2. Die Universalherrschaft des Geldes und die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft

[189] Wenn das dem Handelskapital innewohnende Bestreben, alles zur Ware zu machen, was Gewinn bringt, selbst auf agrarischem Gebiete ein so erfolgreiches war, daß der Grund und Boden nicht mehr bloß als Rentenquelle, sondern auch als Quelle von Spekulationsgewinn in Betracht kam, so liegt darin wohl der deutlichste Beweis für die stetige Zunahme des Kapitalismus, der Herrschaft des Geldes und der Spekulation über das gesamte ökonomische und soziale Leben. In allen Erwerbsgebieten, in Handel, Industrie und Landwirtschaft stand an der Spitze der ökonomischen Bewegung eine Klasse von Unternehmern und Kapitalisten, denen der überlegene Besitz an beweglichen und unbeweglichen Produktionsmitteln in Form von Gewinn, Zins- und Pachtrente den Bezug eines oft unverhältnismäßigen Anteiles an dem Ertrage der Volkswirtschaft ermöglichte. Das Kapital steht organisierend, beherrschend, »arbeitend«226 im Mittelpunkt des Produktions- und Umlaufprozesses.[189] Eine Machtstellung, die recht augenfällig in der offenbar sehr zahlreichen Klasse von Rentnern zutage tritt, deren Lebensideal die »Muße« war, die, soweit sie sich nicht im öffentlichen Leben betätigten, ohne Berufsleistung von der Arbeit anderer lebten.

Am intensivsten erscheint natürlich die Universalherrschaft des Geldes über das soziale Gesamtleben da ausgebildet, wo die Kapitalistenklasse zugleich eine privilegierte Rechtsklasse war, wo sich mit der materiellen zugleich die politische Herrschaft des Kapitals verband. Hier in der »Plutokratie« oder »Oligarchie«, wo die arbeitende und besitzlose Masse den Besitzenden nicht einmal rechtlich gleichgestellt war, erreichte natürlich die Ausbeutung der Arbeit ihren Höhepunkt.227 Zwar ist es ohne Zweifel stark übertrieben, wenn Plato meint, daß es in den oligarchisch regierten Staaten neben der herrschenden Klasse fast nichts als Bettler gebe.228 Denn hier spricht der sozialistische Doktrinär, für den – um marxistisch zu reden – die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol stets zugleich Akkumulation von Elend, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem andern Pol bedeutet. Allein eine derartige Äußerung wäre doch kaum möglich gewesen, wenn sich nicht tatsächlich der wirtschaftliche Klassengegensatz im plutokratischen Staat besonders schroff fühlbar gemacht hätte. Und in der Tat weist auch Aristoteles ausdrücklich darauf hin, daß für die Oligarchie die Schwäche des Mittelstandes charakteristisch sei.229 Tritt doch selbst in der fortgeschrittensten Demokratie jener Gegensatz augenfällig genug zutage!

Man ist ja allerdings gewöhnlich der Ansicht, daß die Demokratie durch zahlreiche »antikapitalistische Schutzmaßregeln« dem Umsichgreifen des Kapitalismus wenigstens innerhalb ihres Herrschaftsbereiches mit Erfolg zu wehren vermocht habe. Die Politik – meint man – »habe hier die wirtschaftliche Entwicklung gedämpft«. Der größere Besitz sei von der demokratischen Gesetzgebung und Verwaltung durch die ständige Anzapfung des Kapitals mittels der Liturgien und sonstigen Besteuerung, durch die staatliche Regelung des Güterverkehrs, wie z.B. die Teuerungspolitik u. dgl. m., »vor allzu hohen Gewinnen bewahrt worden«.230

[190] Allein diese Ansicht verkennt, daß selbst in der Demokratie die kapitalistische Minderheit der Mehrheit nicht so wehrlos gegenüberstand, als es äußerlich betrachtet den Anschein hat. Die Möglichkeit, das rein proletarische Interesse durch eine dauernde Majorisierung der Besitzenden auf der Agora zur Geltung zu bringen, wurde doch bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt durch die wirtschaftliche Abhängigkeit der städtischen Masse.231 Es ist ja eine bekannte Erscheinung, daß gerade da, wo das niedere Volk zum Pöbel wird und sich die Souveränität auf diesen Pöbel erweitert, der Staat recht häufig für die Reichen käuflich wird.232 Was anderseits die besitzlosen Elemente außerhalb der Stadt betrifft, wie viele von ihnen werden überhaupt in der Lage gewesen sein, von ihrem Stimmrecht regelmäßig Gebrauch zu machen? Wir kennen Inschriften, welche die Zahlen der in der Volksversammlung abgegebenen Stimmen verzeichnen. Diese Zahlen sind im Verhältnis zur Gesamtmasse der Stimmberechtigten verschwindend klein,233 und wenn man sich auch hüten wird, solche zufällig bekannten Abstimmungsverhältnisse zu verallgemeinern, so lassen sie doch wenigstens den Schluß zu, daß es trotz des allgemeinen Stimmrechts der Minderheit oft genug gelungen sein muß, die Abstimmungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. So schlimm auch – besonders in bewegter Zeit – die Massenherrschaft sich auf Kosten der besitzenden Minderheit fühlbar gemacht hat, unter normalen Verhältnissen mußte das von wirtschaftlichen Sorgen in Anspruch genommene, der persönlichen und sozialen Voraussetzungen für die Übernahme der höheren Ämter völlig entbehrende Kleinbürgertum und Proletariat die wirkliche Leitung des Staates doch den Besitzenden überlassen.234 Und was soll man vollends zu den Ausschreitungen der Spekulation sagen, wie sie uns in dem demokratischen Athen z.B. gelegentlich in der krassen Auswucherung der kleinen Händler auf der Agora entgegentritt?235 Wir haben gerade aus der Zeit der entwickelten[191] Demokratie eine Rede, welche das Umsichgreifen des Kapitalismus in Athen schildert und dabei elegische Rückblicke auf jene gute alte Zeit wirft, wo die soziale Gleichheit unter den Bürgern weit größer und daher der Demos noch »Herr über alles« gewesen sei,236 während das jetzt ganz anders geworden sei. Jetzt geschehe alles durch Leute, die in palastartigen Häusern wohnten und große Landgüter zusammengekauft hätten. Der Demos nähme sich neben ihnen wie ein bloßes Anhängsel aus und sei zur Rolle eines Handlangers verurteilt, der mit den Brosamen vorlieb nehmen müsse, die von dem Tische jener Reichen für ihn abfielen.237

Eine tendenziöse Übertreibung, die aber doch so viel erkennen läßt, daß das Schwergewicht der sozialen und ökonomischen Macht auch auf dem Boden der Demokratie unter Umständen sehr wirksam werden konnte. Und so viel ist jedenfalls gewiß: die uns bekannten sozialen Phänomene des athenischen Wirtschaftslebens beweisen unwiderleglich, daß die Ansammlung großen Besitzes in den Händen weniger und die Proletarisierung eines Teiles der Masse auch von dem allgemeinen Stimmrecht und der Volksherrschaft nicht hat verhindert werden können, trotz der Verwüstungen, welche dieselbe gelegentlich unter dem Reichtum anrichtete.238 Wenn daher Aristoteles von den Störungen der von ihm so genannten »Symmetrie« im gesellschaftlichen Organismus spricht, so kann er als Beispiel für solche Störungen auch auf die Demokratie verweisen, wo die Masse der Armen oft unverhältnismäßig anwachse und anderseits auch die Zahl der Reichen, wie die Größe ihres Besitzes so zunehmen könne, daß unter Umständen der Übergang zur Oligarchie, ja sogar zur schlimmsten Form derselben, dem Dynastenregiment, nicht mehr zu verhindern sei.239

Dieses Umsichgreifen des Kapitalismus im entwickelten Industrie- und[192] Handelsstaat kommt nun aber noch in einer Reihe anderer Symptome zum Ausdruck.

