Fahrende Schüler

[169] Fahrende Schüler, scholastici, scholares vagantes, aus vagantes durch Volkswitz korrumpiert auch Bachanten mit Anlehnung an Bacchus. Die erste Form dieser im Mittelalter sehr zahlreichen Menschenklasse sind die clerici vagantes, die im 11. und 12. Jahrhundert ohne bestimmtes Amt ein freies Wanderleben führten und als Kaplane, Gesellschafter u. dgl. an den Höfen Dienste fanden. Aus ihnen entwickelt sich im 13. Jahrh. der geschlossene Stand der Goliarden, franz. gouliards, wandernde Gesellen mit viel Vorliebe für Dichtkunst, die zwar im Gebrauch der lateinischen Sprache ihrem klerikalen Charakter treu blieben, dagegen in der freien, fröhlichen, dem Leben entnommenen Darstellung wenig kirchlichen Charakter aufwiesen. Von ihnen stammen u.a. die Carmina burana (siehe diesen Artikel). Es sind nicht mehr durchgängig wirkliche Kleriker, sondern zum Teil Studenten, die erst Kleriker werden wollen. Im 14. Jahrh. werden sie ganz aus dem geistlichen Stande ausgestossen und treiben sich bei den Bauern als Zauberer und Hexenbanner, Wunderdoktoren und Kuppler umher; ihnen verdankt man wahrscheinlich die aus dieser Zeit erhaltenen Mischlieder in Latein und Deutsch. Erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts kommen die eigentlichen Bachanten auf, alte Schulbuben und wandernde Provisoren, die den Stadtschulen nachgehen und sich als Unterlehrer vermieten. Auf den Wanderungen führten sie kleine Knaben, A-B-C-Schützen genannt, mit sich, angeblich um sie in eine gute Schule zu bringen und selbst zu unterrichten, in Wahrheit um sie für sich betteln und stehlen – schiessen – zu lassen. So ein A-B-C-Schütz war Thomas Plater, 1499 bis 1582, später Rektor zu Basel, dessen Selbstbiographie allgemein bekannt ist und das anschaulichste Bild dieses Treibens abgiebt. Ähnlich die Biographie des Burkhardt Zingg in den scriptores rerum Boicarum, [169] I. Zahlreiche kirchliche Stiftungen sorgten für den Unterhalt dieser Leute. Palm in Schmids Encykl. – Giesebrecht in Allgem. Monatsschrift f. Wissenschaft und Litteratur. 1851.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 169-170.
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