zunz, Synagogale Poesie S. 20.

Am 3. Siwan kam die Reihe an die Gemeinde von Mainz, an einem Dienstag (Eliëser): ישילשה םויב יהיו השרפוה הרות ןתמב לארשיל השירפו שודק םוי ןויס שדוחב ןוילע ידיסח אצנגמ להק (Kalonymos): אצנגמ להק ירידא לעו ןובאדל ףסונ ישילשב ישילשה שדוחב הרודהה. Den Tag gibt auch richtig der sächsische Annalist beim Gemetzel von Mainz an: ante dominicam pentecostes feria III., d.h. Dienstag vor dem Pfingstsonntag. Ph. Jaffé hat die Stelle mißverstanden, weil ihm die jüdischen Quellen unzugänglich waren. Er ergänzt vor pentecostes das Wort die und meint, die Verfolgung habe am jüdischen Wochenfeste am Sabbat den 30. Mai stattgefunden (a.a.O. S. 651 Anm. 15). Dem ist aber nicht so, denn das jüdische Wochenfest fiel damals auf den Freitag den 29. und die Verfolgung fiel auf den 27. Mai. – Das Detail gibt Albertus: (Judaei Moguntiae) ad episcopum Rothardum spe salutis confugiunt, thesauros infinitos in custodiam et fidem illius reponentes multumque de protectione ejus – confidentes. Hic autem sacerdos civitatis pecuniam inauditam ab eis receptam caute reposuit; Judaeos in spaciosissimo domus suae solario a specie Emichonis et ejus sequacium constituit. Dieses Sachverhältnis deutet auch Eliëser mit den Worten an: ויה (אצנגמ להק לכ) םלכ ןומגהה רצחב. Beide Quellen geben übereinstimmend an, daß die Kreuzfahrer (unter Emichos Anführung) einen bewaffneten Angriff auf den erzbischöflichen Palast und die Juden gemacht haben: לע) םהילע וכילשיו אלו םיצחו םינבא םיביואה (ןומגהה לש רצחה ךותב םידוהיה סונל וששח. (Albertus): verum Emicho et caetera manus habito concilio orto sole (zu ergänzen ante dominicam pentecostes feria tertia)11 in sagittis et lanceis in solario [366] ad septingentos peremerunt, frustra resistentes contra tot millium vires et assultus. Wenn hier von 700 Getöteten die Rede ist, während Eliëser die Zahl auf 1300 angibt: דחא םויב ןיגרהנ תושפנ תואמ שלשו ףלא, so muß man diese Zahl als die Gesamtsumme der Getöteten und der Selbstentleibten ansehen. Denn beide Quellen geben an, daß viele sich und die Ihrigen entleibt haben: םהינב וטחשיו םהינתמ זועב םישנ ורגח םג םהישנ וטחש חכ יצימאו בל ימר םישנא םגו ןמצע םגו םהיתונבו היעושעש דלי הטחמ הכרהו הגונעה םפטו םהינבו. Der Annalist von Aachen: Judaei vero videntes Christianos hostes in se suosque parvulos insurgere, et nulli aetati parcere, ipsi quoque in se suosque confratres natosque, mulieres, matres et sorores irruerunt, et mutua caede peremerunt. Matres pueris lactentibus, quod dictu nefas est, guttura ferro secabant, alios transforabant volentes, sic potius manibus propriis perire quam incircumcisorum armis extingui. Die Namen vieler Märtyrer gibt das Mainzer Memorbuch: יגורה .םירמ תרמ ותשאו קחצי וניבר .קחצי ונבר ןב הדוהי 'ר :אצנגמ וניבר ונבו ולברוד רמ – .הרופצ תרמ ותשאו יולה הדוהי 'ר יולה לאומש וניבר .ותשאו יולה דוד רב םחנמ 'ר וניבר – דוד הנבו אנומימ תרמ – .הקבר תרמ ותשאו.12 Eliëser berichtet noch, daß 60 an diesem Tage im Dome gerettet, vom Bischof nach dem Rheingau geschickt und dennoch später erschlagen wurden: תיבב םויב וב ולוצנ תושפנ 'סו ידכ אווקניר ןירוקש םירפכל ןומגהה םכילוהו םוהת לש רצואה .םלכ וגרהו םהילע םיביואה וצבקנ םשל םגו םליצהל