Das, was das bewegende Interesse und die treibende Kraft der kapitalistischen Volkswirtschaft bildet, der Wettbewerb um den höchsten Gewinn und Ertrag, wurde bestimmend für die ganze ökonomische Signatur der Epoche, wie anderseits durch sie die weitere kapitalistische Ausgestaltung der Volkswirtschaft mächtig gefördert wurde.


»Im Schiffswagen – heißt es bei Euripides – fuhren sie über das

Salzige Gebiet mit segelstreichendem Wind,

Für die Speicher erhebend

Reichtum liebenden Wettstreit.

Denn unersättlich süße Sucht

Wohnet zum eigenen Verderben Sterblichen bei,

Die reichen Gewinn zu schleppen

Umirren durch die Wogen der See, in

Fremde Städte dringend:

Die Verblendeten!«240


Freilich eine einseitige Auffassung, welche die Notwendigkeit dieses Wettstreites verkennt. Denn wenn der einzelne in diesem Ringen sich behaupten, wenn er konkurrenzfähig bleiben und nicht überholt werden wollte, mußte er auf die Bildung von immer mehr Kapital bedacht sein. Die »Pleonexie« ist die notwendige Begleiterscheinung der kapitalistischen Volkswirtschaft, in der sie ja zugleich auch als ein Haupthebel wirtschaftlichen Fortschrittes unentbehrlich ist und als solcher z.B. bei Thukydides in der klassischen Schilderung des ruhelosen Erwerbstriebes der Athener geradezu gepriesen wird.241 Ebenso ist es ein unvermeidlicher Reflex der wirtschaftlichen Verhältnisse, daß die Entartung des Erwerbstriebes zur Erwerbsgier, zur maßlosen Spekulation und Plusmacherei (αἰσχροκέρδεια), die uns ja nicht erst in der Zeit des sogenannten »sittlichen Verfalles«, sondern schon bei den Zeitgenossen des Solon und Theognis entgegentrat, jetzt auf dem Höhepunkt der kapitalistischen Entwicklung sich in verstärktem Maße und noch allgemeiner bemerkbar macht.

Ein bedeutsames Symptom dafür ist die Tatsache, daß sich das sozialtheoretische Denken der Zeit zu einer Kritik des Kapitalismus und der Mißstände der kapitalistischen Gesellschaft erhebt, die an schneidender Schärfe der analogen Kritik eines Saint Simon und Fourier, eines Proudhon und Rodbertus, eines Lassalle und Marx nichts nachgibt. Mit welch[193] unübertroffener Wahrheit wird von Plato jene von dem Geist des moneymaking ergriffene Schicht der kapitalistischen Gesellschaft geschildert, die »den Verstand über nichts forschen und sinnen läßt, als wodurch geringeres Vermögen sich mehrt, die vor nichts sich beugt, als vor dem Reichtum und dem Reichen«. Wie vorbildlich ist die platonische Charakteristik der schmutzigen Erwerbsseelen und Geldprotzen, die für alles, was nicht in Geld taxierbar ist und etwas einbringt, eine cynische Verachtung zur Schau tragen.242 Und die aristotelische Analyse der Chrematistik, ist sie nicht unmittelbar auf die Erscheinungen anwendbar, die uns die Entwicklung des modernen Kapitalismus alltäglich vor Augen führt?243

Aus dieser Kritik der damaligen Gesellschaft sehen wir – trotz ihrer Übertreibungen – recht deutlich, wie die dem Kapitalismus innewohnenden Tendenzen in Leben und Empfinden der Epoche in ganz moderner Weise wirksam gewesen sind. Auch handelt es sich hier ja nicht bloß um Betrachtungen der sozialistischen Professoren der Akademie und des Lykeions! Ein Mann wie Isokrates, der sonst als guter Bourgeois empfand und der bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nichts weniger als feindlich gegenüberstand, hat über die hier in Betracht kommenden sozialpsychologischen Erscheinungen nicht anders geurteilt. Er meint: »In bezug auf das, was Gewinn verheißt, sind wir so unersättlich, daß selbst die, welche die größten Reichtümer besitzen, sich nicht damit begnügen, sondern indem sie nach immer mehr trachten, das, was sie haben, aufs Spiel setzen.«244 Auch die Bemerkung des Demosthenes über die alle anderen Rücksichten beiseite setzende Plusmacherei gewisser Vertreter des athenischen Geldgeschäftes245 bestätigt nur den Eindruck, wie sehr die platonischen Typen des Geldmenschen der Wirklichkeit entsprachen. Jedenfalls traf für so manchen Vertreter dieses Typus das zu, was der Dichter in pessimistischer Verallgemeinerung als Zeitkrankheit[194] überhaupt bezeichnet hat, indem er den Reichtum mit den Worten apostrophiert:246


»Doch deiner satt geworden ist noch nie ein Mensch,

Nein, wenn ein dreizehn schwere Talente jemand hat,

So wünscht er die sechzehn erst mit rechter Gier sich voll.

Wenn er die gewonnen, geht er auf die vierzig los.

Sonst sei ihm das Leben, sagt er, nicht mehr lebenswert.«


Das Ergebnis dieses entfesselten Spekulationsgeistes und der kapitalistischen Entwicklung überhaupt war ein sehr intensiver Fortschritt der Kapitalbildung, eine zunehmende Anhäufung von Vermögen in den Händen der Besitzenden. Wir sehen hier ganz ab von den zufällig erhaltenen, allzu problematischen Angaben über den Reichtum einzelner.247 Ein untrüglicher Beweis ist die gesteigerte Lebenshaltung der oberen Klassen, die Verfeinerung ihrer Bedürfnisse.

Als Symptom des vermehrten bürgerlichen Wohlstandes und soweit der Wohlstand höheren Kulturinteressen zugute kam, bietet diese Seite der kapitalistischen Gesellschaft ja viel Erfreuliches dar, wie denn überhaupt die kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform als die unentbehrliche Voraussetzung der höchsten Kultur an sich stets ein Moment des Fortschrittes darstellt. Wir sehen, wie dank dem hochentwickelten Schönheitsgefühl der gebildeten Kreise in stetig steigendem Maße die Kunst in den Dienst der Privaten trat. Es schmücken sich die Wohnungen der Reichen mit Wandgemälden und anderem künstlerischen Zierat. In der Bildhauerei entwickelt sich dank der steigenden Nachfrage der Besitzenden die Porträtkunst in der Plastik und in der Malerei zu ungeahnten Dimensionen. Wir hören z.B., daß Künstler von bedeutendem Ruf für eine einzige Familie eine Reihe von fünf bis sechs Bildwerken[195] geschaffen haben. Und dazu welch ein Aufschwung des Kunstgewerbes, von dem noch jetzt die attische Gräberwelt ein glänzendes Zeugnis ablegt!

