Vorrede zur zweiten Auflage

[13] Dem dringenden Wunsch der Verlagsbuchhandlung, von den seit Jahren vergriffenen Bänden III und IV meiner »Geschichte des Altertums« einen anastatischen Neudruck zu veranstalten, habe ich nur mit großem Widerstreben nachgegeben; aber ich kam zu der Erkenntnis, daß es mir gänzlich unmöglich sei, gegenwärtig Zeit und Kraft für eine neue Bearbeitung zu finden, auch wenn dieselbe sich einstweilen nur auf Einfügung des neuerschlossenen Materials (unter dem die aramäischen Papyri von Elephantine und das uns gleichfalls in Ägypten bescherte Bruchstück von Theopomps »Hellenika« in erster Linie stehen) und der wichtigsten Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit der letzten Jahre beschränkt hätte. Ich bin in den letzten beiden Jahren zunächst durch meine Tätigkeit als Austauschprofessor in Amerika, dann durch Übernahme des Dekanats der Berliner philosophischen Fakultät aus aller zusammenhängenden wissenschaftlichen Tätigkeit herausgerissen worden; und die Rückstände, die sich inzwischen bei mir aufgehäuft haben, sind so groß, daß ich kaum weiß, wie ich sie bewältigen soll. Sobald ich aber wieder etwas Luft habe, muß ich zunächst an die neue Bearbeitung der Zeit von 1600 bis 500 gehen, so daß auch im günstigsten Fall noch einige Jahre vergehen werden, bis ich die Hand aufs neue an die Bände III – IV legen und dann die weitere Fortsetzung meines Werkes in Angriff nehmen kann. ᾽Ο βίος βραγὺς, ἡ δὲ τέγνη μακρὴ ὁ δὲ καιρὸς ὀξύς


Groß-Lichterfelde, den 15. November 1911.


Eduard Meyer


Fußnote

1 Ich habe denselben in einer kleinen Schrift (»Julius Wellhausen und meine Schrift Die Entstehung des Judentums«, 1897) zurückgewiesen und gezeigt, daß WELLHAUSEN es mit seinem wissenschaftlichen Gewissen für vereinbar hält, ein Buch zu rezensieren, ohne es ordentlich gelesen zu haben. Er läßt mich mehrfach das Gegenteil von dem sagen, was mit klaren Worten in meinem Buch steht.



Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 61965, Bd. 4/1.
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