Bisher stimmten die jüdischen und die christlichen Quellen, namentlich Eliëser ben Nathan und Albertus Aquensis, miteinander, dagegen in betreff der Nachrichten über die Juden Cölns gehen sie weit auseinander. Zunächst im Punkte der Zeit. Während der letztere, wie schon erwähnt, das Gemetzel der Cölner Gemeinde der Zeit nach allen übrigen voranstellt: strages Judaeorum primum in civitate Coloniensi – nec mora Moguntiam pervenerunt, berichtet der erstere, daß es drei Tage nach dem Blutbade in Mainz stattgefunden habe: תועובש ברע אוהש שדוחב 'הב אינולוקל האב העומשהו 'כו םיביואה' ומק רקבה םויב ותרחמל – םבל ודרחו. Dann herrscht unter den beiden Hauptquellen eine Divergenz in betreff der Teilnehmer am Gemetzel und der Ausdehnung desselben. Nach Albertus hätten die Bürger Cölns selbst einen Angriff auf die Juden gemacht, viele von ihnen getötet, deren Häuser und Synagogen zerstört und deren Habe unter sich geteilt: strages Judaeorum in civit. Col. a civibus acta est, qui subito irruentes in modicam manum illorum, plurimos gravi vulnere detruncaverunt, domos et synagogas eorum subverterunt, plurimum pecuniae inter se dividentes. Eliëser dagegen referiert das Gegenteil: Die Cölner Bürger hätten die Juden beschützt, und es seien überhaupt nur ein einziger Mann und eine Frau in Cöln getötet worden; die Krenzfahrer hätten nur Häuser und Synagogen zerstört: שיא לכ ודרחיו םבל ודרח ומק רקבה םויב ותרחמל םש ויהיו יוג ורכמ היב לא שיאו ירפס תא ואיצויו תסנכה יתב וסרהיו – ללש וללשיו םיביואה – התניתנ םויב תוצוח סמרמל םונתיו םהב וללועתיו תורותה וכילוה רשא ומש קחצי רמ דחא דיסח םד וכפש םויה ותואבו ולצונ ראשהו .תחא הדיסח םגו – וינפב קור קוריו םתפרח תיבל שדוחב 'י םויב ולש םירפכל ןומגהה םכילוה רשא דע םרכמ תיבב (םקלחו 1.) םקלסו םליצהל (delend. םיכרכ 'זב םנתנו (םש תומל םוי םוי םיפצמ זומת שדוח דע םש ויהו. [367] Wenn der jüdische Berichterstatter den christlichen Bewohnern Cölns ein so günstiges Zeugnis ausstellt, daß sie die unglücklichen Verfolgten vier Tage in ihren Häusern verborgen hielten, so ist in seine Worte kein Zweifel zu setzen. Auch war, wie schon erwähnt, Eliëser wahrscheinlich ein Cölner, jedenfalls besser unterrichtet als Albertus Aquensis. Ich nehme keinen Anstand, seinem Berichte den Vorzug zu geben.

Das, was Eliëser ben Nathan weiter mit größter Ausführlichkeit erzählt, ist von den Forschern vollständig mißverstanden worden. Sie haben den Sinn verkannt, dadurch Irrtum auf Irrtum gehäuft, und die Verfolgung der Juden, nach Eliëser, einerseits bis Geldern und anderseits bis Ulm ausgedehnt, wovon im Texte auch nicht ein einziges Wort spricht. Sein Bericht muß daher durchweg kritisch beleuchtet werden. Aus der mitgeteilten Stelle hat sich ergeben, daß in Cöln nur zwei Personen am jüdischen Wochenfeste umkamen, weil die Bürger die übrigen in ihren Häusern bis zum 10. Sivan geschützt haben, bis sie der Erzbischof in seine Dörfer zur Sicherheit verteilte, wo sie bis zum Monat Tammus in Angst weilten. Näher bestimmt Eliëser, daß der Erzbischof sie in sieben Ortschaften verteilte. Das Gemetzel, welches Eliëser ausführlich beschreibt, traf eben nur die Cölner Juden in den sieben Ortschaften in der Gegend von Cöln. Diese sieben Ortschaften führt Eliëser der Reihenfolge nach auf, wie sie von den Kreuzfahrern erreicht und Schauplätze greulichen Blutbades geworden sind: 1. אשונ רפכ am Johannistage; 2. קנילביו ךרכ אבוה 2. Tammus; 3. אדניליא ךרכ 3. Tammus; 4. רפכ אדניליא 4. Tammus; 5. אטנז an demselben Tage; 6. ךרכ ארימ 7. Tammus; 7. אנפרכ רפכ (das Datum erst zu bestimmen). Alle diese Ortschaften muß man in der Nähe von Cöln suchen. Die Gemeindeglieder von Cöln sind nicht in der Stadt selbst, sondern außerhalb niedergemetzelt worden. Dafür spricht die ganze Darstellung des Eliëser ben Nathan. Zum Schlusse des ganzen Berichtes rekapituliert er die Data (S. 11): 'הב ה"רבו אזמרייווב להקה ןמ תצק וב ד"כב ראייפש ישודק רייאב םהב וליחתה אינולוק תנידמבו .אצנגמבש להק ןויסב 'גב ןויס .זומתב 'ח דע תרצע םוימ ףרטלו גורהל