Allein es darf bei der sozialgeschichtlichen Beurteilung dieser Kunstübung nicht übersehen werden, daß dieselbe eben vor allem die Verherrlichung der Individuen und zwar derjenigen der besitzenden Klasse diente. Der individualistische Geist der kapitalistischen Gesellschaft kommt in ihr mächtig zum Ausdruck; und es ist daher nicht unberechtigt, wenn es Demosthenes als eine vom Standpunkt der Gesamtheit beklagenswerte Erscheinung hervorhebt, daß dieser Aufwand der Privaten den für öffentliche Zwecke weit überflügelt hatte. Er weist auf die schlichten Häuser eines Miltiades, Themistokles und anderer Größen der älteren Zeit hin, in der sich die Stadt mit Propyläen, Tempeln, Arsenalen, öffentlichen Hallen usw. schmückte, während jetzt die staatliche Bautätigkeit sich kläglich ausnähme gegenüber derjenigen der reichen Emporkömmlinge, deren Häuser viele öffentliche Gebäude an Glanz und Pracht überstrahlten.248

Man wird sich ja mit einem feinsinnigen Kenner des Hellenentums ewig daran erfreuen, daß »den Hellenen das Schöne Lebensbedürfnis war, das sie nicht ruhen ließ, an sich und um sich die Idee der Schönheit darzustellen, daß die Kunst so wesentlich Teil ihres Lebens und Strebens war, daß, wer den Schauplatz ihrer Geschichte durchwandert, glauben sollte, sie hätten nichts getan, als gebaut und gebildet«. Allein so berechtigt die Befriedigung über einen Reichtumsgebrauch ist, der in solchem Umfang materielle Werte in ideale Güter umsetzte, ganz rein und ungetrübt kann für den Historiker diese Befriedigung nicht sein. Wer in dem Studium der Antike noch etwas anderes sieht als den romantischen »Durchgang durch den stillen Tempel der großen alten Zeiten und Menschen zum Jahrmarkt des späteren Lebens« (Jean Paul), wer den Jahrmarkt des Lebens auf dem Boden des Altertums selbst aufsucht, der wird sich stets zugleich fragen: Wie hat das Kapital, das hier Länder und Meere mit den Wundern seiner Werke bedeckte, für die Gesamtwohlfahrt des Volkes gewirkt? Denn er wird über dem Glanz dieser[196] einzigartigen Kultur ihre tiefen Schatten und schweren Gebrechen, neben den herrlichen Früchten das böse Unkraut nicht übersehen, das auf dem Boden derselben Kultur so reichlich gedieh. Er wird fortan betonen müssen, daß eine solche Entfaltung der künstlerischen Kultur eben nur möglich war auf der Grundlage einer höchst ungleichmäßigen Verteilung der Güter.

Wäre der mit dem wirtschaftlichen Fortschritt steigende Mehrertrag der Produktion in höherem Grade den unteren Volksklassen zugute gekommen, wäre dementsprechend ihre Lebenshaltung und ihre Konsumfähigkeit gestiegen, so hätte sich die Produktion unmöglich mit solcher Einseitigkeit auf die Befriedigung der Kulturbedürfnisse der Besitzenden und Gebildeten werfen können. So reich die Genußsphäre der letzteren war, wir dürfen doch nie vergessen, daß dieses höhere Kulturleben erkauft ward durch die einen großen Bruchteil der Bevölkerung umfassende Sklaverei und die soziale und ökonomische Erniedrigung der arbeitenden Masse. Und wie die Entwicklung der hellenischen Kunst und Kunstindustrie ein Symptom starker wirtschaftlicher Differenzierung ist, so hat sie ihrerseits dazu beigetragen, die vorhandene Ungleichheit zu verschärfen. Denn da hier vielfach das für die allgemeine Volkswohlfahrt so überaus wichtige Ebenmaß der Produktion fehlte, d.h. einseitig zugunsten der höheren und feineren Bedürfnisse produziert wurde, so wurde die für die untere Klasse ja ohnehin schon reichlich vorhandene Gefahr eines Herabsinkens in proletarische Zustände durch die allgemeine gewerbliche Lage noch vermehrt. Die dem feineren Konsum und dem Luxus dienenden Gewerbe sind ja immer zugleich diejenigen, welche am meisten unter den Schwankungen des Konsums leiden, am leichtesten Absatzstockungen und Krisen ausgesetzt sind, weil eben das erste, was man in schlechter Zeit einschränkt, der Luxus ist. Ein gewiß nicht zu unterschätzender Faktor in der Entwicklung von Kapitalismus und Pauperismus!

Anderseits tritt uns neben all dem Schönen und Herrlichen, das durch den Luxus in Kunst und Kunstgewerbe zur Entfaltung kam, in dem Luxusleben der Epoche eine Reihe von minder erfreulichen Erscheinungen entgegen, in denen sich eben auch wieder die Schattenseiten der kapitalistischen Entwicklung widerspiegeln. In einer Gesellschaft, in der das Ringen um den materiellen Vorteil so intensiv entwickelt war und daher – wie wir schon in den Anfängen des Kapitalismus beobachten konnten – der Ausdruck des Wertes der Rivalisierenden vorzugsweise[197] ein materieller war,249 mußte sich der Geist des Materialismus mehr und mehr auch des Genußlebens der Besitzenden bemächtigen. Es wiederholen sich im Bürgertum dieselben Erscheinungen, denen wir früher bei der plutokratisch gewordenen Aristokratie begegneten. Vortrefflich hat Plato dargetan, wie neben den »auf den Gelderwerb gerichteten Begierden« in der kapitalistischen Gesellschaft diejenigen emporkommen, welche nur »Ergötzlichkeit und Vornehmtum« bezwecken.250 Der durch den Wettbewerb ungleichmäßig aufgehäufte materielle Gewinn drängte zu einer Steigerung des materiellen Genusses. Dem Wettbewerb folgte auch hier – um mit Rodbertus zu reden – der Wettgenuß.

