Gesellschaftslieder

[288] Gesellschaftslieder nennt man diejenige Gruppe von Volksliedern des 16. und des 17. Jahrh., welche für die Lust und Übung heiterer Gesellschaft aus den altern einstimmigen Weisen zwei- und mehrstimmig umgesetzt wurden; in eigenen Sammlungen oder Liederbüchern vereinigt sind sie die Nachfolger der fliegenden Blätter geworden. Die Gesellschaftslieder sind hin und wieder noch ächte Volkslieder, entfernen sich aber immer mehr von ihnen und werden Kunst- oder Gelehrtenlieder, indem die Musiker die älteren Texte verändern oder mit neuen von ihnen selbst oder von gelehrten Leuten verfassten Texten vertauschen.[288] Die ersten Sammlungen; dieser Art sind die wertvollsten, später finden sich in ihnen viele fade Reimereien und namentlich Nachahmungen welscher Texte mit welschen Melodien. Mit italienischen und französischen Formen, Madrigalien, Kanzonetten, Motetten, Tricinien, Intraden, Villanellen, Galliarden, Couranten, Paduanen, Neapolitanen, Saltarellen, Volten, Balleten, Parodien, Passamezzen, und zugleich mit Allegorien, mythologischen Namen und Bezeichnungen, fremden Worten und Redensarten füllen sich jetzt die deutschen Liederbücher. Anfangs wurden die letzteren in kleinem, länglichem Quartformat gedruckt, mit gutem Papier und zum Teil vortrefflichem Notensatz, später seit 1600 in gewöhnlichem Quart auf schlechtem Papier und mit immer elender werdendem Schrift-Notendruck. Die wichtigsten Druckorte sind Nürnberg, Frankfurt und München. Die Greuel des dreissigjährigen Krieges und die mit Opitz auftretenden Gedichtsammlungen einzelner Dichter lassen um 1620 die Gesellschaftslieder aussterben. Siehe die deutschen Gesellschaftslieder des 16. und 17. Jahrhunderts, aus gleichzeitigen Quellen gesammelt von Hoffmann von Fallersleben. 2 Teile. Leipzig, 1860.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 288-289.
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