Das Gemetzel in Cöln hat also vom Wochenfest bis zum 8. Tammus über vier Wochen gedauert. Wenn nicht die emigrierten Cölner Juden darunter zu verstehen sind, so hat der Passus keinen Sinn, da in Cöln selbst nur zwei Opfer gefallen sind. Bis zum 8. Tammus sind aber die in den sieben Ortschaften verteilten Gemeindeglieder aufgerieben worden, der Anfang geschah in אשונ und das Ende in אנפרכ. Noch mehr. Bei den Märtyrern von אבוה קנילביוו bemerkt Eliëser, daß die ganze Genossenschaft, welche dahin geführt worden, umgebracht wurde: יול 'ר םשה תא ושדק ףטו םישנו םישנא םשל ומע איבהש הרובחה לכו – לאומש רב. In diesem Orte bestand also keineswegs eine Gemeinde, sondern es waren Cölner Juden, welche dahin geführt worden waren, die dort den Tod gefunden. Wenn es noch eines Beweises bedürfte, daß die Cölner Märtyrer nicht in Cöln selbst, sondern in den genannten Ortschaften umkamen, so ließe er sich aus einer Parallele von Eliësers Konteros und dem Mainzer Memorbuche führen. [368] Das erstere berichtet, ein R. Peter in אדניליא habe mit noch vieren die ganze Gemeinde getötet, und dann sich vom Turme gestürzt: (ומצע תא ליפיו דחא לדגמ לע (רטפ 'ר) אוה םג לעיו. Diesen R. Peter in אדניליא zählt nun das Mainzer Memorbuch zu den Märtyrern von Cöln: ןב רטפ 'ר :אינלוק יגורה לדגמה ןמ ומצע ליפה ץעוי.

Steht es nun unzweifelhaft fest, daß in den sieben Ortschaften nur Cölner Juden umkamen, welche der menschliche Erzbischof dorthin zur Rettung hat bringen lassen, so müssen diese Ortschaften in der Gegend von Cöln gesucht werden, und man darf dabei weder an Geldern, noch an Ulm denken. Suchen wir diese zu ermitteln:

1. אשונ רפכ. Das ist nun unzweifelhaft Neuß am Rhein unterhalb Cölns. Dorthin kamen die Kreuzfahrer, nach Eliëser, am (שנהי l.) שרחי דיא, am Johannistage, 24. Juni = 1. Tammus. Nach dieser Quelle war die Gruppe der Juden Cölns bereits 20 Tage, vom 10. Sivan bis zum 1. Tammus in Neuß, als sie von den Kreuzfahrern erblickt und gemartert wurden. Damit stimmt der Bericht Albertus' überein: Hac ergo crudelitate visa (in civitate Coloniensi) circiter ducenti (Judaeorum) in silentio noctis Nussiam navigio fugam inierunt, quos peregrini et cruce signati comperientes, nec unum quidem vivum reliquerunt, sed simili muletatos strage rebus omnibus spoliaverunt. Es folgt aus dieser Angabe keineswegs, daß die nach Neuß fliehenden Cölner Juden während ihrer Fahrt auf dem Rheine umgebracht worden sind, wie Jaffé annimmt (a.a.O. 651), sondern daß sie später von den Kreuzfahrern entdeckt und getötet wurden.