Zahlreiche Dienerschaft, prächtige Gespanne, zunehmender Tafel- und Kleiderluxus sind die unverkennbaren Symptome des wachsenden Privatreichtums und einer in sittlicher Hinsicht schädlichen Gestaltung des Einkommenprozesses.251 Man vergegenwärtige sich nur die weitschweifigen Schilderungen kulinarischer Genüsse in der späteren attischen Komödie, die Rolle, welche in dem sozialen Leben des damaligen Athens Zechgelage und Prostitution spielen, endlich jenes verächtliche und unproduktive Schmarotzertum, welches sich bei den Besitzenden einnistete; Parasiten, wie die Griechen es treffend bezeichnet haben. Die auch sonst in der Entwicklung des Kapitalismus als Nebenwirkung gewisser Erwerbsverhältnisse zu beobachtende Verschlechterung der Moralität des besitzenden Bürgertums ist auch hier unverkennbar. Je mehr das Einkommen der oberen Schichten den wirklichen Bedarf überschritt, um so häufiger wurde es die Ursache eines unvernünftigen und unsittlichen Luxusbedarfes.252

Eine deutliche Sprache reden in dieser Hinsicht die – allerdings zum Teil stark übertriebenen – Summen, welche uns als Hetärenpreise und Hetärenlöhne genannt werden. 3000 Drachmen kostete ihren Herren Neära, 100 Drachmen soll für eine einzige Nacht Phryne verlangt haben, 1000 Gnathäna, während man sich vollends von Lais erzählte, sie habe für eine Nacht 10000 Drachmen gefordert.253 Und wer kennt nicht aus der Geschichte des Sokrates die Hetäre Theodote, die über ein glänzend eingerichtetes Haus und zahlreiche Dienerschaft verfügte?254 Was bedeuteten gegenüber dem Arbeitsertrag dieser »hochgelohnten«[198] Halbwelt,255 mag er auch zum Teil nur auf Klatsch beruhen, die Löhne der ehrlichen Arbeit?

Wie groß die Nachfrage der Besitzenden auf diesem Gebiete allmählich geworden war, wie tiefe Wurzeln diese Art Luxus im ganzen gesellschaftlichen System geschlagen hatte, das zeigt die Äußerung, die ein Redner ganz ungescheut in einer gerichtlichen Rede getan hat: »Die Hetären haben wir um der Lust willen, die Kebsweiber der täglichen Leibespflege willen, die Ehefrauen, um echte Kinder zu erzeugen und zur Hut des Hauses.«256 Eine Lebensphilosophie, die ja in erster Linie für die besitzende Klasse da war.257 Wie bezeichnend ist es für den Geist dieser Gesellschaft, daß eine Phryne ihr eigenes vergoldetes Standbild – ein Tropäon der Wollust, wie es Krates genannt hat – zu Delphi – an der Stätte des Nationalheiligtums! – aufstellen durfte, und daß ein anderes Bild von ihr in Thespiä im Tempel des Eros unmittelbar neben dem der Aphrodite stand; daß man sich ferner von derselben Phryne erzählte, sie habe sich erboten, die Mauern des von Alexander zerstörten Thebens für die Ehre ihrer Namensaufschrift wieder aufzubauen!258

Ist nicht andrerseits selbst das, was wir als idealstes Moment in der Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft anerkennen mußten, durch diese Entartung des Luxuslebens geschädigt worden? Wie vielfach begegnet man in der späteren griechischen Kunst Erscheinungen, die an die Kunst unserer Gründerepoche erinnern! Der sinnliche Reiz und der äußere Effekt ist es, den der Geschmack der herrschenden Gesellschaft mehr und mehr auch von der Kunst verlangt. Das Streben nach dem Prunkvollen,259 ja Bizarren260 in der Architektur, die rauschende, effektsüchtige Musik, die Vorliebe für möglichst glänzende, pompöse Ausstattung auf dem Gebiete der dramatischen Kunst – erzählte man sich doch, daß die Inszenierung einer euripideischen Tragödie mehr gekostet habe als einst der Bau der Propyläen261 –, der sinnliche Zug in der späteren Plastik, – all das sind typische Symptome der kapitalistischen Entwicklungsstufe der Gesellschaft. Besonders in der Plastik tritt uns dieser sozialpsychologische Zusammenhang recht deutlich entgegen. Die[199] Macht der Sinnlichkeit, die Wonnen des Rausches sind es, deren Verherrlichung – man denke an die zahllosen Aphrodite- und Dionysosdarstellungen – die neue Kunst mit Vorliebe sich zuwendet. Daher auch die Rolle, welche die Halbwelt in dieser Kunst spielt. Die genannten Statuen der Phryne sind von keinem Geringeren als Praxiteles! Und wie die Hetäre es wagen durfte, bei einem Feste in Eleusis als Aphrodite Anadyomene aus dem Meer aufzusteigen, so hat der genannte Meister der Göttin die Züge seiner eigenen Buhlerin Kratine gegeben! Was könnte vollends den Geist eines Teiles der herrschenden Gesellschaft drastischer versinnbildlichen als die Statuen der »weinenden Matrone« und der »lachenden Buhlerin«, die, wenn nicht schon in einem den Triumph der Prostitution verherrlichenden Gruppenbild des Praxiteles, so doch mindestens in Epigrammen, vielleicht auch in Kopien der beiden Werke des Meisters, als Typen zweier bezeichnender sozialer Gegensätze gegenübergestellt wurden.262 Gibt doch seit dem 4. Jahrhundert die Prostitution einer ganzen Kunstrichtung ihr Gepräge: der der Pornographen! Und mit dieser Dirnenmalerei wetteifert die dramatische Kunst, die in der mittleren und neueren Komödie mit unerschöpflichem Behagen das frivole und leichtfertige Treiben der Demimonde und der Jeunesse dorée Athens zur Darstellung brachte. Ist doch in derselben Epoche die Lebensanschauung der Kreise, für welche der Zweck des Lebens zusammenfiel mit dem Genuß des Lebens, der raffinierte Hedonismus, auf die Höhe eines philosophischen Systems erhoben worden!

Überhaupt sehen wir mit der vollen Ausgestaltung der kapitalistischen Gesellschaft die Zerstörung der sittlichen Grundlagen des sozialen Lebens Hand in Hand gehen. Wettbewerb – Wettgenuß – Korruption, das ist die verhängnisvolle Steigerung, die den späteren Jahrhunderten der griechischen Geschichte ihr Gepräge gibt. Der entfesselte Wettbewerb, das Ringen um die materielle Existenz und die Behauptung der Konkurrenzfähigkeit führte zu wachsender Gleichgültigkeit in der Wahl der Mittel des Erwerbes. Betrug und Schwindel, wucherische Spekulationen waren ja allezeit vorgekommen, aber jetzt wiederholten sie sich doch in ungleich größerem Maßstab.263 Und wenn das Hasten nach Geldgewinn[200] im geschäftlichen Wettbewerb sein Ziel nicht zu erreichen vermochte, so suchte man, um nicht im Wettgenuß zurückzubleiben, dem Ziele auf allen möglichen anderen Wegen nahezukommen.264 Wenn ein moderner französischer Autor klagt: »Ärzte, Advokaten, Schriftsteller, Künstler, – der Merkantilismus ist auf dem Wege, alle zu erniedrigen«, – so ist das genau dasselbe, was Aristoteles in seiner Kritik der Chrematistik als Signatur seiner Zeit geschildert hat. Tief hat er es beklagt, daß auch die idealsten Berufe, das politische Parteileben, die Gesetzgebung und Verwaltung des Staates, zur Rentenquelle, zur fetten Weide der Spekulation geworden sei. Selbst das Heiligste – man denke nur an die weitverbreitete Überzeugung von der Bestechlichkeit der Orakel – vermag diesem Zuge nicht zu widerstehen.265 Der Gewinntrieb, der die Springfeder im privatwirtschaftlichen Triebwerk ist, hatte ja auch im politischen Leben der Griechen immer eine Rolle gespielt. Aber extensiv und intensiv erreichte die Beherrschung aller Lebensgebiete durch die wirtschaftliche Spekulation doch erst mit dem vollentwickelten Kapitalismus ihren höchsten Grad.

