Mantel

[626] Mantel. Unter den eigentlichen Kleidungsstücken ist der Mantel das älteste. Wie im Oriente, so kommt er auch bei den ältesten Kulturvölkern des Abendlandes ursprünglich als das einzige vor, indem er, aus einfachen Stoffen gefertigt, als faltiges Gewand den Körper deckt, von den Schultern bis zum Fuss, und zwar gehörte er beiden Geschlechtern gemeinsam an. In zweiter Linie tritt dazu das ärmellose Untergewand. So in Rom, das seine Sitten und Gebräuche mit dem Schwerte in der Hand in die Nachbarstaaten trug. Mit der Biederkeit und Einfachheit der Republik fiel aber auch die schlichte Toga oder artete in absonderliche Formen aus, so dass sie ihrem Zwecke oft entfremdet wurde.

Die Franken ahmten in ihrer Tracht die römischen Formen nach. Sie schnitten ihre Mäntel aus einem viereckigen Stück Tuch, und trugen sie »übereck«, sodass die Spitzen vorn und hinten bis auf den Boden reichten, zu beiden Seiten aber der Unterschenkel frei blieb. Demselben war wohl auch – nach Art der römischen paenula – eine Kapuze angefügt, zur Deckung von Kopf und Hals. Nach der Farbe trug man sie mit Vorliebe grau oder blau.

Vom 11. Jahrhundert an wird er halbkreisförmig, bald auch kreisförmig geschnitten, und erhält sich in diesen beiden Formen durch das ganze Mittelalter hindurch. Er wird auch kürzer, zierlicher, köstlicher, dient aber immer weniger zum Schutz, als zur Zierde. Getragen wird er anfänglich auf der linken Schulter, auf der rechten befestigt, dann als Rückenmantel auf beiden, vorn durch ein Band, eine Agraffe oder Kette (Mantelschloss) zusammengehalten. Der Mantel der letzteren Art hiess auch »Glocke« und war oft der ganzen Länge nach zum Zuknöpfen eingerichtet. Beide wurden mit oder ohne Gugelhaube getragen. Auch als mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts die weitfaltigen Gewänder den Mantel für den gewöhnlichen Gebrauch leicht entbehrlich machten, wurde er gleichwohl beibehalten, wenn auch noch mehr gekürzt und mit ausgezoddelten Rändern geziert. Zu einem weitgeöffneten, nutzlosen, oft nur noch lappenähnlichen Rückenbehang wurde der Mantel an der Wende des genannten Jahrhunderts, während er in der Folgezeit als Zierkleid[626] fallen gelassen wird und mehr noch als Bedürfniskleid, aber als solches wieder längergefaltet auftritt.

In bezug auf Stoff, Farbe und Verzierungen unterschieden sich die verschiedenen Stände auch in ihren Mänteln genau, und namentlich Amtspersonen und Würdenträger entbehrten seiner als Symbol oder Abzeichen nicht; bei der Amtskleidung spielte neben dem Schwert und Krummstab auch der Mantel eine wichtige Rolle. (Siehe die Artikel Krönungsinsignien und Ornat.) Der auf der Erde ausgebreitete Mantel ist das Zeichen der Besitznahme eines Landes durch einen Feldherrn, die Bekleidung mit demselben der Einsetzung in ein bestimmtes Amt. Der Amtsrock aber wurde nur getragen während der Ausübung amtlicher Funktionen. Vorehelich geborene Kinder werden legitimiert, indem die Mutter sie bei der Trauung mit ihrem Mantel bedeckt; daher ihr Name – Mantelkinder. Verurteilte aber werden in den Verbrechermantel gehüllt und öffentlich ausgestellt oder zur Richtstätte geführt.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 626-627.
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