2. אבוה קנילביוו ist offenbar Wevelinghofen an der Erst (im Kreise Graevenbroich), südwestlich von Neuß. Bei Joseph Kohen ist der Name korrumpiert in: קצלבוו und im Mainzer Memorbuche in: שגניליבו. Wenn Eliëser im Eingange berichtet: םיביואה ומק דועו אבוה קנילביוו ךרכבש םידיסח וגרהנו ותרחמל und dann fortfährt: רשא םימ ימגא ךותב םשה שידק לע זיתהל םראוצ וטשפו ךרכב תוביבס, so kann man nichts anderes darunter verstehen, als daß die nach Wevelinghofen geflüchteten Cölner Juden einander in den Sümpfen oder Seen um Wevelinghofen entleibt hatten. So verstand es auch Joseph Kohen mit Bezug auf die früher genannte Stadt: ביבס ריעל רשא םימה ימגא ךותב והער תא שיא וטחשיו, und ebenso lautete die Lesart bei Genebrado (bei Schaab) verglichen mit dem Texte. Allenfalls kann man emendieren ךרכל תוביבס statt ךרכב 'יבס. Nur der Unverstand kann daraus die Stadt Bacharach machen.

3. אדניליא ךרכ, und zwar tags darauf, am 3. Tammus: der Name dieser Ortschaft ist sehr korrumpiert: ,ארנכליא ,אדליג ,אדניליא ,אדנליא ,ארניליא und gar bei Gedalja Ibn-Jachja ארליק. Das Mainzer Memorbuch hat die Lesart: ארענליאמ םיגורה und an einer anderen Stelle: ןרענדלא יגורה. Es ist offenbar Aldenahr oder Altenahr an der Ahr (Kreis Ahrweiler) südlich von Bonn. Man muß also lesen ארנדלא, und daraus sind sämtliche Korruptelen entstanden.

4. ארניליא רפכ oder richtiger ארנדלא רפכ. Es ist von einem Dorfe Aldenahr die Rede, im Gegensatz zum Städtchen Aldenahr. Eliëser spricht sich selbst über den Unterschied aus (S. 11 Zeile 6 von unten): ינשו דצב אדנליא רפכ דחאה לארשי ישודק םב וגרהש םה אדנליא םש אוה רשאב אדנליא ךרכ רחאהו םלוא. Die Lage des Dorfes gibt er selbst genau an םלוא דצב. Es ist lächerlich, es bei Ulm im Württembergischen zu suchen, [369] da hier nur von der Rheingegend bei Cöln die Rede ist. Es ist vielmehr das alte Ulma oder Olma, Ollheim bei Rheinbach (vgl. Lacomblet, Urkunden für die Geschichte des Niederrheins I. 202, 203, 228, 271, 450, 478). So wie םלוא hier nicht Ulm, so kann אדנליא nicht Geldern bedeuten, sondern das eine das Städtchen, das andere das Dorf Aldenahr. Merken wir uns, daß das Gemetzel in dem letzten Ort am 4. Tammus, an einem Freitag, stattfand.

5. אטנז. Unmöglich kann dieses Xanten bedeuten, weil Eliëser ausdrücklich referiert, daß die Mörder der Emigranten in Dorf Aldenahr an demselben Tage, Freitag in der Abendstunde, die Emigranten in אטנז überfielen und zur Selbstentleibung brachten: עגיו םיביואה םהילע ומק רשא אטזו ידיסח לא ומצע םוי ותואב רבדה םוגרהו םויה ושדקש העשב. Die Kreuzfahrer konnten unmöglich den Weg von der Nähe Rheinbachs bis Xanten im Norden an einem Tage zurücklegen und dort ihr Mordgeschäft fortsetzen. Es kann eher Sinzig bedeuten.

6. ארומ. Man nimmt es gewöhnlich für Mörs, obwohl es zweifelhaft erscheint, ob die Kreuzfahrer beim Aufsuchen der ihnen entgangenen Cölner Juden sich zuerst nördlich, dann südlich und dann wieder nördlich gewendet haben. Die jüdischen Emigranten daselbst wurden nach Eliësers Angabe am 7. Tammus gemeuchelt.