»Jetzt« – klagt Demosthenes mit Worten, die ein Carlyle geschrieben haben könnte – »jetzt wird alles das eingeführt, was die Quelle der Krankheit und des Unterganges von Hellas ist. Und was ist dies? Mißgunst, wenn einer etwas (als Bestechung) erhalten hat, Gelächter, wenn er es bekennt, Nachsicht gegen die Überwiesenen, Haß, wenn einer dies tadelt, und alles andere, was noch sonst an feiler Bestechlichkeit hängt.« Er spricht von einem förmlichen »Handeltreiben mit den Interessen des Staates«.266 Und wenn man hier auch mit Recht geneigt sein mag, tendenziöse Übertreibung anzunehmen,267 so lese man die Rede des Äschines gegen Timarch mit ihren furchtbaren Enthüllungen über die sittliche Korruption der athenischen Gesellschaft!

In der Tat, wenn seinerzeit der anonyme Verfasser des Pamphlets gegen die Demokratie gemeint hatte, daß in Athen vieles mit Geld durchgesetzt werde, und noch mehr durchgesetzt würde, wenn sich mehr Zahlende fänden,268 so hat ihm die Folgezeit nur zu sehr recht gegeben. Ist[201] irgendwo mit größerem Cynismus die Allmacht des Kapitals proklamiert worden als im 4. Jahrhundert auf der Bühne des athenischen Theaters? »Nach Epicharm« – heißt es in einer Komödie Menanders – »sind Götter Luft und Wasser, Erde und Feuer, Sonne und Gestirne. Ich aber meine: nützliche Götter sind für uns allein das Silber und das Gold. Wenn du sie in dein Haus einführst, magst du wünschen, was du willst, alles wird dir zuteil werden: Landgüter, Häuser, Dienerschaft, Silbergeschirr, Freunde, gefällige Richter und Zeugen. Du brauchst nur zu geben, dann wirst du die Götter selbst zu Dienern haben.«269

Es handelt sich hier eben um sozialpsychische Erscheinungen, die nur der naturgemäße Ausdruck eines Geisteszustandes der Gesellschaft sind, wie er durch die Herrschaft des Geldes notwendig erzeugt wird. Wo das Geld die höchste gesellschaftliche Macht, sein Erwerb für so viele der höchste Genuß geworden ist, wo durch die Überschätzung der materiellen Güter das Erwerbsstreben zur Käuflichkeit entartet, da konnten in der Tat unmöglich die gesellschaftlichen Krankheitssymptome ausbleiben, welche die Geschichtschreiber270 und Philosophen, Dichter und Redner – allerdings nicht ohne Übertreibungen und manche unzulässige Verallgemeinerung – geschildert haben.

Jedenfalls entspricht es durchaus dem spezifisch materialistischen Grundzug der Geldherrschaft, wenn in derselben Zeit über den Mangel an sozialem Pflichtgefühl gegen Staat und Volk geklagt wird, wie er z.B. in gewissen Kreisen der athenischen Erwerbsgesellschaft zutage trat. Auch diesem demokratischen Industrie- und Handelsstaat ist der durch den Kapitalismus großgezogene Typus des Bourgeois nicht erspart geblieben, der den Staat von allem weghaben will, was seinen Gewinntrieb einengt, der die Forderungen des staatlichen Lebens nur als Zwang und widerwillig ertragene Last empfindet und sich denselben möglichst zu entziehen sucht. Kopf und Herz vom unersättlichen Hunger nach Gold erfüllt, hat dieses Geldmenschentum Staats- und Vaterlandsgefühl längst als eine theoretisch überwundene Beschränktheit abgetan. »Nur von Geburt« – klagt Lysias271 – »sind diese Leute Bürger; ihrer Gesinnung nach betrachten sie jedes Land, in dem sie ihren wirtschaftlichen[202] Vorteil finden, als Vaterland, weil sie nicht im Staat, sondern im Besitz ihr Vaterland sehen.« Die Internationalität des Kapitales!

Wenn selbst in der Demokratie diese sozialpsychischen Begleiterscheinungen des Kapitalismus so augenfällig zutage traten, so ist es gewiß nicht tendenziös, wenn Aristoteles von der kapitalistischen Bourgeoisie der Zeit überhaupt gesagt hat, daß sie – im Besitz der Staatsgewalt – sofort übermütig werde und ihrer Habsucht die Zügel schießen lasse,272 daß ihr die materielle Ausbeutung der Macht nicht weniger am Herzen liege als die mit der Macht verbundene Ehre.273 Er spricht es geradezu als eine allgemeine Erfahrung aus, daß die Profitwut der Reichen einem sonst gesunden Gemeinwesen in der Regel noch gefährlicher sei als die Habgier der Masse.274

Entspricht doch dies Verhalten ganz dem sozialen Programm, in welchem sich der Geist der Plutokratie lange vor Aristoteles selber ein klassisches Denkmal gesetzt hat! Niemals hat der Klassenhochmut und der Klassenegoismus eines Teiles der plutokratischen Bourgeoisie einen drastischeren Ausdruck gefunden als in dem – eben aus diesen Kreisen hervorgegangenen – anonymen Pamphlet gegen die athenische Demokratie. Für den plutokratischen Jargon, der hier angeschlagen wird, ist der Begriff des »anständigen« Mannes ganz wesentlich abhängig von der Schwere des Geldbeutels. Mit brutaler Offenherzigkeit wird es ausgesprochen, daß der Mensch nur soweit etwas ist, als er etwas hat. Der Arme ist auch der »Gemeine«. Er verdient nichts Besseres als die – Knechtschaft! – Die Herrenmoral, die hier gelehrt wird, will das Wohl der meisten einfach dem Wohle der wenigen geopfert wissen. Sie erkennt der Masse keinen anderen Daseinszweck zu als denjenigen, der durch die Muße des Besitzes zur vollen Entfaltung ihres Daseins befähigten Gesellschaftsklasse dienstbar zu sein.

Diese Bekenntnisse eines athenischen Oligarchen sind auch noch in anderer Hinsicht für die Entwicklung des Kapitalismus bedeutsam. Sie[203] zeigen, zu welcher Höhe sich der plutokratische Ideenflug selbst inmitten der reinen Demokratie versteigen konnte.

