Hundertschaft

[440] Hundertschaft, ahd. huntari, hunteri, lat. centena, ist eine Unterabteilung des Gaues im früheren Mittelalter. Es ist ursprünglich kein gemein-germanisches Institut und begegnet vor und während der Völkerwanderung nur bei Ost- und Westgoten und Vandalen, wo je hundert Krieger, von Zehntschaften gebildet, zu je zwei Fünfhundertschaften und einer Tausendschaft aufsteigend, darunter verstanden sind. Von den westgermanischen Völkern kennen bloss die Franken, aber erst in späterer Zeit, diese Einteilung, die von ihnen zu einigen der von ihnen unterworfenen Stämme gebracht wurde. Hier ist es nicht mehr ein militärischer, sondern ein räumlicher Verband; man vermutet,[440] dass die Centenen oder Centen ursprünglich mit den Urmarken zusammengefallen seien; in der fränkischen Verfassung war die Hundertschaft der regelmässige Gerichtsbezirk, die Gerichtsversammlung derselben ahd. das mahal, mittellat. mallus. Der Vorsitzende Richter hiess fränkisch thungin, die sieben Männer, welche das Urteil vorschlugen, rachineburgii; sacebarones hiessen die Beamten des Königs im Hunder; ihnen stand der Einzug der von den Gerichten gefällten Friedensgelder zu. Seitdem der alte thungin Unterbeamter des Grafen für den einzelnen Hunder geworden war, hiess er hunno = hundo, schultheiss, centenarius, vicarius oder tribunus. Er wurde vom Grafen, ausnahmsweise vom Könige selbst gewählt. Als Diener des Grafen war er mit der Vollstreckung des peinlichen Strafurteils, mit Überwachung der Gefängnisse und mit der Exekution des Civilurteils betraut; sodann hatte er die Steuern und Gefälle für den König zu erheben und das Aufgebot zum Heerbann zu verkündigen. Seitdem die Gerichte in die echten und die unechten Dinge (siehe den Art. Gerichtswesen) zerfielen, wurde der Hunn oder Schultheiss Leiter und Vorstand des letzteren; im echten Dinge hatte er neben dem Grafen seinen Sitz. Schon in der karolingischen Zeit geriet die Gerichtsbarkeit mancher Hundertschaften in grundherrliche Gewalt, wodurch auch die Wahl des Gerichtsvorstehers Befugnis und Recht des Grundherrn wurde; seit dem 11. und 12. Jahrhundert hörte infolge der Zerbröckelung der Grafschaften die Einrichtung der Hundertschaften ganz auf; das Amt des Schultheissen wurde in den geistlichen Herrschaften mit dem der Vögte vermischt, in den Städten wurde der Schultheiss zum Vorsteher des nach ihm benannten Schultheissengerichts. Vgl. namentlich Sohm, Fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, §. 8 und 9.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 440-441.
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