7. אנפרכ ist wohl sicher Kerpen: ושע אנפרכ רפכבו םנוצרכ ובש םידוהיב. Dieses Gemetzel fand wohl tags darauf statt, 8. Tammus; denn wie schon oben angegeben, dehnt Eliëser die Leiden der Juden Cölns bis zum 8. Tammus aus, und in Kerpen ist eben der Rest der Cölner Gemeinde aufgerieben worden. Wenn Eliëser zum Schlusse ein Trauerlied um die heilige Gemeinde Cölns, um die אינלוק ידיסח, anstimmt, so gilt es den Gemordeten und Selbstentleibten in den sieben Ortschaften, nördlich, südlich und westlich von Cöln.

Aus dem Angegebenen erhellt zur Genüge, daß es falsch ist, anzunehmen, das kreuzfahrende Gesindel habe die Richtung von Nord nach Süd verfolgt, d.h. mit Cöln begonnen und von da bis Speyer vorgedrungen. Nach der exakten Datumangabe des Eliëser ben Nathan nahm es vielmehr eine entgegengesetzte Richtung, begann (in Lothringen) mit Speyer und endete mit der Vertilgung der Juden in der Umgegend von Cöln. Dadurch läßt sich auch die Zeit des Gemetzels in Trier entscheiden. Elieser hatte keine speziellen Nachrichten über die Leiden der von seinem Wohnorte (wahrscheinlich Cöln) entfernten Gemeinden. Er berichtet daher nur summarisch darüber: »Ebenso verfuhren sie in andern Gemeinden, in Trier, Metz, Regensburg und Prag: שריבירט ריעב תורחא תולהקב ושע ןכ אגארפבו (קרופשיר) קרובשנגרב םגו ץימבו (סיבירט var.). Näheres über das Gemetzel von Trier haben die Quellen A 3 und B 3. Die erste nennt unter andern zwei Mädchen, die sich ins Wasser gestürzt: :שרבירט יגורה לע וכלה אינולוקמ תורוחב יתשו יאבגה היקזח 'ר תב רתסא תרמ ועבטו םימב םמצע וליטהו רשגה. Die letztere berichtet: Judaei in civitate Trevirorum – quidam ex eis accipientes parvulos suos defixerunt cultros in ventribus eorum. Quaedam autem de mulieribus ascendentes super pontem fluminis et adimpletis sinibus eorum et manicis lapidibus praecipitaverunt se in profundum. Die übrigen unter Michäus' Vorgang nahmen die Taufe gezwungenerweise an, um später, außer Michäus, zum Judentum zurückzukehren. Keine dieser[370] Quellen gibt das Datum dabei an, so daß man nicht wissen kann, ob die Vorgänge in Trier vor denen zu Speyer, Worms usw. vorfielen oder später. Da aber Albertus Aquensis angibt, daß das kreuzfahrende Gesindel sich zunächst aus England, Frankreich und Flandern rekrutierte, und da die meisten Führer desselben, mit Ausnahme des Emicho von Leiningen, nämlich Clarenbaldus de Vinduil, Thomas de Feria und auch Guilelmus Carpentarius Franzosen waren, so folgt daraus, daß das Wüten gegen die Juden auf französischem Boden oder wenigstens an der Grenze zwischen Flandern und Deutschland begonnen hat. In der Tat kamen damals auch Judenverfolgungen in Frankreich vor. Ein Zeitgenosse, Guilbertus von Novigento berichtet, daß die Juden der Stadt Rouen von den sich ansammelnden Kreuzfahrern in die Kirche getrieben wurden, und mit der Degenspitze erging an sie der Zuruf: La mort ou le baptême (bei Bouquet, Recueil XII. p. 240). Wenn auch der Bericht des Annalisten Richard von Poitiers übertrieben ist, daß: Judaeos per omnem fere Galliam multa strage peremerunt (cruce signati, das. 411) – da die Martyrologen und namentlich Eliëser ben Nathan ein so allgemeines Blutbad unter den französischen Juden wenigstens angedeutet hätten (wie es sein Nachfolger Ephraim von Bonn in dem Martyrologium des zweiten Kreuzzuges getan13 – so müssen doch hin und wieder auch in Frankreich Metzeleien vorgekommen sein.