Es liest sich wie eine bittere Satire auf die perikleische Verherrlichung des Gleichheitsideals bei Thukydides, wenn derselbe Geschichtschreiber durch den Mund des Alkibiades die plutokratische Sozialphilosophie mit cynischer Offenherzigkeit verkünden läßt. Der übermütige Liebling des Glücks erklärt denen, die ihn wegen seiner Wagen und Pferde und seines prunkvollen Auftretens überhaupt anfeindeten, rund heraus, daß es ein Naturrecht des Hochstehenden sei, sich eben nicht als Gleicher unter Gleichen zu fühlen! Solange der, dem es schlecht geht, keinen finde, der der Gleichheit zuliebe sein Elend mit ihm teilt, solange müsse man es sich auch gefallen lassen, wenn man von den Glücklicheren über die Achsel angesehen werde! Erst müßte man sich selbst den Unglücklichen oder Geringeren gleichstellen, bevor man dasselbe von den Glücklichen verlangt.275

Weitere interessante Streiflichter fallen auf das kapitalistische Milieu der Zeit durch die sozialpsychologischen Charakterbilder, welche Aristoteles von gewissen Vertretern des Reichtums und Theophrast vom »Oligarchen« zeichnet. »Was der Reichtum für Charaktereigentümlichkeiten zur Folge hat,« sagt Aristoteles,276 »liegt jedermann vor Augen. Sobald die Menschen dem Reichtum einen Einfluß auf ihr Inneres verstatten, verfallen sie dem Übermut und Hochmut. Sie kommen sich dann gerade so vor, als ob sie im Besitze aller nur denkbaren Vorzüge wären. Denn der Reichtum ist gleichsam ein Maßstab für den Wert aller anderen Dinge,277 so daß es den Anschein hat, als sei für ihn alles und jedes käuflich.278 Dazu kommt die Üppigkeit und die prahlerische Schaustellung des Reichtums, der Glaube, daß das, was für solche Menschen das Höchste ist, auch für alle anderen das einzige Ziel ihres Strebens sein müsse.« Eine Ansicht, die gar nicht einmal so unbegründet sei, denn die Zahl derer, welche der Reichen bedürfen, ist groß. Hat doch Simonides die Frage, ob Reichtum oder Bildung vorzuziehen sei, zugunsten des Reichtums beantwortet! Denn er sehe die Weisen vor den Türen der Reichen! Eine weitere Begleiterscheinung des Reichtums ist sein Anspruch[204] auf die politische Macht, weil der Reiche eben das zu besitzen glaubt, was zum Herrschen berechtigt. Dazu kommen alle die mannigfachen Verirrungen, welche aus Mangel an Selbstzucht entstehen, und die besonders verletzend zutage treten bei den rasch reich gewordenen Emporkömmlingen (den neugebackenen Millionären! τοῖς νεωστὶ κεκτημένοις, νεοπλούτοις).279

Mit dem Typus des Geldmenschen ist nahe verwandt der des »Oligarchen«. Oligarchische Gesinnung ist nach Theophrast »Liebe zur Macht, die zugleich stark am Vorteil hängt«.280 Weiter heißt es in dem theophrastischen Charakterbild von dem Vertreter dieses Typus: Er hat aus den homerischen Gedichten nur das eine behalten: »Nimmer Gedeih'n bringt Vielherrschaft, nur einer sei Herrscher!« Sonst aber weiß er nichts! (Die Bildungslosigkeit des Geldmenschen!) – Erst zur Mittagszeit geht er aus, in seines Mantels Falten gehüllt, die Haare modisch geschoren, mit sorgfältig geschnittenen Nägeln, dabei läßt er Reden fallen wie diese: »Es ist nicht auszuhalten in der Stadt! – Was wir uns von den Sykophanten und in den Gerichten bieten lassen müssen! – Ich möchte nur wissen, was die Leute wollen, die sich (jetzt) dem Staate widmen! – Undankbar ist die Menge; wer mit vollen Händen austeilt, dem gehört sie!« Und er schäme sich in der Volksversammlung, wenn so ein struppiger Hungerleider neben ihm sitze. – »Eines von beiden, wir oder sie müssen hinaus!«

Man sieht: es kommen in der Entwicklung des hellenischen Kapitalismus die wesentlichsten sozialökonomischen und sozialpsychischen Phänomene zum Vorschein, welche für die kapitalistische Gesellschaft typisch sind. Kein Wunder, daß uns auch die Kehrseite des Mammonismus und der Kapitalherrschaft, der Pauperismus, in typisch reiner Form entgegentritt.

Schon der bloße Kontrast zwischen der gedrückten und abhängigen Lage der Lohnarbeit und dem demokratischen Freiheitsgefühl leistete der Proletarisierung Vorschub, da sich natürlich viele der »sklavischen« Handarbeit möglichst zu entziehen suchten. Wie leicht konnte ferner auch der redliche Arbeiter und Handwerker, der sich sonst gerade noch notdürftig behauptete, bei der Unsicherheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Stadtstaates und den dadurch hervorgerufenen ökonomischen Krisen auf eine Stufe der Armut herabsinken,[205] wo sein Einkommen selbst für jene dürftige Lebenshaltung nicht mehr ausreichte und Hunger und Not sein Schicksal war!

Allerdings waren solche Krisen vorübergehend; und was jene andere Ursache der Verarmung betrifft, die mangelnde Arbeitslust, so war sie immerhin eine individuelle, der sich der einzelne entziehen konnte. Ungleich schlimmer war jene andere Art von Armut, die auf einem allgemeinen Grunde beruhte, d.h. durch die wirtschaftliche Ordnung der Gesellschaft selbst erzeugt wurde. So, wie die Lage der besitzlosen Masse unter den geschilderten Verhältnissen war, konnte sie nur zu leicht zu dem führen, was man eben als Pauperismus, als Klassenarmut bezeichnet.

Es ist ein starker Optimismus, wenn »Frau Armut« in der bekannten aristophanischen Komödie zu ihrem Lobe sagt:


»Die Lage des Armen ist sparsam sein und anhaltsam zur Arbeit.

Und es bleibt ihm zwar nichts übrig dabei, doch nie auch hat er zu wenig.«281


Frau Armut verkennt, daß der Arbeiter und Handwerksmann, der nichts ersparen konnte, dessen einziger Schutz gegen Verarmung seine Arbeitskraft war, sofort dem Mangel und der Not anheimfiel, wenn durch Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter die Arbeitskraft brach gelegt war. Soweit die Arbeit eben nur einen für das gegenwärtige Bedürfnis knapp hinreichenden Lohn gewährte, enthielt das Arbeits- und Lohnsystem selbst die stete Gefahr der Verarmung, der sich auch der »zur Arbeit Anhaltsame« nicht zu entziehen vermochte. Mit Recht hätte sich daher ein solcher Arbeiter die bittere Antwort aneignen können, die bei dem Dichter der Frau Armut zuteil wird:


»Und wie er selig entschläft, bei Demeters Kind! dein Armer, wie du ihn geschildert!

Wenn er matt sich geschafft und zu Tode gespart, nichts läßt er dann nach zum Begräbnis.«


Eine Antwort, die zugleich sehr treffend die durch die Klassenlage der besitzlosen Arbeit notwendig erzeugte Erblichkeit der Armut zum Ausdruck bringt.