Haben sich also die Kreuzscharen in Frankreich zuerst gesammelt und sind von da auf Lothringen gezogen, so ist es sicher, daß die Gemeiden von Metz und Trier vor denen von Speyer und Worms die Opfer des Fanatismus wurden. Aber eben weil R. Eliëser keine speziellen Nachrichten von den Vorfällen in Frankreich hatte, berichtet er summarisch darüber.

Noch eine Tatsache ist für die Geschichte der Juden während des ersten Kreuzzuges festzustellen. Albertus Aquensis bemerkt ausdrücklich, daß nur das liederliche, verworfene, lasterhafte Gesindel sich an Juden vergriffen hat. [371] Von den Kirchenfürsten haben die Prälaten von Speyer und Cöln sie geschützt, und selbst Rodthard von Mainz war nur aus Gier nach den Schätzen der Juden mit Emicho und seiner Schar einverstanden, wofür er später vom Kaiser Heinrich IV. zur Rechenschaft gezogen wurde. Die Bürger in Cöln, weit entfernt, sich an den Exzessen zu beteiligen, haben die Juden, wie Eliëser als Augenzeuge berichtet, in ihren Häusern vier Tage, vom 6. bis 10. Siwan verborgen gehalten. Man darf also als gewiß annehmen, daß das Volk in Deutschland den Juden keineswegs gehässig war. Es ist daher durchaus falsch, wenn Schaab (in seiner diplomatischen Geschichte der Juden in Mainz S. 67) ein grauenhaftes Bild von der niedrigen Stellung der Juden in Deutschland entwirft und hinzufügt: »Zu keiner Zeit waren die Christen erbitterter gegen die Juden« und zwar »wegen ihres Wuchers und Schachers«. Der Vizepräsident des Kreisgerichtes zu Mainz, der es sonst gut mit den Juden meint, entschuldigt die Juden der damaligen Zeit, daß sie dieses entehrende Gewerbe treiben mußten, weil jedes andere ihnen verschlossen worden war. Dem ist aber nicht so. Von den Juden in Speyer wissen wir, daß sie im Jahre 1090, also sechs Jahre vor dem ersten Kreuzzuge, Ländereien besessen haben: de rebus eorum (Judaeorum Spirensium) quasjure haereditario possident in areis, in casis, in ortis, in vineis, in agris, in mancipiis, seu caeteris rebus mobilibus et immobilibus, sagt Kaiser Heinrich IV. in der Urkunde bei Würdtwein nova subsidia diplomatum p. 128. Als ihnen der Bischof von Speyer, Rüdiger Huozmann, 1084 die ausgedehntesten Privilegien erteilte, bemerkt er: ad summum, pro cumulo benignitatis concessi illis (Judaeis) legem, quamcunque meliorem habet populus Judaeorum in qualibet urbe Teutonici regni (das. 127). Sie waren also in Deutschland damals nicht auf Wucher und Schacher beschränkt. Man muß sich sehr hüten, in der Geschichte der Juden aus späteren Zuständen auf frühere zu schließen. Vergleicht man die fanatischen Rundschreiben des Petrus Venerabilis gegen die Juden zur Zeit des zweiten Kreuzzuges mit der Bemerkung des Albertus Aquensis in betreff der Exzesse des ersten Kreuzzuges, so kann man daraus mit Sicherheit schließen, daß die Juden im elften Jahrhundert durchaus nicht verhaßt waren. Petrus ermahnte den König von Frankreich, den Juden alle Habe abzunehmen, weil sie dieselbe auf unrechtmäßige Weise erworben, und riet nur deswegen vom Totschlagen derselben ab, weil es heißt: »Du sollst sie nicht töten, sondern sie sollen unglücklich umherirren.« Albertus Aquensis, ebenfalls ein Kleriker, mißt den Untergang des kreuzfahrenden Gesindels unter Emicho, Thomas, Clarembaldus und Wilhelm in Ungarn den Verbrechen bei, die es gegen die Juden begangen hat. Sic manus Domini contra peregrinos esse creditur, qui nimis immundiciis et fornicario concubitu in conspectu ejus peccaverant, et exules Judaeos licet Christo gravi caede mactaverant, cum justus judex sit Dominus et neminem invitum aut coactum ad jugum fidei Catholicae jubeat venire (l.c.c. 30).


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1896], Band 6, S. 364-373.
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Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

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