Welch tiefe Wahrheit enthält von diesem Gesichtspunkt aus das attische Sprichwort, daß »Armut und Bettlertum leibliche Geschwister« seien.282 Und man begreift es, wie Prodikos von Arbeitern und Handwerkern[206] sprechen konnte, die »sich plagen von einer Nacht zur andern und dabei kaum den Lebensbedarf sich verschaffen können, jammernd über sich selbst und jede schlaflose Nacht ausfüllend mit Klagen und Tränen«!283 Eine Schilderung, die ja rhetorisch übertreibt, aber doch in dieser Form nicht möglich gewesen wäre, wenn sich nicht in einzelnen Schichten der arbeitenden Bevölkerung wirkliches Elend gefunden hätte.284

Kein Wunder, daß der kleine Mann sich zu den bezahlten öffentlichen Funktionen drängte, wie sie durch die Demokratie zu einer stehenden Institution geworden waren. Es ist das eben ein Symptom nicht bloß der Arbeitsscheu, sondern zum guten Teil gewiß auch der ökonomischen Lage, die viele geradezu nötigte, auf diese Weise ihr unzureichendes Einkommen zu ergänzen; ein Symptom dafür, daß das Elend sich nicht als bloße Ausnahmeerscheinung, sondern als sozialer Zustand, als Pauperismus fühlbar gemacht hat. Es ist nur zu wahr, wenn es bei Aristophanes heißt, der kärglich zubemessene Richtersold diene dazu, dem Armen die tägliche Not zu lindern,285 die Beteiligung am öffentlichen Leben sei für viele zum Erwerb, zur »Tagelöhnerei« geworden.286 Wird doch schon von Perikles erzählt, daß er mit seinem System öffentlicher Spenden und Besoldungen, mit seiner umfassenden Kolonialpolitik und großartigen Bautätigkeit eben der Armut des Demos abhelfen und das arbeitslose Proletariat vermindern wollte.287 Ferner hat bereits Euripides in seiner bekannten Schilderung der verschiedenen Gesellschaftsklassen den Reichen und dem Mittelstand, dem »wahren Bürgerstand« als eigene soziale Gruppe den neiderfüllten Pöbel gegenübergestellt, der »nichts hat und des Lebensunterhalts ermangelt«.288 Eine Schilderung, mit der ja die von der Hand in den Mund lebende Klasse überhaupt gemeint ist, die aber doch die teilweise Proletarisierung derselben unverkennbar durchblicken läßt. Und noch deutlicher kommt diese zum Ausdruck bei Plato, wenn er dem Übermaß des Reichtums das Übermaß des Elends derjenigen gegenüberstellt, die infolge ihrer ökonomischen Verkümmerung überhaupt aufgehört haben, ein schaffendes und erwerbendes Glied der[207] Gesellschaft zu sein, die »ganz Armen und Darbenden«, die Proletarier κατ᾽ ἐξοχήν.289 In der auf ein geringes Einkommen angewiesenen Masse, welche nach Plato in den Demokratien die Mehrzahl der Bevölkerung bildet, werden von ihm zwei Hauptbestandteile unterschieden: die von ihrer Hände Arbeit Lebenden und die Arbeitslosen.290 Auch Aristoteles hebt als charakteristisches Kennzeichen der großen Städte seiner Zeit den ungenügend beschäftigten Pöbel hervor, den er in Gegensatz stellt zu dem bäuerlichen Demos der alten Zeiten, der mit seiner Arbeit genug zu tun gehabt.291 Wie hätte sich vollends die soziale Theorie der Griechen, das politische Räsonnement und der Kampf der Parteien mit so furchtbarer Ausschließlichkeit auf den Gegensatz zwischen arm und reich werfen können,292 wenn dieser Gegensatz sich nicht immer intensiver fühlbar gemacht hätte?

Ist doch nicht bloß innerhalb der städtischen Mauern, sondern selbst in der Agrarwirtschaft die Störung des sozialen Gleichgewichts ganz unverkennbar. Denn daß hier Grundverschuldung, Proletarisierung eines Teiles der Bauernschaft, Ausbeutung der Arbeit, überhaupt der kapitalistische Druck im Zunehmen begriffen waren, das beweist schon die sozialgeschichtlich überaus bedeutsame Tatsache, daß eben damals die alten Forderungen eines agrarischen Radikalismus: Entschuldung und Neuaufteilung des Grund und Bodens, überall wieder auflebten und die sozialen Kämpfe der ganzen Folgezeit beherrscht haben.

Welch ungünstiges Licht wirft auf die sozialökonomische Entwicklung des platten Landes allein die Tatsache, daß auch ein Teil der ländlichen Bevölkerung von derselben Gier nach den öffentlichen Spenden und Soldzahlungen angesteckt erscheint wie das städtische Proletariat! »Ihr wackern Alten« – läßt Aristophanes in der Komödie vom »Reichtum« seinen Chor alter Ackersleute anreden – »wie oft habt ihr am The seusfest euch drängen und stoßen lassen um ein Stücklein Brot!«293 Eine Szene, die sicherlich ebenso aus dem wirklichen Leben gegriffen[208] ist, wie die Gestalten der »Nachbarn Ackersleute« selbst, die »im Schweiße ihres Angesichts im Feld arbeiten«,294 und doch »arm und kümmerlich leben müssen«,295 »bei aller Redlichkeit oft das liebe Brot nicht haben«.296 – Stimmt doch hier mit dem Dichter der Publizist überein, Isokrates, der mit schmerzlichem Bedauern der alten Zeit gedenkt, wo die Bauern noch nicht zu den Festen nach der Stadt geströmt, sondern lieber auf dem eigenen Gut geblieben seien, statt mit vom Staatsgut zu zehren.297 Auch der Heliast, den Aristophanes vorführt, der von dem Gerichtssold für seine Familie Brot, Zukost und Brennholz beschaffen soll, der, wenn der Archont nicht zu Gericht sitzt, in Verlegenheit ist, wie er das Geld zum Mittagbrot auftreiben soll,298 – er ist gewiß nicht bloß eine Erfindung der Komödie. Der Bauer, der Brotlieferant des Volkes sein soll, ist – teilweise wenigstens – selbst zum Kostgänger des Staates geworden! – Ein unverkennbares Symptom dafür, daß die Proletarisierung auch in der ländlichen Bevölkerung um sich zu greifen begann.

Durch den Rückgang der wirtschaftlichen Selbständigkeit des bäuerlichen Besitzes litt nun aber nicht bloß das soziale Gleichgewicht auf dem Lande, sondern in der Gesellschaft überhaupt. Ein Rückschlag auf die Verhältnisse des gewerblichen Arbeitslebens war unvermeidlich. Der kleine Parzellenbesitzer, Pächter, Landarbeiter, der sich den Nahrungsspielraum in der Landwirtschaft beengt sah, zog sich in die Städte, um hier lohnenderen Erwerb zu suchen. Eine Hoffnung, die nur allzuoft getäuscht ward. Denn dieser Zuzug vom Lande vermehrte das Angebot von Arbeitskräften und drückte auf die Löhne, so daß auch hier die Wage noch mehr zugunsten des Kapitals sich neigte. Er vermehrte die arbeitsfähige Armut in den Städten, die Masse des unbeschäftigten Proletariats, das zur Verschärfung der sozialen und politischen Gegensätze so gewaltig beigetragen hat.

All das muß man sich vergegenwärtigen, wenn man die pessimistischen Stimmungsbilder verstehen will, welche einer der hervorragendsten[209] Publizisten der Zeit, Isokrates, von der Lage der besitzlosen Masse in Athen und dem übrigen Hellas entworfen hat. Diese Schilderungen mögen zu sehr verallgemeinern und die Schatten allzu stark hervortreten lassen, sie mögen insbesondere den Gegensatz zu der vermeintlichen guten alten Zeit allzu tendenziös übertreiben; dafür, daß die Masse des Proletariates im Zunehmen begriffen war, kann man Isokrates unbedenklich als Zeugen nennen.

Während in der Vergangenheit – zur Zeit der Areopagherrschaft – kein Bürger des Notwendigen entbehrt und keiner den Staat dadurch beschimpft habe, daß er die Vorübergehenden anbettelte, seien jetzt diejenigen, welche Mangel litten, zahlreicher als die, welche etwas besäßen.299 Und billig sei es, diesen Armen zu verzeihen, wenn sie sich nichts um das Gemeinwesen kümmern, sondern einzig und allein darauf bedacht sind, wie sie sich den Unterhalt für den gegenwärtigen Tag verschaffen!300 »Wer wird nicht trauern, wenn er sieht, wie viele Bürger vor den Gerichtshöfen um des lieben Brotes willenlosen, ob sie desselben teilhaftig würden oder nicht,301 wie sie (gegen Bezahlung) an Chören in goldgeschmückten Gewändern teilnehmen, den Winter aber in Kleidern zubringen, die ich nicht beschreiben mag.«302 Diese Leute – heißt es in der Rede über den Frieden – müssen von den Gerichten und Volksversammlungen geradezu leben.303 Auch macht sie die Not zu blinden Anhängern der Agitatoren und Sykophanten, die bei ihrer Verfolgung der Reichen stets das Interesse dieser proletarischen Masse hinter sich haben und daher deren Besitzlosigkeit, in der ihre eigene Macht wurzelt, möglichst verallgemeinert sehen möchten!304 – Isokrates bezeichnet diese[210] inneren »Widersprüche im staatlichen Leben« der Demokratie geradezu als eine Schmach für den Staat.305

Noch düsterer schildert Isokrates die Zustände im übrigen Hellas. Er beklagt die allgemeine Zunahme eines besitz- und heimatlosen Proletariats, eines massenhaften, für die öffentliche Sicherheit immer bedrohlicher werdenden Vagabunden- und Reisläufertums, zu welch letzterem sich dies Proletariat in Menge hinzudrängte. Er sieht in allem geradezu eine nationale Gefahr, die nur durch sozialpolitische Maßregeln im großen Stil, durch eine Kolonisation Kleinasiens von Cilicien bis hinauf nach Sinope beschworen werden könnte!306 »Griechenlands Lage ist so, daß es leichter ist, ein größeres und besseres Heer aus den umherirrenden Heimatlosen als aus den angesessenen Bürgern zusammenzubringen.«307

Zwar wirkten hier neben den wirtschaftlichen auch die politischen Verhältnisse mit, die wütenden Parteikämpfe mit ihren Verbannungen und Gütereinziehungen, die so viele ins Elend trieben; allein wenn wir uns noch einmal die Gesamtheit der sozialökonomischen Phänomene vergegenwärtigen, nach denen wir mangels statistischer Anhaltspunkte die Vermögens- und Einkommensverteilung in den fortgeschrittensten Landschaften von Hellas beurteilen müssen, so werden wir immer wieder zu dem Ergebnis kommen, daß hier eine starke Tendenz der geschichtlichen Bewegung seit dem 4. Jahrhundert auf eine zunehmende Differenzierung der Gesellschaft hingewirkt hat.

Zunächst kann nach dem Gesagten kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß – soweit die geschilderten Tendenzen wirksam waren und nicht durch andere entgegenstehende gemildert wurden308 – die größeren Einkommen und Vermögen stärker wuchsen als der Gesamtwohlstand.[211] Eine Annahme, die sich bestätigt durch eine volkswirtschaftliche Tatsache, welche die Wirksamkeit der auf eine starke Differenzierung hinarbeitenden Faktoren wesentlich verstärkte. Es ist das die Höhe des Miet- und Pachtzinses, sowie des üblichen Darlehenszinses (letzterer im 4. Jahrhundert durchschnittlich zwölf Prozent). Dieser hohe Kapitalzins, der die Benützung fremden Kapitales erschwerte und daher die Konkurrenz der Unternehmer sowohl in bezug auf ihre Zahl, wie auf die Größe des von ihnen verwendeten Kapitales verminderte, läßt deutlich erkennen, daß die Möglichkeit, beträchtliche Einkommensüberschüsse zu erzielen und damit zur Kapitalneubildung zu gelangen, für die höheren Besitzes- und Erwerbsschichten eine ungleich größere war als für den mittleren und kleineren Besitz, daß das hohe Unternehmereinkommen, das mit dem hohen Kapitalzins Hand in Hand ging, jenen ungleich mehr als diesem letzteren zugute kam.

Wenn es aber die Spitzen der Erwerbsgesellschaft waren, die Gutsbesitzer, Fabrikanten, Kaufleute, Bankiers, Spekulanten und Rentiers, in deren Kreisen die Vermögensbildung die Tendenz zeigt, extensiv und intensiv die größten Fortschritte zu machen, so mußte damit der Abstand der großen von den kleinen und kleinsten Leuten notwendig zunehmen und zwar um so mehr, je geringer der Anteil am Produktionsertrag war, der – wie wir sahen – auf die arbeitende Masse traf. Wo sich auch bei steigendem Volkseinkommen und Vermögen die Lage der besitzlosen Masse relativ nicht entsprechend zu heben vermochte, da ist dieselbe, wenn man sie mit der der obersten Schicht vergleicht, relativ ärmer geworden.

Ebensowenig kann unter den geschilderten Umständen ein Zweifel darüber entstehen, daß in vielen Städten auch der Zahl nach die Klasse der Bevölkerung, die ohne Besitz von der Hand in den Mund lebte, verhältnismäßig, ja teilweise absolut, eine größere wurde.309 Die wenn auch nur relative Vermehrung des Pauperismus und des Proletariates, verbunden mit der zunehmenden Verstärkung des Kapitalismus, bedeutete aber anderseits zugleich ein wenigstens relatives Zurücktreten des Mittelstandes, eine Verminderung des Übergewichtes des mittleren Wohlstandes, auch da, wo derselbe zunächst an Zahl noch nicht zurückging. Daß der Mittelstand seit dem 4. Jahrhundert aber auch numerisch vielfach[212] im Rückgang begriffen war, daß die Brücke zwischen arm und reich schmäler zu werden begann, dafür spricht unter anderem die Bemerkung des Aristoteles, daß in den griechischen Staaten seiner Zeit häufig der Mittelstand an Zahl gering und daher nicht imstande sei, die Entstehung von Plutokratie oder Massenherrschaft zu verhindern.310 Eine Beobachtung, die nicht den Zweifeln unterworfen ist wie ähnliche Behauptungen Platos und des Aristoteles selbst, die bei ihrer Kritik der »Mißverhältnisse des Besitzes«, der »ἀνωμαλία κτήσεως«, leicht zu vorschnellen Verallgemeinerungen kommen311 und stets geneigt sind – ganz im Sinne der neueren sozialistischen Verelendungstheorie – eine allzu starke Verengerung des Kreises der »Reichen« und eine allzu intensive und allgemeine Verkümmerung der Masse anzunehmen. Eine Neigung, die freilich ihrerseits auch wieder als Reflex tatsächlich vorhandener sozialer Disharmonien nicht ohne Bedeutung für unsere Frage ist.

Quelle:
Robert von Pöhlmann: Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der antiken Welt, München 31925, Bd. 1, S. 189-213.
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